Zauberhafte Bedürfnisse ...

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
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Mi 8. Jun 2005, 20:03 - Beitrag #21

Meinst du mit dem "ja" nun, dass ein Weltbild mystisch sein muss oder dass nur die Phantasie Mystik enhalten muss? Das ist mir nicht eindeutig.

Wenn es das erste ist, so muss ich anmerken, dass du nicht sicher von dir auf alle Menschen schließen kann (auf was ja meine Frage abzielte). Wenn du mir sagst, dass du deiner Meinung nach nicht ohne Mystik in deinem Weltbild glücklich leben kannst, dann glaube ich dir das. Ich glaube aber nicht, dass deshalb kein Mensch ohne Mystik glücklich sein kann.

Aus meiner heutigen Sicht gibt es die Welt nicht

Entweder hast du den Satz etwas merkwürdig formuliert, oder du hast imo einen absonderliche Definition von Welt.

Ipsissimus
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Mi 8. Jun 2005, 20:55 - Beitrag #22

Meinst du mit dem "ja" nun, dass ein Weltbild mystisch sein muss oder dass nur die Phantasie Mystik enhalten muss? Das ist mir nicht eindeutig.


wenn mir im Rahmen einer entweder-oder-Frage zwei in meinen Augen gleichermaßen ungeeignete Alternativen angeboten werden, ist meine Antwort immer "ja" oder "nein"

in diesem Fall richtet sich dies gegen das von dir verwendete Verb "müssen"; an vielen anderen Stellen verwendest du "sollen". Ich sehe darin nach wie vor einen Übergriff; du fragst nicht, ob ich dieses oder jenes für wünschenswert halte, du forderst mich auf, in einer ähnlichen Weise wie du es mit deinem "sollen" oft praktizierst, einen Übergriff vorzunehmen, indem ich für andere entscheide, wie sie die Welt aufzufassen haben (denn nichts anderes ist in deinem "müssen" enthalten). Dagegen verwahre ich mich , immer wieder aufs neue.

Zu deiner Frage kann ich dir nur sagen, was ich dir schon geantwortet habe; ich empfand den wegfall der mysthischen Dimension als echten Verlust, unter dem ich gelitten habe, bis ich sie wieder fand.


Meine Auffassung von "Welt" orientiert sich an der bhuddistischen Auffassung, welche mensch annähernd so formulieren kann, daß die Welt eine sich selbst erzeugende und selbst erhaltende Illusion ist, die in ihrem konkreten Sosein fixiert wird, dadurch daß wir sie uns beständig beschreiben. Von da aus ist es keine Mühe mehr, Wissenschaft und Mystik zu versöhnen; beides sind unterschiedliche Beschreibungen, unterschiedlichen Zwecken verpflichtet.

Scuba
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Do 9. Jun 2005, 22:13 - Beitrag #23

Menschen wollen mehr, als zu funktionieren, sie wollen strahlen. Sie wollen mehr und anderes sein als ein funktionierendes Rädchen in einem großen Räderwerk, sie wollen aus sich selbst über sich selbst hinausgehende Bedeutung tragen und in dieser Bedeutung anerkannt sein.


Ich denke, daß das weniger daran liegt, daß "Menschen das wollen", sondern daß Menschen von Natur aus 'so sind' und dies nur regelmäßig vergessen haben, - bzw. nicht (mehr) davon wissen, weil es ihnen nicht nur niemand sagt, sondern es ihnen regelmäßig und systematisch auszureden versucht wird. Dies geschieht i.d.R. dadurch, daß man versucht jedwede Empfindung und Regung zu rationalisieren, zu formalisieren und in eindeutig bezeichneten Schubladen abzulegen und dadurch zu "beherrschen". Unser (materiell) äußerst erfolgreiches Gesellschafts- und Wissenschaftssystem beruht u.a. genau darauf. (so sehe ich übrigens auch den Versuch Philosophie zu Terminologisieren und bestimmte Richtungen in Schubladen abzulegen)

Dabei sollte aber eigentlich spätestens seit Gödel klar sein, daß intuitiv erfahrbare Wahrheit (z.B. 'eine unteilbare Wirklichkeit') generell nicht durch formale System beschreibbar sind und unvollständig bleiben müssen. (Nicht weil wir nicht die richtigen Methoden haben, sondern weil es unmöglich ist)

Leider wird dieser fundamentale Umstand in seiner Tragweite nicht genügend gewürdigt.

So haben wir also immer (zwangsläufig) eine Lücke, zwischen dem was ist, und dem was wir beschreiben und 'beherrschen' können. Dies trifft übrigens ausdrücklich nicht nur auf sogen 'rationale Systeme' zu, sondern auf alle Glaubenssysteme (und somit auch auf Religionen und andere geschlossene Weltanschauungen z.B. aus dem Esoterikbereich).

Diese 'Lücke' ist also nicht eine romatische unzeitgemäße Gefühlsduselei, sondern ein 'Zauber', der sich sogar rational begründen lässt und darauf beruht, daß wir nur einen kleinen Bruchteil unserer multidimensionalen Persönlichkeit kennen (können)

C.G.B. Spender
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So 12. Jun 2005, 07:25 - Beitrag #24

Satori und Einheit

@Traitor: Ich fürchte ich bin in manchen Dingen viel zu irrational, bzw. religiös, für dich, aber ich kann deinen Standpunkt durchaus verstehen. Legt man die christliche Vorstellung von Himmel und Hölle beiseite, dann gibt es durchaus auch Orte in der wissenschaftlich erforschten Welt, auf die man Gott und Jenseits, Ewigkeit, projizieren kann. Oder man hält direkt die ganze Welt für Gott, was ich tue, aus der Beobachtung der Natur heraus.

Insofern lebt wohl der christliche Teil meiner Seele nicht gerade in Einklang mit der Wissenschaft, aber dieser Teil ist eh verschwindend klein, fürchte ich. ;)


Noch ein paar Gedanken von mir zu Zen und Tao...

Der Zenbuddhismus ist stark vom Taoismus beeinflußt worden und bezüglich der Meditation gibt es sicher große Ähnlichkeiten, vor allem wenn man danach strebt, Erleuchtung in der Einheit mit der Welt zu erlangen und das Tao religiös wahrnehmen will. Ein Bekannter von mir meinte einst, ich würde den Zenbuddhismus mit dem Taoismus verwechseln und wenn man den Taoismus als rein philosophische Geisteshaltung betrachtet, dann trifft dies wahrscheinlich zu. Das tue ich jedoch nicht, wie mir beim Lesen dieses Themas hier wieder bewußt wurde.

Das Tao zu begreifen, heißt, es nicht zu begreifen und man findet es am besten, wenn man nicht danach sucht. Es kommt zu einem, wenn man alles zurückläßt, das den Atem des Geistes stören könnte, beim Abbilden der äußeren Welt; und das den Geist der Welt stören würde, beim Abbilden des Ichs. Als ein Abbild der Schöpfung fügt man sich in den moosbewachsenen Felsen eines Berges, blickt auf das ruhige Tal in der Abendsonne und spürt scheinbar die Drehung der Erde unter sich. Jeder Moment ist ewig in sich und die Unendlichkeit ein Moment, der plötzlich erscheint, wie ein lauer Wind voller Kirschblüten. Es gibt keine Orte, keine Worte, keine Zeit. Man wird zu den im Wind treibenden Blüten, fruchtbar voller Erkenntnis über die wahre Natur. Es ist ein vollkommenes unerschöpfbares ewiges Glück, welches von Innen heraus Wärme verbreitet, leuchtet. Es verströmt die Kraft der unnachgiebigen Nachgiebigkeit, so wie das durch die Hände rinnende Wasser zwischen den Bergen Täler formt, an deren Rand man sitzt, mit offenen Händen, den Tälern aus Fingern, den Räumen der Empfängnis des Unergründlichen.

Niemand, der es nicht schon erlebt hat, wird es verstehen können, denn es ist unbeschreiblich schön. Es ist eigentlich keine Frage des Glaubens mehr, für mich. Ohne den Glauben würde ich dieses Wunderbare jedoch vollkommen verdrängen wollen, da es inmitten der Banalitäten des Alltages zu sehr schmerzt. In der Erkenntnis des Taos verletzten sich Neid und Hass selbst. Ohne den Glauben könnte ich nicht zurückfinden zum Urgrund des Seins und verzaubert sein.

Ipsissimus
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Mo 13. Jun 2005, 11:57 - Beitrag #25

deine Darlegung des Tao ist sehr gelungen, Spender ^^ wieviel von dem, was du hier schreibst, ist Referat, wieviel hast du selbst realisiert?

es verhält sich eher so, daß der indische Buddhismus bei seinem Kontakt mit dem Taoismus einschlägig beeinflußt wurde und eine neue, chinesische Variante herausbildete, den Chan. Dieser kann als ursprüngliche Form des Zen angesehen werden, die dann von japanischen Wandermönschen übernommen und nach Japan übertragen wurde, Daumen mal pi zwischen dem sechsten und achten Jahrhundert uZ.

C.G.B. Spender
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Di 14. Jun 2005, 01:53 - Beitrag #26

Wenig von dem, was ich beim Erleben der Natur realisiert habe, kann ich überhaupt in Worten wiedergeben, selbst wenn ich mir ein paar Stunden Zeit dazu lasse. Das war einer meiner besseren Versuche, würde ich sagen. Alleine darüber zu schreiben, erfüllt einen mit derselben Wärme. Eines Tages habe ich festgestellt, dass vieles von diesem Glauben und dieser Philosophie mich anspricht, um nicht zu sagen: Es ist das einzige, dass für mich Sinn ergibt. Ein Schlüsselerlebnis war eine Radiosendung Mitte der Neunziger und das Buch "Das Tao ist Stille" tat sein übriges.

Ich weiß allerdings nicht, ob Wissen darüber vorher gut gewesen wäre. Ich glaube eher nicht. Das Erkennen der Gegensätze ist doch etwas natürliches. Der Ort an dem sich die Gegensätze der Welt berühren, zeigt, dass sie sich ständig befruchten, und Leben immer wieder neu erschaffen. Zur Dämmerung, wenn man die Sonne, die Wärme bringt, und den Mond, der die Gezeiten und die Zyklen der Frau bringt, zugleich erblicken darf; oder am Strand, wenn man das Skelet des Landes in den Klippen erkennt, wo das Wasser der Flüsse ins Meer fällt und Leben zurück zu jenem Ort geht, aus dem es entsprungen ist.

Was ich unbedingt mal lesen muß, ist das Tao te King von Lao Tse.

Ipsissimus
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Di 14. Jun 2005, 10:44 - Beitrag #27

das Tao te King kannst du nicht in dem Sinne lesen wie ein übliches Buch, das muss dich begleiten im Sinne einer lebenslangen Meditation. Sehr empfehlenswert :-)

Milena
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Di 14. Jun 2005, 11:38 - Beitrag #28

wenn ich Euch, Ipsi und Spender so höre/lese, da bekomme ich richtig Lust mich mit dieser `Materie`zu befassen, zu beschäftigen.....;)

Ipsissimus
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Di 14. Jun 2005, 12:07 - Beitrag #29

:-) mach :-)

Milena
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Di 14. Jun 2005, 12:25 - Beitrag #30

jawohl!

äh, vielleicht noch darüberhinaus ein kleiner Tip für Einsteiger, bzgl. Verlag etc, Ipsi...?

Ipsissimus
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Di 14. Jun 2005, 13:08 - Beitrag #31

http://www.das-klassische-china.de/Tao/Ubersicht%20der%20versch%20Ausgaben/


da findest du eine Liste der wichtigsten deutschsprachigen Veröffentlichungen. Tendentiell würde ich von neueren Übersetzungen abraten, da diese oft in einem Maße interpretierend vorgehen, das ich nicht mehr für tolerabel halte, wenn es darum geht, sich den Gehalt selbst zu erarbeiten; ich bin daher mit meiner alten Debon-Ausgabe von Reclam Stuttgart immer noch zufrieden. Sehr empfehlenswert ist

LAU DSE. DAU DÖ DJING
Mit einer wörtlichen Übersetzung, einer Einleitung und Erläuterungen versehen von Jan Ulenbrook.
Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M - Berlin 1980

wegen der wörtlichen Übersetzung; möglicherweise aber schon vergriffen

Milena
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Di 14. Jun 2005, 13:59 - Beitrag #32

vielen Dank Ipsi!:knuddel: , na dann werde ich mal schauen...

C.G.B. Spender
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Di 14. Jun 2005, 14:54 - Beitrag #33

Meditieren, nicht nur lesen, natürlich, was auch sonst! :) Du hast recht, Ipsissimus. Bei Übersetzungen ist es immer schwierig hundertprozentig richtig zu liegen, und bei diesem Thema, wo es schwer ist richtige Anhaltspunkte für den Inhalt zu finden, sicher fast unmöglich.

Danke dir für den Buch-Tipp!

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