Hochrechnungen / Endergebnis

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Feuerkopf
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Mo 19. Sep 2005, 15:35 - Beitrag #41

Noch mal Neuwahlen? Wir wählen so lange, bis das Wahlvolk es "richtig" macht, oder was?!
Die Herren- und Damenschaften in Berlin haben vom Souverän eine Vorgabe bekommen und sollen sich gefälligst zusammen hinsetzen und eine Regierung bilden.
Die Differenzen zwischen den Parteien sind doch gar nicht soo riesig.

Himmel, ich weiß schon, warum ich mir diese bekloppten "Elefantenrunden" seit Jahren nicht mehr angucke.;)

Lykurg
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Mo 19. Sep 2005, 15:40 - Beitrag #42

@Feuerkopf, den Spielraum für Neuwahlen sehe ich auch nicht, oder sehe es höchstens als allerletztes Mittel. Denn natürlich bedeutet das eine Verärgerung des Wählers. Andererseits könnte man argumentieren, daß der Wählerwille in dieser Wahl eben nicht klar zum Ausdruck gekommen ist, und daß eine weitere Wahl wenigstens dem Schrecken ein Ende setzen würde, was eventuell besser ist, als sich vier Jahre mit einer instabilen und möglicherweise nicht produktiven Regierung abzuquälen.

@AJ, ich verstehe wirklich nicht, wie du (auch als überzeugtester SPD-Anhänger) mit diesem Ergebnis zufrieden sein kannst. 'Wir haben aufgeholt' kann doch nicht alles sein! Dieses Wahlergebnis zeigt sehr deutlich, daß ein großer Teil der Wähler stark verunsichtert ist und nicht weiß, wem er noch trauen soll. Außerdem hat selbst der massive Wahlkampfeinsatz der letzten Monate und das wirklich große öffentliche Interesse eine miserable Wahlbeteiligung und erhebliche Verluste in fast allen Lagern gebracht. Die Wahl hat keine Sieger. Die FDP, deren erstaunliches Ergebnis mich sehr freut, ist von ihrem Partner gewissermaßen im Stich gelassen. Daß die Grünen ihr Ergebnis fast halten konnten, ist ebenfalls ein Erfolg, hilft ihnen aber wohl wenig. Die Partei, die die meisten Stimmen dazugewonnen hat, hat von Anfang an deutlich gemacht, daß es ihr nicht an einer Regierungsbeteiligung liegt. Insofern ist das Ergebnis desaströs für die Bundesrepublik. Selbst ein klarer SPD-Sieg wäre mir möglicherweise lieber gewesen. Jedenfalls hätte er uns diese Schrödersche Entgleisung und - wenn es zum Schlimmsten kommt - eine PDS-tolerierte Regierung erspart (das wäre nun wirklich ein Versagen der Demokratie und nebenbei ein Treppenwitz der Geschichte).

Es ist mal wieder merkwürdig, wie unterschiedlich Frau Merkels Auftritte beurteilt werden. Ich fand - wie Maurice - ihre ersten Wortmeldungen nach Bekanntgabe der Ergebnisse gefasst und absolut angemessen. Stoibers Siegerlaune entsprach eher dem, was Schröder und Müntefering da abzogen, aber das ist vielleicht bei allen dreien schon wieder Dresdner Wahlkampf. -

Ich möchte doch gerne mal wissen, AJ, woher du das mit der "größten Partei" nimmst - nach dem, was ich bisher hörte, geht es um die "größte Fraktion", und da ist der Fall doch klar. Ich verweise hier auf meine Ausführungen von vorhin zur "Fraktionsgemeinschaft".

Und wenn Schröder sich mit den Stimmen der Linkspartei wählen läßt, dann haben wir ja eben die von mir befürchtete Versprechensbruchsituation.

Padreic
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Mo 19. Sep 2005, 15:53 - Beitrag #43

Nunja, man muss konstatieren, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Bruch einer festen Ankündigung oder Schwampel. Wenn die Schwampel nicht klappt, gibt es dann nur die genannte Möglichkeit oder eben Neuwahlen.

AJ
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Mo 19. Sep 2005, 15:55 - Beitrag #44

Doch genau diese Argumentation trifft hier zu. Ich hatte dieses Horrorszenario von Schwarz-Gelb, aber jetzt bin ich zufriedne mit dem Ausgang, weil ich hoffe, dass Gerhard Schröder weiterhin Kanzler bleiben kann.

Ich möchte doch gerne mal wissen, AJ, woher du das mit der "größten Partei" nimmst - nach dem, was ich bisher hörte, geht es um die "größte Fraktion", und da ist der Fall doch klar. Ich verweise hier auf meine Ausführungen von vorhin zur "Fraktionsgemeinschaft".


Das ist doch gar nicht festgelegt, es kann diejenige Partei den Kanzler stellen, die in der Lage dazu ist. Ob größte Fraktion oder Partei ist doch ungeklärt, oder kannst du mir beweisen, dass es sich um die größte Fraktion handelt?


Und wenn Schröder sich mit den Stimmen der Linkspartei wählen läßt, dann haben wir ja eben die von mir befürchtete Versprechensbruchsituation.


Das ist eine geheime Wahl und die Stimmen könnten auch von der CDU, CSU oder FDP kommen. Wobei es mich nicht wundern würde wenn einige aus der CDU oder der CSU gegen eine Kanzlerin Merkel wären.

Bowu
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Mo 19. Sep 2005, 15:56 - Beitrag #45

@ Lykurg

Wie du sicher mitbekommen hast, handelt es sich bei der Linkspartei eben nicht um eine Fraktion, sondern um eine Partei. Alle WASG Kandidaten traten auf der offenen Liste der Linkspartei an. Die CSU dagegen ist eine eigenständige Partei im Vergleich zur CDU, und ja diese bilden eine gemeinsame Fraktion.

Ob die stärkste Fraktion, oder die stärkste Partei den Kanzler stellt, und das Gewohnheitsrecht in Anspruch nehmen darf, liegt doch gänzlich auf der Interpretationsebene - es ist nirgendwo festgelegt, also politischer Spielraum.

Ich halte es übrigens für nicht sicher, dass die Linskpartei Schröder einfach so die Kanzlerschaft sichert, aber für Schröder ist es wohl allemal ein Druckmittel, das die Mehrheit des Bundestages tendenziell auf seiner Seite steht. Denn weniger als Schröder will die Linkspartei Frau Merkel oder die Union in der Regierung.

Die SPD kann feiern, das bürgerliche Lager ist in der Minderheit - Die Union kann nur feiern, wenn sie die Linkspartei ignorieren, und feststellen das schwarz gelb mehr als rot grün hat.

Bowu
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Mo 19. Sep 2005, 16:05 - Beitrag #46

Und noch etwas, zum Thema: Stillstand durch linken Wind...

Keine der Parteien will Stillstand, ok die SPD/Grünen will die jetzigen Reformschritter ersteinmal überarbeiten, also Detailprobleme ausbessern, bevor die nächsten Schritte der Agenda 2010 kommen. Aber ist dies Stillstand, wenn man eine Reform korrigiert?

Das die CDU und FDP die Reformen beschleunigen wollen ist ja allen klar.

Die Linkspartei dagegen will alles andere als Stillstand, sie sieht den jetzigen Zustand der Umverteilungsysteme als dürtig an, und will eine scharfe Kehre zurück zu mehr Sozialstaat.


Man sieht, dass die einizge gegen Reformen gewandte Kraft die Linkspartei ist - ich glaube Maurice, dass du die Linkspartei überschätzt, wenn du meinst, dass sie mit ihren 8,x% die andern Parteien auch nur "halten" könnte.

Lykurg
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Mo 19. Sep 2005, 16:33 - Beitrag #47

@Bowu, AJ: Ach, das ist einfach nur Gewohnheitsrecht - und ich such mich verrückt in den Gesetzestexten...
Dann ist doch die ganze Debatte darum unsinnig! Egal ob Partei oder Fraktion, es ist eine Machtfrage, und hier geht es um Verhandlungen. Schröder hat ein Mittel mehr, nämlich die Option, mit den Schmuddelkindern zu spielen. Daß es das wäre, darüber kannst du auch mit dem "geheime Wahl" nicht hinwegtäuschen, AJ. Wenn es hart auf hart kommt, wird Schröder wohl kaum 27 Stimmen aus dem bürgerlichen Lager bekommen. (Merkel fehlen zur Zeit 13 Stimmen. Vergiß nicht die Frauenrechtlerinnen bei SPD, Grünen und Links ;) )

@Bowu (8,x%): Das kann Maurice sicher besser beantworten, aber schon mal als Vorschuß von mir: Die Linkspartei hat diese verzwickte Lage geschaffen. Ohne sie hätten wir jetzt eine stabile Mehrheit in einem der beiden Lager - das ist ganz einfach der Unterschied zwischen zwei und drei Lagern... Sie sind stärker als die Grünen geworden, das sollte man weder über- noch unterschätzen. ;)

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Mo 19. Sep 2005, 16:37 - Beitrag #48

nun ja, Schröder braucht doch gar keine Wahl.
Er ist Bundeskanzler.
Er bleibt es auch, solange kein Anderer gewählt wird.
So braucht er nur abzuwarten, wie die anderen sich lächerlich machen, indem sie sich zur Wahl stellen wollen und dann verlieren.
Deshalb wollte er ja unbedingt als Bundeskanzler ín den Wahlkampf ziehen, weil er sich dann nicht wählen lassen muss.

Maglor
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Mo 19. Sep 2005, 16:52 - Beitrag #49

Nun, laut Verfassung endet die Amtszeit des Bundeskanzlers, sobald ein neu gewählter Bundestag zusammengekommen ist. Sprich jeder neue Bundestag wählt einen Kanzler. Sprich Schröder muss schon wiedergewählt werden, wenn er auch weiterhin Kanzler bleiben.
MfG Maglor

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Mo 19. Sep 2005, 16:53 - Beitrag #50

Zitat von Padreic:Dass hier auch noch behauptet wird, es sei von Frau Merkel dreist, Kanzlerin zu werden, nunja, da fehlen mir langsam die Worte. Die CDU mag gegenüber der CSU eine eigenständige Partei sein (obwohl man sich das so einfach sicherlich nicht machen kann),

Padreic

so einfach steht es in der Programmstatuten, so einfach ist es beim Bundeswahlleiter angemeldet.
So eínfach sind CDU und CSU als legale Pareien angemeldet.
Daraus folgt, dass Frau Merkel erst mit der Koalition mit der CSU 35,2 % der Stimmen auf eine Fraktion, die noch gar nicht besteht anmeldet. Denn diese Fraktion darf erst im Bundestag für die kommende Legislaturpriode gebildet werden. Die alte Fraktion galt für die vorherige Legislaturperiode.
Aus dem Grunde ist ja auch die Behauptung Frau Merkel spräche für die Größte Fraktion nicht korrekt. Denn diese ist ja noch gar nicht gebildet.
Nein Frau Merkel hat mit der zweitgrößten Partei mit 27,8% keinen Anspruch auf das Kazleramt. Da muss sie erstmal die größte Partei ranlassen, und das ist die SPD mit 34,3%.
'Grundgesetz artikel 63
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.

Das heisst, also, dass uns sehr wohl nochmal eine bundestagswahl treffen kann.
Ob das dann für die großen Parteien nützlich wird, die sich nciht einigen können, dürfte wohl zweifelhaft sein.
Da kann es sehr wohl passieren, dass die rechten Parteien, die diesmal auch immerhin über eine Million Stimmen bekamen (NPD 743Tausend und Republikaner 269 Tausend) weiteren Zulauf haben. Ich bezweifele, dass das hier irgendjemand will
http://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahl2005/ergebnisse/bundesergebnisse/

Eh jemand fragt. Quelle: der Bundeswahlleiter

Maglor
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Mo 19. Sep 2005, 17:02 - Beitrag #51

Zitat von LadysSlave:Aus dem Grunde ist ja auch die Behauptung Frau Merkel spräche für die Größte Fraktion nicht korrekt. Denn diese ist ja noch gar nciht gebildet.
Nein Frau Merkel hat mit der zweitgrößten Partei mit 27,8% keinen Anspruch auf das Kazleramt. Da muss sie erstmal die größte Partei ranlassen, und das ist die SPD mit 34,3%.

Die CDU/CSU-Fraktion des 16. deutschen Bundestages ist genauso noch nicht existent wie die SPD-Fraktion des 16. deutschen Bundestages.
Es steht nirgendwo geschrieben, dass die Partei, die die meisten Stimmen erhalten hat, den Bundeskanzler stellen muss. Helmut Schmitt hat da durchaus in der Vergangenheit das Gegenteil völlig legitim praktiziert.
In einer Koalition aus SPD, CDU und CSU (bei den derzeitigen Mehrheiten) wäre die SPD tatsächlich die größere Gruppe. Tatsächlich wären die Mehrheitsverhältnisse einer großen Koalition so, dass die SPD nicht die absolute Mehrheit hat. Bei einem klassischen Mehrheitsbeschluss würde natürlich ein gemeinsamer Kanidat von CDU und CSU den Vorzug erhalten. Tatsächlich würde die SPD den Kanzler stellen, wenn sich die CSU erdreisten würde, selbst einen eigenen Kanidatenwunsch, völlig unabhängig von der CDU, zu entwickeln.
Es bedarf natürlich auf keines Streites um festzustellen, dass CDU und CSU lediglich formal völlig unterschiedliche Parteien sind.

MfG Maglor

janw
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Mo 19. Sep 2005, 17:16 - Beitrag #52

Hm, ich hatte eine nette Begegnung zwischendurch, mit jemand, der Schröders Disperformance live gesehen hat.
Seine Meinung: Voll verständlich, was Schröder da abgezogen hat, denn Adressat waren danach vor allem die Journaille und die Meinungsforscher. Jenen, die ihn seit Monaten ans Ende kommentierten und zu sehen glaubten, konnte er dann und nur dann einmal sagen: Ihr habt Euch geirrt. Ihr habt die CDU am Samstag bei +40% gesehen und uns im Keller, und das Volk sieht es offensichtlich anders.

Eine Position, die etwas für sich hat, wenn ich das Verhalten, so wie ich es leider nicht selbst sehen konnte, auch nicht so gut finde:
Für mich gehört Contenance zum Amt, Erniedrigung des Gegners, und gerade wenn die Frage des Gewinners so unklar ist wie jetzt, ist für mich nicht gutes menschliches Verhalten.
Allerdings ist die Politik für solche Ideale wohl generell der schlechteste Ort, dort geht es per se um persönlichen Einsatz, und im anderen Falle hätte ein Herr Merz wohl für Angie dieselbe Drecksarbeit übernommen.

@CDU/CSU: Ehrlich gesagt bekomme ich auch Magengrummeln bei dieser Parteienallianz. Es tut hier freilich nichts zur Sache, denn prinzipiell hat jede Fraktion das Recht, einen Kanzlerkandidaten zur Wahl zu stellen.
Sie muss nur genügend Stimmen zusammen bekommen, indem sie andere Fraktionen oder einzelne Parlamentarier dafür gewinnt.
Natürlich ist klar, daß dies der größten Einzelfraktion am ehesten gelingen wird, und wenn CDU und CSU hier zusammen stehen, dann sind sie die größte Fraktion derzeit. Allerdings eben nicht groß genug...

@Links und Wahlversprechensbruch:
Bei aller Antipathie gegen den Gysi-Lafontaine-Haufen, heißt Realpolitik nicht auch, mit den sich täglich neu ergebenden Realitäten konstruktiv umzugehen?
Das Wahlvolk als Ganzes hat diese Sitzverteilung erzeugt. Muss es da nicht auch erlaubt sein, die Menschen, die auf diesen Sitzen sitzen, und ihre Ziele darauf abzuprüfen, ob sie eine Regierung mit tragen?
Sie sind nun da, man kommt nicht an ihnen vorbei, und sie sind keine Schwerverbrecher...

Lykurg
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Mo 19. Sep 2005, 17:33 - Beitrag #53

@Contenance und Co.:
Danke für die Erklärung, damit geht es mir etwas wie dir: Nachvollzug des Ausrasters gegen seine Gegner, aber Zweifel, ob das mit seinem Amt vereinbar ist. Allerdings ist es erstaunlich für den Medienkanzler, daß er sich der Wirkung seines Auftritts nicht bewußt war. Aber er wird wohl - wie bisher - auf die baldige Generalamnesie bauen können... :rolleyes:
@Parteienallianz: Ich halte nicht viel von der CSU und ihrem Sonderweg. Aber das sind eben Bayern, die brauchen das ja offenbar so. :evil:
@Realpolitik:
Solange da noch Fragen zur Stasi-Vergangenheit führender Mitglieder offen sind und nicht diskutiert werden dürfen, habe ich doch arge Zweifel an ihrer rechtsstaatlichen Gesinnung. Eine NPD-tolerierte Regierung würde ich ja auch nicht akzeptieren. Und bei ihrer Verweigerungs- bzw. Zurückdrehhaltung bezüglich der Sozialreformen sehe ich auch wenig Spielraum für eine Regierungsfähigkeit.

Maurice
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Mo 19. Sep 2005, 17:48 - Beitrag #54

@linker Wind: Damit meine ich Rot-Rot-Grün. Denn wenn nämlich Schwarz-Gelb ihre neuen wirtschaftsfreundlichen Reformen durchsetzen wollen, dann schlagen die Linken garantiert Alarm, weil sie meinen, dass der Sozialstaat mit einem Schlag abgeschafft werden würde. Die schwarz-gelben Reformpläne werden es in Zukunft noch schwerer haben, als es vorher die rot-grünen hattten.

@CDU+CSU oder Union: Also iirc habe ich bisher von keinen der Fachleute im TV gehört (die Politker (und ganz besonders die der SPD) zähle ich hier nicht mit), dass die SPD die Wahl gewonnen haben. Es ist nämlich so, dass die CDU und die CSU seit nun ca. 50 Jahren im Bundestag als eine Fraktion auftreten und als eine gelten. Und wenn ich mich nicht verhört habe, dann stellt die stärkste Fraktion den Bundeskanzler (wie schon gesagt wurde, kann das auch eine andere machen, wenn die stärkste es nicht auf die Reihe bekommt). Die SPD würde nur dann als stärkste Fraktion gelten, wenn CDU und CSU in einem oder mehreren Bundesländern beide kandidiert hätten, was aber nicht der Fall ist.
Das sind wie gesagt nur die Äußerungen der Fachleute, die ich gehört habe. Aber deren Meinung vertraue ich mehr, solange sie so einstimmig ist, als meiner Intuition oder der eines anderen hier im Forum. Das empfehle ich dem ein oder anderen hier auch. Und ich bin mir sicher, dass am Ende, wenn dies eingefordert werden würde, die zu entscheidende Instanz das auch so sehen wird (denn ich kann mir vorstellen, dass deswegen wieder zum Bundesverfassungsgericht gerannt wird).

LadysSlave
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Mo 19. Sep 2005, 18:14 - Beitrag #55

Da das Grundgesetz weder von Fraktion (Ob die überhaupt im Grundgesetz gewollt waren entzieht sich meiner Kenntnis) noch von der Partei die Rede ist, dürfte diese Frage vom Bundesverfassungsgericht als nicht verhandelbar zurückgewiesen werden. Hier ist nämlich nur von der Mehrheit des Bundestages die Rede.;)
Und die muss jemand ja erstmal haben;) :rolleyes:

Bowu
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Mo 19. Sep 2005, 18:22 - Beitrag #56

Dass Gysi sogar zurecht gegen den Spiegel 2002 geklagt hat, als dieser ihn, wie das Gericht bestätigte, öffentlich verleumdete solltest du allerdings ebenfalls erwähnen. Auch das sämtliche anderen Entscheidungen zu seinen Gunsten ausfielen, ebenso wie die jetzige Eilentscheidung über die Herausgabe von Daten, welche gewonnen wurden an ihm, nicht durch ihn.

Die Aufwärmung dieser Verdachtsmoment im Wahlkampf, ohne neue Sachargumente, bereitet zumindest in mir den Verdacht, dass es hier nicht um Demokratie ging.

Ebenso ist die Nebeneinanderstellung von Linkspartei und NPD zu sehen,ohne sachliche Argumente rühren wir mal in der Beleidigungskiste...
soll ich auch mal?
Hm ich würd sagen der Ausländerpolitik der NPD kommt von den Bundestagsparteien die Ausländerpolitik der Union am nächsten...

Solche Argumentationen bringen null, außer den Redner bloßzustellen.

@ Kanzlerfrage

Keiner hat doch hier angezweifelt, dass die CDU/CSU Fraktion mehr Sitze hat als die SPD Fraktion... .
Nur bringt das der Unionsfraktion genausowenig wie der SPD ihr "wir sind die größte Partei"... klar ist, der Kanzler wird am Verhandlungstisch bestimmt, und wenn Frau Merkel nicht aufpasst, wird sie geschrödert.

@linken Wind.

Was du übersiehst, ist die Spaltung der linken, welche einsetzte, als für die SPD das Niveau der Umverteilung in Frage gestellt wurde. Die SPD und die Grünen nach dieser Legislaturperiode als linken Wind und nicht wirtschaftsfreundlich einzuordnen, scheint mir wie eine falsche Analyse.
Die SPD hat den Sozialstaat eingeschränkt, warum sollte sie jetzt zusammen mit ihrem politischen Gegner (der Linkspartei) Alarm schlagen wenn sie ihre Politik fortsetzt?

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Mo 19. Sep 2005, 18:48 - Beitrag #57

Also imho ist es so, zumindest nach einem Spiegelartikel, dass der Bundespräsident den Kanzlerkandidaten vorschlagen kann... und ich meine auch gelesen zu haben dass sich Köhler dazu schon geäußert hat und zwar so, dass er sich da nicht einmischen wird...

Aber warum betrachten wir diese Situation wie sie im Moment herrscht nicht viel elementarer?
Was haben wir denn? Wir haben 5 Parteien und jede Partei vertritt etwas. Wie Feuerkopf sagte sind die Unterschiede nicht so groß...
Warum betrachten wir diese Situation nicht als eine Chance für die Demokratie und für Deutschland? Endlich ist es mal Zeit sich von den eingefahrenen Konstellationen, die fast nicht auf Inhalte basieren, zu lösen und sich auf eigentliche Inhalte zu besinnen. Wenn ich heir den Thread so lese geht es nur noch um Farben und welche besser gefallen. Es geht um Personen die als unsympathisch empfunden werden. Es geht um eine Diskussion um ein Thema (Fraktion <---> Partei), über das man überhaupt nciht diskutieren braucht, da es völlig von der eigentlichen Situation ablenkt.
Was war denn passiert? Schröder lacht sich ins Fäustchen. Ja und? Ich habe mitgelacht. Wenn ich die Gesichter von Merkel und Stoiber gesehen hätte, dann hätt ich auch gelacht, tagelang. Und, was ist dabei? Warum findet ihr Schröder deswegen arrogant? Meine Beobachtung ist dass Schröder den anderen immer 2 Schritte voraus war in letzter Zeit und da darf er auch ruhig mal sich freuen. Er kann sich ja auch nur freuen weil die anderen alle so rumheulen. Warum tritt denn die Merkel nicht mit dem selben arroganten Lächeln auf? Sie hätte genausoviel/wenig Grund so zu grinsen, aber stattdessen beginnt sie zu stottern angesichts der unerwarteten Souveränität von Schröder. Oder wie hat es der Spiegel geschrieben? Merkel ruft nach einem Schiedsrichter und merkt nicht, dass es keinen gibt. Schröder spielt den Scheidsrichter. Das hat er schon im Mai nach den Landtagswahlen in NRW gemacht und tut es jetzt wieder. Wenn die anderen die Situation nicht durchschauen und sich so unterkriegen lassen sind sie doch selber Schuld. Es geht hier nicht um Recht oder Unrecht.
Ich halte diese Konstellation wie sie im Moment ist für wunderbar und sehr amüssant. Und das Auftreten von Schröder wie er alle anderen mal wieder verarscht hat und ihnen wieder mal einen Schritt voraus war zeigt mir nur dass er der fähigere Kanzler wäre. Was will man mit Leuten die sich von einem selbstsicheren Auftreten des Gegenübers verunsichern lassen ohne dabei das Ganze zu durchschauen?

mfg Michi

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Mo 19. Sep 2005, 18:49 - Beitrag #58

@Ausländerpolitik:
Das lasse ich als sachliches Argument gelten. Was bleibt mir anderes übrig. ;)
Daß in ihrer Haltung zu den Sozialreformen die Extreme sich berühren, ist ebenso wahr. Der Schutz von Gysis Stasi-Akten wurde von Frau Birthler mit einem bitterbösen Kommentar bedacht. Aber das gehört nicht hierher. Und die Kiste der PDS als bruchlose SED-Nachfolgerin ist einfach zu ausgelatscht, um sie hier länger ins Licht zu halten.

Verdachtsmomente anstelle von Sachargumenten im Wahlkampf aufzubringen, ist eine sehr bewährte Tradition, die sich auch in den letzten Monaten wieder ausgezahlt hat - auf beiden Seiten. :prost: *Stammtisch*

Warum die SPD Alarm schlagen sollte? Weil es ihr sehr einfach wäre, die Verantwortung und den daraus resultierenden Druck, die sie mit den Reformen übernommen hat, auf die Union, die sie weiterführen und verschärfen würde, abzuwälzen. Es wäre mE wesentlich einfacher, in der Opposition eine bittere Arznei abzulehnen, als dafür zu sein.

Maurice
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Mo 19. Sep 2005, 18:52 - Beitrag #59

Die SPD hat den Sozialstaat eingeschränkt, warum sollte sie jetzt zusammen mit ihrem politischen Gegner (der Linkspartei) Alarm schlagen wenn sie ihre Politik fortsetzt?

Ich bin ja von dem Fall ausgegangen, dass die Union ohne die SPD regieren wird. Wenn dies der Fall ist, dann gehe ich davon aus, dass sich weiter Teile und bestimmt auch Teile der Grünen für die Blockadepolitik der Union rächen wollen und es ihrerseits ihren Vorgängern in der Opposition nachmachen werden. Um Glaubwürdigkeit geht es ihnen doch längst nicht mehr, was allein schon das Wahlprogramm der SPD zeigt. Und wenn es dann wieder zu Wahlen kommt, kann die Opposition auf die Union zeigen und sagen "schaut mal die können nicht ihre Pläne nicht durchsetzen und kommen nicht voran!".

Feuerkopf
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Mo 19. Sep 2005, 18:57 - Beitrag #60

Grüne und Rache?
Wieso denn das? Schröder und Müntefering haben es den Grünen doch leicht gemacht, sich von Rot/Grün zu verabschieden, in dem sie den Koalitionspartner (zu) spät von den Neuwahlplänen informierten.
Schröder hat immer moniert, dass bestimmtes Personal bei den Grünen nicht nach seinem Gusto votiert, sondern es wagt, einen eigenen Kopf zu haben.

Wenn Angela Merkel regieren will, wird sie Kompromisse eingehen müssen, mit der FDP sowieso und dann eben auch mit den Grünen. Warum eigentlich nicht?
Es gibt Schnittmengen. Vielleicht geht Joschka in den Ruhestand, aber Joschka ist nicht die Partei. Ich habe sie z. B. gewählt, obwohl er der dicke Max dort ist. Mir sind die Inhalte wichtiger.

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