Sinn und Zweck einer Einführung (Diskussion zum Nachbarthread)

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Padreic
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Fr 1. Jul 2005, 22:43 - Beitrag #1

Sinn und Zweck einer Einführung (Diskussion zum Nachbarthread)

Hier sollen Diskussionen über Sinn und Unsinn der im "Versuch einer Einführung in die Philosophie" geposteten Sachen ablaufen, damit der andere Thread nicht zu sehr verunreinigt wird. Auch eine etwas theoretischere Diskussion darüber, was Einführungen leisten sollten, kann hier sicher seinen Platz finden.

In dem Nachbarthread habe ich die Hirschberger-Philosophiegeschichte etwas ausführlicher dargestellt, woraufhin Maurice meinte, sie verfehle das Thread-Thema vielleicht etwas, da ich schilderte, dass sie auch nicht ganz einfach sei. Natürlich hat er in einem gewissen Sinne recht, sie bietet keinen möglichst einfachen Weg in die Philosophie und wenn das der alleinige Zweck des Threads war, liegt sie daneben.
Andererseits wurde sie mir damals als Einstieg empfohlen, ich habe sie als Einführung benutzt und ich glaube, es hat mir nicht schlecht getan. Stellenweise habe ich Blut und Wasser geschwitzt, sicherlich. Aber als ich mich einmal durchgebissen habe, da war ich wirklich begeistert davon, habe immer wieder drin geblättert und sie wohl insgesamt damit durchschnittlich drei- oder viermal gelesen. Und ich glaube, ich habe nachher wirklich was davon gehabt (und nicht nur, dass ich dann das griechische Alphabet konnte...).
Es gibt keinen Königsweg zur Philosophie. Philosophie ist schwierig. Wenn man nicht bereit ist, Mühe rein zu investieren, wird es nichts werden. Und gerade das zweite Philosophiebuch, was man liest, (nach dem ersten, um prinzipiell reinzukommen) sollte dann vielleicht auch ein nicht-populäres sein, ein echtes, wo man viel Mühe rein investieren muss, aber auch viel daraus gewinnt.

Padreic

Maurice
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Sa 2. Jul 2005, 00:37 - Beitrag #2

Ich möchte auf keinen Fall die Qualität des von dir genannten Buches abstreiten, habe ich es ja nicht einmal gelesen. Dass es für dich so fruchtbar war, ist erfreulich, aber ich habe Bedenken, dass es viele als Einstieg in die Philosphie abschrecken könnte, wenn es sogar für dich recht schwierig war.
Ich finde der Einstieg kann ruhig möglichst zugänglich sein, weil man sich dann immer noch schwererer Kost zuwenden kann, wenn man sich dieser gewachsen fühlt. Der Thread war von meiner Seite aus vor allen an die hier im Forum gerichtet, die um einen leichteren Zugang zur Philosphie baten, weshalb ich denke, dass diese dann auch möglichst zugängliche Bücher bevorzugen werden.
Ich schätze, und du wirst mir wahrscheinlich zustimmen, dass jemand, der nicht so motiviert, wie du damals warst, ist, durch ein für seine Verhältnisse viel zu schweres Buch eher frustriert sein wird. Und das wollen wir wohl beide nicht, oder? :)

Padreic
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Sa 2. Jul 2005, 18:30 - Beitrag #3

Ich will übrigens anmerken, dass ich es als philosophisch recht unbedarfter 14jähriger recht schwer fand. Mittlerweile finde ich es nicht mehr schwierig. Ein intellektuell etwas reiferer Erwachsener, der schon ein einführendes Werk über Philosophie gelesen hat (ich sprach ja auch nur von einem zweiten Buch), wird sicherlich ein Stück weniger Schwierigkeiten damit haben als ich damals.
Und weil ich der Meinung bin, dass für jemanden nicht so motiviertes das Buch wahrscheinlich nichts ist, habe ich ja auch dazu geschrieben, dass es nicht einfach und etwas länger ist...so dass jeder die Auswahl hat, je nach seinem persönlichem Geschmack und seiner persönlicher Einsatzbereitschaft ;).

Maurice
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Sa 2. Jul 2005, 18:44 - Beitrag #4

Weshalb ich deine Buchempfehlung ja auch nicht als grundsätzlich falsch bewerte, sondern nur nachgeharkt habe. Ich hoffe du hast da nichts falsch verstanden. Es macht durchaus Sinn auch etwas anspruchsvollere Titel zu erwähnen, für die die sich mehr zutrauen. :)

dmz
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So 3. Jul 2005, 05:38 - Beitrag #5

Ich schildere einmal, wie ich (autodidaktisch) zum 'Philosophieren' gekommen bin
:::
Zunaechst stelle ich aber folgende Behauptung auf:
Jeder Mensch ist ein geborener Kuenstler, Handwerker und Denker;
er scheint wesensbedingt quasi 'apriori' mit vielen Moeglichkeiten ausgestattet zu sein,
verschiedene Faehigkeiten entwickeln zu koennen,
so dass es urspruenglich einseitige Begabung an sich nicht gibt.
Einseitige Ausrichtung des Individuums wird anerzogen, entsteht zufaellig oder mag auch fallweise wahrscheinlich sein.
:::
Fazit in diesem Themen-Zusammenhange:
Philosophieren gehoert eigentlich zum Leben eines jeden Menschen,
und er muss es aus sich heraus tun, wenn(weil) es sein Beduerfnis ist
.
-
Es bedarf dazu mehrheitlich der Anregung;
und m.E. wird auch die Teilnahme an einem Forum dieser Forderung gerecht.
:::
Unsere heutige Gesellschaft foerdert das Spezialistentum und weniger die Vielseitigkeit;
greift frueh in die Entwicklung des jungen Menschen zugunsten der Spezialisierung ein.
Daraus resultiert m.E. in vielen Faellen bezueglich des Bildungszustandes
die Polarisierung .....
-
(1) eine mehr oder weniger 'geistige' Verarmung bei technisch-orientierter Abhaengigkeit;
(2) eine mehr oder weniger 'praktische' Verarmung bei geistes-orientierter Abhaengigkeit.
-
Man begeistert(e) sich einerseits(1) vorrangig in einer 'Technischen Bildungswelt';
andererseits(2) vorrangig in einer 'Geistigen Bildungswelt'.
Dazwischen natuerlich die vielen Kompromisse, haeufig verbunden mit dem Defizit,
kein philosophisches Denken im Alltagsleben zu pflegen.
:::
Da ich mit meiner technischen Ausbildung und Berufspraxis -oben- unter den Punkt (1) falle,
ist mir bis zu meinem 30. Lebensjahr die Faehigkeit,
mich gelegentlich einer philosophischen Denkweise zu befleissigen,
weitgehend abhanden gekommen.
So haben es die damalige Erziehung und Ausbildung mit sich gebracht .....
:::
Bis ich in einer Bibliothek ein kleines Buch in die Hand bekam, .....
-
- Kleine Schule des Philosophischen Denkens - Was ist Philosophie ? -
-
..... welches der Existenzphilosoph Karl Jaspers (gest.1969)
im Zusammenhange mit einer Sendereihe fuer den Bayerischen Rundfunk geschrieben hatte,
um das Philosophieren populaerer zu machen.
Jaspers verneinte die allgemeine Auffassung, dass 'Philosophie und Philosophieren'
auschliesslich etwas 'Wissenschaftliches' waeren.
Anders: Man muss also nicht unbedingt die Klassiker und Methoden der Philosophie gelesen haben,
um philosophieren zu koennen oder um mit dem Philosophieren zu beginnen
.
:::
Manche Teilnehmer am Forum moegen unter dem Begriff 'Philosophieren' etwas quasi Wissenschaftliches verstehen;
deshalb beteiligen sie sich eventuell nicht aktiv im Philo-Forum,
weil man dort 'Wissenschaft' vermutet.
Aber was ist an der Diskussion im Forum ueber 'Ontologie' etwa wissenschaftlich ?
Doch nur der thematische Oberbegriff - das Fremdwort.
Wer existiert, kann auch ueber sein Dasein philosophieren - es hinterfragen, beurteilen,
eventuell sogar in Frage stellen.
Demnach waere es die Art der Themenstellung, die abschreckt;
sie sollte also populaerer sein, was die Formulierung und Einleitung des Beitrages anbelangt;
- den wissenschaftlichen Touch so weit wie moeglich vermeiden.
:::
Ich meine, es liegt ein Missverstaendnis vor, wenn in diesem Themen-Zusammenhange bemaengelt wird,
im Forum wuerde zu wenig philosophiert werden.
Alle Teilnehmer(innen), die Beitraege im Forum schreiben,
sind des Philosophierens verdaechtig.
Auch im Sport-Forum wird m.E. gelegentlich - im alltaeglichen Sinne - philosophiert;
in den Foren 'Liebe & Romantik, Diskussion' sowieso.
:::
Wenn man nun also etwas tun wollte, um das Philosophieren hier allgemein anzuregen,
sollte man das weniger mit 'fachspezifischer Unterweisung oder Kategorisierung von Forumsbereichen' tun, sondern :
-
Wie waere es mit der Vorgabe eines unverbindlichen Themen-Katalogs (open end),
einer Vorschlagsliste mit Themen aus dem Alltaeglichen,
die den Leser herausfordern, zur Stellungnahme provozieren sollen ?

-
Beispiele in dem Sinne wie:
(1) Inwieweit kennt ihr euch selbst ? (Hinterfragungsmerkmale)
(2) Wie betreibt ihr persoenliches Krisen-Management ? (Fallbeispiele)
(3) Warum haben Schueler von Fall zu Fall Schwierigkeiten mit Mathematik/ Physik/ Chemie ?
(4) Versucht ihr, eure Umwelt zu manipulieren ?
(5) Wie musss die Schule zukuenftig organisiert werden, damit es weniger Schulversagen gibt ?
(6) Versagt die Erwachsenenwelt den Heranwachsenden allzu haeufig die Hilfe zur Selbsthilfe ?
(7) Brauchen wir die obligatorische Unterweisung fuer angehende Eltern ?
u.s.w.
:::
Diese Art, Fragen zu stellen, wuerde ich einem 'Innovativen Philosophieren' zuordnen, wie ich es bezeichnen moechte.
Ich werde mich bemuehen, ueber Kriterien einer Einfuehrung in die Philosophie nachzudenken, - praktisch und forumsgerecht formuliert.
Eine willkommene Herausforderung und Uebung .....

dmz
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Di 5. Jul 2005, 21:57 - Beitrag #6

..... Fortsetzung meines vorigen Beitrages .....
..... und Bezugnahme auf den Thread > http://www.the-web-matrix.de/showthread.php?t=16393
-
Zitat von Maurice:- Einteilung der philosophischen Bereiche -
1. Ethik:..... 2. Anthropologie:..... 3. Erkenntnistheorie:.....
4. Metaphysik:..... 5. Ontologie:..... 6. Ästhetik:.....
Das ist nun meine persönliche Einteilung und es gibt durchaus andere.

An dieser Auflistung ist wohl an sich nichts auszusetzen.
Habe verstanden, dass die oben zitierten 6 Listenpunkte eventuell noch mit weiteren Inhalten versehen werden sollen (im bezogenen Thread),
so dass ich zunaechst keine Ausfuehrungen meinerseits dazu mache
und statt dessen nochmals auf den dtv-Atlas zu 'Philosophie' verweise.
:::
Ich habe dieses Thema auch so verstanden, dass es um das Bemuehen geht,
den Weg zum Philo-Forum allgemein zu ebnen fuer jene,
denen 'Philosophie und Philosophieren' bisher kaum ein Anliegen ist.
Das bedeutet m.E.,
die Einfuehrung in die Philosophie mit einem Vorwort zu versehen,
das weniger fachspezifischen Charakter hat,
sondern den Begriff 'Philosophieren oder philosophisches Denken' verdeutlichen soll.
Deshalb hier meine Ergaenzung, auf moeglichst einfache Weise im Telegrammstil
eine Einleitung / Vorwort zu einer Einfuehrung in die Philosophie anzudeuten :
:::
(1) Wie kommt man eigentlich zum Philosophieren ?
(1.1) - indem man seine Umwelt beobachtet, sich wundert und ueber sie nachdenkt]Dialektik[/b];
(1.3.2) - wenn man die Antworten und Erklaerungen nicht erfahrungsgemaess oder eindeutig begruenden kann, werden sie dem Bereich der Metaphysik zugeordnet;
(1.3.2.1) - Kosmologie(philos) und Religion werden der Metaphysik zugeschrieben;
(1.3.2.2) - Kosmologie(wissensch) wird aber mit Astrophysik bezeichnet;
:::
(2) Was treibt den Menschen um, Fragen zu stellen und Antworten darauf zu suchen ?
(2.1) - das Staunen ueber die Dinge und Wesen um einen herum;
(2.2) - der Wille zur Aufklaerung: das Wissenwollen;
(2.3) - der Zweifel, die Skepsis wegen fehlenden oder unbefriedigenden Antworten und Erklaerungen;
(2.4) - die Abhaengigkeit von den Instinkten und die Kontrolle ueber das Selbst;
(2.5) - das Todesbewusstsein und die Frage nach dem Danach;
(2.6) - die Frage nach dem Sinn des Daseins;
:::
(3) Hinterfragen und Erkennen: die Methode der Dialektik
(3.1) - das Vorgehen allgemein:
(3.1.1) - Fragen zur Thematik stellen > Antworten finden u. eroertern > Ergebnis ermitteln = Erkenntnis;
-
(3.2) - Methode 1/These - 2/Antithese - 3/Synthese
(3.2.1) - jeder Denkinhalt(1These) beinhaltet zwangslaeufig eine Gegendarstellung(2Antithese)
(3.2.2) - der Konflikt wird durch die erloesende Antwort und Erklaerung(3Synthese) aufgehoben;
(3.2.3) - Beispiel:
(3.2.3.1) - (1These) Was ist der Sinn des Daseins ?
(3.2.3.2) - (2Antithese) Das Dasein ist sinnlos ?
(3.2.3.3) - (3Synthese) Das Daseins ist evolutionsbedingt sinnvoll;
-
(3.3) - Methode der 'Bezugswende'
(3.3.1) - das Gegenstaendliche oder die Problemstellung wirkt auf den Betrachter ein;
(3.3.1.1) - der Betrachter befindet sich in der Defensive;
(3.3.2) - Bezugswende: der Betrachter geht von sich aus auf das Gegenstaendliche oder auf die Problemstellung zu;
(3.3.2.1) - der Betrachter befindet sich in der Offensive.
:::
(4) Sinn des Philosophierens: der praktische Nutzen als Zielsetzung
(4.1) - um sich und seine Umwelt besser verstehen zu lernen;
-
(4.2) - um das Erreichen einer selbstbestimmten(autonomen) Persoenlichkeit zu unterstuetzen;
(4.2.1) - Erlangen von Selbsterkenntnis, Selbstsicherheit;
-
(4.3) - um das eigene Denken und Kommunizieren zu vervollkommnen;
(4.3.1) - Erlangen von Sprach- und Bildungskompetenz;
-
(4.4) - um auf Momente der Ungerechtigkeit und des Unfriedens eingehen zu koennen;
(4.4.1) - Ethik und Moral;
-
(4.5) - um hinsichtlich des Sinns des Daseins eine zufriedenstellende Lebensgestaltung zu entwickeln;
(4.5.1) - das Kuemmern um sich selbst auf psychischer Ebene nicht zu vergessen;
(4.5.2) - um sich das Interesse an der Welt zu erhalten;
(4.5.3) - um persoenliche Festigkeit zu bekommen und Krisen ueberwinden zu koennen.
:::
Im Anschluss hierzu empfehle ich den dtv-Atlas zur 'Philosophie' und Einfuehrung:
-- Geschichte der philosophischen Lehren und Methoden
--- bezogen auf die verschiedenen Denkschulen, Philosophen und Epochen
:::
Zum Abschluss:
Im Grunde genommen beginnen wir bereits in unserer Kindheit mit dem 'Philosophieren',
indem wir viele Fragen stellen, weil wir alles wissen wollen.
Dann verliert sich das im Laufe der Zeit, weil wir mehr und mehr abgelenkt werden durch das Alltaegliche.
Aber je nach Wissen und Bildungsstand Philosophieren einige gelegentlich dennoch ('Alltagsphilosophie'),
obwohl es ihnen nicht bewusst ist;
- auf eine Art und Weise,
die der Philosophie-Experte nicht als Philosophieren anerkennen will,
weil es nicht in die Kategorie von philosophischen Denkschulen passt,
weil der 'wissenschaftliche' Eindruck fehlen mag und weil 'Philosophie' faelschlicherweise
ausschliesslich als etwas Wissenschaftliches und Berufliches aufgefasst werden mag.
:::
Ich darf aus eigener Erfahrung jeden ermutigen, sich mit 'Philosophie' gelegentlich zu beschaeftigen;
es kann sich nur im positiven Sinne auf die Persoenlichkeitsentwicklung auswirken;
d.h., man profitiert dadurch.


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