Auflösung: subjektiv freier Wille <----> objektiv zufälliger/determinierter Wille

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
ThomasM
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So 5. Jun 2005, 22:59 - Beitrag #21

Hallo Maurice

Ich hoffe, ich steige nicht zu spät ein. Ich habe noch Bemerkunegn zu Deiner Fundierung
Zitat von Maurice:Und was sollte die Annahme rechtfertigen, dass etwas in der Welt nicht nach naturwissenchaftlichen Prinzipien ablaufen könnte?

Wie wäre es mit der Naturwissenschaft selbst? Dabei stört mich der Begriff "nicht nach naturwissenschaftlichen Prinzipien ablaufen". Denn wenn die Naturwissenschaft selbst sagt, nicht zuständig zu sein, dann ist das ja genau das naturwissenschaftliche Prinzip.

Ich meine, dass dies genau bei dem Quantencharakter der Natur der Fall ist. Die naturwissenschaftlichen Prinzipien beschreiben eine Wahrscheinlichkeitsentwicklung, aber wie das Universum dann konkret wird, da erklärt sich die Naturwissenschaft als nicht zuständig. Der einzige Ausweg ist die Einführung von Gott (was dann wieder gut begründet ist) oder das Ausweichen in metaphysische Konstrukte wie der Viele-Welten-Mechanismus.

Der freie Wille wäre damit auch gerettet, denn die Auswahlmöglichkeit desjenigen, der frei ist, besteht gerade in der Unmöglichkeit, vorherzusagen, zu was er sich entscheiden wird, selbst wenn die Ausgangssituation zu 100% identisch ist.
Festgelegt ist etwas, wenn auf eine Ursache (bzw. eine Reihe von Ursachen) nur eine Wirkung (bzw. eine Reihe von Wirkungen) folgt. Wenn die Voraussetzungen in einer Situation mit denen einer vorherigen identisch sind, dann müssen die Wirkungen in der aktuellen Situation identisch mit denen der vorherigen sein.
Beispiele:
Immer wenn X -> Y
Immer wenn X -> Y,Z
Immer wenn W,X -> Y
Immer wenn W,X -> Y,Z
Ist dir die Definition deutlich genug?

Hier habe ich ein Problem. Die reale Situation ist die folgende:

Immer wenn X -> Kontinuum(Y) mit Wahrscheinlichkeitsverteilung P(Y)

Wieso kann man etwas als "festgelegt" bezeichnen, wenn ich ein Kontinuum an Möglichkeiten zur Auswahl habe?

Gruß
Thomas

Ipsissimus
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Mo 6. Jun 2005, 09:16 - Beitrag #22

ich denke natürlich nicht, daß Gott die einzige oder überhaupt eine Lösung diess Problems darstellt, solange wir nicht unbedingt dabei bleiben wollen, daß dieses Universum, so wie es ist, apriori unbedingt sein mußte oder gar sein sollte :-) es ist halt das Universum, das sich zufällig so ergeben hat :-) ganz davon abgesehen, daß auch Gott nur ein metaphysisches Konstrukt ist

e-noon
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Mo 6. Jun 2005, 16:14 - Beitrag #23

@Ipsi: Was meinst du mit zufällig? Zufällig in seinem Ursprung oder zufällig an verschiedenen Punkten seiner Entwicklung?
Dass das Universum zufällig entstanden ist, kann ich mir vorstellen, dass es sich, nachdem es entstanden war, anders hätte entwickeln können, nicht.
Oder meinst du, auch die Entstehung der Planeten oder des Menschen wäre in dem Sinne zufällig erfolgt, dass sie mit den gegebenen Anfangsbedingungen nicht notwendigerweise stattfanden?


@Bowu:
Ist meine Wahrnehmung des lecker süßen Eises "Fremd-"bestimmung?
Imo ist diese Wahrnehmung "fremdbestimmt", da du nicht die Wahl hattest, Eis lecker zu finden, und selbst wenn du sie gehabt hättest, wäre sie nicht frei gewesen, da sie durch die vorangegangenen Ursachen determiniert ist war. Du wurdest als Mensch mit der Voraussetzung geboren, Eis lecker zu finden, und die Umwelteinflüsse (Erziehung, Kultur, Epoche) haben dazu geführt, dass diese Vorraussetzung sich ausgeprägt hat. Wärest du früher geboren worden, hätte es vielleicht noch kein Eis gegeben, wärest du mit anderen Nahrungsmitteln aufgewachsen, könntest du dem Geschmack von Eis womöglich nichts abgewinnen, hättest du einen wechselwarmen Körper, könntest du womöglich gar kein Eis essen, ohne zu sterben.

Da diese Voraussetzungen alle nicht von dir abhängen, ist es dir auch nicht frei, Eis zu mögen, sondern du wurdest so determiniert, dass du keine andere Wahl hattest, als der Mensch zu werden, der du nun bist, und Eis zu mögen.

Von diesem Sachverhalt bin ich momentan überzeugt und es ist unwahrscheinlich, dass sich meine Meinung ändert, auf Definitionen und Begriffen bestehe ich jedoch nicht. Ich halte es aber für klug, sich auf eine Definition zu einigen, und die "offizielle", die man mehreren philosophischen Lexika entnehmen kann, bietet sich da in meinen Augen an. Es bringt nichts, den Gedankengang des anderen zu verwerfen, nur weil man eine andere Definition hat (ist jetzt nicht mehr auf dich bezogen, Bowu).
Wenn also jeder hier der Meinung ist, dass der Mensch sich seinen Willen, sein Wollen, nicht frei setzen kann, sondern dieser zumindest zum großen Teil von den jeweiligen Umständen geprägt und festgelegt ist, haben wir imo eine Einigung, auch wenn einige das als Willensfreiheit sehen und diese daraufhin verwerfen, während andere "Willensfreiheit" anders definieren und den Begriff daraufhin beibehalten.

Der freie Wille wäre damit auch gerettet, denn die Auswahlmöglichkeit desjenigen, der frei ist, besteht gerade in der Unmöglichkeit, vorherzusagen, zu was er sich entscheiden wird, selbst wenn die Ausgangssituation zu 100% identisch ist.

Ich würde zustimmen, dass es einen freien Willen gibt, wenn du freien Willen als die Unmöglichkeit siehst, eine Entscheidung exakt vorherzusagen. Du scheinst freien Willen jedoch als das zu sehen, was bei 100%ig identischer Ausgangssituation eine andere Entscheidung herbeiführen kann; meiner Meinung nach ist dies jedoch gar nicht möglich.
Und zwar ist es zum einen unmöglich, eine Ausgangsposition zu schaffen, die zu 100!% identisch ist;
zum anderen würde, falls eine solche identische Situation möglich wäre (Gedankenexperiment, imo ist es nicht möglich), die Entscheidung meiner Meinung nach identisch ausfallen, da die Ausgangsposition die Entscheidung zu 100% determiniert.

@Biokom: Falls ich dich richtig verstehe, gehst du von Fremdbestimmung = Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung nach Wegfall des Menschen aus?
Meiner Meinung nach ist Fremdbestimmung eher, wie gesagt, so gemeint, dass die Umstände nicht nur die äußerliche Ausgangsposition vor der Entscheidung, sondern auch die psychischen oder innere Verfassung des Menschen, der die Wahl treffen soll, determinieren. Somit würde die Entscheidung natürlich auch vom Menschen abhängen, wäre also nicht fremdbestimmt im Sinne von "allein von äußeren Umständen abhängig". Die Psyche des Menschen ist jedoch von den vorhergegangenen Vorgängen determiniert, sodass auch der Mensch selbst und somit sein Wille fremdbestimmt ist.

Bowu
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Mo 6. Jun 2005, 18:24 - Beitrag #24

Ich glaube keiner derer, die hier die determiniertheit des Willens verteidigen geht von einer Exaktheit der Beschreibung des Willens aus. Exaktheit besteht nur im konkreten, imo nicht im abstrakten. Das unser Wissen schon für das Nachvollziehen einfachster konkreter Ereignisse nicht ausreicht, mag man auf eine Irrealität des Modells schließen. Wenn man die Determiniertheit von vornherein nur als Eigenschaft, als Struktur wahrnimmt, hat man das Problem nicht.

BioKom
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Mo 6. Jun 2005, 22:52 - Beitrag #25

@:e-noon: Nein. Ich habe Fremdbestimmung mit allem gleichgesetzt, was nicht durch den Menschen zuzuordnen ist. Ich meine das auch nicht zu einen Zeitpunkt, sondern wirklich alles was nicht zum Menschen gehörte/gehört/gehören wird. Es ist egal wann etwas auf einen Menschen einwirkt, sobald die Wirkung in den Menschen übergeht gehört sie zu ihm und ist damit ein innerer Teil von ihm, der seinen Willen beeinflusst.

Hier ein ähnliches Beispiel: In einem Auto versagt die Bremse beim bremsen, ein schon älteren Schlauch ist geplatzt. Hat der Fahrer Schuld?
1) Das Bremssystem hat schuld, bei ihr ist der Schlauch geplatzt.
2) Das Konstrukteurteam hat schuld, sie hätten die Bremse besser konstruieren können.
3) Das Werk ist schuld, es hätte die Bremse besser bauen können, z. B. mit mehr Sorgfalt.
4) Der Fahrzeughalter ist schuld, er hätte die Bremse besser pflegen können und öfter überprüfen und warten lassen können.
5) Die Natur ist schuld, da durch sie die Schläuche gealtert sind.
6) Der Fahrer ist schuld, da er auf die Bremse getreten hat und sie dadurch kaputt ging.

Wenn nur einer der Punkte 1-6 besser gelaufen wäre, wäre die Bremse nicht kaputtgegangen. Hätte also nur einer der Beteiligten aus 1-5 besser agiert, wäre der Fahrer nicht schuld.
Trotzdem ist die Frage zu bejahen: Der Fahrer hat schuld. Da es ja den Punkt 6 gibt.
Bei der Frage zählen also plötzlich nicht mehr die Punkte 1-5, sondern nur noch 6. Trotz der vielen anderen Punkte, bei denen der Fahrer nicht schuld hat, hat er trotzdem schuld.

Maurice
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Mo 6. Jun 2005, 23:01 - Beitrag #26

Da es schon spät ist, ich bald ins Bett muss, weil ich morgen früh raus muss, antworte ich hier nur ganz knapp zu zwei Punkten.

1. Definiton von "freier Wille":
Natürlich steht es jeden offen, seine Begriffe so zu definieren, wie er lustig ist. Eine völlige Willkür ist, aber nicht gerade förderlich für eine Diskussion, in der man nicht einander vorbeireden möchte. Wie E-noon schon sagte, ist es vernünftig eine allgemein festgelegte Definition als Grundlage einer Definition zu übernehmen. Einfach einen Begriff neu zu definieren, löst das Problem nicht. Ich kann das Ding mit Ästen und Blättern vor meinem Haus "Gott" nennen, darauf zeigen und sagen "hah ich habe einen Gott entdeckt", aber habe ich damit eigentlich nicht das beantwortet, was die Frage nach der Existenz eines Gottes in unseren sprachlichen Kontext meint. Wenn jeder in seiner eigenen Sprache spricht, die sich drastisch von der des jeweils anderen unterscheidet, ist keine effizente Kommunikation, geschweige denn Einigung, möglich.

2. Definition von "festgelegt":
Ich habe diesbezüglich nochmal nachgedacht und bin zu einer leichten Modifikation gekommen, die mir sinnvoller erscheint. Demnach ist es nicht nötig von identischen Umständen zu sprechen, sondern nur von einem Sachverhalt bei welchen die relevanten Bedinungen identisch sind.
Beispiel: Es ist festgelegt, dass ein Apfel zu Boden fällt, wenn ich ihn hoch hebe und dann fallen lassen. Damit dies festgelegt ist, müssen nicht alle Umstände identisch zum letzten Mal sein, sondern nur die relevanten, also in dem Fall die Versuchsanordnung. Die Erde muss den Apfel anziehen und der Apfel muss hoch gehoben und dann fallen gelassen werden, sonst nichts. Ob ich nun ein blaues oder ein rotes Hemd anhabe (was Teil der Umstände ist), ist hier nicht relevant.

PS@ Bio: Und inwiefern soll das ein Argument gegen den Determinismus sein? Ich sehe da kein Problem in deinem Beispiel aus deterministischer Sicht. Höchstens der Begriff "Schuld" kann je nach Definition strittig sein, wie wir schon an anderer Stelle festgestellt hatten.

BioKom
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Do 9. Jun 2005, 19:39 - Beitrag #27

@maurice: Ich habe kein Argument gegen den Determinismus gebracht. Mein Argument war, das Determinismus nach deiner Definition einen freinen Willen nicht ausschließt.

Bowu
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So 12. Jun 2005, 14:37 - Beitrag #28

-> 6) ist meiner Meinung nach übehauptkeine gültige Schuldzuweisung - Etwas seiner Funktionalität nach gebrauchen, scheint mir schwerlich ein Grund für Schuld sein zu können.

Insgesamt scheinen alle diese Ereignisse eine gewisse Teilschuld innezuhaben.
Schuld hat mit Determiniertheit aber nicht direkt was zu tun. Erstens ist Schuld etwas subjektives gewertetes, was wir von der Determiniertheit nicht zwingend annehmen.
Ein Ereignis wird nur durch seine direkten Bedingungen determiniert. Der Bremsunfall wurde nicht determiniert dadurch, dass irgendwer irgendetwas unterlassen hat, sondern nur dadurch das die Bremse defekt war, und sie benutzt wurde. Wodurch die Bremse beschädigt wurde ist eine neue Betrachtung.

Padreic
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So 12. Jun 2005, 14:46 - Beitrag #29

@Maurice
Zu deiner neuen Definition von festgelegt:
1. Wer legt fest, was relevant ist?
2. Was bedeutet dein 'wenn'? Ist es konditional oder temporal?
a) wenn ersteres: das wäre wieder hypothetisch
b) wenn letzteres: dann würde es wohl nicht mehr wirklich das treffen, was 'festgelegt' im Alltagssinne meint. Nehmen wir an, es gäbe Zufall und für ein Ereignis wäre da eine fifty-fifty-Chance. Und diese Entscheidung passiert während der langen, langen Laufzeit des Universums nur dreimal unter gleichen relevanten Umständen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass immer das gleiche passiert immerhin ein Viertel, also durchaus realistisch (auch mit beliebig vielen Zeitpunkten mit gleichen relevanten Umständen oder einer anderen Wahrscheinlichkeitsverteilung wäre die Wahrscheinlichkeit immer noch positiv). Das bedeutete dann, dass es festgelegt ist?

Ich halte es für aussichtlos, den Begriff der Festgelegtheit im empirischen/materiellen/tatsächlichen Rahmen gescheit zu definieren.

Maurice
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So 12. Jun 2005, 14:58 - Beitrag #30

@Pad: Aha und wie würdest du den Begriff dann definieren? Wie ich dich einschätze wohl gar nicht, weil man ja besser mit schwammigen Begriffen hantieren sollte.
Ich weiß nicht, wo das Problem ist. Ich denke ich habe genug erklärende Beispiele gebracht. Aber nochmal kurz nur für dich:
Immer wenn die relevanten Umstände gegeben sind, dann fällt ein Apfel zu Boden. Die relevanten Faktoren sind, dass der Apfel eine Masse hat und von einem Objekt mit ausreichend größerer Masse angezogen wird, z.B. die Erde und nicht zwischen dem Apfel und der Erde die Bewegung verhindert. Wenn diese Bedinungen vorliegen, dann ist festgelegt, dass ein Apfel immer zu Boden fällt, wenn man ihn loslässt.
Wo hast du bei diesem Beispiel ein Problem?

@Bowu: Schau doch mal in den Schuld-Thread den es hier mal gab. Dein Lösungsversuch ist mir zwar symphatisch, ist aber nicht unproblematisch, was sich im genannten Thread imo gezeigt hat. :)

Ipsissimus
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Mo 13. Jun 2005, 10:24 - Beitrag #31

ein Problem bei deinem Apfel-Beispiel, Maurice, besteht darin, daß es massiv in die Irre führt, da der optische Eindruck trügt. Der Apfel wird nicht von der Erde angezogen, sondern Apfel und Erde ziehen sich wechselseitig an. Der Impulsänderung des Apfels entspricht genau der gleiche Betrag der Impulsänderung der Erde.

exakte Begriffe sind da angebracht, wo die Exaktheit zu etwas führt. In Ingenieurswissenschaften macht es einen großen Unteschied, ob eine Brücke nur "ungefähr" stabil ist, oder ob sie stabil ist. Hier ist auch der Begriff der "Exaktheit" wesentlich genauer definiert, nämlich über Fehlertoleranzangaben.

Im philosophischen Diskurs allzu streng festgelegte Begriffe zu verwenden, ist bequem, genau die gleiche Art von Bequemlichkeit, die jedes Modell erzeugen kann, das mensch nur genügend stark von der "Fraktalität", der Widerborstigkeit der Realität abstrahieren läßt. Im Rahmen eines solchen Modells funktioniert spielend, was dann mit konkret lebenden, fühlenden Menschen bloß doch wieder nicht funktioniert. Und natürlich macht jeder Philosoph viel lieber die Dummheit der Menschen dafür verantwortlich, als die Ungeeignetheit seines Denk-Systems.

Ich weiß nicht mehr wer, aber es wurde mal "geistige Klarheit" definiert als die Fähigkeit, in einem Ozean zu schwimmen, anstatt sich darauf zu versteifen, daß es in diesem Ozean überall nach unserem Belieben Felsnadeln geben müsse, auf denen wir stehen können.

Padreic
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Mo 13. Jun 2005, 16:14 - Beitrag #32

Argh, dachte, ich hätte gestern hier schon was gepostet zu Maurice, aber das scheint irgendwie verlorengegangen zu sein...also nochmal.

@Maurice
Es geht mir hier nicht darum mit schwammigen Begriffen zu arbeiten (das tut es allgemein nicht; das wäre vielleicht aber einen neuen Thread wert (meine Position stimmt hierbei prinzipiell dem letzten Post von Ipsi zu)), sondern darum, dass ich den Begriff 'Festgelegtheit' nicht in diesem Kontext definieren will, weil ich keine sinnvolle Definition dieses Begriffes in diesem Kontext für möglich halte. Mit deinen Begrifflichkeiten kommst du auf jeden Fall auf etwas anderes als das, was man intuitiver Weise unter 'Festgelegtheit' versteht.

Mein Problem mit dem Apfel-Beispiel ist, dass es (nach naiver Definition davon) durchaus Zufall sein könnte, dass er jedes Mal runterfällt. Wie schon gesagt, man könnte sich durchaus denken, dass da nur eine fifty-fifty-Chance ist, dass er unter den gleichen relevanten Umständen runterfällt, aber es eben zufällig immer getan hat. Vielleicht hat es jemand einmal unterlassen, einen Apfel fallenzulassen, hätte er es aber getan, dann wäre er nicht runtergefallen, obgleich alle relevanten Umstände genauso waren. Natürlich setzt diese Problematik voraus, dass es unter Umständen verschiedene Möglichkeit von Ereignissen/Handlungen gibt. Wenn man dies allerdings nicht vorausgesetzt, ist der Begriff der Festgelegtheit aber eh sinnentleert, da alles festgelegt ist (unter geeigneter Definition der relevanten Umstände).
Wo man mit Festgelegtheit arbeiten kann, ist in logischen Modellen. Nach dem Motto (für alle (möglichen) A folgt aus A B). In jedem Modell, was wir uns von der Wirklichkeit machen (also insbesondere in naturwissenschaftlichen) können wir von Festgelegtheit sprechen. Aber das heißt nicht, dass es in der Wirklichkeit eine größere Bedeutung hat als Raum und Zeit, vielleicht eher eine geringere...

e-noon
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Mo 13. Jun 2005, 19:04 - Beitrag #33

@Padreic: Wie meinst du das, wenn du sagst, es könnte auch Zufall sein, dass der Apfel herunterfällt?

Ich gehe auch davon aus, dass es sein könnte, dass alles in der Welt zufällig passiert oder zumindest zum Teil zufällig. Wovon ich aber auch ausgehe, ist, dass unser Modell der Kausalität und in meinem Fall der Determiniertheit das wahrscheinlichere ist, zumindest jedoch das, was unserer Intuition mehr entspricht und womit sich auch sehr viel besser rechnen lässt. Es muss nicht determiniert oder kausal sein, aber es spricht einiges dafür, und selbst wenn es nicht so ist, macht es imo Sinn, es als nicht zufällig zu betrachten. Selbst wenn man herausfände (göttliche Erkenntnis oder wai), dass das Universum total zufällig ist und der ganze Kram mit den Naturgesetzen, an die wir zumindest soweit glauben, dass wir unsere Maschinen damit bauen (bzw. auf Grundlage unserer naturwissenschaftlichen Kenntnisse), nicht zutrifft, würde es imo noch sinnvoll sein, sie weiter anzuwenden und mit ihnen zu arbeiten, da sie ja offensichtlich ein sehr gutes Modell darstellen.

In diesem Kontext würde ich daher auch den Begriff "festgelegt" definieren wollen, selbst wenn der Apfel zufällig hätte herunterfallen können, denn man geht ja davon aus, dass er nicht zufällig herunterfiel, sondern durch die genannten Komponenten dazu bestimmt war.

Padreic
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Di 14. Jun 2005, 16:54 - Beitrag #34

So ungern ich es tue, kann ich mit eigentlich nur selbst zitieren:
Natürlich setzt diese Problematik voraus, dass es unter Umständen verschiedene Möglichkeit von Ereignissen/Handlungen gibt. Wenn man dies allerdings nicht vorausgesetzt, ist der Begriff der Festgelegtheit aber eh sinnentleert, da alles festgelegt ist (unter geeigneter Definition der relevanten Umstände).

Es geht um eine geeignete Definition von 'festgelegt'. Wenn man von einer deterministischen Sichtweise ausgeht, dann ist dort einfach alles festgelegt. D.h. innerhalb dieser Sichtweise muss man sich nicht mehr um eine solche Definition bemühen, da 'festgelegt' und 'Ereignis' bzw. 'Handlung' ja fest miteinander verheiratet sind.
Nun, aber man fragt sich vielleicht, wie man denn Determinismus bzw. vielmehr eine deterministische Wirklichkeit definieren will. Und da braucht man einen Begriff von 'Festgelegtheit', der unabhängig von der Annahme ist, dass die Welt determiniert ist.

Darüberhinaus geht es nicht darum (oder geht es zumindest mir nicht darum) in der Philosophie, Modelle zu finden, die praktisch zu handhaben sind, sondern ein wenig Klarheit in die Anschauung der Welt zu bringen, vielleicht sogar ein wenig Einsicht zu nehmen in ihre Natur (so beschränkt dies auch möglich ist).
Für diese Klarheit ist es eben zum Beispiel nützlich zu erfahren, was man mit der Aussage, dass die Welt deterministisch verlaufe (außerhalb eines wissenschaftlichen Modells), überhaupt meint.

Maurice
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Mi 15. Jun 2005, 07:45 - Beitrag #35

Wahrscheinlich bin ich einfach zu dumm oder du drückst dich wirklich nicht verständlich genug aus. :confused:
Gibt es in deiner Weltsicht keine festgelegten Vorgänge? Wenn ja wie würdest du dann "festgelegt" definieren? Wenn es für dich keine festgelegten Vorgänge gibt, passiert in dieser Welt dann alles zufällig? Wenn dies auch nicht der Fall ist, welche Sicht von der Welt hast du sonst? Für mich gibt es nur die beiden Optionen determiniert und zufällig. Für eine dritte Version wurde bisher kein stimmiges Modell geliefert und eine bloße Behauptung ohne genauere Angabe sollte etwas wenig sein.
Für dich mag Philosophie nichts mit Modellbildung zu tun haben, aber geht es imo in der Philosophie seit ihrem Beginn an wie in anderen Bereichen des Denkens darum Theorien zu entwickeln und diese dann wenn möglich in Modelle umzusetzen. Das haben schon die alten Griechen gemacht. Jede Sicht der Welt ist eine Theorie (selbst die Meinung, dass du dich in einer Stunde nicht in Luft auflöst), sobald über die Welt nachgedacht wird. Selbst ein Kleinkind hat eine Theorie der Welt, wenn es glaubt, dass in seinem Schrank ein Gespenst ist. Ich halte es nicht für sinnvoll von einer vor- oder nichttheoretischen Sicht der Welt zu sprechen, sondern wenn überhaupt von einer vor- oder nichtwissenschaftlichen, vor- oder nichtreligösen Sicht usw. also einer Sicht vor einer bestimmten Theorie. Voraussetzung natürlich ist, dass das Subjekt Vorstellungen von der Welt hat.
Wie soll denn nun deine Erkenntnis aussehen ohne jedes Modell?
Und das Modell ist das zu bevorzugende, dass nach bestimmten Kriterien als das nützlichste erscheint. Zu der Welt an sich haben wir imo e keinen Zugang und somit keine sichere Erkenntnis über sie. Nun ist die Frage, wie die sinnvollste Theorie über die Welt aussehen soll und in welchen Maße dort Festgelegtheit und Zufäll vermutet werden soll. Dein Vorschlag?

Padreic
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Mi 15. Jun 2005, 20:29 - Beitrag #36

Ich habe nie von Erkenntnis ohne Modell gesprochen, denn eine solche wird man im Normalfall nicht erreichen können. Aber ich will von Erkenntnis sprechen.
Du sprichst von dem Kleinkind, dass glaubt, ein Gespenst sei in einem Schrank. Du dürftest andere Modelle präferieren. Und ich will einfach mal so fromm und frei davon ausgehen, dass du dein Modell nicht nur als nützlicher/praktischer ansiehst (für das Kleinkind mag auch das Modell mit dem Gespenst praktischer sein), sondern dir auch einen gewissen Erkenntnisfortschritt konstantierst.

Erkenntnis geschieht vor allem durch größere Klarheit des Denkens. Dazu gehört vor allem ein großes Bewusstsein darüber, in welchem Modell man sich befindet, mit welchen Schemata man die Welt betrachtet, was man für Voraussetzungen hat, was die Konsequenzen sind.
Gewissermaßen hast du ganz recht, dass wir Modelle danach beurteilen müssen, wie nützlich sie sind. Der Nutzen des naturwissenschaftlichen Modells für manche Fragen ist ganz unbestritten, während es für andere Fragen (wie z. B. das tägliche Sozialleben) ganz und gar nicht taugt. Wir müssen da je nach Ziel flexibel sein.
Wenn wir uns unsere alltäglichen Modelle ansehen, so werden wir meist sehen, dass sie außerhalb ihres spezifischen Kontextes ihre Schwächen haben. Sie blenden viele Sachen aus, die in dem Kontext nicht so relevant sind, unterdrücken insbesondere "philosophischere Fragen", insbesondere, wie nah das Modell wirklich an der Wirklichkeit dran ist, also insbesondere auch, wieviel, wenn wir das Andere beschreiben wollen, da noch von uns mit drinsteckt.

Kant hat sich sehr damit beschäftigt, er hat herausgestellt, wie wichtig diese Frage für die Erkenntnistheorie ist. Wenn wir uns dessen, was wir mit unserem Input anstellen, wirklich bewusst werden, können wir uns auch etwas klarer über das Andere werden (ob das nun ein böser Dämon nur vorspielt oder ob es wirklich da ist, ist eigentlich für die allermeisten Fragen gar nicht mal so wichtig...). Du selbst nimmst ja Raum und Zeit oft als Beispiel, dass das da gar nicht in Wirklichkeit sein muss, sondern es nur bloße Anschauungsformen sind.
Ein Thema, das mich in letzter Zeit zunehmend fasziniert hat, ist das Verhältnis von Wirklichkeit und Logos, wenn man es so formulieren will. Wenn wir so die Welt betrachten, sehen wir da tolle logische Strukturen. Auf etwas abstrakteren Level sind da die Naturwissenschaften mit ihrem ganzen (immer komplizierter werdenden) mathematischen Apparatus; damit sie die Welt in wenigen mathematischen Gesetzen beschreiben können, muss natürlich die Welt vom Logos durchsetzt, logisch-mathematisch zugänglich sein. Aber auch wenn wir philosophisch über die Welt sprechen, setzen wir da leicht einiges voraus.

Ich habe dich darauf hingewiesen, dass deine Festgelegtheitsdefinition entweder nicht viel mit dem naiven Begriff davon gemein hat, oder eben über die bloße Tatsächlichkeit der Welt eine Art von logischer Struktur in ihr voraussetzt, damit du ein 'immer, wenn...' nicht nur rein temporal formulieren kannst. Dass es mit einem rein temporalen Begriff nicht von (einem naiven Begriff von) Zufälligkeit unterscheidbar ist, habe ich deutlich gemacht.
Zumindest in einer rein materialistischen Sichtweise kann ich nichts von logischer Struktur in der Welt sehen, die nicht vom Menschen reingebracht wurde. Somit wären auch Determiniertheit und Zufälligkeit auch nur vom Menschen gemachte, vom Modell abhängige Begriffe. Es wären durchaus Modelle denkbar, wo eine solche Begrifflichkeit in solch allgemeinen Kontext nicht möglich ist, insbesondere ist es denkbar, dass es nichts in der Wirklichkeit gibt, was Determiniertheit ist, was Zufälligkeit ist, sondern dass das nur vom Menschen mit seinem Modell in die Wirklichkeit eingebrachte Sachen sind. Darauf wollte ich im wesentlichen hinaus. Und insbesondere darauf, dass dann, wenn Zufall und Determiniertheit nur "Scheinbegriffe" sind, der Freiheit nichts mehr im Wege steht. (ungefähr darum ging es mir übrigens auch hier, auch wenn mich damals wohl nur Ipsi verstanden hat...).
Der Würfelwurf ist genauso zufällig, wie die ganze Welt determiniert. Das hat alles im entsprechenden Modell seinen Sinn und seine Wahrheit. Nur außerhalb dieser Modelle eben nicht unbedingt. Ein Modell der Freiheit zu konstruieren mag an der prinzipiellen Modellhaftigkeit der Modelle scheitern, die vielleicht der Freiheit im Wege stehen; außer man hat einen sehr weiten Modellbegriff, dann ist mein subjektives Empfinden schon Modell.
Ich will also nicht behaupten, dass alles zufällig ist, auch nicht, dass alles determiniert ist, sondern dass es weder noch ist, obwohl beides wahrscheinlich (wie wohl ebenso der genannte Raum und die genannte Zeit) ein fundamentum in re haben wird.

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