Kann ein Mensch seinem Wunsch gemäß handeln?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.

Habe ich, von untenstehendem Beispiel ausgehend, Handlungsfreiheit?

Ja
7
50%
Nein
1
7%
Nur wenn es einen freien Willen gibt
4
29%
Du willst gar keine Schokolade
2
14%
 
Abstimmungen insgesamt : 14

e-noon
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Do 1. Sep 2005, 22:27 - Beitrag #1

Kann ein Mensch seinem Wunsch gemäß handeln?

Ausgehend von einem deterministischen Weltbild behaupte ich, dass auch ein determinierter Mensch in der Lage ist, seinem Wunsch gemäß zu handeln - in anderen Worten, dass er Handlungsfreiheit hat.

Mit determiniert meine ich in diesem Zusammenhang, dass jedes Ereignis, das sich eben ereignet, schon vorher feststand und durch Naturgesetze zwingend vorgegeben war. Ich nehme also ein Prinzip von Ursache und Wirkung an, bei dem eine oder mehrere Ursachen eine oder mehrere bestimmte Wirkung/en zwingend nach sich ziehen.

Menschliche Entscheidungen stünden somit fest, lange bevor sie getroffen wurden; Emotionen wären seit Anbeginn des Universums vorprogrammiert.

Eine weitere Folge ist, dass in derselben Situation immer ein und dasselbe Ereignis geschehen muss; unter gleichen Bedingungen (innerlich und äußerlich) würde also zB. immer die gleiche Entscheidung getroffen.

Eine Entscheidung ist für mich, wenn man zwei Handlungsmöglichkeiten sieht und schließlich nach Überlegung eine von beiden beschließt auszuführen.


Jetzt ein Beispiel: Ich fühle ein nahezu übermächtiges Verlangen nach Schokolade; vor mir liegt eine offene Tafel und ich werde durch nichts daran gehindert, sie zu nehmen und zu essen.
Habe ich die (Handlungs-)freiheit, meinem Wunsch gemäß zu handeln und die zu essen?

Traitor
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Do 1. Sep 2005, 23:20 - Beitrag #2

Offensichtlich hast du die Möglichkeit, die Schokolade zu essen. Wenn du den Begriff Handlungsfreiheit dann so definieren willst, dass er nicht mehr als das enthält, dann verfügst du offensichtlich auch über Handlungsfreiheit.

Da die Fragestellung die interessanten Punkte einer Freiheits-Frage aber gezielt ausspart und selbst, wenn sie dies nicht täte, nicht zu erwarten wäre, dass es dir oder Maurice dann um etwas anderes als die Präsentation euer diskussionsresistenten Definitionen gehen würde, sehe ich hier kein großes philosophisches Potential.

Falls der Thread keine sehr überraschende Entwicklung nimmt, sollte man sich also nicht wundern, wenn ich mich nicht an ihm beteilige.

Anaeyon
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Do 1. Sep 2005, 23:49 - Beitrag #3

Kleine Verständnisfrage:

Wenn determiniert ist, ob du die Schokolade isst oder nicht, dann ist auch determiniert, was dein Wunsch ist.
Ich frage mich: Wo gibt es überschneidungen mit Determinismus und wunschgemäßem Handeln?

Immerhin spielt hier beim Determinismus die Zukunft eine Rolle, es ist entschieden wie du handeln wirst, bevor du in der Gegenwart darüber entscheidest. Aber die Zukunft formt man doch auch selbst, oder? Das sie determiniert ist, bedeutet doch nur, das schon feststeht, wie ich die Zukunft forme.

Determinismus ist ja keine Linie an die wir gefesselt sind, sie weis nur schon wo wir unseren Fuß freiwillig hinsetzen, bevor WIR es wissen.


Fasel ich schwachsinn, oder besteht einfach keine Einschränkung in der Willens- und Handlungsfreiheit in einem determinierten Weltbild?

Edit: Zur Option: "Nur wenn es einen freien Willen gibt"

Was bedeutet das? Das ich entscheide, ohne das meine Entscheidung durch bewertete Erlebnisse und Wissen manipuliert wird? Ist das denn überhaupt möglich, fals meine Def. zutrifft?

LadysSlave
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Fr 2. Sep 2005, 00:08 - Beitrag #4

Handlungsfreiheit beginnt, wie der Name sagt, mit der Freiheit eine Handlung selbst zu bestimmen.
Ob es sich dann in einen größeren Pan enfügt oder nicht, ist meines Erachtens nicht von der einzelnen Handlung abhängig.
Auch wenn objektive Bedingungen eine Handlung unrichtig erscheinen lassen, kann die subjektive Einschätzung doch anders sein und dementsprechend auch die Handlung.
Oder: auch wenn ich fürchten muss, dass die Schokolade mir gesundheitlich nicht bekommt, kann es sein, dass ich mich dennoch dafür entscheide!

e-noon
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Fr 2. Sep 2005, 11:27 - Beitrag #5

Ich bestehe nicht darauf, den Begriff Handlungsfreiheit so zu definieren - ich habe ihn so aus dem Lexikon übernommen. Da ich den Begriff nicht anders kenne, verwende ich ihn auch so - wenn eine überzeugendere Definition gepostet wird, werde ich diese vielleicht übernehmen. Aber es ist imo sinnvoller, die Definition zu wählen, die im philosophischen Diskurs allgemein verwendet und verstanden wird, meinst du nicht?
Und bezüglich des Diskussionspotentials: Tatsächlich wurde in einem anderen thread die Handlungsfreiheit nach genau dieser meiner Definition angezweifelt, also muss es auch inhaltliches geben, worüber in dieser Fragestellung kein Konsens besteht.

@Anaeyon: Kein Schwachsinn :D Im Gegenteil. Lediglich Willensfreiheit widerspricht dem Determinismus, weil Willensfreiheit tatsächlich (soweit ich das verstanden habe) so definiert ist, dass du nicht determiniert handelst, dass du in derselben Situation anders handeln könntest, weil irgendein Element der Entscheidung völlig frei ist.

Eine Handlung selbst zu bestimmen, die Möglichkeit haben, dem eigenen Willen gemäß zu handeln, auch wenn es determiniert ist, bedeutet für mich Freiheit.

Anaeyon
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Fr 2. Sep 2005, 11:40 - Beitrag #6

Mh, ich halte sogar Willensfreiheit für frei, obwohl determiniert.

Es werden ja eben nicht nur die Ergebnisse sondern auch mein Wille selbst determiniert. Es ist nicht festgelegt, das Person X unter allen Umständen Y will, sondern das sie sich selbst ihren Willen und ihre darauf folgende Handlung schafft. Also müsste sie doch Willensfreiheit haben, oder nicht?

Wo ist mein Denkfehler oder der Unterschied zu deiner Überlegung, Schwesterchen? :)

e-noon
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Fr 2. Sep 2005, 12:08 - Beitrag #7

Willensfreiheit soll glaube ich bedeuten, dass du in der Lage bist, dir deinen Willen frei zu setzen und, wie gesagt, dass irgendetwas vollkommen freies deine Entscheidungen beeinflusst. Etwas, dass weder determiniert noch von irgendetwas geprägt ist, etwas willkürliches also. Das geht natürlich nicht, da, wie du selbst sagst, der Wille determiniert ist.

Aber wenn man es so sieht, dass der eigene Wille ja durch die eigene Psyche, durch das eigene Hirn und die eigenen Einflüsse bestimmt und ansonsten frei ist, ist das natürlich schon mit dem Determinismus vereinbar ^^

Ich finde auch, dass Willensfreiheit und Handlungsfreiheit zusammen verwirrend sind, denn
Handlungsfreiheit ist Freiheit, zu handeln (wie man möchte), aber
Willensfreiheit ist nicht Freiheit, zu wollen sondern
Freiheit, frei (von Einflüssen) zu wollen.

Das ist imo schon etwas schwierig.

Ipsissimus
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Fr 2. Sep 2005, 13:01 - Beitrag #8

die Verträglichkeit von Handlungsfreiheit und Determinismus wurde explizit von Hobbe behauptet; ich kann nicht gerade sagen, daß mich diese Kronzeugenschaft sonderlich von der Angemessenheit der Behauptung zu überzeugen vermag. Handlungsfreiheit

"... bezeichnet das Vermögen eines Lebewesens, seiner Natur, seinen Interessen oder seinen Neigungen zu folgen. Ob ein Lebewesen Handlungsfreiheit besitzt, kann leicht daran erkannt werden, ob es lebt. Lebt ein Lebewesen nicht, das heißt hat es mindestens ein Ziel seiner Natur, seiner Interessen und seiner Neigungen nicht verfolgen können, bestand keine vollständige Handlungsfreiheit. Im Gegenzug ist daher jedes Lebewesen, solange es lebt, also sein größtes Ziel erreicht, auch handlungsfrei, wenn auch möglicherweise nur in einem Mindestmaß. Ein Gros der Ziele der tierischen und menschlichen Welt ist kausal determiniert, das heißt vorbestimmt und somit nie wirklich frei." (Wikipedia)


du, e-noon, definierst
Handlungsfreiheit = Freiheit/Möglichkeit, dem eigenen Willen nach zu handeln.
Determinismus = von Anfang feststehender, unveränderlicher Ablauf aller Ereignisse unserer Welt


Du definierst also Handlungsfreiheit über den "eigenen Willen" und gar dessen Freiheit. Wikipedia definiert über "das Vermögen", die Fertigkeit mithin.

Ich befürchte, daß mit dieser klitzekeleinen Nuance wesentlich mehr verbunden ist, als du wahrhaben möchtest, e-noon.

Die Wikipedia-Darlegung, die im wesentlichen Hobbe folgt, halte ich - einmal ungeachtet der Verwirrtheit des darin niedergelegten Gedankenganges - für eine Allaussage, da es ihr zufolge überhaupt gar keine Möglichkeit gibt, nicht handlungsfrei zu sein, es sei denn durch den Tod. Hier schließt also schon die Definition aus, daß überhaupt etwas anderes als Handlungsfreiheit feststellbar ist, denn solange etwas nicht tot ist, lebt es ja, ist also gemäß der Definition handlungsfrei (wie z.B. die Hühnchen einer Legebatterie). Damit verkommt der Begriff zu einem keinerlei Informationsgehalt tragenden bloßen Wort, bei dessen Verwendung ich nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen kann, daß es verwendet wird.

du, e-noon, scheinst das zu "ahnen", denn du weichst in deiner Version der Definition dieser Schwierigkeit aus, indem du doch wieder freien Willen einbindest, also die Frage der Handlungsfreiheit mit der der Willensfreiheit verknüpfst - die einzige sinnvolle Möglichkeit, nach meiner Auffassung. Nur eben nicht mehr mit dem Determinismus kompatibel, was mich zwar nicht stört, da ich den Determinismus für Blödsinn halte, dich aber sehr stören müßte, wenn du selbigen ernst nehmen würdest.


Ein weitergehendes Problem ist für mich darin gegeben, daß Handlungsfreiheit tatsächlich überhaupt nichts mit "Freiheit" zu tun hat, die beiden Begriffe liegen auf völlig unterschiedlichen Ebenen, d.h. hier suggeriert der schiere Wortlaut einen inhaltlichen Zusammenhang, der in dem Augenblick, in dem Handlungsfreiheit à la Hobbe als eine Fertigkeit definiert wird, gar nicht vorhanden ist.

daher: wenn es freien Willen gibt, kannst du handlungsfrei die Schokolade essen^^

tatsächlich glaube ich auch nicht, daß es einen im idealistischen Sinne freien Willen gibt. Menschen unterliegen biologischen Bedingungen. Aber biologische Bedingungen regulieren nicht im Sinne einer deterministischen Weltsicht, sie enthalten Bandbreiten von Freiheitsgraden.

Maurice
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Fr 2. Sep 2005, 13:10 - Beitrag #9

Sarah gibs doch einfach auf, Ipsissimuis rafft es einfach nicht. Das ist reine Zeitverschwendung!

e-noon
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Fr 2. Sep 2005, 13:16 - Beitrag #10

@Ipsi: Ich bemühe mich, kann deinen Text aber wirklich nicht anders verstehen, als dass du mich nicht verstanden hast.
Für mich ist "Vermögen, seinen Neigungen zu folgen" und "Freiheit, seinem Wunsche zu folgen" eigentlich dasselbe. Du hingegen bejahst das eine und verneinst das andere.

Dass ich einen eigenen Willen habe, wirst du mir zugestehen? Dann verstehe ich ebenfalls nicht, warum ich ihn nicht in die Definition miteinbeziehen sollte.
Dass mein Wille frei ist, habe ich nicht behauptet, auch nicht in der Definition. Freiheit war mit Vermögen, Möglichkeit gleichgesetzt.

Handlungsfreiheit ist tatsächlich so etwas wie eine Feststellung, ich kann mir einfach Schokolade nehmen, sobald mir danach ist. Darum verstehe ich eben nicht, warum du damit deine Probleme hast.

Ipsissimus
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Fr 2. Sep 2005, 13:17 - Beitrag #11

das hast du schön gesagt, Maurice; auch für dich ein glückliches Jahr 2080

du bist anscheinend noch nicht mal dann in der Lage, über inhaltliche Widersprüche deiner Überzeugungen zu reflektieren, wenn dir der Finger punktgenau an die Stelle geführt wird

Maurice
Analytiker
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Fr 2. Sep 2005, 13:20 - Beitrag #12

Ach lass mich doch in Ruhe, du hast doch e keinen Schimmer von dem Thema. Ich werde in Zukunft einfach nicht mehr auf dich antworten, ich kann meine Lebenszeit nämlich angenehmer verschwenden, als mich mit dir zu unterhalten. Und den anderen rate ich auch zu dieser Energiesparmaßnahme.
Over und aus!

janw
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Fr 2. Sep 2005, 15:18 - Beitrag #13

Wenn ich es richtig sehe - und wenn nicht, korrigiert mich bitte - dann wäre e-noons Handlungsfreiheit dann mit der Handlungsfreiheit á la wikipedia zu vereinbaren, wenn e-noon den Determinismus aufgeben würde?
"Wille" = "Natur, Interessen, Neigungen"?

Aber gibt es nicht vielleicht doch die Möglichkeit, die Willensbildung bis zum Stadium des Wollens einer Handlung von der Handlung zu trennen?
Dann wäre es prinzipiell möglich, die Schokolade zu essen gewollt zu werden - und es doch nicht zu tun, weil einem der Mund mit Klebeband verklebt ist.
In dem Falle wäre die Handlungsfreiheit bezogen auf das Essen der Schokolade nicht gegeben.

Unabhängig davon stimmt es auch IMHO, daß die wikipedia-Definition mit ihrer generalisierten Handlungsfreiheit mit der Kondition des Lebendigseins keine Information liefert. Denn das Leben beinhaltet zahllose Einschränkungen der Handlungsfreiheit, sei es durch nicht artgerechte Haltung bei Tieren (übrigens auch bei Menschen, wie mal angemerkt werden sollte), Ressourcenknappheit u.ä.

Zitat von Ipsissimus:tatsächlich glaube ich auch nicht, daß es einen im idealistischen Sinne freien Willen gibt. Menschen unterliegen biologischen Bedingungen. Aber biologische Bedingungen regulieren nicht im Sinne einer deterministischen Weltsicht, sie enthalten Bandbreiten von Freiheitsgraden.

Nur eine Frage: Entspricht der Gebrauch des Begriffes "Freiheitsgrade" dem Gebrauch in der Physik und Mathematik?
Ich gebrauchte ihn kürzlich genauso und wurde von Traitor daraufhin angesprochen.

Maurice
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Fr 2. Sep 2005, 17:05 - Beitrag #14

Zwei Bedeutungen von "können"

Also die Definition von Wikipedia ist bedenklich und natürlich nicht einer Definition aus einem Brockhaus-Lexikon vorzuziehen.
Ob ein Lebewesen Handlungsfreiheit besitzt, kann leicht daran erkannt werden, ob es lebt.

Das stimmt so natürlich nicht, weil nicht jedes Lebewesen Handlungen ausführt. Man unterscheidet nicht umsonst zwischen Handlungen und Verhalten, wobei nur erstes eine bewusste und zielgerichtete Tätigkeit meint. Folglich ist ein Bewusstsein Voraussetzung um handeln zu können und somit auch für Handlungsfreiheit, denn da wo keine Handlungen sind kann es auch keine Freiheit derer geben. Ergo besitzen nicht alle Lebewesen Handlungsfreiheit und die Definition von Wikipedia ist unsauber.

@Handlungsfreiheit: Angenommen auf dem Tisch liegt ein Stück Schokolade und ich will es essen. Wenn ich meinem Wunsch entsprechend handeln kann, also die Schokolade essen kann, dann bin ich (handlungs-)frei. Wenn ich aber nicht meinen Wunsch erfüllen kann, z.B. weil ich an einen Stuhl gefesselt bin, dann bin ich nicht (handlungs-)frei.

Problematischer ist es natürlich, wenn man sich die Frage stellt, ob ich in einer Situation X (unter den Bedinungen Y) auch anders hätte handeln können. Dabei muss beachtet werden, dass es mehrere Bedeutungen von "können" gibt und deshalb die Frage ist, welche Bedeutung von "können" gemeint ist.
Zum einen kann "können" bedeuten, was natürgesetzlich möglich ist und demnach kann man nach einem deterministischen Weltbild in einer Situation X (unter den Bedingungen Y) nur auf eine einzige Art handeln und nicht anders. Könnte man verschieden handeln, dann wäre man willensfrei (nach der üblichen Definition als Gleichsetzung mit Akteurskausalität).
Es gibt aber auch noch eine andere Bedeutung von "können". George Edward Moore hat darauf hingewiesen, dass das Wort "können" neben dieser auch noch andere Bedeutungen hat – z.B. die, von der wir ausgehen, wenn wir einer Person eine Fähigkeit zuschreiben. Diese Bedeutung von "können" lässt sich Moore zufolge so analysieren: Dass jemand X tun kann, d.h., dass er die Fähigkeit hat, X zu tun, heißt nichts anderes, als dass er X tun würde, wenn er sich dazu entschiede, X zu tun. Dies nennt man die konditionale Analyse von Können: Eine Person kann X tun (hat die Fähigkeit, X zu tun), wenn sie X tut, falls sie sich entscheidet, X zu tun. Offenbar ist dieser Analyse zufolge Anders-Handeln- oder Sich-Anders-Entscheiden-Können mit dem Determinismus vereinbar. Denn auch wenn determiniert ist, was ich tue, weil determiniert ist, wie ich mich entscheide, kann es immer noch wahr sein, dass ich etwas anderes täte, wenn ich mich anders entscheiden würde. Mit anderen Worten: Auch wenn es naturgesetzlich unmöglich ist, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt X tue, kann es durchaus sein, dass ich zu diesem Zeitpunkt die Fähigkeit habe, X zu tun.*
Kurz:
Eine Person kann X tun (hat die Fähigkeit, X zu tun), wenn sie X tut, falls sie sich entscheidet, X zu tun.

(*Quelle: http://www.philosophieverstaendlich.de)

e-noon
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Fr 2. Sep 2005, 17:33 - Beitrag #15

@Janw: Ich finde, sie ist auch mit dem Determinismus vereinbar. Denn wie ich sagte, stimmen wikipedias und meine Definition im ersten Satz überein. Und auch der Rest widerspricht dem Determinismus nicht, erweitert lediglich die Bereiche, in denen der Begriff "Handlungsfreiheit" verwendet werden kann. Ich würde zB. nicht sagen, dass ein Wurm handelt, wenn er in der Erde herumkriecht, weshalb er auch keine Handlungsfreiheit hat.

Aber gibt es nicht vielleicht doch die Möglichkeit, die Willensbildung bis zum Stadium des Wollens einer Handlung von der Handlung zu trennen?
Tun wir das nicht? Genau darum geht es doch, das Wollen ist determiniert, aber wenn man in der Lage ist, dem Wollen die entsprechende Handlung folgen zu lassen, so ist man handlungsfrei.

Traitor
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So 4. Sep 2005, 12:51 - Beitrag #16

Seit der letzten derartigen Diskussion scheint sich die Diskussionsfähigkeit etwas erhöht zu haben, ich steige also doch ein. Als erstes versuche ich mal, ein bisschen Überblick in die Diskussion zu bringen, indem ich die verschiedenen Zustände, über die hier gesprochen wird, und die verschiedenen Namen, die ihnen gegeben werden, aufdrösele (die Benennungen sind nämlich keineswegs deckungsgleich).

Zum einen gibt es die Situation, dass die äußeren und inneren Umstände es einem erlauben, den eigenen Wünschen/Entschlüssen (was auch immer diese sein mögen und wie frei oder bestimmt sie auch sein mögen) gemäß zu handeln. Dies bezeichnen e-noon und Maurice als Handlungsfreiheit. Ipsissimus möchte diesem Zustand, wenn ich ihn richtig verstehe, gar keinen Begriff zuweisen, da er ihn für ziemlich aussagelos hält. Ähnlich denke ich davon, halte es aber für sinnvoll, ihn mit Handlungsfreiheit zu bezeichnen, um darüber reden zu können.

Der zweite Zustand ist der, dass man den äußeren und inneren Umständen gemäß (wobei zu letzteren insbesondere die eigenen Grundinteressen und -wünsche zählen) eine Entscheidung treffen kann. Dies nennt Ipsissimus zusammenfallend sowohl Handlungs- als auch Willensfreiheit, glaube ich. Maurice und e-noon geben diesem Zustand gar keinen Namen, soweit ich sie verstehe, was mich schon in früheren Diskussionen gewundert hat, da ich ihn für das zentrale Diskussionsthema halte. Ich würde hierfür Willensfreiheit verwenden.

Der dritte dann ist der, dass man die inneren Umstände soweit verändern kann, dass es zu einer anderen Entscheidung gemäß der zweiten Überlegung kommt. Aus den früheren Diskussionen erinnere ich mich, dass e-noon und Maurice dies mit Willensfreiheit bezeichnen, was ich für ungeschickt halte, da ich den Begriff für ähnlich inhaltsleer wie den ersten halte, aber aus dem entgegensetzen Grund - der Zustand ist nicht immer gegeben, sondern nie. Ich würde hier von Willenssetzungsfreiheit oder etwas in dieser Richtung sprechen.

Noch eine Illustration der drei beschriebenen Zustände anhand der Schokolade:
Ersterer wäre, dass du bereits die Entscheidung getroffen hast, die Schokolade zu essen, und dann durch keine Lähmung oder Fesselung daran gehindert bist, sie auch zu essen.
Der zweite wäre, dass du aufgrund deiner Interessen (du isst gerne Schokolade, du hast derzeit Appetit) und der äußeren Umstände (die Schokolade liegt da, sie sieht lecker aus) die Entscheidung triffst, sie zu essen.
Der dritte wäre, dass du deine Interessen so änderst, dass nicht mehr die nach den bisherigen Umständen logische Entscheidung, sondern eine ganz andere fällt - du also z.B. spontan das Schokolademögen abstellen würdest.

Bitte erstmal nicht auf meine Wertungen, für wie sinnhaltig ich die einzelnen Begriffe halte, eingehen, sondern vorerst über meine Kategorisierung und Zuordnung der Definitionen der Diskussionsteilnehmer reden, damit wir wieder auf eine gemeinsame Basis kommen.

e-noon
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So 4. Sep 2005, 19:52 - Beitrag #17

Danke für das Kompliment erstmal :)

Die erste Situation betreffend: Da hast du Recht; Maurice und ich nennen es Handlungsfreiheit, Ipsi möchte es nicht benennen, allerdings ist die von dir genannte iirc nicht seine einzige Begründung. Zum einen wollte er nicht, dass der aus einem anderen Konzept heraus konotierte Begriff "Freiheit" verwendet wird, was ich durchaus tolerieren kann; zum anderen jedoch meinte er, dass ich nicht wirklich den Wunsch haben kann, etwas zu tun, was mich verwirrt hat und der Hauptgrund für diesen thread ist.

Für den zweiten Zustand hatte ich bereits Entscheidungsfreiheit vorgeschlagen - die Freiheit, gemäß inneren und äußeren Umständen eine Entscheidung zu treffen. Klingt das akzeptabel? Gegen Willensfreiheit hätte ich Einwände, denn sowohl in unserer Diskussion als auch in geschichtlichen/philosophischen wurde mit Willensfreiheit immer jene dritte Situation bezeichnet. Dies umzubenennen, würde unsere Diskussion den allermeisten anderen gegenüber unverständlich machen. Zudem bedeutet "Willensfreiheit" normalerweise, dass der Wille frei ist, dh. mindestens zu einem gewissen Grade indeterminiert.

Es ist ein bisschen schwierig, alles auseinander zu halten, solange wir keine einheitlichen Begriffe verwenden, daher würde ich auch Kompromisse eingehen ^^ allerdings nur so viele, dass ich nicht vollends verwirrt bin.

Auch die zweite Situation ist Gegenstand der Diskussion (meiner Meinung nach ist völlig klar, dass man Entscheidungen fällen kann, während Ipsi beispielsweise meint, dass "Entscheidung" kein angemessenes Wort ist, wenn die Entscheidung determiniert ist).
Die (auch historisch gesehen) weitaus längere Diskussion betrifft jedoch die Willensfreiheit, die du mit der dritten Situation beschrieben hast. Imo jedoch etwas ungenau, da es weniger darum geht, den Willen völlig frei zu setzen (was eine noch absurdere Stufe von Willensfreiheit ist, ich bin gerne bereit, das Willenssetzungsfreiheit zu nennen).
Willensfreiheit meint vielmehr, dass es etwas Freies gibt, das indeterminiert entscheidet; quasi das zweite Beispiel, nur dass, wenn die Situation noch einmal genau so abliefe, eine andere Entscheidung getroffen werden könnte.

Ich hoffe, die Bewertung entsprach deiner Intention ^^ Ich freue mich, dass du mitdiskutieren möchtest.

mohnblumenfeld
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So 4. Sep 2005, 22:04 - Beitrag #18

:) Gut, man kann dieses Beispiel als Exempel statuieren ... :cool: Muss aber viel geschehen, damit dieses unmöglich gemacht wird ...

Hat jemand zufällig "Biografie. Ein Spiel" von Max Frisch gelesen? Bei Entscheidungen, welche den weiteren Lebenslauf betreffen, wird die Frage dann brisanter ...

Erziehung, derzeitige Lebenssituation, Erfahrungen und auch Ängste können schon eine beachtliche Rolle spielen, wenn man sich auch dagegen wehrt ... :wand: :wink:

Maurice
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So 4. Sep 2005, 22:52 - Beitrag #19

@e-noon:
Gegen Willensfreiheit hätte ich Einwände, denn sowohl in unserer Diskussion als auch in geschichtlichen/philosophischen wurde mit Willensfreiheit immer jene dritte Situation bezeichnet.

Da muss ich dir leider widersprechen. Die Definition von Willensfreiehit, die wir beide vertreten ist die klassische, aber das Wort wurde in der Vergangenheit auch schon mit anderem Inhalt gefüllt. Eine ist z.B. (iirc nach Locke), dass Willensfreiheit bedeutet, dass wir vor einer Entscheidung inne halten und über diese reflektieren. Dies allein sagt nichts darüber aus, ob die Entscheidung determiniert ist und ist damit kompatibel mit dem Determinismus. Ich halte es aber wie schon mehrmals gesagt für eine Mogelpackung, die Begriffe einfach umzudefinieren, damit man sie weiter verwenden kann. Für mich hat es nämlich auch nichts mit Freiheit zu tun, ob ich vor einer Entscheidung inne halte und reflektiere oder nicht.
Ich bin mir sicher, dass die klassische Definition von Willensfreiheit, die gleichbedeutend ist mit Akteurskausalität ist, also dass Entscheidungen nicht determiniert sind, sondern autonom vom Subjekt abhängen, auch heute noch die dominanten ist. Ich verweise dazu auf das Buch "Was bedeutet das alles?" von Thomas Nagel, eines zeitgenössigen, lebenden Philosphen, der zu den bekannteren unserer Tage gehört, in dem Willensfreiheit auch im Sinne von Akteurskausalität erklärt wird. Er bringt ein Beispiel, in dem sich der Leser vorstellen soll, dass er in der Kantine die Wahl zwischen einem Pfirsich und einem Stück Torte hätte und sich für die Torte entscheiden würde. Er stellt nun hier die Frage, ob er in dieser einen einmaligen Situation X auch den Pfirisch hätte wählen können oder ob er durch die Umstände notwendig die Torte wählen musste, seine Entscheidung also determiniert war. Er meint hier mit "können" nicht konditionale Leseweise, die ich anhand von Moore verdeutlicht habe, sondern ob es naturgesetzlich möglich (aber nicht zufällig) gewesen wäre. Er gibt später in Kürze die beiden wichtigsten Positionen, den Determinismus und den Indeterminismus, wieder und vertritt die Meinung, dass Handlungsfreiheit (also seinem Wunsch entsprechend handeln zu können) nicht für wirkliche Freiheit ausreiche, sondern auch Willensfreiheit dafür erforderlich sei, welche bedeutet, dass unsere Handlungen nicht determiniert sind.

@Traitor:
Der zweite Zustand ist der, dass man den äußeren und inneren Umständen gemäß (wobei zu letzteren insbesondere die eigenen Grundinteressen und -wünsche zählen) eine Entscheidung treffen kann.

Sorry aber ich kann mir spontan keinen Fall vorstellen, wo das was du beschreibst nicht gegeben sein sollte. Vielleicht ist es auch einfach momentan zu spät für mich. ;)
Für mich klingt das so, dass wir immer wenn wir eine Entscheidung treffen, die natürlich imo notwendig immer von den inneren und äußeren Umständen bestimmt wird, willensfrei wären und eine solche Definition halte ich für witzlos und für die Frage nach dem Begriff der Freiheit für irrelevant. Es mutet mir stattdessen nach einem weiteren Versuch an, ein altes liebgewonnenes Wort zu retten, da die "eigentliche" Bedeutung nicht mehr mit bestimmten Aspekten des Weltbildes vereinbar sind.

Bowu
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Mo 5. Sep 2005, 12:45 - Beitrag #20

@ Maurice (konkret)
Deine Definition von "Handlung" verwirrt mich etwas.

Du ziehst offensichtlich eine Grenze, wobei nur Lebewesen oberhalb derselben ein Bewusstsein besitzen. Ich weiss nicht wo du diese Grenze ziehst, aber in einem naturalistischen System scheint mir solch eine Grenze sehr schwierig auffindbar - höchstens die Vernunft (die Möglichkeit in Begriffen zu denken) würde mir als signifikanter Unterschied einfallen - dann würden allerdings die Tiere rausfallen, und das wäre für mich sehr verwunderlich.
Die wollen doch auch die Schokolade essen!!

@ Maurice (diskussionsweise)
Es ist sicher wichtig saubere Begriffe zu finden. Es ist sicher unwichtig, bekannte Autoren zu zitieren, welche etwas sagten, das dem von dir gemeinten nicht widerspricht. Wenn ich das, was du von Lock schriebst richtig verstanden habe, so war der Satz: " dass Willensfreiheit bedeutet, dass wir vor einer Entscheidung inne halten und über diese reflektieren." eine Rezitierung von Lock und der Satz: "Dies allein sagt nichts darüber aus, ob die Entscheidung determiniert ist und ist damit kompatibel mit dem Determinismus" war deine Argumentation, und dass deine (deterministische) Definition eine klassische sei, war der Schluss daraus.

Vielleicht weisst du mehr über Lock als ich. Aber wenn er nicht die Kombatibilität von Determinismus und Freiheit irgendwie gestreift hat, so ist dein Schluss einfach nur eine conclusio ex negatione.
Es ist eine gleichartige Ungereimtheit, wie Kant als Beispiel anzuführen für einen Freiheitsbegriff der in einem naturalistischen Rahmen besprochen wird.

Wenn du ein positives klassisches Beispiel deiner Kombatibilität geben kannst, dann nur zu. Aber nur weil deine Definitionen manchen klassischen nicht widersprechen, sind sie selbst noch nicht klassisch.

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