Aua, mein Kopf tut weh vom vielen Kopf-gegen-die-Tischkante-Hauen

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janw
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Fr 10. Jun 2005, 14:06 - Beitrag #81

Gut, Ipsi, da kenne ich sicher einiges nicht, und es ist gewiss ein Fehler des Bildungssystems, diese Seite der Medaille auszublenden.

Trotzdem bleibt der prinzipielle Unterschied - hier die Nazi-Diktatur, mit einem Tötungsakt zu beseitigen, dort die fehlerbehaftete Demokratie, zwar träge, aber on the long run veränderungsfähig.

Klar, der Polizist der Benno Ohnesorg erschoss, ist mindestens ein Totschläger, ob es zu den Mordkriterien reicht ist die Frage. Wenn ihn jemand "erlegt" hätte, es wäre vielleicht soetwas wie verständlich - für mich dennoch nicht akzeptabel, Blutrache gehört nicht in mein Moralkonzept.

Man muß auch fragen, welche Konsequenzen eine Rechtfertigung der RAF hätte. Letztlich müßte die für eine rechte Terrororganisation mit entsprechendem ideologischen Konzept (Befreiung Deutschlands aus der EU-Diktatur, des Terrors der sozialen Gleichmacherei o.ä.) auch gelten.

LadysSlave
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Fr 10. Jun 2005, 14:23 - Beitrag #82

Ich war in meinen "Jugendjahren" politisch sehr aktiv und war bis 1981 in einer K-Gruppe. Da ich im Berlin lebte und bei diversen politischen Foren anwesend war habe ich damals Kontakt zu Leuten gehabt, die später als RAF, Bewegung 2. Juni oder Baader Meinhof bekannt wurden. Wir haben im Rauchhaus (nach Georg von Rauch bezeichnet) am Mariannenplatz heftig diskutiert. Die Einstellungen der "RAF Leute" waren mit meinen nicht vereinbar, ich war fest in einer Partei integtriert und wir haben unsere politische Arbeit unterschiedlich bewertet, was nicht ausbleiben konnte. für mich waren die RAF Leute eher Anarchos, deren Organisationswilligkeit sehr begrenzt war. Dennoch glaubten sie, als Avantgarde, die Massen führen zu können und zu müssen. Diese Einstellung fand ich zum Haareraufen. Wenn auch viele der Meinungen mit unseren Einschätziungen übereinstimmten, waren doch die Wege völlig unterschiedlich.
Natürlich sehe ich bei den Aktionen der RAF-Leute nicht die Bestien, sondern die politisch interessierten Menschen, deren Werkzeuge völlig unbrauchbar waren.
wir haben Schulungen angeboten. unter anderen: Der linke radikalismus als Kinderkrankheit der Revolution, wo der Aktivismus der RAF Leute blendend beschrieben wurde, allerdings schon 70 Jahre vor der RAF. Also: im Westen nichts neues! Ich habe also nicht nur die Schriften gelesen, ich habe mit den Leuten gesprochen und mir von ihnen vorwerfen lassen, dass ich mit meiner politischen Arbeit keinen Schritt weit kommen werde. Dass die Bevölkerung bereit wäre, was gegen die Verbrecher da oben zu kämpfen, es fehle nur der notwendige Anschub. Und genau da unterschieden sich unsere Einschätzungen.
Warum sollten die Arbeiter denen, die ein privilligertes Leben führten glauben und gar folgen? Warum sollten sie die Sicherheit, die sie jetzt noch hatten riskieren?
Man kann keine revolutionäre Situation herbeibomben und schon gar nicht zu einer Zeit, in der der Kapitalismus in Deutschland Kreide gefressen hat um den Arbeitenden zu erklären, dass er die bessere Alternative zu der entstehenden Sozialistischen Gesellschaft im Osten des Landes sei. Da wurden - schon wegen der Existenz der DDR viele Änderungen eingführt. 1965 wurde der § aus dem BGB genommen, dass ein Arbeitsvertrag eienr Frau nur dann gilt, wenn dieser entweder vom Vater, oder, bei Ehefrauenj, der Ehemann diesen Vertrag unterzeichnet hat. Dann kam das Modell der Kapitalschaffung in Arbeitnehmerhand - Vermögensbildende Leistungen (mit denen die Arbeitnehmer an die Betriebe gebunden wurden und diese sich daher mit der gesellschaft identifizierten. Dann wurden auch der Kündigungsschutz, die Lohnfortzahlung bei Krankheit auch für Arbeiter eingeführt um gegen die damaligen Leistungend er DDR anstinken zu können. Das alles hatte ja dann auch Erfolg und genau zu der Zeit wollten die RAF-Leute eine Revolutionäre Situation herbeiführen. Das war völlig unsinnig und fern jeglicher Realität. Natürlich haben die RAF-Leute zu Anfang überlegt, gegen wen und was sich Gewalt richten sollte.
Doch das war doch später völlig aus dem Ruder gelaufen. In der letzten Zeit hat die RAF doch nur noch den Kampf RAF gegen Staat gekämpft, ohne jegliche Zeilsetzeung. Die Leute waren eingelocht, was nicht anders zu erwarten war, weil einzlene Gewaltakte gegen einzlene Vertreter des Staates eben keine Unterstützung in der Bevölkerung haben.
Und genau in dieser Ohnmächtigkeit haben die Leute sämtliche Massstäbe verloren.
Auch wenn ich zu Anfang politische Ziele sehe, so waren diese im Vornherein zum Scheitern verurteilt und genau diese Einschätzeung haben die RAF Leute von den politisch organisierten Menschen erhalten, woraus die verärgert die Diskussion verliessen und und Untätigkeit vorwarfen, wogegen wir erklärten, dass Aktion der Aktion Willen kein Ziel sei!
Ich denke, dass ich in dieser Beziehung die Leute besser kenne, als jeder, der das liest, was später gefiltert veröffentlicht wird.

Ipsissimus
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Fr 10. Jun 2005, 14:54 - Beitrag #83

Dass die Bevölkerung bereit wäre, was gegen die Verbrecher da oben zu kämpfen, es fehle nur der notwendige Anschub.


hmm, soweit ich weiss ging gerade die RAF (bei der Bewegung 2. Juni bin ich nicht sicher) davon aus, daß ein "korrumpiertes Proletariat" wie in der BRDeutschland diagnostiziert, sich nicht zu derartigen Kämpfen würde annimieren lassen; zumindest war das ein Statement von Ulrike. Gerade deswegen haben sie ja mit den Leuten gearbeitet, die "Bambule" machen, heimerzogenen Kindern und Jugendlichen, denen nicht erklärt zu werden brauchte, was staatliche Gewalt bedeutet, weil sie diese am eigenen Leib in Form staatlicher "Fürsorge" erfahren haben. Zumindest Ulrike hat auch gewußt, daß sie scheitern würden; sie sagte einmal, schon im Untergrund, in einer der "konspirativen" Wohnungen (paraphrasiert nach Astrid Proll zitiert) "Stellt doch bitte ein paar Blumen auf; in Zellen werde ich noch genügend Lebenszeit ohne sie verbringen."

Ich billige Gewalt nicht, ich versuche, ihr Entstehen zu begreifen. Die Handlungen der RAF waren Wegbereiter verheerender Fehlentwicklungen in Deutschland, vor allem wegen der unzureichenden Analysen der "Lage der Befindlichkeiten" im damaligen Deutschland. Aber ich verstehe die Motivlage, aus der heraus sie diesen Weg beschritten haben, und selbst wenn ich ihnen hochgradige politische Naivität konstatieren muss, so machen ihre Motive sie mir menschlich ungleich sympathischer, als irgendeinen ihrer Gegenspieler. Über ihre Taten gebe ich aus den genannten Gründen kein Urteil ab. Die Fraglichkeit dieser Taten ist offensichtlich, aber solange in die Bewertung dieser Taten die damaligen Zusammenhänge nicht angemessen einfließen, verweigere ich mich jeder Verurteilung.

e-noon
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Fr 10. Jun 2005, 15:14 - Beitrag #84

Ich kenne mich mit der Thematik und der RAF leider in keiner Weise aus, aber zu dem letzten genannten Aspekt zumindest möchte ich etwas sagen :)

Ich billige Gewalt nicht, ich versuche, ihr Entstehen zu begreifen.-
Über ihre Taten gebe ich aus den genannten Gründen kein Urteil ab. Die Fraglichkeit dieser Taten ist offensichtlich, aber solange in die Bewertung dieser Taten die damaligen Zusammenhänge nicht angemessen einfließen, verweigere ich mich jeder Verurteilung.
Ich würde nicht sagen, dass man die Umstände kennen muss, um zu verurteilen. Die wenigsten töten aus Spaß, und ein großer Teil derer, die dies nicht tun, sahen gute Gründe oder werden verständlicher, wenn man ihr Umfeld oder ihre Lebensgeschichte betrachtet. Dennoch kann und sollte man sie meiner Meinung nach für die Tat verurteilen und bestrafen. Selbst wenn sie eindeutig nicht anders handeln konnten (was meiner Meinung nach sowieso immer gegeben ist ^^), ist Mord etwas verachtenswertes, dass durch keine wie auch immer lautenden Gründe gerechtfertigt werden kann.

Ich denke nicht unbedingt, dass sie schlechtere Absichten hatten als die Gegenseite, aber die Wahl ihrer Mittel empfinde ich als unverzeihlich, sie muss einfach bestraft werden. Der Grad des Verständnisses oder der Sympathie gegenüber einem Mörder darf imo nicht das Urteil über seine Tat beeinflussen.

Ipsissimus
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Fr 10. Jun 2005, 15:26 - Beitrag #85

Dann lehnst du auch den Widerstand im NS-Regime ab? Wenn Juden sich in Warschau gegen die Nazis gewehrt haben? Oder wenn es in Auschwitz eine geheime Untergrundbewegung gegeben hat, der es gelegentlich gelang, einzelne Wärter zu töten?

e-noon
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Fr 10. Jun 2005, 15:32 - Beitrag #86

Nein, denn das betrachte ich nicht als Mord, sondern als Notwehr bzw. Nothilfe.
Die Terroristen sahen ja nicht ihr Leben bedroht, glaube ich zumindest, wenn das falsch ist, sorry, ich habe echt keine Ahnung, was damals passiert ist.
Wenn ihr Leben in Gefahr war, handelt es sich natürlich nicht um Mord.

Ipsissimus
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Fr 10. Jun 2005, 15:39 - Beitrag #87

Wenn ihr Leben in Gefahr war, handelt es sich natürlich nicht um Mord.


ich würde vermuten, Ulrike würde es als stellvertretende Notwehr auffassen können :-) Aber war ihr Leben in Gefahr? Man verdrängt heute gerne, daß die Gewalt damals vom Staat aus ihren Anfang nahm. Benno Ohnsorg hat sicher nicht wirklich damit gerechnet, daß sein Leben endet an diesem Scheisstag. Nach seiner Ermordung rechneten alle damit, daß auch sie dran sein könnten. Wer beurteilt verbindlich, ob sein Leben in Gefahr ist? Die Angst, die dir im Nacken sitzt.

Maurice
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Fr 10. Jun 2005, 15:44 - Beitrag #88

elbst wenn sie eindeutig nicht anders handeln konnten, ist Mord etwas verachtenswertes, dass durch keine wie auch immer lautenden Gründe gerechtfertigt werden kann.

Das klingt mir, als würdest du über objektive Tatsachen referieren. Du sprichst, als könnte an sich Mord nicht gerechtfertigt sein und wäre verachtenswert. Seit wann bist du Werterealist? :rolleyes:

e-noon
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Fr 10. Jun 2005, 16:02 - Beitrag #89

Mord kann imo nicht gerechtfertigt sein, denn Mord ist ja per Definition "Töten aus niederen Beweggründen". Jemanden aus Notwehr oder anderen "nicht niederen" Beweggründen zu töten, kann also gut oder schlecht sein, Mord ist für mich aber immer schlecht.

Maurice
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Fr 10. Jun 2005, 16:11 - Beitrag #90

Unter gewöhnlichen Umständen würde ich dir zustimmen, aber ich stocher doch skeptisch weiter nach. ;)
Für dich ist die Tötung aus niederen Beweggründen auf jeden Fall schlecht, daraus folgt aber nicht, dass es dies für alle sein muss. Ein niederer Beweggrund ist aus Spaß zu töten. Für dich ist das verachtenswert, aber für jemand anderes kann das völlig ok sein.

janw
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Fr 10. Jun 2005, 18:06 - Beitrag #91

Tjaja, so ist das...man braucht nicht lange diskutieren und stößt schon auf die Experten in der Sache... :)
Ipsi, ich kann Deine Skepsis im Bezug auf die Totalverurteilung der RAF in gewisser Weise nachvollziehen, vielleicht fehlt mir (gezwungenermaßen qua Nicht-Betroffenheit) der Blick für die interne Gefühlslage der RAFler, aus der heraus für sie der Eindruck ihrer Taten als einzig realistischer Handlungsoption entstand.

Trotzdem, Menschen aus politischen Gründen zu töten bleibt für mich problematisch, Notwehr in Diktatur ist hat sicher Gründe für sich.

LadysSlave, dann hast Du also den Marsch durch die Instanzen angetreten...
Hat der die gewünschten Erfolge gebracht, aus Deiner Sicht?

e-noon, Maurice, neben Mord und Notwehr käme noch Totschlag in Frage. Mord hat klare Kriterien: Mordlust, Habgier und sonstige Niedere Beweggründe, Tatausführung heimtückisch, grausam, Verwendung gemeingefährlicher Mittel, Ziel, eine andere Straftat zu verdecken.
Zumindest Bombenattentate haben ein hohes Risiko, daß gänzlich Unbeteiligte versehentlich erwischt werden.

e-noon
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Fr 10. Jun 2005, 18:16 - Beitrag #92

@Maurice: Hab ich denn nicht >für mich< geschrieben? Es war ja von Ipsi speziell nach meiner Antwort gefragt worden, logisch, dass das für andere nicht gelten muss :)

Wie ist Totschlag definiert? Töten aus politischen Gründen, die nicht das eigene oder fremdes Leben gefährden oder Grundrechte einschränken, halte ich auch für niedere Beweggründe, für Mord. Wenn sie ihre Grundrechte bedroht sahen, kann ich sie verstehen, denke aber immer noch, dass das für die Strafe keinen Einfluss nehmen sollte. Wenn ihre Grundrechte bedroht waren, war es kein Mord, wenn sie die töteten, die ihre Grundrechte bedrohten. Wenn sie Unschuldige töteten, war es auf jeden Fall Mord, so würde ich es definieren, und auf jeden Fall sollten sie auch die auf Mord ausstehende Strafe erhalten.

Maurice
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Fr 10. Jun 2005, 18:52 - Beitrag #93

Also ich habe kein "für mich" gesehen. *schulterzuck*

Wenn sie Unschuldige töteten, war es auf jeden Fall Mord

Tja bleibt die Frage, wer denn nun schuldig und wer unschuldig ist. Wenn ich z.B. ein Produkt kaufe, für dessen Pdoduktion ein Teil Regenwald abgeholzt wurde, bin ich dann auch schuldig für die Abholzung des Regenwaldes?
Wir haben ja schon an anderer Stelle festgestellt wie schwierig es ist, diesen Begriff exakt zu bestimmen.

Monostratos
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Fr 10. Jun 2005, 18:55 - Beitrag #94

Aua, mein Kopf tut weh vom vielen off-topic-lesen.

e-noon
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Fr 10. Jun 2005, 19:03 - Beitrag #95

Unschuldig im Sinne von "Nicht das Leben oder die Grundrechte der Mörder bedrohend", also solange sie Leute angreifen, die ihnen die Grundrechte nehmen wollen, ist es kein Mord, wenn sie aber nicht oder nicht aktiv Beteiligte zu Demonstrationszwecken oder als Druckmittel töten, wird es Mord.

LadysSlave
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Fr 10. Jun 2005, 23:15 - Beitrag #96

Zitat von janw:Tjaja, so ist das...man braucht nicht lange diskutieren und stößt schon auf die Experten in der Sache... :)
Ipsi, ich kann Deine Skepsis im Bezug auf die Totalverurteilung der RAF in gewisser Weise nachvollziehen, vielleicht fehlt mir (gezwungenermaßen qua Nicht-Betroffenheit) Trotzdem, Menschen aus politischen Gründen zu töten bleibt für mich problematisch, Notwehr in Diktatur ist hat sicher Gründe für sich.

LadysSlave, dann hast Du also den Marsch durch die Instanzen angetreten...
Hat der die gewünschten Erfolge gebracht, aus Deiner Sicht?

.

Wie kommst du darauf, dass du nicht betroffen bist?
Durch die RAF wurden die bundesdeutschen Gesetze das erste mal gewaltig verändert und die Behörden in die Lage gebracht, gegen sämtliche anderen Gesetze - selbst gegen das Grundgesetz zu handeln. Dort ist die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert (was ja nicht vom gesprochenen Wort von Dealerbanden beim Lauschangriff spricht, sondern von der realen Wohnung und das REALE Eindringen in dieselbe) aber seit damals gibt es diese Floskel "Gefahr in Verzug" und damit wird ein Teil des Grundgesetzes ausser Kraft gesetzt.
Wenn einmal eine ganz andere Partei an die Regierung kommen sollte, werden wir noch merken welchen Wahnsinn wir mit der weiteren Verschärfung der "Sicherheitsgesetze", die in Wirklichkeit ein Ausserkraftsetzen der Grundrechte darstelltwir da zugelassen haben.

Zur Frage nach dem Marsch durch die Institutionen. Ja wir hatten Erfolge.
Ich war nach Feierabend Verstrauensleutesprecher eines grossen Schreibwarenherstellers, Im Bezirksvorstand, Beisitzer in der Zentralen Tarifkommisssion und Bundesberufsgruppendelegierter in der IG Druck und Papier. Damals waren SPD Genossen noch verbündete. Bis 1998 sah ich das auch noch so, seit 2002 aber sind für mich Bekundungen aus der Führung der SPD klare Kampfansagen an die arbeitende Bevölkerung.
Es ist so, dass der Marsch durch die Institutionen leider nicht nur uns was gebracht haben, sondern auch der Gegenseite, die unter Schröder und Clement, der noch nie ehrbar gearbeitet hat, sowie Müntefering, der In NRW Mit Krupp und Thyssen gemauschelt hat und die Seinen in die grossen Aufsichtsräte gemogelt. Dabei ist denen natürlich der Blick auf die Arbeitenden genommen worden, soweit er jemals da war. Bei Schröder jedenfalls noch nie.
Abgesehen davon dass seine Gehirnaktivität nicht ausreicht sein Haar altersbedingt ergrauen zu lassen (ich erinnere mich da an so einen "Eitel-Prozess" ums Haarfärben), ist Wohl sein Gewissen noch nie vom Empfindingen für die arbeitenden Menschen bedrängt gewesen.
Und leider ist deren Marsch durch die Institutionen durch die Internationalen Veränderungen begünstigt worden.
Ich bin jetzt in keiner Gewerkschaft mehr, weil ich die Kumpanei der Berufsfunktionäre von Ver.di, mit der SPD, zulasten der Kollegen im Betrieb, nicht mittragen wollte und konnte. Da geht es mir wie Lafontaine, der die ganzen Volksverarmungsgesetzt nicht mittragen wollte und sich von der Bande abgesetzt hat, die die Führung der SPD übernommen hat.

LadysSlave
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So 12. Jun 2005, 12:50 - Beitrag #97

Aber das war schon eine weitergehende Analyse.
erstmal zu der Frage, ob der Marsch durch die Institutionen Erfolg hatte:
Ich meine JA!
Seit Beginn der Bundesrepublik Stellte die CDU die Regierung und das mit verstaubten Ansichten, die teilweise nicht über die undemokratische Ideologie des Centrums (aus dem die CDU ja entstanden ist) der Weimarer Zeit hinausging. Die Nazizeit war erst relativ kurz vorüber und viele ihrer Repräsentanten waren wieder in Amt und Würden. Die Amis stellten jedem, der im kalten Krieg gegen den Osten nützlich sein konnte, Persilscheine aus und aus Tätern wurden damit Mitläufer. Selbst die Grössen des Geheimdienstes der Nazis waren wieder in Amt und Würden. Die Leute damals hatten ähnlich kaputte Einstellung zu Volk und Vaterland, wie manch ein Neonazi heutzutage- aber das galt damals als "normales Volksempfinden". Eine Frau hatte ihre 3 K's Küche, Kinder, Kirche. Der Mann war das Oberhaupt bestimmte, wo die Familie lebt und wie, die Frau war sozusagen sein Anhängsel. Selbstbewusste Frauen wurden ans Amazonen belächelt und ihrem Mann wurde mangelnde Führungsqualitäten nachgesagt - auch Deutsch: Er hatte seine Frau nicht im Griff.
Rechte im Betrieb gab es nicht, die Arbeitgeber versuchten mit aller Macht ein Betriebsverfassungsgesetz zu verhidern, ein Kündigungsschutzgesetz sowieso.
Die Begründung war dann auch typisch deutschtümelnd: Im Betrieb und in der Armee kann es keine Demokratie geben.
Dass das hirnrissig war und die Unternehmer damit das gewaltige Ideenpotentiel für die Unternehmen aussen vor liessen, merkten sie erst, als das Betreibsverfassungsgesetz in Kraft war.
Im kommunalen Bereich hatten die Bürger anfangs nichts zu sagen, die Ratsherren und Honoratioren machten alles unter sich aus (wie heute auch wieder).
Wenn man also von der damaligen verstaubten Gesellschaftsordnung ausgeht, haben wir viel erreicht. Ich meine damit alle fortschrittlichen Kräfte zusammen - nicht ein einzelner. Die neue Demokratieart der ausserparlamentarischen Opposition brachte eine enorme Schubkraft für die demokratischen Teile der SPD und - damals sogar bei der FDP. Ein Heiner Geisler (ich nenne ihn mal einen Sozialisten Gottes) wurde in der CDU nicht nur denkbar, sondern kam auch in Funktionen.
Ohne die Arbeit der ausserparlamentarischen Opposition wäre das Volksempfinden genauso fatalistisch gewesen, wie es heute ist! Und in diesem Bereich waren die K-Gruppen führend. Sie waren in jeder Bürgerinitiative enthalten und bundesweit erfolgreich. Auch die DKP und (in Westberlin) die SEW hatte Anteil, aber da waren die tief eingeimpften Vorurteile gegen die DDR bei den meisten Bürgern, die sich für ihre Interessen einsetzten, auch damals bildete Bild schon Meinungen (wie Günter Wallraff in seinen Bild Beschreibungen so treffend darstellt, was ja kein Wunder war, denn er arbeitete ja unter dem Namen Hans Esser in der Bild-Redaktion), Das hetzten mussten die also nicht erst lernen:shock: .

Es war die Zeit der Demokratie von Unten in Deutschland, die den Regierenden unglaublich einheizte, ja sie Zwang nachzudenken, wie ihre Entscheidungen beim Bürger ankommen.
Als jedoch die ganzen Bürgerinitiativen auf die Sirenengesänge der etablierten Parteien reinfielen (das war das immer öfter ausgesprochene: Wenn ihr was erreichen wollt, müsst ihr eine eigene Partei gründen) waren die Parteibonzen endlich erlöst vom Druck des Volkes. Die Bürger übersahen , dass sie mit den Bürgerinitiativen erheblich mehr erreicht haben als später mit einer Alternativen Partei. Weil eben Interessenbündnisse nicht überall und schon gar nicht andauernd, Deckungsgleich sind.
Wir haben die Politiker getrieben, sich für die Bürgerinteressen einzusetzen, solange diese Bürgerinitiativen unabhängig waren. Mit der Gründung der AL (In Berlin) GAL (Hamburg) Alternativen und Grüne waren die ehrlichen und aufrechten Bürger die für ihre Interessen eingetreten sind in das Fahrwasser der etablierten Parteien geraten und ihrer Ziele und wirksamen Aktionen beraubt. Ja Es war damals eine demokratische Bewegung von unten, die extrem erfolgreich war. Die etablierten Parteien sprechen zwar immer davon, dass sie sich nie dem Druck der Strasse beugen würden, aber sie lecken dem Druck der Strasse die Füsse, wenn er nur stark genug kommt.
Mit der Gründung der Al in Berlin (zu deren Gründung auch viele KPD-KPD/ML-KBW Aktivisten beigetragen haben und selbst Gründungsmitglieder waren) ist die politische Meinungsäusserung zurück in die Parlamente verbannt worden und das Volk wieder von der politischen Initiative ausgeschlossen worden.
Ich war schon damals strikt gegen ein teilweises Aufgehen in diese Parteien, aber es gab genug Träumer, die meinten. so mehr erreichen zu können (wie war doch der Sirenengesang der etablierten Parteien?). Das war der Zeit als ich aus der Partei austrat und fortan meine Arbeit auf die Gewerkschftsebene konzentrierte. Denn die linken Parteien haben sie sich kastrieren lassen und die politische Initiative aus der Hand gegeben.
Es zeigt aber, dass ein Volk, dass politisch rege an der Meinungsbildung teilnimmt- zu hunderten /tausenden/hunderttausenden auf die Strasse geht, die Politiker vor sich hertreibt, wie diese es jetzt mit uns machen.
Zusammengefasst: Ja wir hatten Erfolg, waren aber nicht in der Lage, diesen weiterzuführen, sondern haben uns verführen lassen, ihr Spiel (das Spiel der Berufspolitiker) zu spielen, obwohl wir keine Gaukler sind. Doch man kann ja aus Fehlern lernen.

janw
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So 12. Jun 2005, 13:14 - Beitrag #98

LadysSlave, ja, so ähnlich habe ich die Erfolgsbilanz auch gesehen, von außen.

Mit meinem Satz über die nicht-Betroffenheit wollte ich darauf anspielen, daß ich durch späte Geburt die politische Situation Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre nicht bewußt erleben konnte, somit auch nicht die damalige Gefühlslage innerhalb der kritisch gesinnten Gruppen.
Meine Wahl war später, die zwischen Passivität und partiellem zivilem Ungehorsam.

Quo vadis, die Frage stelle ich mir heute, und mir graut vor Angie :rolleyes:

Feuerkopf
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So 12. Jun 2005, 13:33 - Beitrag #99

Dies ist der spannendste Thread seit langem! Schon wegen der mitpostenden Zeitzeugen.

Ich bin mal wieder zu jung für die meisten Entwicklungen. 1968 war ich mal gerade 10. Als Schleyer umgebracht wurde, 18.
Außerdem hatte ich immer ein gesundes Misstrauen gegenüber Parteien. Die K-Gruppler fielen mir an der Uni immer nur dadurch auf, dass sie jede Vollversammlung sprengten. Mir waren und sind die großen Entwürfe immer zu abstrakt, deshalb habe ich lieber in Initiativen gearbeitet, ohne allerdings die Zusammenarbeit mit "Organisierten" zu scheuen, wenn es sich als nützlich erwies. Für mich ist es also kein Marsch durch die Institutionen, sondern Kleinarbeit "vor Ort", in der Studentenvertretung, in der Schülervertretung, im Elternrat des KiGa, in der Schulpflegschaft. Da konnte durchaus auch ein Schulstreik organisiert werden, um die Sanierung der maroden Grundschule durchzusetzen.
Ich bin mehr die Frau für die kleinen Schritte. ;)

Ulrike Meinhof ist für mich eine ähnlich tragische Figur wie Petra Kelly, die die Grünen mitgründete. Sie waren vollen Idealismus und zerbrachen an der Kälte der Realität.

LadysSlave
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So 12. Jun 2005, 14:05 - Beitrag #100

[quote="Feuerkopf"]Dies ist der spannendste Thread seit langem! Schon wegen der mitpostenden Zeitzeugen.

Ich bin mal wieder zu jung für die meisten Entwicklungen. 1968 war ich mal gerade 10. Als Schleyer umgebracht wurde, 18.
Außerdem hatte ich immer ein gesundes Misstrauen gegenüber Parteien. Die K-Gruppler fielen mir an der Uni immer nur dadurch auf, dass sie jede Vollversammlung sprengten. Mir waren und sind die großen Entwürfe immer zu abstrakt, deshalb habe ich lieber in Initiativen gearbeitet, ohne allerdings die Zusammenarbeit mit "Organisierten" zu scheuen, wenn es sich als nützlich erwies. Für mich ist es also kein Marsch durch die Institutionen, sondern Kleinarbeit "vor Ort", in der Studentenvertretung, in der Schülervertretung, im Elternrat des KiGa, in der Schulpflegschaft. Da konnte durchaus auch ein Schulstreik organisiert werden, um die Sanierung der maroden Grundschule durchzusetzen.
Ich bin mehr die Frau für die kleinen Schritte. ]
Gut du hast 68 nicht bewust mitgemacht aber die 70er Jahre hasst du doch bewusst erlebt und da war viel in der Luft.
Sei es Willy Brandt, der mit seinem Spruch: mehr Demokratie wagen, den Menschen aus der Seele gesprochen hat, oder sie gesamte Zeit der sozialliberalen Koalition, wo zeitweise die FDP links an der SPD vorbei wollte.

Ich erinnere mich (um mal ein Beispiel täglicher politischer Arbeit zu bringen) an einen Vorgang 1976. Ich war von der Partei in die Rote Garde geschickt worden um den Ausbau der roten Garde als Massenorganisation zu unterstützen. Eine Schule in Britz. Hier gab es unvorstellbare Zustände und die Schülervertretung durfte nicht darüber berichten. Den Schülern wurden die zugesagten Gelder für die Schulzeitung gestrichen. Ein Rotgardist war in der SV und ich kam dann zur Besprechung. Wir sagten den Druck zu und versprachen alles so zu veröffentlichen, wie die SV es wollte, keinerlei Zensur auszuüben und das Impressum auf die SV zu begrenzen. da auch das Druckunternehmen benannt werden musste, hat der Schülersprecher am Druck teilnehmen müssen, damit wir Eigendruck im Selbstverlag reingeben konnten. Die Schüler waren völlig überrascht, dass wir keinerlei Bedingungen daran knüpften. Das kannten sie von keiner Seite.
Natürlich haben wir dann mit den Schülern besprochen, wie man solche Artikel veröffentlicht, die den einzelnen Schüler, der es veröffentlicht, in Gefahr bringen konnte. Dazu haben wir dann einr Rote Garde Zeitung rausgebracht. Den Artikel konnte der Schüler selber schreiben und er wurde unzensiert gebracht, unter unserer Verantwortung. So hat dann die Schülerzeitung ihr Erscheinen gewahrt und wir haben die interessen der Schüler unterstützt. Der Rektor hat seine Zensurmassnahmen eingestellt und die zugesagten Gelder für die Schülerzeitung wieder freigegeben, um der Zeitschrift der Roten Garde was entgegen zu setzten. Wir widerum hatten Schülern gezeigt, dass sie aufrecht kämpfend mehr Erfolg haben als kriechend, dass also Widerstand eine Bürgerpflicht ist und Erfolg hat, wenn er energisch genug ist.
Dass sich das letzlich auch für die RG günstig ansgewirkt hat, will ich natürlich nicht verschweigen.
Es kam uns aber erstmal vorneab darauf an, den Leuten, zu denen wir bis dato noch keine Verbindungen hatten, zu zeigen: Wenn du nicht für deine Intereressen eintrittst, wer dann? Tu WAS
Natürlich gab es auch in unserer Parei Leute, die meinten, je schneller alles schlimm kommt, umso eher kommt die Revolution. Aber denen habe ich entgegengehalten: wenn du wirklich eine Revolution haben willst, wer soll diese dann machen? Die, die sich schubsen lassen, oder die, die zu Kämpfen gelernt haben? Wobei natürlich immer die Frage anstand, was denn bitte eine Revolution wäre. die einen meinen, dass müsse eine gewaltsame Änderung in der Gesellschaft sein, während die, zu deren Flügel ich mich zählte, meinten, dass es gewaltige Änderungen sein müssen, die natürlich nicht serviert werden, sondern im täglichen Kampf errungen und dann immer wieder verteidigt werden müssen.

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