Danke fuer die Antworten, die verschiedene interessante Aspekte angeboten haben.
Demnach befindet man sich allgemein leicht selbst in der Gefahr zumindest
an den Rand des
Spießertums zu gelangen, wenn man oeffentlich Stellung
zu / bei gewissen Alltagsproblemen oder Verhaltensweisen bezieht.
Man wird wohl leicht auch
ungerechtfertigterweise von anderen zum
Spießer ernannt,
nur weil man in gewissen Zusammenhaengen konsequent ist und
gegen den Zeitgeist verstoesst oder sich gegen diesen sogar zur Wehr setzt.
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Wenn ich gelegentlich in die Kneipen hier gehe, merke ich beim Eintreten,
dass ich wegen meiner zwar gepflegten aber nicht gerade modischen Kleidung auffalle;
ausserdem trage ich an kuehleren Tagen immer noch ein und dieselbe Krawatte.
Beim Reden bemuehe ich mich einer praezisen Wortwahl und Ausdrucksweise
(-moeglichst im philos.Sinne-);
das - so merke ich - ist manchen an der Theke befremdlich;
denn sie sprechen durchweg unkontrollierter und oberflaechlicher.
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Ich provoziere also gewisse Leute durch mein Aeusseres;
das veranlasst sie, mich als
spießig zu empfinden und auch schon mal so zu nennen;
was mir nichts ausmacht, denn fuer mich ist es nicht
Spießertum
sondern mein persoenlicher
Habitus.
Es zeigt mir also, dass sie nicht wissen, was Spießertum bedeutet;
denn sie verwechseln (-ich bin mal so frei-) ihre 'Defizite' mit meinem Habitus :-)
So hat es sinngemaess FrNietzsche[corr22/06/05] in seinen Ausfuehrungen
in den Froehlichen Wissenschaften zum Ausdruck gebracht.
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Zitat von Maurice:Ich wurde während der Schulzeit unter anderem auch schon als Spießer bezeichnet,
weil ich keinen Bock auf Partys hatte und auch sonst ein "Langweiler" war.
Ich vermute, dass für Jugendliche Spießer generell wer ist,
der sich für andere kulturelle Dinge als die ihren interessiert .....
Diese Version erklaert m.E. nicht den Begriff des klassischen Spießertums.
Spießertum bedeutet fuer mich Prinzipien-Reiterei.
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Ebenso aus meiner Erfahrung dieses:
Ich bin in meiner Schulklasse als
spießig betrachtet worden,
weil ich meinen Klassenkameraden die Unsinnigkeit der Teilnahme am
zwar freiwilligen aber schulorganisierten Tanzunterricht bedeutet hatte, -
nur zum Zwecke des Erziehungsmodelles und Kennenlernens von Maedchen
(damals gingen Jungen und Maedchen noch auf getrennte Schulen).
Das hatte m.E. mit Spießertum nichts zu tun, - wenn auch damals faelschlicherweise so empfunden.
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Zitat von Nightlight:Spießbürger (Spießer), lexikalisch:
ursprünglich der mit einem Spieß bewaffnete Bürger,
später abschätzige Bezeichnung für kleinbürgerliche, engstirnige Menschen
Also war der Spießer (mit der Waffe 'Spieß' in der Hand) urspruenglich so etwas
wie ein machtbewusster Waechter, ein Ordnungshueter.
Wegen der empfundenen Drangsalierung beurteilten ihn die anderen Buerger abschaetzig,
obwohl er sicher meistens im Recht war.
So mag denn der vermeintliche Spießbuerger heute bisweilen auch im Recht sein,
wenn er die Mitmenschen an Reglements, Tugenden und Moral erinnert.
Der Spießbuerger wird mir immer sympathischer :-)
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Zitat von Ipsissimus:meines Erachtens nach ist ein Spießer oder Spießbürger dadurch gekennzeichnet, daß er seinem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis alle anderen Aspekte seines Lebens unterstellt.
Spielermentalität, Risikobereitschaft, Mut, Konfliktfähigkeit, Abenteuerlust, Vabanque-Spiel uvm. - ja, gerne, aber immer nur soweit, daß die Sicherheitsabsperrung nicht berührt wird.
Dann waeren wir ein Volk von - mehr oder weniger - lauter Spießbuergern ?
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Zitat von Milena:.... und andererseits wurde auch ich des öfteren als spiessig bezeichnet,
wenn es um schulische Noten, um Fleiss usw. ging,
schnell wird man von der Gruppe ausgesondert und als Sonderling abgetan .....
Das Streben nach guten schulischen Leistuzngen als Spießertum zu bezeichnen,
ist m.E. semantisch nicht korrekt.
Ich kenne in diesem Zusammenhange den Begriff 'Strebertum',
der allgemein eher anerkennend empfunden wird,
im Ggs. zu dem eher negativ empfundenen ' Spießertum'.
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Zitat von LadysSlave:Dabei sind die mit dem tollen Auto und dem Häuschen wahrscheinlich eben keine Spiesser!
Für mich sind Spiesser solche Leute, die eine Verordnung über das Wohl der Mitmenschen stellen.
Die sich das Maul zerreissen, wenn andere nicht in ihr Schema passt.
Das ueberzeugt und stellt sicher den wesentlichen Teil von Spießertum dar]Beispiel:[/i] wenn sich jemand staendig nach aelteren Ritualen und Moral-Vorstellungen verhaelt,
die heute nicht mehr ueblich sind;
wenn er etwa Mitmenschen in der dritten Person anspricht und somit das Du vermeidet
('Wie geht es Euch' statt 'Wie geht es Dir').
Spießertum als Koketterie mit dem Vergangenen.-
Zitat von Padreic:Die genannten Punkte, Sicherheitsbedürfnis und Engstirnigkeit, sind sicherlich zwei herausragende Merkmale des Spießbürgertums .....
Schuld und Probleme anderen zuzuschreiben ist sicherlich eine typische Reaktion für einen Spießbürger, da ihm das erleichtert, sein eigenes Verhalten nicht zu hinterfragen,
was ja wiederum gefährlich wäre, weil es seine eigene Basis unterminieren könnte.
Es verdichtet sich der Eindruck, dass Spießertum immer etwas mit
Engstirnigkeit oder
auch mit (unverschuldeter)
Beklommenheit(Aengstlichkeit) zu tun hat.
In beiden Faellen nervt das die belaestigten Mitmenschen meist zurecht]Intoleranz[/b] damit einher.
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Spießertum ist also in allen Lebensbereichen zu erwarten und im Prinzip laeuft fast jeder Gefahr,
je nach Lage der Dinge einmal
spießig zu reagieren.
Wenn es um Tugenden oder Moral-Vorstellungen geht,
hat das immer etwas mit Toleranz zu tun;
sofort ist das Gespenst 'Spießertum' im Hintergrund vorhanden.
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Zitat von Phoenix:.....also wir haben uns letztens mal in Deutsch über Spießer unterhalten,
und sind dazu gekommen das es Leute sind die nie etwas Neues ausprobieren,
immer auf den alten, eingefahrenen Wegen bleiben,
die es vielleicht schon seit Generationen gibt.
Es handelte sich dann um ein Spießertum des Phlegmas wegen,
einhergehend mit Phantasielosigkeit, Interessenlosigkeit
oder wegen Beklommenheit(Aengstlichkeit), - wie ich es oben formuliert habe.
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[quote="Phoenix"]Was aber nichts daran ändert, dass ich bei dem Wort Spießer zuerst an einen Menschen denke,
der ein ziemlicher Langweiler ist und absolut nichts neues ausprobieren will]
Langweiler bedeutet nicht unbedingt Spießer.
Der Spießer ist eher ein Prinzipien-Reiter.
Der Langweiler fuehlt sich nicht von der Umwelt herausgefordert;
ein Spießer ist er deshalb noch lange nicht .....