Wer hat schon Gott erlebt?

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Padreic
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Do 1. Sep 2005, 22:18 - Beitrag #21

Hm, wo Maurice meinen Namen ausspricht...

Ich habe nie Gott im eigentlichen Sinne erlebt, so dass ich mir sicher war. Es gab das Gefühl einer Erkenntnis von außen, die man im Nachhinein als Gotteserlebnis deuten könnte, was ich aber nicht tun will. Es gab Zeiten von religiöser Verzückung im Gebet; ich würde aber eher sagen, dass ich da mein Verhältnis zu Gott erlebt habe als Gott selbst. Und es gab einzelne Momente, wo so etwas wie eine Stimme zu mir sprach; das habe ich aber schon damals eher als mein eigenes Über-Ich denn als Gott interpretiert. Obwohl ich immer noch meine, dass ich da falsch gelegen haben könnte. Und es gab Zeiten, da sah ich die Natur von Gottes Geist durchwebt.
Aber ein echtes und eindeutiges Gottesheilserlebnis hatte ich, bedauerlicherweise vielleicht, nie. Obwohl, in anderer Hinsicht auch nicht bedauerlicherweise, weil ich so kein ganz so schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich meinen Alltagstrott beibehalte und ich meiner Feigheit und Bequemlichkeit weiter frönen kann.

Padreic

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Do 1. Sep 2005, 22:56 - Beitrag #22

"Religiöse Verzückung im Gebet"...das fand ich richtig nett. :)

Die Ausgangsbasis dieses Threads ist derart fragwürdig, daß es mitunter scheint, als würde man ein Pferd von so mancher äußerst unchristlichen Seite aufzäumen, nur nicht von der richtigen.

Ich bin überzeugt davon, daß die wenigsten User jemals am Morgen mit blutenden Stigmata überrascht wurden, eine spirituelle Erleuchtung im Traum empfingen oder regelmäßig von Visionen heimgesucht werden. Was also für einen Großteil religiös zwar gefestigter, vom Heiligen Geist persönlich jedoch weitgehend unbeachteter Christen bleibt, ist, "Gotteserfahrungen" in weit unauffälligeren Dingen zu vermuten:

So mancher mag in der unergründbaren Schönheit der Natur ein deutliches Zeichen höherer Mächte ersehen, während andere Gott vorzugsweise in der berauschenden Natur menschlicher Komplikationen erfahren. Ich persönlich erlebe höhere Mächte immer dann, wenn ich mir richtig einen hinter die Binde gekippt habe und kurz davor bin, auf einem Schiff anzuheuern.

Erfahrungen mit Gott sind so individuell wie es der Glauben, das Kostüm von Werten und Normen eines jeden Individuums sind. Ich selbst indes vertrete die Ansicht, daß - da die Existenz eines höheren Wesens unerkennbar, respektive weder beweisbar noch widerlegbar ist - es auch vollkommen irrelevant erscheint, sich damit zu beschäftigen.

Und wonach das klingt? Ganz recht: Nach Agnostizismus. Ich fürchte, das schließt zu großen Teilen auch Erlebnisse mit Gott aus...

Monostratos
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Do 1. Sep 2005, 23:36 - Beitrag #23

Ich hatte weniger Erfahrung mit Gott, als mit Göttlichem. Es mag vielleicht daran liegen, daß ich nur selten bete...

Manchmal, wenn ich mit meinem faden, grauen Lebensstil breche, such' ich mir dann und wann ein sonniges Plätzchen im Park, leg' mich ins Gras und denke an nichts. Dieses unglaubliche Gefühl des Friedens und der Ruhe, das da aufkommt, das assoziiere ich mit dem Göttlichen. Dasselbe auch, u.U., im Zug, nach dem Schlaf...

Gott, den ich durch den (scheinbaren?) Zufall, andere Menschen oder aber ebend im Gebet erlebe, wie oft war das...? zwei-, dreimal, im Kleinen...

janw
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Fr 2. Sep 2005, 02:18 - Beitrag #24

Hm, wenn Maurice mich so fragt...

Nun ja, Ipsi hat recht, was die Kontingenz bei der Deutung betrifft, und als wesentliche Bewertungsgrundlage habe ich eine leicht christlich getönte Sozialisation erfahren.
Insgesamt ist aber mein Großwerden in einigen Dingen anders gewesen als bei meinen Mitschülern, in manchem aus meiner zeitweiligen Sicht unerfreulicher. Daß einiges aus dieser Zeit durchaus auch positiv gesehen werden kann, daß vor allen Dingen mehrere wirkliche Glücksfälle dabei waren, habe ich dann irgendwann, vielleicht mit 20 oder 22, in einer Zeit der Rückschau gesehen.
Naja, und dann stand ich vor der Frage, Zufall oder etwas anderes dahinter? Hab mich dann zuerst dafür entschieden, mein Leben und mich positiver zu sehen, es sozusagen als nicht sinn-los.
Und mich dann gegen den Zufall als Hintergrund für vieles Geschehene entschieden, für etwas Anderes, dem ich scheinbar nicht egal bin, um es mal so auszudrücken.
Im Sinne der Kontingenz bei der Deutung auf einer internen Grundlage komme ich nicht umhin, dieses Etwas Gott zu nennen.
Wie un / berechtigt dies ist, kann ich nicht wissen, mein Gefühl bestätigt mich aber, und die Glücksfälle haben nicht aufgehört - wenn ich sie so deute.
Daß auch durchaus unschöne Momente dabei waren, soll nicht verschwiegen werden, aber auch sie gehören zum Leben dazu.

Mag man nun auch von transzendenten Entitäten halten was man will, die Bergpredigt - wer sie nun auch immer so geschrieben hat - steht da, und manche im Lande täten gut daran, sie zur Grundlage ihres Handelns zu machen. Selig sind...nicht die Starken, Reichen, jene, welche Freiheit als die Freiheit zur eigenen Gewinnmaximierung verstehen.
Selig sind...nicht die, welche Blinden das Blindengeld ersatzlos streichen, Frau von der Leyen, Mitglied einer christlich sich u.a. nennenden Regierung.

Maurice
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Fr 2. Sep 2005, 11:53 - Beitrag #25

@Mono:
In Anlehnung an Anaeyon würde ich gerne wissen, warum du der Meinung bist, dass du in diesen besonderen Momenten der Ruhe Gott erlebst und nicht nur dich selbst. Hälst du Anaeyons Interpretation des Phänomens auch für möglich?

@User mit "Gotterlebnissen": Wer von euch, der meint so ein Erlebnis schon gehabt zu haben, hatte eine christliche (oder anders religöse) Erziehung (/Sozialisation)?
Und meint ihr, dass jeder die Erfahrung die ihr gemacht habt als göttlich interpretieren würde, oder ob die Erziehung (/Soz.) für das Urteil ausschlaggebend ist?
Und könnte es auch sein, dass Atheisten auch göttliche Erlebnisse haben und sie nur falsch deuten?

Windsbraut
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Fr 2. Sep 2005, 12:40 - Beitrag #26

Maurice:
Ich weiß ja nicht, wie du "Seele" definierst, aber nach meiner Definition gibt es meiner Meinung nach nicht so etwas wie eine Seele. Und es gibt genug Menschen, die auch nicht mehr daran glauben. Diese Behauptung streiten also schon einige Menschen ab. Aber das nur am Rande.
Wichtiger finde ich hier, dass du meinst, dass gewisse emotionale und cognitive (=das Denken betreffend) Zustände nicht rein biologisch/evolutionär zu erklären seien. Ich war im zweiten Semester in einem Philosophie-Seminar über Emotionen, wo diese auch ausführlich aus evolutionstheoretischer Sicht besprochen wurden und ich finde, dass die Naturwissenschaft durchaus genug glaubhafte Konzepte hat, um diese Dinge naturalistisch zu erklären..


Das wiederum ist für mich kein Beweis. Man hat in der Vergangenheit die abstrusesten "wissenschaftlichen" Erklärungen gefunden, die heute nachweislich falsch sind. Die (Natur-)wissenschaft ist für mich kein Gesetzbuch - oder gar eine Bibel. ;)

Wenn ich also sage, dass ich "einen höheren Sinn" in gewissen Situationen empfinde (und Jan gebraucht den Ausdruck "nicht sinn-los"), wenn ich Lebewesen für "beseelt" halte - so hat dies mit meinem Glauben, der keinen Namen hat, zu tun. Wenn du im nächsten Schritt sagst: Ich glaube aber auch nicht daran, dass es eine "Seele" gibt, dann kann ich dir leider nicht besser erklären, wie ich Gott (oder lieber "einen höheren Sinn") erlebt habe. Das ist dann für mich wie ein Gesellschaftsspiel, in dem man einen Begriff nur unter Auslassung anderer Begriffe erklären darf. ;)

Und noch eine Nachbemerkung zur Philosophie: Da muss ich leider passen - nicht meine Welt. Ich habe auf dieses Thema nur geantwortet, weil es im Forum "Diskussion" und nicht im Forum "Philosophie" stattfindet. Ich hatte Philosophie in der Schule und zwangsweise an der Uni - und habe dazu keinen Draht, sorry.

Maurice
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Fr 2. Sep 2005, 12:51 - Beitrag #27

Du musst ja auch nicht auf meine philosophische Randbemerkung eingehen, ich hoffe aber trotzdem, dass ich mich dir verständlich ausdrücken konnte. :)

@Naturwissenschaften: Habe ich irgendwo etwas von Beweisen gesagt? Ich habe von Konzepten gesprochen, die eine Antwort auf bestimmte Fragen geben. Ob diese Theorien weiß ich nicht, aber da sie sparsamer sind, als religöse Erklärungen, ziehe ich diese vor.

@Seele: Wie kann man denn einen "höheren Sinn" oder die "Seele" empfinden? Wann sagt mir mein Gefühl z.B. welches Lebewesen eine Seele hat? Was sind die Kriterien?

Windsbraut
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Fr 2. Sep 2005, 14:27 - Beitrag #28

Maurice:
Wie kann man denn einen "höheren Sinn" oder die "Seele" empfinden? Wann sagt mir mein Gefühl z.B. welches Lebewesen eine Seele hat? Was sind die Kriterien?


Wenn man gläubig ist - und ich fühle mich momentan etwas als Advocatus Diaboli, weil ich nicht besonders religiös bin - dann hat man vielleicht einfach einen anderen Zugang zu manchen Dingen. Das wird an der Erziehung liegen, an den eigenen Lebenserfahrungen usw. Wie ich schon schrieb: Für einen gläubigen Menschen offenbart sich "Gott" in Situationen, die von einem ungläubigen vielleicht gar nicht oder einfach nur als schön wahrgenommen/empfunden werden.

Genau so wird es sich damit verhalten, was man als "beseelt" empfindet. Wer die Existenz von "Seele" abstreitet, wird sie folglich auch nicht finden, weil er sie nicht sucht.

Du fragst nach Kriterien für Empfindungen. Das halte ich für in sich schwierig. Empfindet man nach Kriterien? Wenn ich sage, ich fühle mich jemandem auf seelischer Ebene verbunden, dann ist das etwas, dass sich nur sehr unzureichend damit erklären lässt, dass man die gleichen Ansichten teilt oder die gleichen Moralvorstellungen.

Vielleicht ist es auch eine Frage, ob man sich auf so etwas überhaupt einlassen will oder gar kann. Ob man die Existenz von etwas, das sich nicht erklären lässt, prinzipiell für sich zulässt.

Rosalie
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Fr 2. Sep 2005, 14:37 - Beitrag #29

sorry Maurice, aber ich hatte die letzten Tage sehr viel um die Ohren, deshalb erst die heutige Antwort ;)

Gotterlebnis? Manchmal sind es die kleine Momente im Leben in denen ich spüre: da ist jemand der dich trägt und hält, der alles zum Besten wendet. Dies können beglückende Augenblicke in der Natur, mit lieben Menschen, bei schöner Musik, in einem majestätischen Gotteshaus, .... sein.

Ja, und dann gibt es Situationen (die wohl jeder Mensch erlebt) , die mir aussichtlos und hoffnungslos erscheinen. Durch das Gebet, wendet sich alles zum Besten, bzw. es gab schon Situationen, wo die kühnsten Hoffnungen übertroffen wurden. Sicherlich, dies sind (und für einen Atheisten schon gar nicht) keinerlei Gottesbeweise .... es könnte ja auch alles reiner Zufall sein. Sicherlich. Aber als gläubiger Mensch, sehe ich in meinem Leben immer wieder Momente, die ich als "Spur Gottes" bezeichnen würde.

Zur Frage der Erziehung: ja, ich wuchs in einem christl. Elternhaus auf und dies hat sicher geprägt. Doch wie bei den meisten jungen Menschen, kam auch bei mir eine Phase in denen ich alles in Frage stellte. In dieser Zeit traf ich auf einen Menschen, der mir die Schönheit des Glaubens nahe brachte.

Monostratos
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Fr 2. Sep 2005, 15:59 - Beitrag #30

@Maurice: Weil ich denke, daß ich dieses Gefühl und die Empfindung dieses Friedens nicht aus mir heraus erreichen kann. Aber natürlich ist's auch möglich, daß ich mich hier irre, und ich selbst es doch bin... Andererseits gibt's auch Momente, in denen ich weiss, dass ich nur mich selbst fühle.

sony
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Sa 3. Sep 2005, 08:46 - Beitrag #31

aso, ich hab in dem sinne gott erlebt, dass er meinen verlorenen schlüsselbund wieder zu mir gebracht hat. musste 3 volle wochen auf ihn hoffen, jetzt alle schlüssel wieder bei mir!!! :) für mich ein geschenk, (war auch ein firmenschlüssen dabei).



thx god

Lykurg
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Sa 3. Sep 2005, 11:11 - Beitrag #32

@Rosalie
Ja, und dann gibt es Situationen (die wohl jeder Mensch erlebt) , die mir aussichtlos und hoffnungslos erscheinen. Durch das Gebet, wendet sich alles zum Besten, bzw. es gab schon Situationen, wo die kühnsten Hoffnungen übertroffen wurden. Sicherlich, dies sind (und für einen Atheisten schon gar nicht) keinerlei Gottesbeweise .... es könnte ja auch alles reiner Zufall sein. Sicherlich. Aber als gläubiger Mensch, sehe ich in meinem Leben immer wieder Momente, die ich als "Spur Gottes" bezeichnen würde.
Ich habe das auch wenigstens einmal sehr stark erlebt - eine Situation, in der ich von Angst erfüllt war und sich nach meinem Gebet alles zum Guten gewendet hat. Ein Gottesbeweis muß es nicht sein - das Gebet hat mir Kraft gegeben, gefestigt genug aufzutreten, um mein Problem zu lösen. Ich bin sehr dankbar dafür.

@saint-just
Erfahrungen mit Gott sind so individuell wie es der Glauben, das Kostüm von Werten und Normen eines jeden Individuums sind. Ich selbst indes vertrete die Ansicht, daß - da die Existenz eines höheren Wesens unerkennbar, respektive weder beweisbar noch widerlegbar ist - es auch vollkommen irrelevant erscheint, sich damit zu beschäftigen.
Nein, da bin ich doch deutlich anderer Meinung. Ob es Gott gibt, weiß ich nicht. Ich kann mir aber gut einen Gott vorstellen, der keinen Wert darauf legt, daß wir von seiner Existenz überzeugt sein müssen. Die Beschäftigung mit dem Glauben ist mir - gerade deswegen - wichtig. Es ist eben eines der - oder das große - Rätsel, die uns immer geblieben sind und bleiben werden.

Maglor
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Di 6. Sep 2005, 14:46 - Beitrag #33

[quote="Padreic"]Es gab Zeiten von religiöser Verzückung im Gebet]
Tatsächlich kann in bestimmten, momenten höchster emotionaler Aufgewühltheit, ein derartiges Gefühl entstehen. Mir selbst ging es so auf der Beerdigung meiner Oma, wie auf einmal alle im Chor unter Tränen die alten Lieder von der "Heimkehr aus dem Elend", hatte ich für einen Moment den Eindruck, es gäbe jene höhere Wahrheit.

MfG Maglor

Sai
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Mi 7. Sep 2005, 18:30 - Beitrag #34

hm, vllt gebe ich als Christ und nebenbei auch als Mitleser in einigen dieser Foren mal ein Statement ab.

Für mich ist Glaube zur Gewissheit, wenn nicht sogar zum Wissen geworden. Ich bin von meinen Eltern an Gott herangeführt worden, 18 Jahre genossene Erziehung stellen da natürlich eine Basis dar. Trotzdem setzte ich mich mittlerweile natürlich auch kritisch mit dem Glauben auseinander.
Ich drücke es mal krass aus: Der Glaube an Gott ist das einzige Fundament, was bestehen bleibt. Glauben tut im Prinzip jeder: Ob an eine "normale" Religion, mono- oder polytheistisch, den Humanismus, die Selbstverwirklichung der Identität oder die Evolution, an die Freundschaft oder Erfüllung durch Beziehungen, Reichtum, Wertschätzung durch Menschen.
All diese Dinge können ein Leben ausfüllen. Und wenn man ehrlich ist, füllt man sein Leben auch mit diesen oder vergleichbaren Dingen. Nach irgendetwas strebt und orientiert sich jeder.

Gott ist die Sicherheit, die unumstößlich ist. Nach dem 11. September ging eine Schockwelle durch die Welt weil die Sicherheit der ach so schönen Wohlstandsgesellschaft plötzlich als Illusion enttarnt wurde. Da ist kurzzeitig ein Vorhang gefallen, mittlerweile haben sich ja alle wieder eingelebt. Aber die Frage nach Gott kommt immer dann wieder hoch, wenn alle anderen Stricke reißen. Wenn plötzlich die eigene Existenz bedroht ist (siehe New Orleans).
Solange man sich in existenzieller Sicherheit bewegt ("Sozialstaat"), alles in Ordnung ist und man seinen persönlichen idealistischen und humanistischen Vorstellungen frönen kann, ist Gott natürlich nicht relevant.
Und doch spürt es jeder - die eigentliche Leere, die sich irgendwie nicht befriedigen lässt. Diese Sehnsucht nach mehr - irgendwie mehr!

Gott ist die Sicherheit, wie schon erwähnt. Für mich heißt das Geborgenheit, wenn ich von den Menschen um mich herum verlassen worden bin; Versorgung durch Gott, auch wenn ich alles Materielle um mich herum verliere; Liebe, auch wenn sonst keiner auf mein Leben wahrnimmt; Trost und Sicherheit bei Ängsten die die Zukunft betreffen - Sicherheit bis in den Tod. Ich habe tatsächliche keine Angst vor dem Tod und was danach kommt. Höchstens vor dem Sterben an sich.
Gott gleicht meine Schwächen aus. Wärme, wenn ich die menschliche Kälte erfahren musste...usw. Gottes Liebe und Gegenwart gibt mir Zuversicht, weil Gott immer größer sein wird als jeder Mensch, jede noch so schlimme Situation. Mit ihm im Rücken muss ich nichts fürchten!

Wie erfahre ich Gott? Durch sein Wort (Bibel), was Anderes könnte deutlicher sein als ein direktes Wort, gesprochen direkt in das Herz eines Menschen? Ich lese einen Vers, ein Versprechen Gottes oder eine Geschichte und es gibt diesen Zahnrad-Einraste-Effekt. Es macht Klick und Dinge werden mir klar. Oder Momente, wo mir ganz plötzlich die Tränen in die Augen steigen, weil ich Gottes Liebe und Wohlwollen ganz klar in meinem Leben erkenne. Oder ich bekomme beim Lesen eine Gänsehaut weil mir bewusst wird, an welcher Stelle in meinem Leben ich nicht richtig lebe und ich vllt zum ersten Mal verstehe, wie Gott sich das gedacht hat.
Aber auch durch Menschen spricht Gott zu mir. Ganz einfache konstruktive Kritik von einem guten Freund oder von meinem Vater, von dem Pastor auf der Kanzel usw. kann Gottes Weg sein, zu mir zu reden.
Genauso Träume, Gefühle oder eine "innere Ampelphase" als Warn- oder Freifahrteffekt können von Gott sein. Bei diesen Sachen gilt allerdings für mich persönlich: Nur was den Aussagen der Bibel nicht widerspricht, kann Gottes Wille/Wort/(Weg-)Weisung sein.

Zitat von Maurice:@User mit "Gotterlebnissen": Wer von euch, der meint so ein Erlebnis schon gehabt zu haben, hatte eine christliche (oder anders religöse) Erziehung (/Sozialisation)?


Ja, die hatte ich. Bin jetzt 18 und solange natürlich auch geprägt worden.

Zitat von Maurice:Und meint ihr, dass jeder die Erfahrung die ihr gemacht habt als göttlich interpretieren würde, oder ob die Erziehung (/Soz.) für das Urteil ausschlaggebend ist?
Und könnte es auch sein, dass Atheisten auch göttliche Erlebnisse haben und sie nur falsch deuten?


Klar bin ich in der Erkennung von Gott in meinem Leben, meiner Umwelt, sensibilisierter als Menschen ohne "christliche Wert- und Wahrnehmungserziehung". Wenn ich in den Urlaub fahre und die unglaubliche Faszination der Natur erlebe oder mitkriege, wie Freunde ein Baby bekommen, dann führe ich das immer auf Gott, den Schöpfer des Unsiversums, zurück, den Gott der Liebe, den ich im Alltag auf diese Weise auch ganz simpel erfahren kann, ohne großes "Emotionsfestival".
Aber das bedeutet nicht, das Christen, die sich erst kürzlich bekehrt haben, nicht auch Gott erleben und erkennen. Gott wirkt auch manchmal sehr emotional, gerade wenn man Dinge in seinem Leben erkennt, die bisher nicht so optimal gelaufen sind; besonders auch z.B. schlimme Erfahrungen in der Kindheit. Man lernt für das Leben dankbar zu sein, auch in negativen Entwicklungen und besonders da den Fokus auf Gott zu behalten, zu vertrauen auf seine Allmacht und -wissenheit. Unser Verstand ist eben begrenzt, das beweißt doch schon die (Natur-)Wissenschaft.

Und ich stimme auch der Aussage zu, dass auch Atheisten Gott in ihrem Leben erfahren, es nur nicht so deuten. Das muss nichts hochtrabendes sein, "Glück" beim Kauf eines günstigen Hauses in einer sehr überteuerten Wohngegend, sogar die Freude am Sex ist Gottes Werk ;)

Alles in allem kann ich nur sagen: Wer sucht, der wird finden; wer anklopft, dem wird aufgetan. Das gilt auch im Umkehrschluss.

Amen ;)

Maurice
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Mi 7. Sep 2005, 19:29 - Beitrag #35

Was mir bisher auffällt ist, dass die beschriebenen Gefühle, die mit Gott in Verbindung gebracht werden, nicht notwendig durch ihn erklärt werden müssten. Um es krass auszudrücken: Zur Erklärung dieser Phänomene ist Gott redundant.

@Sai:
Der Glaube an Gott ist das einzige Fundament, was bestehen bleibt.

Das erinnert mich spontan an Descartes... Wie kommst du zu der Meinung, dass Gott als einziges Fundament bleibt. Was ist sind die Gedanken hinter dieser Behauptung?

Glauben tut im Prinzip jeder: Ob an eine "normale" Religion, mono- oder polytheistisch, den Humanismus, die Selbstverwirklichung der Identität oder die Evolution, an die Freundschaft oder Erfüllung durch Beziehungen, Reichtum, Wertschätzung durch Menschen.

Es wurde im Forum schon mehrmals betont und ich tue es gerne nochmal, dass es einen kategorialen Unterschied zwischen religösen und sonstigen Glauben gibt. Ich halte es für falsch, beide Arten von "glauben" in einen Topf zu stecken.

Und doch spürt es jeder - die eigentliche Leere, die sich irgendwie nicht befriedigen lässt. Diese Sehnsucht nach mehr - irgendwie mehr!

Von der Tatsache, dass man eine Leere spürt darauf zu schließen, dass es etwas geben muss, dass diese Leere ausfüllt ist kein sicherer Schluss. Das ist ein "Wasser-in-der-Wüste"-Argument, also wie wenn ich in der Wüste am verdursten bin und deshalb meine, es müsse doch eine Oase geben, die meinen Durst stillt.
Außerdem hat wohl nicht jeder diese Art von Sehnsucht nach mehr und zum anderen kann man dies auch mit der Evolutionstheorie erklären, wofür man keinen Gott braucht.

Genauso Träume, Gefühle oder eine "innere Ampelphase" als Warn- oder Freifahrteffekt können von Gott sein.

Auch diese Phänomene lassen sich naturalistisch erklären. Und woher sollte man wissen, welche Gefühle nun von Gott sind und welche nicht? Evidenz ist kein sicheres Wahrheitskriterium.

Ich habe tatsächliche keine Angst vor dem Tod und was danach kommt. Höchstens vor dem Sterben an sich.

Das trifft auch auf mich zu als Atheist. Ich halte es da wie Epikur, der sagt: "solange wir sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr." Warum sich also davor fürchten?

Wie erfahre ich Gott? Durch sein Wort (Bibel), was Anderes könnte deutlicher sein als ein direktes Wort, gesprochen direkt in das Herz eines Menschen?

Woher hast du die Gewissheit, dass in der Bibel wirklich die Worte Gottes stehen und nicht z.B. im Koran? Vielleicht steht auch in keinem Buch Gottes Worte, denn woher soll man wissen, dass er (wenn er existiert) sich so den Menschen offenbart hat?

Sai
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Mi 7. Sep 2005, 22:58 - Beitrag #36

Das erinnert mich spontan an Descartes... Wie kommst du zu der Meinung, dass Gott als einziges Fundament bleibt. Was ist sind die Gedanken hinter dieser Behauptung?

Selbst wenn ein Mensch nackt in der Welt steht, alles materielle verloren hat und selbst seine Familie und Freunde ihn verleugnen, steht Gott zu diesem Menschen. Er ist der letzte, der bestehen bleibt und daher die einzige Antwort. Es gibt genug Lebensbeispiele, ich persönlich kenne auch ein Mädchen (18 J.), die ihren größten Trost in Gott gefunden haben, als sie z.B. ihren Bruder bei einem Unfall verloren hat. Gott ist derjenige, der mich nie verlässt. Ich kann nicht tiefer fallen als in seine Hand.

Es wurde im Forum schon mehrmals betont und ich tue es gerne nochmal, dass es einen kategorialen Unterschied zwischen religösen und sonstigen Glauben gibt. Ich halte es für falsch, beide Arten von "glauben" in einen Topf zu stecken.

Davon bin ich nicht überzeugt. Jeder versucht seinem Leben einen Sinn zu geben, versucht es zu verstehen und mit etwas zu füllen. Der eine tut dies mit Religion, bzw. dem Glauben an Gott, der andere versucht es durch materielle Dinge oder durch Esoterik, (s.o.). Das ist eine Gemeinsamkeit, die du kaum abstreiten wirst.
Von der Tatsache, dass man eine Leere spürt darauf zu schließen, dass es etwas geben muss, dass diese Leere ausfüllt ist kein sicherer Schluss. Das ist ein "Wasser-in-der-Wüste"-Argument, also wie wenn ich in der Wüste am verdursten bin und deshalb meine, es müsse doch eine Oase geben, die meinen Durst stillt.

soviel dazu: Ein moderner Mensch verirrte sich in einer Wüste. Tage- und nächtelang irrte er umher. Die unbarmherzige Sonnenglut dörrte ihn aus. Er bekam Fieber. Wenn er erschöpft ein paar Stunden schlief, träumte er von Wasser, Datteln und Orangen. Dann erwachte er ermattet und taumelte weiter.

Da sah er in einiger Entfernung eine Oase. Aha, eine Fata Morgana, eine Luftspiegelung, die mich narrt, so dachte er. Er näherte sich der Oase, doch sie verschwand nicht. Im Gegenteil: sie erschien ihm immer deutlicher vor Augen. Er sah die Dattelpalmen, das Gras und die Felsen, zwischen denen eine Quelle entsprang.
Natürlich wird das eine Hungerphantasie sein, die mir mein Gehirn vorgaukelt, dachte der moderne Mensch. So etwas kann in meinem Zustand vorkommen. Jetzt höre ich sogar das Wasser sprudeln. Also auch noch eine Gehirnhalluzination! Wie grausam doch die Natur ist! Mit diesem verzweifelten Gedanken brach er zusammen.
Einen Tag später fanden ihn zwei Beduinen - er war tot. "Kannst Du so etwas verstehen?", sagte der eine zum anderen: "Die Datteln wachsen ihm beinahe in den Mund! Er hätte nur die Hand auszustrecken brauchen." "Kaum zu glauben! Und dicht neben der Quelle liegt er, mitten in der schönen Oase verhungert und verdurstet. Wie ist das nur möglich?" "Er war wohl ein moderner Mensch. Er traute seinen Augen nicht; er glaubte nicht einmal an seine 5 Sinne. Er hat sich zu Tode gezweifelt."


Auch diese Phänomene lassen sich naturalistisch erklären. Und woher sollte man wissen, welche Gefühle nun von Gott sind und welche nicht? Evidenz ist kein sicheres Wahrheitskriterium.

Aber die Bibel ist eines. Jedenfalls nach dem christlichen Glauben, da sie dessen Fundament ist. Erwägst du, deine Gefühle seinen bewirkt durch Gott, oder Gott wolle dir etwas sagen, musst du eben prüfen, ob diese mit den Grundaussagen der Bibel übereinstimmen. Widersprechen sie diesen, kannst du sicher sein, dass sie deiner eigenen Natuer entstammen. Dazu ist Bibelkenntnis notwendig, zur Not suchst du Rat bei kompetenteren Personen (Jugendpastor o.ä.)

Das trifft auch auf mich zu als Atheist. Ich halte es da wie Epikur, der sagt: "solange wir sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr." Warum sich also davor fürchten?

Das ist mal eine nette Formulierung ;) Als Christ würde ich eher sagen: "Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn".

Woher hast du die Gewissheit, dass in der Bibel wirklich die Worte Gottes stehen und nicht z.B. im Koran? Vielleicht steht auch in keinem Buch Gottes Worte, denn woher soll man wissen, dass er (wenn er existiert) sich so den Menschen offenbart hat?

Mein eigenes Leben, das Leben meiner Familienmitglieder und viele Lebensgeschichten, die ich entweder aus Biographien oder aus zweiter Hand kenne, beweisen es. Menschen, die durch die härtesten Drogenszenen geschlingert sind, durch Jesus von einem zum anderen Tag geheilt wurden, nach vielen Prozessen der persönlichen "Läuterung" und Heilung nun ehrlich und gesellschaftsfähig eine Familie ernähren und zudem eine Arbeit unter Drogensüchtigen leiten.
Natürlich kann man die Bibel von außen immer nur als Glaubenssache bezeichen. Für mich ist es zur Gewissheit und zum Wissen geworden. Was ich in den Menschen um mich herum an göttlichem Wirken sehe, die sich bewusst Gott zugewendet und gesagt haben "Ja, ich will dir, Jesus, begegnen und mich von dir verändern lassen" ist mir Beweis genug. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Maurice
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Mi 7. Sep 2005, 23:33 - Beitrag #37

Endlich einer hier, der mir richtig Paroli bietet. Ist richtig interessant im Moment! :)

Selbst wenn ein Mensch nackt in der Welt steht, alles materielle verloren hat und selbst seine Familie und Freunde ihn verleugnen, steht Gott zu diesem Menschen. Er ist der letzte, der bestehen bleibt und daher die einzige Antwort. Es gibt genug Lebensbeispiele, ich persönlich kenne auch ein Mädchen (18 J.), die ihren größten Trost in Gott gefunden haben, als sie z.B. ihren Bruder bei einem Unfall verloren hat. Gott ist derjenige, der mich nie verlässt. Ich kann nicht tiefer fallen als in seine Hand.

Schön und gut, aber du hast mir immer noch nicht die Frage beantwortet, wie du zu der Meinung gekommen bist, dass das einzige Fundament sei.
Ich weiß ja nicht, ob du Descartes und seine Zweifel in seinen Meditationen kennst, aber eine Argumentation in dieser Art würde ich mir als Begründung wünschen.

@Glauben: Ich stimme dir in dem Punkt zu, dass es Parallelen gibt, aber du vergisst, dass es auch deutliche Unterschiede gibt. Der religöse Glauben und der Glaube in eine wissenschaftliche Theorie unterscheiden sich allein schon wegen der Methodik grundlegend voneinander.

@Wüste: Wo hast du die Story her?
Die Story ist zwar nett, löst aber nicht das Problem. Wenn ich dir ein anderes Beispiel für die Unzulänglichkeit dieser Argumenation gebe, kommst du dann wieder mit einer Story, wo der Schluss ausnahmsweise stimmt?
Statt der Wüste könnte man auch von einem Schiffsbrüchigen sprechen, der unbedingt eine rettende Insel herbei wünscht. Ob es nun eine für ihn rettende Insel gibt, steht in keiner Beziehung mit dem Wunsch nach dieser. Ich hoffe das leuchtet dir ein.

Mein eigenes Leben, das Leben meiner Familienmitglieder und viele Lebensgeschichten, die ich entweder aus Biographien oder aus zweiter Hand kenne, beweisen es. Menschen, die durch die härtesten Drogenszenen geschlingert sind, durch Jesus von einem zum anderen Tag geheilt wurden, nach vielen Prozessen der persönlichen "Läuterung" und Heilung nun ehrlich und gesellschaftsfähig eine Familie ernähren und zudem eine Arbeit unter Drogensüchtigen leiten.

Aber gibt es nicht auch genug Menschen, die solche Probleme gelöst haben und nicht an Gott glauben? Und hätten diese Menschen es nicht geschafft, wenn sie statt an den christlichen Gott an einen anderen Gott geglaubt hätten? Wenn ja, dann ist dein Schluss wiederum unsicher und fällt für mich Ockhams Rasiermesser zum Opfer.

Maglor
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Fr 9. Sep 2005, 14:20 - Beitrag #38

Zitat von Maurice:Aber gibt es nicht auch genug Menschen, die solche Probleme gelöst haben und nicht an Gott glauben? Und hätten diese Menschen es nicht geschafft, wenn sie statt an den christlichen Gott an einen anderen Gott geglaubt hätten? Wenn ja, dann ist dein Schluss wiederum unsicher und fällt für mich Ockhams Rasiermesser zum Opfer.

Nun Maurice, ein einfacher Blick in die Bibel genügt, um den vermeintlichen Widerspruch zu lösen.
Es ist die Gnade des Herrn, die den einzelnen zum Glauben.
[quote="Apostel Paulus"]So geht es auch jetzt zu dieser Zeit, daß einige übriggeblieben sind nach der Wahl der Gnade. Ist's aber aus Gnade, so ist's nicht aus Verdienst der Werke]
Offensichtlich meint Paulus, es gäbe hier ein nicht determinierten Element, nämlich die Gnade Gottes. Nun bleibt daher den Ungläubigen nichts anderes übrig als ihr Heidentum, wenn der allmächtigen ihnen selbst Augen und Ohren verschloßen hat.

Es waren einmal zwei Forschungsreisende die eine Lichtung im Urwald fanden. In der Lichtung wuchsen herrliche Blumen und viel Unkraut. Ein Forscher sagte: »Irgendein Gärtner muß dieses Grundstück bebauen.« Der andere dagegen meinte: »Es gibt keinen Gärtner.« Also schlugen sie ihre Zelte auf und stellten eine Wache. Kein Gärtner wurde je gesehen. »Aber vielleicht ist er ein unsichtbarer Gärtner.« Also errichteten sie einen Stacheldrahtzaun. Sie elektrisierten ihn. Sie patrouillierten mit Bluthunden. (Denn sie erinnerten sich daran, wie der Unsichtbare von H. G. Wells gerochen und angefaßt werden konnte, obwohl er nicht zu sehen war). Aber keine Schreie deuteten je darauf hin, daß irgendein Eindringling einen Schlag bekommen hätte. Keine Bewegung des Stacheldrahts verriet einen unsichtbaren Kletterer. Die Bluthunde bellten nie. Und doch war der eine Forscher nicht überzeugt. »Es gibt aber einen Gärtner, unsichtbar und unempfindlich gegen elektrische Schläge, einen Gärtner, der heimlich kommt, um sich um den Garten zu kümmern, den er, liebt.« Zum Schluß meinte der Skeptiker verzweifelt: »Aber was bleibt von Ihrer ursprünglichen Behauptung? Wie unterscheidet sich ein unsichtbarer' unkörperlicher, ewig ausweichender Gärtner von einem nur in der Vorstellung existierenden Gärtner oder von einem, der gar nicht existiert?«

Sind da nicht zwei Menschen, die selben Dinge vor Augen haben, aber nicht das selbe erkennen? Zwei grundverschiedene Deutungen, basierend auf dem gleichen Eindruck der Welt.

MfG Maglor :crazy:

Maurice
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Sa 10. Sep 2005, 14:35 - Beitrag #39

Zwei grundverschiedene Deutungen, basierend auf dem gleichen Eindruck der Welt.

Was wiederum ein Argument für den Skeptizismus ist. ^^
Nun stellt sich bei deinem Beispiel natürlich die Frage, welche Sichtweise zu bevorzugen ist. Methodisch für mich eindeutig die Sicht des Skeptikers, weil der Befürworter der Gärtner-These keinen guten Grund hat den Gärtner anzunehmen und daher die sparsamere Weltsicht zu bevorzugen ist.

Maglor
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So 11. Sep 2005, 00:02 - Beitrag #40

Nun ja, ich finde die Parabel zeigt vor allem die möglichen Endlosigkeit einer solchen Debatte. Im Grunde kann man jenen, der unbedingt enen Gärtner sehen möchte, nicht überzeugen, sobald dieser zum Deismus neigt.

MfG Maglor

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