Kann man sich den Willen widerspruchsfrei als frei denken?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Do 7. Jul 2005, 10:44 - Beitrag #21

vielleicht wäre es ganz nützlich, ehe wir uns der Frage des freien Willens zuwenden, erstmal genau zu sagen/fragen, was wir unter Freiheit und was wir unter Willen verstehen wollen.

Ich quäle mich jeden Morgen aus dem Bett, dusche, ziehe mich an, fahre zur Arbeit. Keine dieser Tätigkeiten erfolgt aufgrund unmittelbaren Zwanges, das Procedere wäre also als "frei" zu charakterisieren. Wäre es das?

In einem rechtlichen Sinne auf jeden Fall, ich bin frei es zu tun oder zu lassen.
In philosophischer Hinsicht? Das ist eine Frage, die diskutiert werden müßte.
Physikalisch-biologisch? Ich konnte es erwiesenermaßen viele Male.
Für mein Empfinden? Definitiv Zwang.

An welcher Stelle setzt die Frage des Willens und der Freiheit an?

Ist meine Wille als meine Fähigkeit aufzufassen, eine von mir als aufgrund welcher Umstände auch immer empfundene Handlungsnotwendigkeit gegen die Tendenz meiner Neigung (liegenbleiben, weiterschlafen) durchzusetzen?

Oder wäre das schon Freiheit? Obwohl ich mich darin unfrei fühle?

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 11:31 - Beitrag #22

Handlungsfreit und Willensfreiheit

Ich quäle mich jeden Morgen aus dem Bett, dusche, ziehe mich an, fahre zur Arbeit. Keine dieser Tätigkeiten erfolgt aufgrund unmittelbaren Zwanges, das Procedere wäre also als "frei" zu charakterisieren. Wäre es das?

Aus naturalistischer Sicht war dein Verhalten determiniert. Man kann dich aber trotzdem als frei bezeichnen, nämlich als handlungsfrei. Viele machen nämlich den Fehler den Begriff der Freiheit komplett zu verwerfen, wenn der freie Wille verneint wird. Handlungsfrei heißt so zu handeln, wie man will. Ja du stehst mit unbehagen auf, aber du stehst auf, weil du aufstehen willst. Wenn du nicht aufstehen wollen würdest, dann würdest du liegen bleiben. Unbehagen fühlst du dich, weil du zum einen liegen bleiben willst, du aber aufstehen musst, um zur Arbeit zu gehen, wenn du Geld verdienen willst. Wenn du kein Geld verdienen willst, dann kannst du auch getrost liegen bleiben. Da aber dein Wunsch Geld zu verdienen stärker ist, als der Wunsch liegen zu bleiben stehst du auf. Handlungsfrei wärst du in diesem Fall nicht, wenn du zur Arbeit gehen willst, aber von jemanden in deinem Zimmer eingeschlossen wurdest, denn dann kannst du nicht das tun, was du willst.
Man könnte bei diesen Beispiel eventuell von relativer Freiheit sprechen, weil dich die gesellschaftlichen Umstände zu einer Handlung drängen, bei der du Unbehagen empfindest, also nicht frei von Nachteilen einfach im Bett liegen bleiben kannst.
Von Willensfreiheit würde man in deiner von dir beschriebenen Situation sprechen, wenn du in dieser konkret einmaligen Situation unter allen äußeren und inneren Gegebenheiten, hättest aufstehen oder liegenbleiben können. Der Determinsmus bestreitet das, weil er die Situation so auffassen würde, wie ich es oben beschrieben hatte. In dieser einen Situation war ein Wunsch stärker als ein anderer und deshalb hat sich der stärkere durchgesetzt. Weil der eine Wusnch stärker war konnte sich nur dieser durchsetzen und so oft wir uns auch die eine Situation ansehen, jedes Mal wird der eine Wunsch der stärkere gewesen sein und deshalb notwendig siegen müssen. Sobald du an einem anderen Morgen im Bett liegen bleibst ist das kein Beweis für einen freien Willen, sondern kann so gedeutet werden, dass diesmal der andere Wunsch stärker war und sich notwendig durchsetzen musste.
Wenn wir also fragen, ob jemand handlungsfrei war, dann müssen wir schauen, ob er so handeln konnte, wie er wollte. Wenn wir fragen, ob er willensfrei war, dann fragen wir, ob er unter identischen Umständen hätte anders handeln können. Während das erste nun einfach zu denken ist, stellt letzteres für die Kritiker ein Problem dar.

PS: Auf die Frage nach Handlungsfreiheit spielt also die Willensfreiheit keine Rolle.

Ipsissimus
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Do 7. Jul 2005, 11:44 - Beitrag #23

das Beispiel zeigt imo, daß der Freiheitsbegriff auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlichen Kriterien unterliegt. Gestalthaft aufgefaßt hat mein Freiheitsempfinden nichts mit zufälligen oder stochastischen Phänomen zu tun, selbst wenn diese technisch gesprochen meiner Entscheidungsfähigkeit zugrunde liegen sollten. Mein Freiheitsempfinden hat auch nichts mit Logik zu tun, recht offensichtlich. In einem bestimmten modellhaften Zusammenhang sind die von dir durchexerzierten entweder-oder-Verzweigungen absolut schlüssig, Maurice, mitsamt den daraus abgeleiteten Auffassungen. Nur: mein Empfinden schert sich nicht darum.

Daher: Geht es bei der Diskussion des Freiheitsbegriffes darum, eine verbindliche Auffassung zu finden, wie denn Freiheit verstanden werde müsse/sollte (mit dem Hintergedanken, daß dann auf der Grundlage dieses Freiheitsbegriffe wieder bestimmte Sachverhalte verlangt werden können), oder geht es darum, die Bezüge realexisiterenden Empfindens zu dem Begriff so herauszuarbeiten, daß eine schlüssige Gestalt des Freiheitsbegriffes evident wird? Anders gefragt: geht es um Moral oder geht es um Faktizität?

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 12:01 - Beitrag #24

Es geht darum, wie die von mir skizzierte Willensfreiheit als konkretes Modell gedacht werden soll und das überhaupt möglich ist. Modelle die den Menschen als determiniert beschreiben gibt es ja genug, man schaue nur mal in die Psychologie oder Biologie.

Verstehe ich dich richtig, dass es dir egal ist, ob es nun so etwas wie Willensfreiheit gibt oder nicht? Wenn ja dann gefällt mir das, denn ich finde, dass wir uns nicht plötzlich als völlig unfrei empfinden müssen, nur weil wir nicht an diese Form der Freiheit glauben. Mir zumindest reicht es (mittlerweile) mich dahingehend frei zu fühlen, als dass ich das machen kann, was ich will.

Ipsissimus
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Do 7. Jul 2005, 12:23 - Beitrag #25

ich bin der Ansicht, daß die Frage nach der REALEXISTENZ von Freiheit (sozusagen ihre Existenz als physikalisches Phänomen) irrelevant ist, da "Freiheit" eine Kategorie menschlichen Denkens und Empfindens ist.

Ich gehe davon aus, daß Modelle, die den Freiheitsbegriff enthalten, konsistent gestaltet werden können; das ist ein Problem für Logiker und hat recht wenig für meinen sehr unmittelbaren - eben gestalthaften :-) - Freiheitsbegriff zu tun.

Auf der emotionalen Ebene empfinde ich Freiheit, oder empfinde sie nicht; dabei spielt natürlich meine Intelligenz eine gewisse Rolle, die möglichst viele Einflussgrößen auf dieses Empfinden aufspürt - Quantenvorgänge gehören ganz sicher nicht dazu.
Ich würde es daher bejahen: es ist mir egal, ob es Willensfreiheit im Sinne eines philosophisch-logisch widerspruchsfreien Existenzbegriffes gibt, solange sich meine innere Evidenz dafür verbürgt, daß ich sie habe. Ich neige im allgemeinen recht wenig dazu, mein Empfinden philosophischen Forderungen zu unterwerfen :-)

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 15:48 - Beitrag #26

@Maurice:
Deterministische Modelle lassen sich leicht angeben, das ist wahr. Da sie aber durch die Quantenmechanik sehr in Verruf geraten sind (auch wenn einige dies ignorieren), nimmt man zufällige/stochastische Elemente dazu. Nur ist mir noch kein Modell untergekommen, das wirklich handfest, wie du es vielleicht haben willst, beschreiben könnte, wie an einem bestimmten Zeitpunkt zwei verschiedene Dinge möglich sein können, was dieses 'möglich' überhaupt konkret real ist.
Und ist es nicht auch genau das das Hauptproblem, das viele bei der Willensfreiheit sehen, dass man in einer Situation zwei verschiedene Dinge hätte wollen können? [nach deiner Definition von Willensfreiheit ist sie ja quasi ein Spezialfall von zufälligen Ereignissen, oder?]
Auf jeden Fall würde ich von dir erstmal ein handfestes Modell für stochastische Ereignisse fordern, bevor du eins von mir für willensfreiheitliche haben willst.
[Übrigens widerspricht weder Stochastik noch Willensfreiheit dem Satz vom Grunde, dass alles, was geschieht, seinen Grund hat. Aus dem folgt ja nicht zwangsläufig die kausaldeterminiertheit. Ich kann mir übrigens die Welt sehr wohl nicht-kausal-organisiert denken, das ist nicht schwer. Man muss nur alle Ereignisse als unabhängig betrachten.]

Ich finde übrigens dein Verlangen nach genauen positiven Definition und genau ausformulierten konkreten und handfesten Modellen einen übermäßigen Erkenntnis- und vor allem Kommunikations- und Sprachoptimismus.

Chaotisch ist der Gedankengang übrigens keineswegs (auch wenn der Teil, der sich konkret auf Freiheit bezieht, vielleicht noch etwas klarer werden könnte). Es ist nur die Anwendung des Prinzips, dass wir im allgemeinen keine Probleme damit haben, in verschiedenen Situationen verschiedene Modelle anzuwenden und da wir nicht davon ausgehen können, dass diese der Wirklichkeit genau entsprechen, wir das auch völlig legitim machen können, sogar mit (extern, nicht intern) widersprüchlichen Modellen. Wenn wir wirklich über die Wirklichkeit reden wollen, dann wird das alles sehr viel schwieriger; besonders, weil uns dann die Sprache fast ganz verlässt...
Übernommen habe ich den Gedankengang so übrigens keineswegs, auch wenn er gewisse Anregungen hatte, so z. B. durch Kant oder teilweise auch durch Ipsi ;).

Achso, noch eine Frage: Ist es überhaupt so wichtig, ob man Freiheit (mit einem geeignet engen Begriff von Denken) denken kann, da es überhaupt noch nicht das Problem klärt, ob das nicht viel mehr das Problem unseres Denkens ist als das der Freiheit? Sprich: Es ist durchaus gut denkbar, dass, wenn ich kein konkretes und "handfestes" Modell für Freiheit finden kann, es an meinem Modellbegriff liegt und ich vielleicht eine andere Möglichkeit suchen muss, um mich dem Freiheitsbegriff zu nähern. Etwas erst wegzudefinieren und dann nach langem Nachdenken zu folgern, dass es nicht existiert, ist witzlos ;). Genau wie Thod es sagte: Wenn ich durch eine Rotfilter-Brille schaue, dann ist nur rot da und dann wird es nicht verwundern, dass es kein grün gibt.

@Ipsi
Daher: Geht es bei der Diskussion des Freiheitsbegriffes darum, eine verbindliche Auffassung zu finden, wie denn Freiheit verstanden werde müsse/sollte (mit dem Hintergedanken, daß dann auf der Grundlage dieses Freiheitsbegriffe wieder bestimmte Sachverhalte verlangt werden können), oder geht es darum, die Bezüge realexisiterenden Empfindens zu dem Begriff so herauszuarbeiten, daß eine schlüssige Gestalt des Freiheitsbegriffes evident wird? Anders gefragt: geht es um Moral oder geht es um Faktizität?

Zumindest mir geht es primär um Faktizität. Das Gerede mit den Modellen kann nur eine Vorübung zur Klärung der Gedanken sein, die Arbeit ist damit natürlich noch keineswegs getan.

ich bin der Ansicht, daß die Frage nach der REALEXISTENZ von Freiheit (sozusagen ihre Existenz als physikalisches Phänomen) irrelevant ist, da "Freiheit" eine Kategorie menschlichen Denkens und Empfindens ist.

Es ist erstmal nur eine Kategorie, das stimmt sicherlich. Bei einer tiefergehenden Untersuchung wäre aber vielleicht interessant zu schauen, ob dem in der Realität irgendetwas zugrunde liegt oder ob es nur aus irgendwelchen sozialen oder psychischen Gründen motiviertes Gespinst des Menschen ist. Auch wenn die Frage wohl für unser tägliches Leben auch sehr irrelevant sein mag ;).

ThomasM
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Do 7. Jul 2005, 16:36 - Beitrag #27

Hallo

Also ich möchte meine Ansicht versuchen, noch etwas klarer zu fassen. Fangen wir mit einer einfachen naturalistischen Situation an:

Ein Elektron mit dem Spin in z-Richtung fliegt auf ein lineares Magnetfeld zu, das in y-Richtung polarisiert ist. Nach den bekannten Gesetzen der Quantenmechanik wird der Spin nach Durchquerung des Feldes gekippt sein, entweder in Richtung y oder in Richtung -y. Die QM gibt für diesen Fall genau eine Wahrscheinlichkeit von 50% an. Wir können auch nicht vorhersagen, welche dieser beiden Ergebnisse eintritt. Wir können nur sehr viele solcher Elektronen durch das Magnetfeld jagen und feststellen, dass die Hälft so und die andere Hälfte so herauskommt.

Auf der Ebene des einzelnen Elektrons haben wir es nicht mit einem determinierten Prozess zu tun, weil eben nicht nur ein einziges mögliches Auskommen möglich ist. Wir haben auch keinerlei Handhabe, zu sagen, warum die einen Elektronen so und die anderen Elektronen so herauskommen, eine solche Antwort liegt ausserhalb der naturalistischen Möglichkeiten und kann höchstens durch Metaphysik oder Religion beantwortet werden.

Wir haben aber auch keine völlige Willkür vorliegen, denn das Elektron kann ja nur zwei mögliche Positionen einnehmen, es reagiert auch klar anders als meinetwegen ein Spin 0, Spin 1 oder Spin 3/2-Teilchen. Die Regelhaftigkeit lässt sich ja auch auf der höheren ebene der Wahrscheinlichkeitsfunktionen angeben.

Genauso würde ich naturalistisch einen freien Willen beschreiben. Ein Individuum, der in einer Situation einen freien Willen hat, handelt durchaus regelhaft und nach gewissen Gesetzmässigkeiten (Bedürfnissbefriedigung, Selbsterhaltung, soziale Ader etc.), aber letztlich unvorhersagbar. Er handelt nicht völlig willkürlich, aber es lässt sich kein äusserer oder innerer Parameter angeben, der das Handeln der Person determiniert.

Naturalistisch bleibt mir dann als einziger Ausweg nur, das Handeln der Person in ein stochastisches Modell zu stecken. Die Einzelheiten eines solchen Modells würden mit Details der Person gefüllt werden, welche Vorlieben er hat, wie er in ähnlichen Situationen handelt etc., alles dinge, die in der Psychologie durchaus gemacht werden.

Aber ein solches Modell ist nur eine Beschreibung, für die Person ist das kein Zwang. Wenn ich hingehe und das Modell supergut mache, dann zu der Person sage: "Achtung ich habe berechnet, dass Du Dich morgen dafür entscheiden wirst, auf die Party zu gehen", dann hat die Person die Möglichkeit zu sagen: "Ja ich wollte hin, aber um Dir zu beweisen, dass ich ein freier Mensch bin, gehe ich nicht".

Damit ist naturalistisch ein freier Wille hinreichend beschrieben. Was einen Menschen letztlich dazu bringt, eine konkrete Entscheidung zu treffen, kann im Rahmen eines reinen Naturalismus prinzipiell nicht beantwortet werden.

Gruß
Thomas

Ipsissimus
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Do 7. Jul 2005, 16:55 - Beitrag #28

das kann ich gut mit meinen eigenen Vorstellungen vereinbaren, THomas. In meiner Sichtweise würde das darauf hinauslaufen, daß es eine technische Seite des Problems gibt (die Regel oder vielmehr Beobachtung, wonach ein Elektronenspin in der geschilderten Situation nur nach y oder -y kippt) und eine übertechnische "Ebene der Entscheidung"


Padreic, ich denke wirklich, daß für die Frage der Freiheit eines Menschen die Frage der inneren Evidenz entscheidend ist. Ich halte es durchaus für möglich, dass wir Isomorphien zu veschiedenen Freiheitsbegriffen in der Natur finden können, glaube aber, daß diese mit dem menschlichen Freiheitsempfinden nichts zu tun haben

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 16:55 - Beitrag #29

Thomas für mich ist das keine Lösung des Problems.
Um auf dein Elektron zurück zu kommen: Es ist in diesem Fall rein zufällig, ob in in die Richtung y oder -y geneigt wird. Wenn du den Menschen nun mit einem solchen Elektron vergleicht, der sich bei einer Entscheidung wo es zwei Möglichkeiten gibt genauso wie das Elektron für eine der Optionen verhält, dann ist seine Handlung rein zufällig. Es ist vorgeschrieben, dass er sich entweder für y oder -y entscheidet, wenn es nur diese beiden Möglichkeiten gibt, aber für was er sich entscheidet ist zufällig. Willensfreiheit ist aber keine Zufälligkeit, weshalb das auch keine Lösung ist.
Wir haben auch keinerlei Handhabe, zu sagen, warum die einen Elektronen so und die anderen Elektronen so herauskommen, eine solche Antwort liegt ausserhalb der naturalistischen Möglichkeiten und kann höchstens durch Metaphysik oder Religion beantwortet werden.

Nur weil wir im Moment keine Möglichkeit haben ein Prozess voraus zu sagen, bedeutet das nicht, dass er nicht determistisch ist. Es ist z.B. denkbar, dass solche Ereignisse, die zufällig erscheinen einem Algorithmus zugrunde liegen, was wieder eine eindeutige Festgelegtheit bedeutet. Ob wir diesen Algorithmus erkennen können, wenn es ihn geben sollte, ist eine andere Frage.
Er handelt nicht völlig willkürlich, aber es lässt sich kein äusserer oder innerer Parameter angeben, der das Handeln der Person determiniert.

Wenn die Person nicht völlig willkürlich handelt, dann muss das Verhalten doch auf irgendwelche Parameter zurück zu führen sein. Entweder es gibt oder eine Basis oder nicht, etwas anderes ist doch logisch nicht möglich.

@Pad: Du sagst, dass du dir die Welt akausal vorstellen kannst, aber de facto stellst du sie dir kausal vor. Wenn du ein akausales Bild von der Welt hättest, dann würdest in eine bodenlose Unsicherheit stürzen, weil du von keinem Fall auf einen anderen schließen würdest. Ich wette, dass du dir sicher warst, dass der Post im Forum stehen wird, wenn du auf den Antworten-Button drückst und das nicht gar nichts passiert. Indem du das angenommen hast, indem du induktiv gedacht hast, hast du eine kausale Welt angenommen.
Und was die Brillen angeht: Der Mensch muss immer durch eine Brille die Welt betrachten, die Frage ist, welche am sinnvollsten ist.
Mehr eventuell später.

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 17:02 - Beitrag #30

Was willst du mir damit sagen, Maurice? Dass es Zusammenhänge gibt, die ich mir kausal vorstelle? Unbestritten. Aber wenn wir schon bei meiner Alltagsintuition sind: es gibt viele Dinge, die ich mir nicht kausaldeterminiert vorstelle. So ziemlich alle soziale Interaktion z. B. ... Da sehen meine Alltagsmodelle eindeutig nicht kausal aus. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass das bei dir nicht anders aussieht...

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 17:13 - Beitrag #31

Wenn nicht kausal determiniert wie dann? Handeln für dich die Menschen zufällig? Wenn nein, dann hängen ihre Entscheidungen an Präferenzen und dann haben wir in meinen Augen wieder eine kausale Beschreibung.
Wie ich mir soziale Interaktion vorstelle? Natürlich als kausal determiniert, wenn ich mir den Menschen und sein Verhalten so vorstelle. Ich muss mir das aber nicht immer ständig vor Augen halten, genauso wenig, wie es sich jemand ständig vor Augen hält, dass er einen freien Willen hat, wenn er an einen solchen glaubt. Wenn man diesen aber danach fragt, dann würde er sagen, dass Person P in der Situation S unter denselben Umständen auch anders hätte handeln können. Dies bestreite ich.

Bowu
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Do 7. Jul 2005, 18:28 - Beitrag #32

Zitat von ThomasM:[...]
Wir haben auch keinerlei Handhabe, zu sagen, warum die einen Elektronen so und die anderen Elektronen so herauskommen,[...]


Nach der Quantentheorie ist die Antwort darauf doch klar, und durchaus gegeben. Weil wir eine Messung vornehmen, haben die Elektronen eine konkrete Ausrichtung. Nach der Bellschen Ungleichung (wenn ich das richtig verstand) ist doch klar, dass sie diese konkrete Ausrichtung nicht schon immer mit sich tragen, sondern erst durch die Messung diese zugelegt bekommen.
(Ein Schelm wer dieses durch kausal versteht *hust*)

Also ich für meinen Teil halte das soziale Verhalten von Menschen für transzendental berechenbar.

Ein objektiv freies (frei von allem existenten) Element von Entscheidungen brauch ich nicht annehmen, im Gegenteil - die Gegenannahme, dass alles kausal zugeht, ermutigt alle Bedingungen zu erforschen die ein Ereignis bestimmen. Wenn ich dagegen einen letzten freien Punkt in jeder Entscheidung sehe, welcher die gesamte restliche Bedingungslast zu kippen vermag, so erscheint ein Erforschen aller anderer Bedingungen für sinnlos, und ich werde lieber Theologe (kein deterministischer *hust*) und erforsche die Freiheit.

nochmal @ ThomasM

Das unser Handeln auch von Motiven der Vernunft mitbestimmt wird ist allen klar, und es ist kein Argument gegen den Determinismus, wenn ich deinen Wunsch zur Party zu gehn durch mein Statement zum Gegenteil verkehre.

Was das Modell angeht,
Schon unsere Sprache (durch, weil , wegen ,da usw.) verrät zumindest eine gewisse Kausalität, das Übergehen zu einer absoluten Kausalität ist meiner Meinung nach auch funktional begründbar.

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 20:01 - Beitrag #33

@Maurice: Dann bist punkto deiner Alltagsintuition bzw. deiner Alltagsmodelle anscheinend anders gestrickt als ich. Wenn ich etwas bestimmtes tue, dann kann mein Interaktionspartner so oder so reagieren. Ich kann da keine Determination erkennen. Selbst wenn er üblicherweise so und so handelt, kann er das nächste Mal anders handeln. Aus meiner Sicht ist also sein Wille frei. Ich denke, es ist nicht wirklich bestreitbar, dass, seinen Willen letztlich als frei anzunehmen, ein vernünftiges Modell darstellen kann. Vor allem, weil es für mich unerkennbar ist, welche Determinationen hinter seinen Handlungen alle stecken mögen und ich sie insbesondere nicht mit einigermaßener Sicherheit vorausberechnen kann.
Ob er unter genau denselben Umständen genauso handeln würde, kann ich nicht ausprobieren, ist somit für mein Alltagsmodell auch völlig irrelevant, oder? Was ich weiß, ist, dass er in aus meiner Sicht ähnlichen Situationen durchaus unterschiedlich reagieren kann.
Ich glaube, du bist zu starr einem Modell verhaftet. Du hast selbst gesagt, dass wir nur in Modellen denken können und die Wirklichkeit nicht direkt erfassen können und so immer das nützlichste Modell wählen müssen, immer das in diesem Moment nützlichste Modell will ich betonen. Und das ist nicht immer das gleiche. Das sehen wir schon daran, dass Soziologen keine physikalischen Modelle verwenden, schon die Biologen nur beschränkt...womit sie sicherlich nicht die Berechtigung der Physik leugnen wollen.

Übrigens habe ich obig ein nicht kausaldeterminiertes Modell vorgelegt, willensfrei, wenn man so will. Oder findest du nicht?

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 20:24 - Beitrag #34

Für einen Deterministen ist es determiniert, ob du an einen freien Willen glaubst oder nicht. Der Glaube an einen freien Willen ist kein Indiz dafür, dass es ihn gibt. Wo würden wir hinkommen, wenn wir das als gülitige Argumentation anerkennen? ^^*

Ich kann da keine Determination erkennen.

Ich auch nicht. Aber darum geht es nicht. Ob er determiniert ist oder nicht, ist wahrscheinlich unprüfbar. Dennoch ist er unabhängig der Prüfung entweder determiniert oder nicht.

Selbst wenn er üblicherweise so und so handelt, kann er das nächste Mal anders handeln.

Das ist kein Argument gegen den Determinismus. In anderen Situationen kann jemand anders handeln, als in einer vergangenen die ähnlich war. Das sagt nichts darüber aus, ob er in der jeweiligen Situation determiniert war oder nicht.

Ich glaube, du bist zu starr einem Modell verhaftet.

Ich nenne es konsequent sein. Ich habe den Eindruck, als ob die die an Willensfreiheit glauben, ihr eigenes Weltbild nicht gründlich genug hinterfragt haben. Zumindest glaubte ich an Willensfreiheit, bis mir jemand die Paradoxie zur Wissenschaft aufgezeigt hat.

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 20:51 - Beitrag #35

Ich auch nicht. Aber darum geht es nicht. Ob er determiniert ist oder nicht, ist wahrscheinlich unprüfbar. Dennoch ist er unabhängig der Prüfung entweder determiniert oder nicht.

Determiniertheit ist vor allem erstmal abhängig von dem Modell, das ich wähle. Jenseits von Modellen gibt es erstmal keine Determiniertheit. Ich habe dir ein Modell vorgelegt, mit dem im Alltag sehr gut zurecht kommt und das in seiner Sphäre durchaus ohne Problem konsistent ist.
Ich weiß es nicht, ob dieses Modell irgendeiner Realität entspricht. Das ist auch für Nützlichkeitsaspekte völlig irrelevant (und du sagtest selbst, dass wir ein Modell an seiner Nützlichkeit bewerten müssen...was du anscheinend zurückziehen willst...). Alle Sachen, die ich nicht erkennen kann, sind für Nützlichkeitsaspekte erstmal irrelevant. Ich bin kein Empirist, aber (ausgeweiteter) Empirismus ist ein durchaus gutes Modell für viele Dinge.

Ich nenne es konsequent sein.

Auf jeden Fall nicht konsequent in deinem Nützlichkeitsdenken, da diese Art von Konsequenz sicherlich nicht nützlich ist.

Ich habe den Eindruck, als ob die die an Willensfreiheit glauben, ihr eigenes Weltbild nicht gründlich genug hinterfragt haben.

Die meisten Einwände gegen diese sind mir durchaus bekannt, vielfach schon seit Jahren. Ich kann nicht sagen, dass ich sie nicht gründlich erwogen habe. Aber ich habe sie abgelehnt oder zumindest sie nicht so hoch eingeschätzt, dass sie mich von meinem irgendwann gewonnenen Glauben an den freien Willen wieder abgebracht hätten.

Zumindest glaubte ich an Willensfreiheit, bis mir jemand die Paradoxie zur Wissenschaft aufgezeigt hat.

Verschiedene Modelle dürfen durchaus im Widerspruch stehen...bestenfalls findet man natürlich ein Modell, was alle diese enthält und keinen Widerspruch mehr hat, aber wenn nicht, kann man auch damit zurecht kommen.

Maurice
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Do 7. Jul 2005, 21:25 - Beitrag #36

Für mich steht meine Behauptung sehr wohl mit meinem Nützlichkeitsdenken. Es ist mir nämlich ein Unbehagen, wenn Aussagen im Widerspruch zueinander stehen und ein erfolgreicher Versuch Widersprüche zu beseitigen ist mir demnach nützlich. Mach besser keine Spekualtionen darüber, was für mich nützlich ist, wenn du meine Interessenhirachie nicht kennst.
Ja Modelle können im Widerspruch zueinander stehen. Sollten sie aber nicht.

Jenseits von Modellen gibt es erstmal keine Determiniertheit.

Nein der Determinismus ist eine Aussage über die objektive Wirklichkeit. Wohl eine unbeweisbare, aber sie ist eine solche Aussage.

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Do 7. Jul 2005, 21:38 - Beitrag #37

Ich bevorzuge ein möglichst widerspruchsfreies Modell, und ein solches steht mir auch zur Verfügung ;)

Imo kann man sich den Willen (auf Grundlage des Naturalismus) nicht ohne Widerspruch frei denken.

Denn entweder ist alles determiniert, somit auch unsere Psyche und die Situation, in die wir geraten, und wenn beide zusammen die Entscheidung bewirken, ist diese ebenfalls determiniert. WIR haben dann entschieden, da unsere Psyche ja ein Teil von uns ist, aber die Entscheidung war nicht frei und muss somit in der GENAU gleichen Situation (also wenn man die Zeit zb. zurückspulen würde) wieder exakt so ausfallen, wie sie ausgefallen ist.

Vielleicht gibt es auch zusätzlich zu uns bekannten, determinierten oder zumindest kausalen Vorgängen wirklichen Zufall, Geschehnisse also, die nicht festgelegt waren und/oder nicht einmal eine bestimmte Ursache hatten.
Die Entscheidung wäre damit nicht zwingend bei der exakten Wiederholung die gleiche, sondern könnte zufällig auch anders ausfallen, trotzdem wäre sie nicht frei, da sie zum einen durch kausale Vorgänge, zum anderen durch den Zufall herbeigeführt würde.

Oder aber es gibt nur akausale, dh. zufällige Vorgänge; dann wäre der Wille aber nicht frei, sondern willkürlich, von nichts abhängig, also auch nicht von einem selbst.

Freier Wille funktioniert demnach nur, wenn man etwas annimmt, das weder determiniert oder kausal, noch zufällig ist, das sich seinen Willen nach seinem eigenen Wunsch setzen kann, der dann auch wieder durch den Willen gesetzt werden müsste, der wiederum durch den eigenen Wunsch bedingt sein müsste usw. So etwas kann ich mir nicht widerspruchsfrei vorstellen, denn entweder ist etwas determiniert oder es ist zufällig, es kann ja nicht determiniert und zugleich nicht determiniert sein, zumindest nicht widerspruchsfrei.

Und wie ich mich dabei fühle, hat nichts zu sagen ^^ ich kann mich noch so frei fühlen und determiniert sein, möglicherweise auch determiniert fühlen und frei und zufällig sein, aber ersteres erscheint mir plausibler.

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 21:40 - Beitrag #38

Für mich steht meine Behauptung sehr wohl mit meinem Nützlichkeitsdenken. Es ist mir nämlich ein Unbehagen, wenn Aussagen im Widerspruch zueinander stehen und ein erfolgreicher Versuch Widersprüche zu beseitigen ist mir demnach nützlich. Mach besser keine Spekualtionen darüber, was für mich nützlich ist, wenn du meine Interessenhirachie nicht kennst.

Wenn es nur um deine Privatansichten, dein eigenes Gefühlsleben geht, dann solltest du dies auch deutlich machen.

Nein der Determinismus ist eine Aussage über die objektive Wirklichkeit. Wohl eine unbeweisbare, aber sie ist eine solche Aussage.

*Kopfschüttel*
Ich glaube, ich lasse es sein. Entweder verstehe ich nicht, was du mir sagen willst, oder du verstehst nicht, was ich dir sagen will. Es mag an meiner persönlichen Arroganz liegen, aber ich finde letzteres wahrscheinlicher. Und ich glaube, dass das keine Sache des Vermögens, sondern des Willens ist, hm. Nunja, ich will darüber schauen und sehen, ob Ipsi etwas sagen wird zu diesem Thema.

e-noon
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Do 7. Jul 2005, 21:43 - Beitrag #39

@Padreic: Ich stimme Maurices Aussage zu, möchte aber gerne auch deine verstehen, bei mir mangelt es also nicht an Entschließung oder Mut, sondern höchstens am Verstande ;)

Kannst du mir erklären, was du an der Aussage kritikwürdig findest?

Padreic
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Do 7. Jul 2005, 22:06 - Beitrag #40

Hm, wenn eine Dame mich bittet ;).

Der Punkt ist, dass ich nicht weiß, was das heißen soll, 'determiniert', in einer objektiven Realität. Maurice hat Definitionen gegeben im Nachbarthread. Ich habe sie kritisiert in dem Sinne, dass sie nur in einem spezifischen Modellkontext Sinn machen, wenn man nicht bestimmte Annahmen über die Realität trifft. Hier schrieb Maurice als Definition "'notwendig durch Regeln bestimmt'". Häh, was sollen Regeln sein? Gibt es Regelteilchen? [im materialistischen Kontext gedacht] Was ist Notwendigkeit bzw. wovon soll es das Gegenteil sein? Ist es Notwendigkeit, wenn das passiert, was passiert? Dann brauchen wir keinen Begriff dafür. Und wenn es Möglichkeit gibt, die nicht realisiert wird? Sind das Teilchen in einer speziellen Raumregion, spezielle Möglichkeitsteilchen/-Energiezustände? Keine Ahnung, was das alles heißen soll...und Maurice konnte es mir bisher nicht erklären. Hat, soweit ich sehe, nichtmal einen Versuch dazu gestartet, weil er da, scheint's, kein Problem sieht. Warum auch immer... psychologisch würde ich sagen, weil er sein Modell verabsolutiert und für objektive Realität erachtet, so sehr er das auch leugnet; aber mit Psychologie, zumal über's Internet, begibt man sich immer auf gefährliches Terrain ;).
Genauer hab ich das übrigens im besagten Thead ausgeführt....besonders (aber nicht nur) im letzten Post.

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