Zitat von Maurice:Ein friedfertiger Mensch soll weniger frei sein? Das musst du mir erklären!
Wenn ein Mensch nicht friedfertig ist, kann er böses tun. Wenn ein Mensch friedfertig ist, dann kann er nichts böses tun. Also ist er weniger frei.
Ich weis nicht, wie weit du die friedfertigkeit eines Menschen festlegen willst, aber ich geb dir einfach das Beispiel aus der Bibel, um das klarer zu machen.
Adam und Eva haben vom Baum der Erkenntnis gegessen. Vorher wussten sie naiv, was gut und böse war, also brauchten sie auch nicht über ihr Handeln nachdenken. (Bemerkung nebenbei: Das wäre der paradiesische Zustand, den wohl keiner haben will. ALso warum in den Himmel?) Nachdem sie von dem Baum gegessen haben, haben sie die Freiheit bekommen, schlechtes zu tun. Dadurch haben sie also mehr Freiheit bekommen, aber natürlich auch mehr Verantwortung. Was du willst Maurice ist eine Einschränkung der Verantwortung von Menschen und somit eine Einschränkung der Freiheit. Mir ist klar, dass es bei deinem Modell schon noch Freiheit gibt. Du würdest wahrscheinlich so argumentieren, dass es einfach andere ethische Grenzfälle gibt, über die man sich dann Gedanken machen muss, so wie du das auch mit den anderen Interessen versuchst zu erklären. Aber letztendlich führt es doch zu weniger Freiheit.
Zitat von Maurice:Imo besitzt der Mensch keine Willensfreiehit
Also ein imho halte ich an dieser Stelle für unangebracht, da wir dort doch eher auf die Wissenschaft schauen sollten. Eine Willensfreiheit hat der Mensch schon. Aber dazu mal etwas von Bernhard Hassenstein.
"1. Jähzorn und panische Angst sind Beispiele für Verfassungen des Menschen, in denen er einem Antrieb völlig ausgeliefert ist. Andere Bestrebungen, z.B. vernünftige Überlegungen, können sich nicht durchsetzen.
[...]
3. Der Gedankenfluss beim Nachdenken und Überlegen ist in seinem Inhalt an keine Gesetze gebunden]
Wir können die beste Ethik ausdenken, wo jeder auf bester Weise zu seinem Wohl und dem der Allgemeinheit handelt. Nur diese Ethiken werden in ihrer vollen Konsequent nie Realität werden, solange es Menschen gibt, denen das Wohl der anderen egal ist und die anderen ausbeutet.
[/quote]
Das ist sehr pessimistisch. Ich sehe schon eine Chance, die Sache kulturbedingt in den Griff zu bekommen. Man sieht ja eigentlich an unserer Gesellschaft, dass doch die wirkich allermeisten Menschen ein friedfertiges Leben führen und es nur ziemlich selten zu Ausnahmen kommt. In so gut wie allen solcher Ausnahmefällen liegt eine falsche Erziehung vor.
Schwerwiegendere psychologische Ursachen für ein Fehlverhalten sind immer möglich, auch in deinem Modell vom Menschen.
Zitat von Maurice:Dieser (zu) starke Machttrieb
Also den Machttrieb sehe ich zum einen als kein Problem und zum anderen als unabdingbar. Wie willst du eine Gesellschaft formen, in denen es keine Leute gibt, die Macht haben (wollen) und damit auch die meiste Verantwortung tragen?
Wiedermal hassenstein vom Ethologiekongress in Hamburg 1986 (ich weis, is alt, aber immernoch aktuell würde ich behaupten. Ich lasse mich gerne eines besseren belehren)
"Der Verstand vermag sehr wohl zum erfolgreichen Widersacher gegen Irrläufer im Triebgefüge der menschlichen Natur zu werden und die Angst vom Alleinherrscher-Thron auf dem Befehlsstand der Verhaltenssteuerung zu stoßen.
Das gleiche gilt auch, sagt Hassenstein, auf dem Feld der Humanität. Er definiert: Vernunft ist Verstand, auf Menschlichkeit bezogen. Einen der größten Widersacher dagegen sieht er im biologischen Phänomen der Gruppenfeindlichkeit. Sie entsteht als aggressive Massenreaktion (<--- das ist wichtig!), wenn sich eine Gruppe von einer anderen bedroht fühlt, ob dies nun stimmt oder nicht. Rassenhass und Religionstoleranz nehmen dabei besonders inhumane Züge an. Hemmungslose Grausamkeit gegen den Feind, sich lawinenartig ausbreitende Ansteckung (<---- auch wichtig^^) der aggressiven Stimmung und kritiklose Solidarisierung mit der eigenen Gruppe sind drei Seiten derselben Verhaltenseinheit."
Ich denke darin kann man den Grund für alle größeren Kriege finden. Es geht eigentlcih immer auf diesem Wege. Die Bevölkerung wird aufgehetzt (lawinenartig ausbreitende Ansteckung) usw. usw..
Deswegen würde ich, wenn ich genetisch etwas ändern würde, diese Gruppenfeindlichkeit aus"bauen".
Zitat von Maurice:Ich weiß nicht wo du das mit der "genetischen Ethik" her hast. Ob wir von den genetisch bedingten Tendenzen in uns, auch von einer Ethik sprechen könnten, wäre aber vielleicht auch eine Diskussion möglich.
Nun, von einer genetischen Ethik zu sprechen war übertrieben, aber die Erzeugung eines friedfertigen Menschen geht in eine Richtung, die die Rahmenbedingungen einer Ethik verkleinert, so dass man in gewissem Sinne von einer genetisch festgelegten Ethik sprechen kann, die jedoch natürlich noch einigen Freiraum bietet.
Zitat von Maurice:Nein das Problem liegt nicht im Gruppenverhalten an sich, sondern dass die Menschen Gruppen bilden, von denen andere Menschen ausgegrenzt werden. Das Ziel muss es deshalb sein die Menschen dazu zu bringen, niemanden mehr wegen Nebensächlichkeiten wie z.B. die Hautfarbe zu meiden.
Also damit willst du aber anhand einer Ethik etwas unmögliches machen.
Du redest davon, dass keine Menschen mehr ausgeschlossen werden. Das Problem liegt aber eher darin, dass sich Menschen absondern, die sihc selber nicht als konform mit der Gesellschaft bezeichnen würden. Es wird immer mehrere Gruppen geben, welche man wieder zu Übergruppen zusamenfassen kann usw. usw..
Zitat von Maurice:Das klingt mir nach Rosseau. Mein Menschenbild entspricht aber mehr dem von Hobbes, wenn auch nicht in diesem Extrem. Die Menschheit hat ihresgleichen seit dem Urbeginn gemordet und jede Entdeckung erschloß neue Arten des Tötens. Der Mensch wird sich schon mit Steinen und Keulen gegenseitig umgebracht haben... wie willst du diese abschaffen? Nein was abgeschafft werden muss, sind nicht die Waffen, sondern der Wunsch zu töten. Wenn niemand nun mehr töten wollen würde, so würde auch kein Bedarf mehr nach Waffen bestehen.
Okay, da hab ich mihc falsch ausgedrückt. Klar ist der Aggressionstrieb im Menschen vorhanden. Nach S. Freud ist er ein Werk des Todestriebes, nach Konrad Lorenz regelt er die Auswahl des Stärkeren, die Verteilung des Lebensraumes und die Festlegung der Rangordnung. Zumindest eine Rangordnung halte ich für ein menschliches Zusammenleben für unabdingbar. Das hab ich ja oben schon mit der Macht ausgeführt.
Aber das sind nur die Rahmenbedingungen, die ein Töten des Menschen von Menschen verursacht. Jeder Soldat, jeder Krieger wurde so erzogen, dass er Töten kann. Unsereins kann das gar nicht machen, oder kannst du jemand mit einem Stein erschlagen? Nein, jeder normale Mensch würde Mitleid (Schopenhauer. Man kann dafür auch andere Begriffe hernehmen) bekommen. Wenn wir also es schaffen, kulturell die Menschen dazu zu bringen, keine Krieger mehr zu erziehen, dann ist der Aggressionstrieb etwas positives, was das Zusammenleben regelt.
Zitat von Maurice:Die Intelligenz als Trieb? Deine Handlungstheorie möchte ich sehen. Also für mich ist die Intelligenz kein Trieb, sondern eine Fähigkeit.
Wieder Hassenstein:
"Vor einigen Jahren entdeckte Nobelpreisträger Haldan Keffer Hartline das Prinzip vom 'Höchstwertdurchlass für Verhaltenstendenzen'. Das heißt: Drängen im Motivationsgefüge eines Lebewesens zwei unvereinbare Verhaltenstendenzen zur Aktivierung, setzt sich meist (im Gegensatz zur völlig sinnlosen Übersprungsbewegung) zuerst nur eine, die motivationsstärkere, durch. Die andere wartet solange.
Treten hierbei die Angstreaktion und das Nachdenken miteinander in Wettstreit, gibt der Klügere nach - leider. Warum? 'Als sich in der biologischen Menschwerdung der Verstand entfaltete', erklärt Hassenstein, 'scheint der produktive Teil der Intelligenz, der intelektuelle Variations- und Suchmechanismus, seine Funktion von der Spielsteuerung entlehnt zu haben... Damit aber wurde etwas nunmehr Nachteiliges nicht abgeschüttelt, die geringe Durchsetzungsfähigkeit des Spielimpulses im Höchstwertdurchlass gegenüber der Angst'. Deshalb macht Angst dumm."
Die Intelligenz kommt also vom Spielen her, war somit nicht überlebensnotwendig, wenn es mal "eng" wurde, und somit wird die Intelligenz ausgeschaltet, wenn etwas anderes aktiviert wird.
Der Artikel hat sich nur auf die Angst bezogen, aber das gilt auch für viele andere Sachen. Panikverhalten, Blutrausch, sexuelle Erregtheit usw. Also werden solche Antriebe aktiviert, wird die Intelligenz ausgeschaltet. Das habe ich damit gemeint, dass cih die Intelligenz als ersten Trieb festlegen würde, also dass sie nicht mehr ausgeschaltet werden könnte. Vielleicht die sexuelle Erregtheit noch davor ]
Es geht hier nicht um Reiz. Zumindest mir nicht und es sollte imo auch nicht darum gehen. Um was es gehen sollte ist Glücksmaximierung. Und ich stimme J.S. Mill nicht zu, dass ein unglücklicher Mensch besser sei als ein glückliches Schwein. Abgesehen davon wird wird eine Ethik konstruiert und durch die Entscheidung der Machthabenen für eine Gesellschaft bestimmt. Jede Ethik wird innerhalb eines Rahmens festgelegt.
[/quote]
Ich denke einfach aml, dass wir bei unserer Glücksmaximierung nach den gleichen ethischen Grundsätzen vorgehen. Ob du das nun als unzufriedener Mensch oder als zufriedenes Schwein bezeichnest, ist definitionssache. Eine Frau würdest du auch nicht sexuell belästigen nur weils dir Spass macht

Aber jeder Mensch hat doch die gleiche Fähigkeit zum Glück. Jeder Mensch lebt diese Fähigkeit auch aus, jemand, der mehr Glück scheint zu haben eben bei größeren Erfolgserlebnissen, jemand, der wenig oder kein Glück scheint zu haben, der lebt sein Glück eben bei banalen Ereignissen aus. Ich sehe das nicht so eng.
Zitat von Maurice:Friedfertigkeit schließt nur den Wunsch nach Morden aus, nicht aber die Möglichkeit jemanden zu töten, wenn es die Situation verlangt.
Dann ist ein Mensch aber nicht mehr zwingend friedfertig.
Zitat von Maurice:
Und deshalb gegen Windmühlen kämpfen und versuchen den Fortschritt zu stoppen? Natürlich dürfen Technologien nicht willkürlich angewandt werden, aber das lässt sich nicht dadurch verhindern, die Wissenschaft in Ketten zu legen, weil sie nicht in Ketten zu legen ist (zumindest heute nicht mehr). Man muss sie an die Leine nehmen. Ein kultureller Fortschritt (um mal deine Ausdrucksweise zu übernehmen) ist leider nicht so einfach zu vermehren, wie der wissenschaftliche, weil er nach ganz anderen Prinzipien funktioniert. Es dauert idR länger dafür und ist schneller wieder zunichte gemacht. Wenn man beide Arten in gleichen Tempo betreiben wollen würde, müsste man den wissenschaftlichen Fortschritt extrem ausbremsen und das ist nicht möglich (zumindest nicht global).
Ich würde gern ein Konzept sehen, wie man an der jetzigen Lage entscheidend was ändern könnte. Ich schätze deine Vorstellungen nämlich nicht für realistisch ein.
Also über Realismus gehts uns bei dieser Debatte über die bessere Utopie bestimmt nicht. Deins ist genauso unrealistisch wie meins.
Bevor du den Menschen genetisch verändern kannst, musst du eine eine weltweite Einigung haben. Also musst du alle Gruppen abschaffen und es darf nur eine Gruppe geben. Wenn die Menschen mal soweit sind, sind sie ohnehin schon friedfertig, da brauchst du das dann auch nicht mehr festlegen. Da beist sich die Katze in den Schwanz.
Wie willst du kontrollieren, dass sich niemand mehr auf natürlichem Wege fortpflanzt, sondern immer die neuesten genetischen Errungenschaften verwendet? Klar kannst du alle Menschen unfruchtbar im Sinne des natürlichen Geschlechtsverkehres machen, aber da brauchst du wieder eine weltweite Einigung.
Wenn du dein Projekt nicht weltweit einführst, dann wird es auch nichtfriedfertige Menschen geben, die somit einen Wettbewerbsvorteil haben.
Eine von mir vorgeschlagene kulturelle Friedfertigkeit ist also schon mal Voraussetzung für die Einführung der genetischen Friedfertigkeit.
Zitat von Maurice:Trotzdem finde ich es interessant mit dir zu diskutieren.

Trotzdem? Genau deshalb!
mfg Mich!