Anneliese Michel und ihre Dämonen

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Amy
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Mo 8. Aug 2005, 22:06 - Beitrag #1

Anneliese Michel und ihre Dämonen

[align=center]Die Dämonen müssen aussagen[/align]
[align=center]Bild[/align]

Anneliese Michel gehört mitunter zu einem der bekanntesten Fälle in Sachen "Exorzismus in Deutschland".
Daher wollte ich einmal fragen, ob manch einer etwas über sie weißt, denn es wäre guter Stoff für Diskussionen.
Das erste Mal kam ich auf Anneliese Michel, als man in einer Fernsehsendung eine Aufnahme von den Tonbandgeräten abspielte, die während des Vorganges aufgenommen wurden. Mir ging es wirklich kalt über den Rücken, denn da wusste ich, dass es kein billiger Hollywood-Film war, wo man verzerrte Stimmen einspielte und etliches mehr.
Diese qualvoll verzerrten Stimmen kamen von einer jungen Frau, Anneliese Michel.
Da es hieße, sie wäre besessen, kam bald ein Exorzist und versuchte, ihre Dämonen (darunter Luzifer, Judas und Kain) auszutreiben. Dieser Vorgang dauerte lange, viel zu lange und Anneliese Michel starb letztendlich an Unterernährung. So weit weiß ich es jedenfalls. Ich habe mich nicht sonderlich mit ihrem Lebenslauf befasst, wo sie zur Schule ging, etc., sonder ich hing die ganze Nacht an den Aussagen, die ihre Dämonen von sich gaben.
Ich werde einiges von der offiziellen Seite hier reinkopieren. Bei Interesse kommen natürlich mehr.

Für den Anfang war's das ;)
Amy


Wie damals, als Pater Renz fünf verschiedene, ungezeichnete Fläschchen zur exorzistischen Sitzung mitbrachte, die einen mit Weihwasser von Lourdes und von San Damiano gefüllt, die anderen mit Leitungswasser. Wie die Teufel schrieen, wenn er sie mit dem ersteren besprengte! Das Leitungswasser dagegen tat ihnen gar nichts.


Ein andermal verabredete er eine Probe mit einem Priester in einer anderen Stadt. Der verblüffte Peter berichtet, was geschah:
Eines Abends, der Exorzismus wurde gerade gebetet, schaute Anneliese den Pater Renz provozierend frech an und sagte: «Ich sage aber nichts!» Ich wunderte mich darüber, war sie doch gar nichts gefragt worden. In der anschließenden Pause wollte ich Pater Renz auf diese Merkwürdigkeit hinweisen, als Anneliese von sich aus Pater Renz in der gleichen Angelegenheit ansprach. Pater Renz erklärte zu unserer Verwunderung, mit einem deutschen Bischof vereinbart zu haben, dass jener um sieben Uhr abends den Exorzismus über Anneliese beten solle. Man wollte dann sehen, wie die Teufel aus Anneliese dazu reagierten. Pater Renz sagte, dass Anneliese zum vereinbarten Zeitpunkt um sieben Uhr den Ausspruch getan habe «Ich sage aber nichts».


Manchmal machten sich die Dämonen lustig über die Priester. Das konnte fast komisch wirken, wenn es nicht zu gefährlich wurde. So fragte der Pater: «Warum hältst du die Hände über die Ohren?» und nicht faul antwortete der Dämon: «Weil das Gebet so schön ist!» Oder als der Dämon knurrt: «Es knallt im Haus.» — «Macht ihr den Krach?» will Pater Renz wissen. «Ja, wer denn sonst?» höhnt der Böse. Und dann grunzt er und lacht: «He, he, he, he.»


Wie jener «Pfarrer Fleischmann» dazu kam, sich dem Dämonenrudel zuzugesellen, ist eine ganz andere Geschichte. Pfarrer Alt erzählt wie folgt:
Als ich nach Ettleben kam, war die Pfarrei in schlechtem Zustand. Zunächst hatte ich die Aufgabe, die Kirche restaurieren zu lassen. Ich suchte in den Pfarrakten nach Unterlagen, die die Baupflicht an der Kirche ausweisen sollten. Ich hatte die Vermutung, dass die politische Gemeinde oder selbst der Staat die Baupflicht an der Kirche habe. In der Pfarrepositur, die noch bis ins Jahr 1646 zurück vollständig und bis etwa Mitte des sechzehnten Jahrhunderts sporadisch erhalten ist und außerdem ein paar Akten aus sehr früher Zeit enthält, entdeckte ich die Akte mit der Liste der Pfarrer, die seit dem vierzehnten Jahrhundert hier in Ettleben gewirkt hatten. Beim Durchblättern dieser Akte stieß ich auch auf einen Fall Fleischmann. Der Name von Pfarrer Valentin Fleischmann war mir noch nie zu Ohren gekommen. Von 1572-1575 war er Pfarrer in Ettleben. Er wurde als «concubinarius» ausgewiesen, war «vino addictus», also ein Säufer, auf deutsch gesagt, war ein «arger Schläger» und hatte vier Kinder. Er habe an einem bestimmten Tag einen Mann in seinem Pfarrhaus erschlagen. Außerdem habe er eine Frau so geschlagen, dass sie über Wochen und Monate beim Bader in Würzburg gelegen habe.

Der Grabstein seiner Tochter Martha ist in die Frontseite des ältesten Hauses von Ettleben eingemauert und, heute noch gut zu entziffern. Als ich im Herbst 1975 während der exorzistischen Phase nach Klingenberg kam, um der Austreibung beizuwohnen, war ich bereits eineinhalb Jahre Pfarrer von Ettleben. Während einer Pause wurde ich von einem der Anwesenden gefragt: «Na, wie geht's denn in Ettleben, nachdem die Kirche restauriert ist?» Wir kamen ins Gespräch und ich sagte unter anderem: «Na ja, in Ettleben hat es immer schon schlimme Pfarrer gegeben. Vielleicht bin ich auch einer von diesen. Jedenfalls hat es einen gegeben, der einen Mann erschlagen hat.» Anneliese saß neben mir. Sie brüllte plötzlich auf, so wie sie es während des Exorzismusgebetes getan hatte. Ich erschrak so sehr, dass mich alle auslachten und der Schrecken mir nach Stunden noch in den Gliedern saß. Etwa vierzehn Tage später hatte ich wiederum Gelegenheit nach Klingenberg zu fahren, weil ich in der Nähe etwas zu tun hatte. Anneliese war daheim. Peter war auch da. Wir unterhielten uns nett. Schließlich sagte ich: «Sie haben mich vielleicht damals mit Ihrem Gebrüll erschreckt. Der Schrecken wich erst nach Tagen. Dass Sie sich so aufregen, wenn der Name Fleischmann fällt!» Plötzlich verzog Anneliese ihr Gesicht zu einer Fratze und begann, obwohl sie heftig dagegen kämpfte, wiederum in der uns allen bekannten Art zu brüllen.

Ich sah dabei zum ersten Male, wie sich Anneliese gegen das wehrte, was sie so unmittelbar überfiel; sie lächelte, verzerrte das Gesicht, lächelte wieder und konnte gerade noch sagen: «Nehmt es nicht so schlimm, ich kann nichts dafür!» Dann brüllte sie los.

Am selben Abend wurde in meiner Abwesenheit der Exorzismus gesprochen, und es meldete sich der sechste Teufel mit Namen Fleischmann, gefallener Priester, Pfarrer in Ettleben gewesen . . . Es wurden von Fleischmann Einzelheiten gesagt, die ich nie erwähnt hatte und Anneliese also unbekannt sein mussten. Es ist seither behauptet worden, Anneliese habe die Chronik gekannt. Ich kann belegen, dass die Chronik zu der Zeit, als der Fall Fleischmann in Klingenberg bekannt wurde, zur Überprüfung beim Archivar der Diözese in Würzburg war. Sie hatte die Chronik nie gesehen und erst recht nie in der Hand. All das kam spontan aus ihr. Es war überraschend für mich, sehr überraschend. Anneliese fürchtete sich sehr vor diesem Teufel Fleischmann.


Die Dämonen über die Zustände in der Kirche
29.9.75 Judas zu Pater Renz: Kirche? Die meisten glauben ja nur noch, es wäre ein Verband. Die Modernisten bringen sie noch um. Wir schaffen so viel daran, dass sie untergeht. Wir spritzen schon so viel Gift rein in die Kirche, dass sie untergeht. Es sind nur noch wenig, die der Kirche treu sind.

Nach dem Leben ist alles aus, das glauben viel, sehr viel, und danach leben sie auch, weil sie nicht mehr beten.

Die Sünden reichen bis zum Himmel; aber es dauert nicht mehr lang. Die von 17 hat es gesagt. Aber das haben bloß ein paar befolgt. Die Plage wird kommen, und wir holen, wen wir holen dürfen. Tod, Trübsal und Hunger, ja, das kommt auch noch. Ja, der da oben guckt nicht mehr lange zu; aber das glaubt keiner mehr zum Glück; da können wir noch so viel holen, wie es geht.

Ipsissimus
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Mo 8. Aug 2005, 22:57 - Beitrag #2

ich hoffe sehr, daß dieser "Exorzist" - und mit ihm sein Bischof - wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge (das dürfte es wohl juristisch sein) genügend Zeit erhalten wird, darüber nachzudenken, ob seine dummdreiste Idiotie es wirklich wert ist, dafür das Leben eines jungen Menschen zu verschwenden, die - wenn ihr überhaupt irgendetwas gefehlt hat - bestenfalls in psychiatrische Behandlung gehörte, aber keinesfalls in die Obhut eines dumpfbackigen Scharlatans, der offensichtlich emotional und intellektuell noch nicht im 20. Jahrhundert angekommen war.

Was Schreie angeht, die dir kalt den Rücken runterlaufen und keine billigen Hollywood-Effekte sind, dazu kann ich dir nur empfehlen, einmal eine beliebige geschlossene Psychiatrie zu besichtigen und Patienten in psychotischen Schüben zu lauschen, die nicht rechtzeitig sediert worden sind; oder auch aggressiv gewordenen Geistig-Schwerstbehinderten.

Demnächst fangen wir noch, wie jüngst in Rumänien, an, die Körper zu töten, damit die Seele gerettet wird. Eine freche Antwort an den Herrn Priester reicht davor neuerdings wohl schon wieder aus. Meine Güte, geht es denn wirklich völlig ungebremst zurück ins Mittelalter?

Monostratos
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Mo 8. Aug 2005, 23:00 - Beitrag #3

Oh oh oh... Ich glaube weniger an diese "traditionelle" Art der Existenz von Dämonen; Auf einer etwas aufgeklärteren Ebene kann man für einen "Dämon" schon weitaus rationalere Dinge einsetzen. Epilepsie, Geisteskrankheiten, bestimmte Verhaltensformen oder Ansichten ( :rolleyes: ).


Diese Frau mag psychisch krank gewesen sein, oder Epileptikerin. Wächst man in einem religiösen Umfeld auf, ist's natürlich umso wahrscheinlicher, aufgrund der gegebenen Verwirrtheit sowas wie das zitierte von sich zu geben, oder halt "mitzuspielen".

janw
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Mo 8. Aug 2005, 23:55 - Beitrag #4

Im Prinzip d´accord mit Ipsi, aber die geschilderten Umstände geben doch Rätsel auf. Wieso das regelmäßige Verhalten bei Nennung des Pfarrers Fleischmann? Wieso die anderen Regelhaftigkeiten, die von den Pfarrern als Zeugnisse der teuflischen Besessenheit gedeutet wurden?
Eine vernünftige Diagnose und ggf. angepasste Therapie wäre in jedem Falle das richtige Mittel der Wahl gewesen, nicht der Exorzismus.

Ipsissimus
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Di 9. Aug 2005, 09:38 - Beitrag #5

das ist eine Frage der Zuverlässigkeit der Zeugen, janw. Wenn Menschen so massiv geprägt sind, daß sie anfangen, mit der Annahme von Dämonen zu operieren, sehen sie deren Spuren überall. Wenn ein kleines Kind einen Drachen sieht, lügt es nicht unbedingt, es hat nur seine Wahrnehmungen noch nicht abgeglichen und kann noch nicht zwischen Phantasie und realer Welt unterscheiden. Bei Erwachsenen allerdings ist das nur noch peinlich, zumindest da, wo es nicht bösartig ist, oder, wie im Falle mancher Künstler, diese sich ein Narrenparadies geschaffen haben (z.B. Dali).

aleanjre
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Di 9. Aug 2005, 10:16 - Beitrag #6

Dazu besteht die Möglichkeit, dass das Mädchen sich zumindest teilweise bewußt so verhalten hat. Im Falle einer Psychose könnte sie Stimmen gehört haben, bei anderen Persönlichkeitsstörungen hätte sie die Misshandlungen eventuell herausgefordert. Epileptikerin war sie mit ziemlicher Sicherheit nicht. Tourette - Syndrom würde mir noch einfallen.
Es ist wirklich traurig, welch ein Aberglauben und wirklich schockierender Unsinn in unseren heutigen Tagen noch grassiert.

Buddha
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Di 9. Aug 2005, 13:58 - Beitrag #7

Die katholische Kirche hat damals ja nur dem Mädchen den Teufel augetrieben, weil sie die Gehirnwellen, die bei dem Mädchen aufgezeichnet wurden, falsch interpretierten. Dabei haben diese Aufzeichnungen nur auf eine Epilepsie hingewiesen. Und soweit ich eiß, ist bis heute unbekannt, ob sie die Rolle nur gespielt hat, oder ob das durch die Krankheit bedingt war.

aleanjre
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Di 9. Aug 2005, 14:18 - Beitrag #8

Epilepsie sorgt nicht dafür, dass ein Mensch solch seltsamen Dinge sagt oder schreiend zusammenbricht, wenn er von Wasser berührt wird. Entweder sie hatte außer Epilepsie noch psychische Erkrankungen, oder eine gehörige Persönlichkeitsstörung. Kein gesunder Mensch würde eine solche Rolle bis zum Ende spielen können.

janw
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Di 9. Aug 2005, 15:24 - Beitrag #9

Und wahrscheinlich hatten die Pfarrer ein vorgefertigtes System, wie sie die Lautäußerungen der Frau zu deuten hatten.
Es gibt ja einige Experimente mit Tonbandaufzeichnungen von "Dämonen", bei denen klar erkennbar ist, daß es sich um zufällige Rauscheffekte handelt, die unser Gehirn auf seiner ständigen Suche nach erkennbaren Mustern als Worte interpretiert.

Epilepsie drückt sich gänzlich anders aus, da hat alea recht.

Amy
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Sa 26. Nov 2005, 11:53 - Beitrag #10

Ich wollte nur erwähnen,
dass in Kürze der Film "Der Exorzismus der Emily Rose" in die Kinos kommt (oder läuft er schon?) und dies die veramerikanische Version mit einigen Änderungen nach dem wahren Fall der Anneliese Michel ist.
Werde mir den Film wahrscheinlich ansehen, da ich ja einiges über Anneliese Michel weiß/gelesen habe und mich sicherlich am Ende wie eine Irre darüber ärgern, dass sie ihren Namen nicht einmal erwähnt haben..

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 12:01 - Beitrag #11

Der Fall zeigt imo in besonders guten Maße welche Rolle die subjektive Interpration von Sinnesdaten spielt. Die Sinnesdaten alleine sagen uns nichts über die Außenwelt, sondern wir konstruieren uns ein Modell der Welt anhand der Daten.
Ob es sich nun hier um ein stark psychisch krankes Mädchen handelte oder ob sie von Dämonen besessen war, lässt sich nicht sicher entscheiden. Man kann zwar versuchen mit Argumenten darüber zu diskutieren, was wohl der Fall war, aber letzten Endes entscheidet der persönliche Geschmack des einzelnen Individuums, welche These er für richtig hält. Der rationale Diskurs stößt an seine Grenzen. :(

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 13:46 - Beitrag #12

Ob es sich nun hier um ein stark psychisch krankes Mädchen handelte oder ob sie von Dämonen besessen war, lässt sich nicht sicher entscheiden.


lass mich so fragen, Maurice: wenn du in einem Gebiet wohnen würdest, in dem jedes Jahr hundert Häuser von Blitzen zerstört werden, würdest du dein Haus dann mit Blitzableitern oder mit Weihwasser schützen? Und würde irgendein Katholik, wenn man ihn denn zwingen würde, NUR eine dieser beiden Möglichkeiten zu verwenden, sich tatsächich für Weihwasser erntscheiden?

Natürlich ist die Möglichkeit "Dämon" genauso wenig in einem mathematischen Sinne widerlegbar, wie die Auffassung, der Blitz werde von Gott oder einem Drachen geschleudert, den wir bloß nicht sehen. Aber wir wissen heute einiges über Erklärungshintergründe, und der Erkärungshintergrund "Dämon" gehört - wenn er denn ernst gemeint ist - einer Bewußtseinsstruktur an, die noch nicht in der Moderne angekommen ist, sondern der des Drachen sehenden Kindes entspricht.

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 14:04 - Beitrag #13

Zitat von Ipsissimus:lass mich so fragen, Maurice: wenn du in einem Gebiet wohnen würdest, in dem jedes Jahr hundert Häuser von Blitzen zerstört werden, würdest du dein Haus dann mit Blitzableitern oder mit Weihwasser schützen? Und würde irgendein Katholik, wenn man ihn denn zwingen würde, NUR eine dieser beiden Möglichkeiten zu verwenden, sich tatsächich für Weihwasser erntscheiden?

Ich würde einen Blitzableiter benutzen, weil ich nicht an die Wirkung von Weihwasser glaube. Der deutsche Katholik wird meiner Einschätzung nach auch den Blitzableiter benutzen. Das aber nicht, weil er nicht an Weihwasser glaubt, sondern weil sein Denken schon ausreichend verwissenschaftlicht wurde. Ein technikfeindlicher Fundamentalist hingegen würde das Weihwasser vorziehen.

@wissenschaftliche vs. religöse Erklärung von "Dämon":
Auch wenn du es nicht gerne hören wirst so sieht man an deiner Argumentation imo deutlich das Sparsamkeitsprinzip(/Ökonomieprinzip). Du hast zwei Modelle, die dir einen bestimmten Sachverhalt erklären wollen und du entscheidest dich für das sparsamere, weil du die Ahnamen des Exorzisten für überflüssig hälst. Dem Exorzist hingegen reicht die wissenscahftliche Erklärung nicht aus und vertritt die Dämon-These, weil die Wissenschaft den Sachverhalt in seinen Augen nicht befriedigend erklären kann. Eine Erklärung ist aber nicht an sich befriedigend oder nicht, sondern immer nur für ein Subjekt.
Dieses Problem, dass verschiedene Leute verschiedene Modelle für plausibeler halten, finden wir immer wieder. Auch hier im Forum finden sich genug Beispiele dafür.

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 17:41 - Beitrag #14

nein, ich rekurriere nicht auf das Sparsamkeitsprinzip, sondern auf das Erkenntnisprinzip. Noch der gläubigste Fundamentalist müßte - gezwungen, seinen Glauben an der Realität messen zu lassen - anerkennen, daß die Handlungen der Dämonen - und seines Gottes - willkürlich erfolgen, kontingent sind. Er würde schlicht kein reproduzierbares Schema erkennen.

Und er würde, trotz aller angeblichen Fraglichkeit der aufgeklärten Erklärung, die systematische Regelmäßigkeit anerkennen müssen, mit der ein Blitzableiter schützt, das Weihwasser aber nicht

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 17:57 - Beitrag #15

Und er würde, trotz aller angeblichen Fraglichkeit der aufgeklärten Erklärung, die systematische Regelmäßigkeit anerkennen müssen, mit der ein Blitzableiter schützt, das Weihwasser aber nicht.

Ich versuche es mal in deinen Worten auszudrücken: Jeglicher Apell scheitert letzlich in der Faktizität des strickten Unwillen mancher Menschen.
Ich hoffe, ich habe den Wortlaut getroffen. ;)

Problem deiner Aussage ist imo, dass du den Fundamentalisten in seiner Radikalität unterschätzt. Wir lassen uns von empirischen Daten überzeugen, wenn sie unserer Meinung nach deutlich für eine These sprechen. Wer radikal einen Standpunkt vertritt wird sich wohl nie durch irgendwelche empirischen Daten überzeugen lassen.
Nehmen wir wieder unser Beispiel: Ich gehe davon aus, dass die von mir skizzierte Person den Schutz des Blitzableiters entweder als Teufelswerk betrachten würde oder einfach die These aufstellen würde, dass der verheerende Blitzeinschlag noch kommen wird. Ganz nach dem Prinzip "nur weil etwas bisher nicht der Fall war, heißt es deshalb noch nicht, dass es nicht noch passieren wird". Wenn er hingegen das Weihwasser auf sein Haus sprüht und nach einem Gewitter sein Haus noch steht, dann wird er dies als Bestätigung seiner These sehen. Wird das Haus aber trotz Weihwasser beschädigt, dann war es in seinen Augen entweder eine Strafe Gottes oder des Teufels und er wird seine These trotzdem nicht revidieren.
Wenn jemand unbedingt etwas glauben will, dann fallen ihn schon genug Möglichkeiten ein, seine These zu imunisieren, egal wie unglaubwürdig sie dadurch für Außenstehende wird.

janw
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Sa 26. Nov 2005, 18:05 - Beitrag #16

Ipsi, der Blitzableiter schützt nicht, er ist nur den Göttern und Dämonen so gefällig, daß sie alle Häuser damit vor Einschlägen verschonen ;)^^

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 18:58 - Beitrag #17

na gut^^ ihr überzeugt mich fürs erste^^

e-noon
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Sa 26. Nov 2005, 19:04 - Beitrag #18

Kommt es mir nur so vor, oder argumentieren Ipsi und Maurice jeweils genau anders herum als vor einiger Zeit in einer ähnlichen Diskussion!?
:wzg:

Ich weiß nicht, ob ich mir den Film ansehen werde, aber zum Thema: Meist sind es solche Sachen wie zB. die Kenntnis eigentlich unbekannter Dinge (in welcher Flasche das Weihwasser ist oder die Fakten über den verstorbenen Pfarrer zB.), die von Gläubigen als Beweis für die Existenz von Dämonen angeführt werden. Prinzipiell würde ich dem sogar zustimmen, allerdings erst, wenn andere Möglichkeiten so gut wie möglich ausgeschlossen sind.

Die Flasche mit dem Weihwasser hätte anders ausgesehen haben können als die übrigen, oder der Pfarrer und die Anwesenden haben bei dieser Flasche (unbewusst) anders reagiert und Anneliese hat das irgendwie gespürt. Hätte man sie unter Laborbedingungen untersucht, zB. von einer ferngesteuerten Maschine 10 Wasserproben mit einer Weihwasserprobe bekommen und hätte DANN reagiert, wäre das imo schon ein beunruhigendes Indiz für die Existenz der Dämonen.

Traitor
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Sa 26. Nov 2005, 23:51 - Beitrag #19

Ich trenne den Thread hiermit. Die Grenzziehung ist etwas unklar, aber ich denke, ich habe in etwa den Punkt erwischt, ab dem es gar nicht mehr um das hiesige Thema ging. Nach dem Rest suche man hier.

Zum Fall habe ich wenig zu sagen. Die Umstände sind sicher boulevardesk etwas aufgebauscht worden, wenn sie sich im Kern so ereignet haben, aber selbstverständlich skandalös und ein Zeichen, welch schlimme Unvernunft es auch heute noch gibt.

Den Film hierzu habe ich dank Sneak ja schon gesehen. Mit einem satirischen Ansatz hätte man sicher viel draus machen können, so wird es "Fans" wie Amy vielleicht gerade noch gefallen.
Bemerkenswert finde ich ganz am Rande, dass es mal geschafft wurde, in einer auf realen Ereignissen basierenden Geschichte die Schauspielerin schlechter aussehen zu lassen als das Original... ;)

Maglor
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Mo 28. Nov 2005, 15:08 - Beitrag #20

Zitat von aleanjre:Es ist wirklich traurig, welch ein Aberglauben und wirklich schockierender Unsinn in unseren heutigen Tagen noch grassiert.

Nun scheint hier ein eindeutiger Fall von Verwässerung, Relativierung und Verharmlosung des Christentums vorzulegen.
Tatsächlich ist der Glaube an Dämonen in der Bibel verwurzelt und Jesus Christus selbst tritt als Exorzist auf. Aberglauben wird erst durch die Abgrenzung zur kirchlichen Lehrmeinung definiert.
Natürlich glaubt auch Papst Benedikt XVI. an den Teufel und Dämonen und versucht den Exorzismus so weit es geht zu fördern.
Um aber die Lutheraner nicht zu schonen: Dr. Luther selbst sah den Teufel an der Wand und im Streite mit Erasmus von Rotterdam bestand Luther auf die Unfreiheit des menschlichen Geistes, der entweder von Gott oder vom Teufel geritten würde.
Mir scheint die Idee des Exorzismus recht interessant und ich halte sie ähnlich wie manche Vodoo-Zauber für solche Rituale, die transzendente Kräfte erfahrbar machen. Gerade dass ein Kleriker solche Wunder wirken könnte, macht die Sache so reizvoll; so wird es erlebbar und erfahrbar. Religion als Mystik und nicht nur als eine Art der Weltanschauung...
MfG Maglor :rolleyes:

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