Zauberhafte Bedürfnisse ...

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Mo 6. Jun 2005, 11:06 - Beitrag #1

Zauberhafte Bedürfnisse ...

fast alle heutigen Debatten über gesellschaftliche und politische Entwicklungen vermitteln bei mir den Eindruck, daß es nur noch darum geht, ökonomische Aspekte des Menschseins zu bedienen. Ich glaube aber nicht, daß Menschen glücklich sind, wenn die rationalen Notwendigkeiten des Daseins erfüllt sind.

Menschen wollen mehr, als zu funktionieren, sie wollen strahlen. Sie wollen mehr und anderes sein als ein funktionierendes Rädchen in einem großen Räderwerk, sie wollen aus sich selbst über sich selbst hinausgehende Bedeutung tragen und in dieser Bedeutung anerkannt sein.

Da Gesellschaft über Privilegien funktioniert, gewährt sie diese Bedeutung nur ihren Funktionären.

Für alle anderen bedarf es daher fundamentaler Rituale; es bedarf der Beschwörung der Träume der Kindheit, als alles noch magisch bedeutungsstrahlend war; Träume, verlängert und übertragen ins Erwachsenenalter und -milieu. Teile dieses Bedürfnisses werden von Religionen abgedeckt, zumindest dort, wo diese noch rituell-magisch-mysthisch sind. In dem Maße, wie Menschen alles Bedeutungsgeladene verweigert wird, reagieren sie mit psychischen Störungen.

Haltet ihr diese Charakterisierung der Bedürfnislage von Menschen für plausibel, den Sachverhalten angemessen? Gibt es Möglichkeiten, die rationalen und die "zauberhaften" Bedürfnislagen des Menschen gleichermaßen zu bedienen, ohne in die Debilität pseudoesoterischer Beliebigkeit oder in religiöser Starrheit zu verfallen? Gibt es einen Weg, weg vom Zugriff des Kommerz auf die Seele des Menschen?

Milena
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Mo 6. Jun 2005, 11:25 - Beitrag #2

der Zauber, der sich Liebe nennt...
ein zauberhaftes Bedürfniss, ohne das der Mensch zwar auch leben kann, aber mit diesem es doch allemal schöner ist... egal wie man es dreht und wendet im Leben letztendlich steht doch die Liebe über allem, sei es die Liebe zum Nächsten, zum Gott, zu seinem Kinde, zu seinem Hab und Gut, die Liebe zu seinen kindlichen Träumen....
weg vom Zugriff des Kommerz auf die Seele des Menschen?

das vermag ich Dir nicht zu beantworten Ipsi....

Ipsissimus
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Mo 6. Jun 2005, 11:49 - Beitrag #3

in der "Liebe als Traum", der romantisch verklärten Liebe also, ist das wohl so, das will ich dir gerne glauben. Die reale Liebe ist erfüllt von Sorge um das Wohlergehen der Kinder, des Partners oder der Partnerin, die Grundlebenssicherung uvm. ... und gelegentlichen zauberhaften Momenten, die immer seltener werden und schon nach kurzer Zeit kaum noch echte Bedürfnisse abdecken, bestenfalls die Erinnerung an echte Bedürfnisse quälend wachhalten, die Erinnerung daran, daß mensch einmal geliebt hat und geliebt wurde

Rosalie
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Mo 6. Jun 2005, 11:55 - Beitrag #4

....ohne in die Debilität pseudoesoterischer Beliebigkeit oder in religiöser Starrheit zu verfallen? Gibt es einen Weg, weg vom Zugriff des Kommerz auf die Seele des Menschen?
Ja, wenn Religion nicht aus Starrheit, aus Machtgelüsten, aus Unbarmherzigkeit, aus Engstirnigkeit .... besteht. Wo es diese zu finden gibt? k.A. Da alle Ideen von Menschen vertreten werden und diese eben zu o.g. Fehlern neigen, wird diese Religion der Liebe (bis auf kitzekleine Ausnahmen vielleicht) leider nur eine Theorie bleiben.

Aber die Bedürfnislage der Menschen hast Du imo sehr gut beschrieben. Warum haben die Psychiater heute Hochkonjunktur? Weil der rationale Aspekt in unserer Gesellschaft überdimensionale Bedeutung hat. Die Gefahr, die ich nun sehe ist, dass das Pendel ganz schnell in die andre Richtung ausschlagen kann: Wenn es den Menschen materiell schlechter gehen wird (und alle Anzeichen sprechen dafür, das wir in der Zukunft in dieser Hinsicht gewaltige Abstriche werden machen müssen) sie ihre Zuflucht dann in den Bereichen des "Aberglaubens" (Astronomie, Zauberei, Esoterik, Magie ... w.a.i.) suchen. Einen Trend in diese Richtung gibt es ja mittlerweile.

C.G.B. Spender
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Mo 6. Jun 2005, 14:09 - Beitrag #5

Das Problem ist zudem, dass es in unserer wissenschaftlich erklärten Welt gar keinen Platz mehr gibt für Gott und die Seele. Die Astronomie und Raumfahrt hat uns die Gewissheit beschert, im Kosmos in einem relativ bedeutungslosen Sonnensystem zu leben, inmitten unzähliger anderer. Sogar die Einzigartigkeit unseres Heimatplaneten ist durch neue Forschungsergebnisse über extrasolare Planeten in Frage gestellt. Weltraumteleskope habe die Weite des Kosmos erforscht und im Kleinen wird es sicher irgendwann geschehen, dass die Liebe rein nur durch physikalische Zustände und Geschehnisse innerhalb des Gehirns und menschlichen Körpers erklärt werden kann.

Wo ist also noch ein Platz, der zauberhafte Bedürfnisse erfüllen kann, wenn Gott, Seele und Liebe so sehr im Widerspruch zu der Welt stehen, in der wir leben? Einer Welt, in der man nicht nur funktionieren muß, sondern in der es scheinbar überhaupt keinen Platz mehr für so etwas wie die Einzigkartigkeit der Seele gibt.

Der Weg, der aus diesem Dilemma herausführt, liegt für mich in der Natur. Es ist ein Weg, den man aus eigenem Antrieb gehen sollte, kein ausgetretener Pfad. Der Weg, den wir alle einmal gehen sollten, denn die Natur ist das Spiegelbild der Schöpfung, so wie die Äste des Baumes den Adern unseres Herzens ähneln. Manchmal kommt es mir so vor, als wenn die Menschen zu blind sind, um die Schönheit zu sehen, die sie umgibt. Vielleicht wird der Mensch sein zauberhaftes Bedürfnis erfüllen, wenn er die einzigartige Schöpfung betrachten kann, in die er untrennbar verwoben ist.

e-noon
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Mo 6. Jun 2005, 17:46 - Beitrag #6

Ich stimme Spender zu, solange die Natur noch da ist, gibt es die Möglichkeit, ein wenig zu den Ursprüngen zurückzukehren, für mich zumindest hat Natur meist noch ein wenig "zauberhaftes", was nicht heißt, dass sie nicht determiniert/erklärbar/in einer Formel darstellbar/wegrationalisierbar wäre. Letzteres wäre schade, alles andere beeinträchtigt ihre Schönheit und ihre beruhigende, aufmunternde Wirkung auch mich in keiner Weise. Im Gegenteil, ein Blatt anzusehen kann mit der Annahme im Hinterkopf, dass es aus ungezählten Zellen und jede einzelne dieser wiederum aus unvorstellbar vielen Atomen besteht, noch viel erstaunlicher und ehrfurchterweckender sein.

Religion halte ich für kein geeignetes Mittel für die Befriedigung dieses menschlichen Bedürfnisses, da sie meist mehr negative als positive Folgen hat und zudem die meisten Religionen heute nur wenig Gemeinschaftsgefühl oder Wärme vermitteln können.


Wie Rosalie sagte, auch Liebe kann eine Zuflucht aus einem emotionsarmen Leben unter Leistungsdruck sein. Liebe stirbt auch nicht unbedingt am Alltag, sondern beispielsweise meine Großeltern kenne ich seit meiner Geburt und das sehr häufige Sehen beeinträchtigt die Liebe nicht (höchstens die Geduld ;) ).
Da man auch an dem bekanntesten Menschen immer wieder neues, spannendes entdeckt, wenn man nur will, muss der Alltag die Liebe nicht unbedingt vertreiben. Meinen Schatz beispielsweise kenne ich noch nicht sehr lange im Vergleich zu den anderen Menschen, die ich liebe, aber allein an ihn zu denken macht mich glücklich und ist mir Trost. Was wiederum nicht heißt, dass es sich um "Liebe als Traum" handelt, denn seine Nähe macht mich weit glücklicher als der Gedanke an ihn :)

Ich weiß nicht, ob ich sehr viel Menschenkenntnis besitze, aber ich habe das Gefühl, dass zumindest dir die Liebe nicht diesen Trost spendet und dieses Gefühl des Glücks vermittelt, Ipsi. Ich denke aber, dass Liebe das Potential dazu hat, und dass die "Liebe als Traum" dabei helfen kann, die Liebe wachzuhalten. Ein verklärter Rückblick auf schöne Kindheitserlebnisse zB. stärkt die Bindung zu meiner Familie, wenn ich mich allein fühle, aber die "Liebe als Traum" wird es wohl ohne wirkliche Liebe zu und von realen Menschen nicht schaffen, dieses Gefühl des Geborgenseins, der inneren Verbundenheit, des Glücks und der Verzauberung zu verspüren.

Phantasie, auch durch Bücher und sogar Filme angeregt kann ebenfalls als Ventil dienen. Wenn ich sehe, wie mein Vater bei einer (lächerlichen) TV-Serie mitweint, wie schon die Griechen das Mitfühlen der Zuschauer eines Theaterstücks beabsichtigten, drängt sich mir der Verdacht auf, dass dieses Mitgefühl mehr ist als seichte Unterhaltung. Durch die Identifikation mit anderen ist es tatsächlich möglich, viele der eigenen Bedürfnisse, die nicht selbst ausgelebt werden (können), wie Familie, Freunde, Erfolg, Spaß, Freiheit... zu kompensieren. Vielleicht ist der drastische Anstieg an Soaps, "tele novelas", RealityShows usw ein Anzeichen dafür? ...

*Die geöffnete Hand zu Ipsi ausstreck*

Traitor
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Mo 6. Jun 2005, 19:25 - Beitrag #7

Warum sehen hier soviele Rationalität und Zauberhaftigkeit als Widerspruch an?
Menschen wollen mehr, als zu funktionieren, sie wollen strahlen. Sie wollen mehr und anderes sein als ein funktionierendes Rädchen in einem großen Räderwerk, sie wollen aus sich selbst über sich selbst hinausgehende Bedeutung tragen und in dieser Bedeutung anerkannt sein.
Sicherlich. Aber ist etwa Rationalität gleich einem Leben als Uhrwerk? Gerade die Rationalität ist es, die uns ermöglicht, mehr zu sein als ein Uhrwerk. Tiere sind nur Uhrwerk.
Oft heißt es, die Wissenschaft hätte der Welt den Zauber genommen. Aber dem ist nur so, wenn man die Wissenschaft als unbekannten, drohenden Schatten wahrnimmt. Aber wenn man sich auf Wissenschaft und Rationalität einlässt, dann erkennt man erst, wie zauberhaft die Welt wirklich ist. Wieviel zauberhafter ist ein Blatt, wenn man weiß, dass es nicht einfach nur ein grünes Ding, sondern ein so enorm komplexes Gebilde ist, wie wir es inzwischen wissen? Wie zauberhaft ist die Unendlichkeit des Weltalls, die uns die Wissenschaft zugängig macht? Wie zauberhaft sind elegante Beweise der höheren Mathematik?

Nein, Rationalität und Wahrnehmung einer faszinierenden und zauberhaften Welt sind beileibe kein Widerspruch.

Feuerkopf
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Mo 6. Jun 2005, 22:55 - Beitrag #8

Zauberhaft ist für mich die Fantasiewelt, die ich in mir trage. Dort kann ich Geschichten erfinden mit beliebigem Realitätsbezug. Ich habe auch meine Traumwelt, in der ich mich inzwischen dank Training viel besser zurechtfinde und in der ich gänzlich neue Möglichkeiten entdeckt habe.
Das klingt ein bisschen sehr in-mich-gekehrt, bringt mir aber viel.

Ich empfinde auch die forschenden Wissenschaften als sehr anregend. Die Weite des Universums, die Winzigkeiten im Mikrokosmos, die Tiefsee und ihre unbekannten Welten, Altertümer, die wiederentdeckt werden, unser Gehirn und seine hochkomplexen Strukturen - all das lässt mich staunen und freut mich sehr.

Die wertvollen zwischenmenschlichen Momente, die es gibt, die ganz raren - Jan und Spender werden sich an unser Extremgespräch im letzten Herbst erinnern, z. B. - an die man noch lange denkt.

Natürlich auch die Erfahrung von Liebe in jeder Form.
Vieles ist davon entfernt von Kommerz. Man muss es halt nur wahrnehmen können.

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2005, 10:38 - Beitrag #9

Traitor, das zeigt, wie notwendig ein Tread über Rationalität ist :-)

Was du beschreibst, ist sozusagen die "romantische Seite" der Rationalität. Die etwas weniger romantische Seite ist die Welt der Bankiers, der Militärs, der Geheimdienstler, der Politiker und auch der realen Wissenschaft und der Ingenieure.

Wenn das Faszinosum eines Blattes sich durch wissenschaftliche Erkenntnisse vergrößert - was ich für die Mehrzahl der Menschen allerdings bezweifele - dann nicht deswegen, weil der Botaniker Erkenntnisse gesammelt hat, sondern weil diese Erkentniss ins Populäre gebrochen und damit "romantisiert" wurden - imo eher ein Hinweis auf die von mir vertretene These als darauf, das das Wissen um Kapillardruck wirklich irgendeinen Menschen emotional anspricht.

C.G.B. Spender
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Di 7. Jun 2005, 14:32 - Beitrag #10

Lügen müßte ich, wenn ich behaupten würde, dass mich die Wissenschaft nicht ungeheuer fasziniert. Mir ging es darum, herauszustellen, wie klein der Raum in der realen Welt geworden ist, in den man seine Vorstellungen projizieren kann. Dadurch das etwas wissenschaftlich erforscht wird, verschwinden immer mehr die unbekannten Anteile, also der Raum für unsere Vorstellungen, unseren Glauben, unsere Seele.

Vorrausgesetzt man glaubt immer an die Wissenschaft. Was ich nicht tue. ;) Die Welt ist eine Reflektion der Schöpfung. Wir sind eine Reflektion der Schöpfung und was wir erschaffen reflektiert unsere Welt. Geht man von den Vorstellungen der christlichen Religion aus, dann gibt es in der physischen Welt keinen Platz mehr für Himmel und Hölle und Gott scheint sehr gleichgültig zu sein. Konsequenterweise sollte man seine Vorstellungen der Realität angleichen und tatsächlich spiegelt sich das Leben millionenfach im Sein selbst. Gott und Liebe sind überall, solange wir mit dem Herzen unseren Verstand lenken, und mit dem Geist fühlen.

Eine geschlossene Hand umfaßt nichts, eine offene Hand umfaßt die Welt.

Kacktus
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Di 7. Jun 2005, 15:43 - Beitrag #11

Mein ganz persönlicher mentaler Wandel vom diffusen, unreflektierten christlichen Weltbild zum radikal materialistisch-deterministischen ging auch nicht gerade leicht über die Bühne. Im Laufe dieses Prozesses (denn es hat gedauert bis ich auch emotional überzeugt war) ist in mir eine Art Umschichtung der glücksauslösenden Momente vor sich gegangen, weg von der reinen und freien Romantik und hin zur Freude am wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisgewinn. Rational bin ich froh diesen Weg gegangen zu sein, emotional leide ich jedoch seitdem unter sporadischen Mangelerscheinungen - Romantik ist nur noch in abgeschwächter Form möglich; das Staunen und Schwärmen über den Mythos Welt und Natur ist dem Staunen über die Komplexität eines ungeheueren, unbestimmbaren Uhrwerks gewichen dessen Teil wir alle sind. Imo keine sehr "zauberhafte" Vorstellung und beizeiten auch deprimierend und sinnraubend. Aus der "Krise", die es anfangs war, bin ich mittlerweile weitgehend herausgekommen, da ich mich wohl auch unterbewusst mit dieser Sicht der Dinge arrangiert habe. Wege zurück zur verloren gegagenen "Mystik des Seins" suche ich allerdings noch, und ich bin nicht hoffnungslos...
Die genannte Zuwendung zur Natur sehe ich als eine Komponente dieses Versuchs an "sich spirituell aufzufüllen", wenn es einem gelingt für eine kurze Zeit dem Gefühl seinen Wahrheitsanspruch zu gewähren, die Erkenntnis zu vergessen und gewollte Magie Magie sein zu lassen. Ein anderer Weg muss (wohl zweifellos) die Liebe in ihrer Blütezeit sein, wie e-noon sehr glaubhaft beschreibt und durch sich selbst demonstriert. ;)
Ich probier's grade mit Literatur (Belletristik, philosophische Werke und Mangas). Was genau mich daran fasziniert kann ich nicht eindeutig beantworten - ich denke ein in einer Geschichte gelebtes Leben und wenn es auch noch so tragisch ist, erfüllt doch auf eine wundersame Weise Bedürfnisse nach Ideal und Mythos, weil man es eben nicht selbst lebt sondern als ein kleiner Parasit mitten im Sein eines fiktiven Akteurs sitzt und dort seine Gefühle und Erfahrungen teilt, ohne je zu tief von ihnen berührt zu werden...ein gutes Stück Literatur (und sicher auch anderer Kunst) kann so richtig schön jenseitig wirken. :) (jetzt merk ich's...ich bin sartre'fiziert *g* )
Darüberhinaus würd mich mal die östliche Philosophie interessieren. Ich weiß kaum was von ihr, aber bei dem was man so hört scheint sie hauptsächlich subjektbezogen und spiritualistisch zu sein (?). Ein noch zu erforschender Ozean...mal sehn was einen da erwartet. ^^

Ipsissimus
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Di 7. Jun 2005, 16:07 - Beitrag #12

nen Bhuddismus-Thread haben wir irgendwo schon, kacktus; ist leider in den Anfangszügen steckengeblieben :-)

für mich war es jedenfalls der Zenbhuddismus, der es mir ermöglichte, das Empfinden für die "Mysthik des Seins" mit rationalem wissenschaftlichen Weltbild zu vereinbaren und emotional zu bewahren.

Maurice
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Di 7. Jun 2005, 17:54 - Beitrag #13

@Kacktus: Ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich über längere Zeit versucht hatte, dein Weltbild zu ändern.

Wege zurück zur verloren gegagenen "Mystik des Seins" suche ich allerdings noch, und ich bin nicht hoffnungslos...

Warum zurück zur Mystik? Sie ist nicht notwendig um glücklich zu sein.
Wie du bereits geschrieben hast, ist die Phantasie ein wirkungsvolles Mittel, um Abstand von einer rationalen Sichtweise zu nehmen, wenn einem danach ist. Man kann z.B. durch Literatur "Urlaub" in einer zauberhaften Welt machen. Phantasie und Rationalität schließen sich nicht aus, aber beides sollte an der richtigen Stelle verwendet werden. Es ist genauso schädlich die ganze Welt phantastisch zu betrachten, als die ganze Welt rational. Was viele Menschen aber leider machen ist, die Phantasie der Rationalität in dazu ungeeigneten Kontexten vorzuziehen. In der Philosophie z.B. hat die Phantasie imo nichts zu suchen.
(Der Begriff "Phantasie" ist leider nicht exakt passend, für das was ich ausdrücken möchte, aber was ich damit meine, sollte klar sein. Ich spreche mich nicht gegen jegliche Kreativität im Rahmen von ernsten Fragestellungen aus, sondern gegen eine wider der Rationalität.)

Traitor
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Di 7. Jun 2005, 18:00 - Beitrag #14

@Ipsissimus: Die "Rationalität" der Banker oder Militärs ist für mich nur ein pervertierter oder gebrochener Abklatsch dieses Begriffes. In meinen Augen kann Rationalität nicht nur im Bekenntnis zur Ratio in Abgrenzung zu den Emotionen bestehen, sondern muss auch das Bekenntnis zur eigenen Ratio in Abgrenzung zur Umwelt und Gesellschaft beinhalten, und mit dem ist's bei diesen sich freiwillig ins Räderwerk ergebenden Menschen nicht weit her.

Wenn das Faszinosum eines Blattes sich durch wissenschaftliche Erkenntnisse vergrößert - was ich für die Mehrzahl der Menschen allerdings bezweifele - dann nicht deswegen, weil der Botaniker Erkenntnisse gesammelt hat, sondern weil diese Erkentniss ins Populäre gebrochen und damit "romantisiert" wurden - imo eher ein Hinweis auf die von mir vertretene These als darauf, das das Wissen um Kapillardruck wirklich irgendeinen Menschen emotional anspricht.
Zum einen behaupte ich, dass es durchaus Menschen gibt, die sich für die Erkenntnise selbst begeistern können, und zähle mich dazu. Zum anderen geht es eben nicht nur um emotionales Ansprechen - die Begeisterung für eine Erkenntnis beinhaltet zwar auch emotionale Euphorie, geht aber über diese hinaus, es ist Zauber in der Rationalität, nicht trotz der Rationalität.

@Spender: Der Raum für unsere Phantasie ist mitnichten kleiner geworden. Nur ist es nicht mehr nötig, unsere Phantasie als Erklärungsmittel für die Alltagswelt zu benutzen, sondern sie kann auf Basis der rationalen Erkenntnisse über diese und unterstützt durch rationale Methodik über diese hinausgehen und sich stets weitere Dinge ersinnen. Richtig angewandte Rationalität beflügelt die Phantasie, sie hemmt sie nicht.

@Kacktus: Das Problem des Absurden ;) Dass das eigene Leben im Verhältnis zum Universum verschwindend gering ist, muss man nicht als bedrückend empfinden und sich damit arrangieren. Im Gegenteil kann man dies als Chance sehen, denn es zeigt einem, wie sehr man sein eigener Herr ist und dass es darum geht, etwas zu leisten, womit man vor sich selbst besteht.

Kacktus
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Di 7. Jun 2005, 19:02 - Beitrag #15

@Ipsi: Ach ja, ich erinnere mich. Werd dort später mal stöbern. Wirst es sicher keinem verdenken, wenn er ihn wieder ausgräbt. ;) We'll see... ...Zen-Buddhismus hatten wir schon letztes Jahr im Ethikunterricht. Hab das meiste vergessen, außer der Tatsache, dass die Mönche versuchen sich von Ratio und sämtlichen Triebkräften zu befreien. Letzteres zumindest hielt ich zu damaligen Zeitpunkt für absurd. Wahrscheinlich habe ich es nur nicht ganz verstanden... :\

@Maurice:
Ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich über längere Zeit versucht hatte, dein Weltbild zu ändern.

Böse? Du hast zwar mein moralisches Gewissen erstochen, Gott gegrillt und mein emotionales Ästhetikempfinden auf den Kopf gestellt (oder vom Kopf auf die Füße? ;)), aber who cares. Never mind! ;)
Ne, Blödsinn. Ich hab ja freiwillig mit dir gechattet und ein Chat ist nun wirklich nicht der Ort an dem man jemanden optimal bedrängen kann. ;)

@Mystik: Ich weiß ehrlich nicht, ob sie notwendig ist um glücklich zu sein. Vielleicht doch in gewisser weise. Fundamentalistisch-solipsistisch gesprochen ist sogar die Realität Mystik. *g* Nein, es ist vielmehr das Gefühl etwas verloren zu haben. Gegen meinen Willen empfinde ich den Gedanken "prinzipiell alles erklären zu können" als bedrückend. Als ich Materialist wurde hatte ich damit zu kämpfen, nicht mehr als "ein organischer Roboter" zu sein - wenig später dann der Determinismus; und plötzlich bin ich nur noch ein Rädchen im Getriebe einer kosmischen Uhr. Schlag auf Schlag. Das muss wohl zuviel fürs sanfte Gemüt gewesen sein. *g* Man erholt sich, hoffe ich...

@Traitor: Klar, ist das der erste Gedanke an dem man sich hochzieht. Rational ist er mir schon in Fleisch und Blut übergegangen - wenn nur schon wieder die verflixten Emotionen nicht wären, die sich, leider Gottes, nur nach langer Bearbeitung in ihrem Grundtenor umstimmen lassen. Also arbeite man daran. ^^
Eines noch. Was genau meinst du mit
etwas zu leisten, womit man vor sich selbst besteht.
? Etwas was einen ausfüllt und zufriedenstellt? Daseinsbere
chtigung?

Maurice
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Di 7. Jun 2005, 20:10 - Beitrag #16

@Traitor:
die Begeisterung für eine Erkenntnis beinhaltet zwar auch emotionale Euphorie, geht aber über diese hinaus, es ist Zauber in der Rationalität, nicht trotz der Rationalität.

Der Verstand als Ursprung von Emotionen oder wie soll ich das verstehen?
Also mir leuchtet das nicht ein. Ich würde sagen "emotionale Euphorie nicht trotz Rationalität, sondern wegen Rationalität".

@Kacktus:
Du hast zwar mein moralisches Gewissen erstochen, Gott gegrillt und mein emotionales Ästhetikempfinden auf den Kopf gestellt (oder vom Kopf auf die Füße?), aber who cares.

Das hast du schön gesagt. *Träne aus dem Auge wisch*

Nein, es ist vielmehr das Gefühl etwas verloren zu haben.

Das ist verständlich, aber du solltest auch darauf schauen, was du dafür gewonnen hast. Am vernünftigen Nachdenken über die Welt kann man nämlich auch sehr wohl seine Freude haben.

Gegen meinen Willen empfinde ich den Gedanken "prinzipiell alles erklären zu können" als bedrückend.

Meinst du damit für alles eine Theorie entwickeln zu können oder theoretisch zu Allwissenheit gelangen zu können? Momentam würde ich das erste bejaen und das zweite verneinen.
Es herrscht ja kein Zwang für alles eine Theorie zu entwickeln, aber kann das Entwickeln von Theorien durchaus Spaß machen. ^^

Als ich Materialist wurde hatte ich damit zu kämpfen, nicht mehr als "ein organischer Roboter" zu sein - wenig später dann der Determinismus; und plötzlich bin ich nur noch ein Rädchen im Getriebe einer kosmischen Uhr. Schlag auf Schlag.

Mit der ersten Sache hatte ich nie ein Problem gehabt, ändert diese Sichtweise doch nichts am phänomenologischen Erleben und somit an der Lebensqualität. Mit der zweiten hatte ich dagegen eine Zeit lang meine Probleme, was man auch hier im Forum lesen kann. E-noon hat mir dann aber gezeigt, dass auch diese Sicht kein Problem darstellen muss, da diese Sicht auch nichts am phänomenologischen Erleben und somit an der Lebensqualität ändert.

Ipsissimus
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Mi 8. Jun 2005, 00:18 - Beitrag #17

"Das Überflüssige ist ein höchst notwendig Ding" (Oscar Wilde)

Doch, Mystik ist notwenidg, um glücklich zu sein :-)



Traitor, wenn wir allem Guten, Schönen, Wünschenswerten, allem was geeignet ist, systematisch das Glücksempfinden von Menschen zu steigern, das Attribut des Rationalen zusprechen, dann hast du völlig Recht. Allerdings hast du dann auch eine selbsterfüllende Alldefinition vorliegen, die jeglichen Erkenntnisgewinns entbehrt.

Daß es diese Menschen durchaus gibt, habe ich nicht bestritten; lediglich, daß die Mehrzahl der Menschen so gestrickt sei.

Maurice
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Mi 8. Jun 2005, 00:25 - Beitrag #18

Doch, Mystik ist notwenidg, um glücklich zu sein

Muss diese deiner Meinung nach notwendig Teil des Weltbildes sein oder reicht es, wenn wir diese in unserer Phantasie ausleben?

aleanjre
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Mi 8. Jun 2005, 00:30 - Beitrag #19

Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden und glücklich damit, die Mystik in meiner Phantasie auszuleben. In meinen persönlichen Welten herrschen utopische Gesetze, tummeln sich Gottheiten und noch so allerlei. Im wahrhaftigen Leben benutze ich die Mystik nur, um Spaß zu haben. Also auf Holz klopfen, um Glück zu beschwören, Daumen drücken, um Erfolg herbeizubeten... alles nichts ernstes, nichts, an das ich "glaube". In meinem Weltbild existiert "Glaube" nur dort, wo das Wissen fehlt, und spart dabei Mystik und Religion aus.

Ipsissimus
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Mi 8. Jun 2005, 09:29 - Beitrag #20

Muss diese deiner Meinung nach notwendig Teil des Weltbildes sein oder reicht es, wenn wir diese in unserer Phantasie ausleben?


ja :-)

ich hatte durch den zeitweilligen Verlust der mysthischen Dimension meines grundlegenden Lebensgefühls etwas verloren, das mir durch die rationale Dimension nicht annähernd adäquat ersetzt wurde. Dahinter verbarg sich das Problem, daß ich nicht wirklich eine Weltbeschreibung entwickelt hatte, welche die vielen "losen Enden", aus denen sich mein Weltbild zusammensetzt, zu einem stimmigen Ganzen verknüpft hätte. Das ist mir erst 2 Jahrzehnte später mit Hilfe des Zen gelungen.

Aus meiner heutigen Sicht gibt es die Welt nicht, es gibt nur Beschreibungen; Beschreibungen, die verschiedenen Zwecken verpflichtet sind. Jede Beschreibung ist in meinen Augen nichts anderes als ein Werkzeug, das in verschiedenen Kontexten verschieden angemessen ist. Im Augenblick, da mir klar wurde, daß der verbindliche Zugriff der Rationalität auf mein Denken mitnichten Verbindlichkeit beanspruchen kann, kehrte auch die Mysthik wieder zurück und beide leben seither in mir ein von mir als beglückend empfundenes Miteinander, kein Gegeneinander.

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