Ich habe schon als Argumente für einen freien Willen zu Ohren bekommen, dass wir uns selbst so denken würden und auch so denken müssten. Dem kann ich keinenfalls zustimmen und ich denke, dass es anderen hier auch so gehen wird. Mir soll es aber (zumindest vorerst) nicht darum gehen inwiefern wir uns als determiniert sehen können.
Mir ist nämlich vor ein paar Tagen die Frage gekommen, ob es stattdessen überhaupt möglich ist, widerspruchsfrei einen freien Willen anzunehmen.
Ausgangslage soll dabei (bis auf weiteres) ein naturalistischer Standpunkt sein, also nix mit Gott oder unsterblicher Seele.
Wie ich auf diese Idee gekommen bin? Also wir können uns stochastische und determinierte Vorgänge vorstellen. Ersteres wäre z.B. auf Quantenebene denkbar (was ja auch die meisten annehmen), letzteres bei wohl allen makrokosmischen Ojekten, z.B. einer Kugel. Ich denke, dass "stochastisch" als "zufällig" ausreichend beschrieben ist und "determiniert" als "notwendig durch Regeln bestimmt". Wer dennoch erheblichen Einspruch hat, der soll eine andere Definition bringen. Ich betone nochmal: Soll eine andere Definition bringen, also nicht nur meckern und nix dahinter.
Nun können wir uns wie gesagt zu diesen beiden Fällen (stochastisch und determiniert) Prozesse von Dingen vorstellen, wobei ein freier Wille nicht unter einer der beiden Fälle fallen soll. Ich setze dafür die in der Litertur übliche Definition des Begriffs "freier Wille" voraus, also dass eine Handlung dann der Willensfreiheit entsprach, wenn sie in einer Situation X (also unter identischen äußeren und inneren Gegebenheiten) hätte auch unterlassen werden können, also ein Subjekt willensfrei ist, wenn sie unter identischen innerlichen und äußerlichen Gegebenheiten unabhängig von diesen entscheiden kann.
Eine solche Definition findet sich u.a. auch bei Thomas Nagel oder Kant. Wer dieses Konzept also für Unsinn hält, der sollte bitte die Vorstellung eines freien Willen verwerfen, statt die Definition zu kritisieren, weil dies die in der Diskussion gültige Definition ist. Es soll hier von dieser Definition ausgegangen werden, also bitte keine Meta-Diskussion darüber.
Ein willensfreier Mensch ist weder determiniert noch rein willkürlich (=wenn die Handlungen stochastisch wären). Die Vertreter eines freien Willens behaupten nun, dass es neben der Möglichkeit der Determiniertheit und der Willkür noch eine dritte Möglichkeit gäbe, wobei mir bisher noch keine Erklärung untergekommen ist, wie das funktionieren soll. Solange diese Frage nicht beantwortet ist, handelt es sich um Begriff ohne Inhalt, der somit leer ist und deshalb verworfen werden sollte.
Mir ist selbst nach längerer Überlegung keine dritte Option, neben den bereits genannten eingefallen und ich zweifle deshalb ernsthaft daran, dass eine solche Option überhaupt denkbar ist. Es geht wie gesagt nicht um ein reines Postulat, dass es eine solche Option gibt, sondern auch um die explizite Beschreibung, wie etwas weder rein zufällig noch durch Regeln festgelegt sein sollte.
Meine These ist deshalb, dass wir einen Willen nicht widerspruchsfrei annehmen können, wenn wir meinen, dass er weder deterministisch noch stochastisch ist, wir uns aber nur deterministisch oder stochastisch funktionierende Dinge vorstellen können.
Der Sinn des Threads sollte somit klar sein, also antwortet auch dementsprechend.
(PS: Für Kant handeln wir dann frei, wenn wir allein aus Vernunft, also ohne jegliche Neigung handeln.)