Kampf mit den Eltern

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Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

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Fr 23. Sep 2005, 12:05 - Beitrag #61

Alea, es ist nicht die Frage der Förderung an sich; meine Eltern sind nicht reich, es ist völlig klar, daß sie eine Auswahl treffen mußten. Es geht um die Art und Weise, wie sie IHRE Auswahl für mich gegen MEINE Auswahl durchsetzten. Die damit verbundenen Auseinandersetzungen, die etwa in meinem sechsten Lebensjahr begannen, sind mit dem Begriff "Krieg" durchaus angemessen beschrieben. Für mich bezeichnet das Wort "Familie" ein für alle mal eine Lüge.

Es steht auch gar nicht in Frage, daß es möglich ist, einen Weg zu finden, mit Traumatisierungen umzugehen, ohne in bloßen Musterwiederholungsautomatismen zu enden. Es heißt allerdings, daß es immer und immer wieder einer erneuten, immer wieder gleich mühsamen und nervenzehrenden Anstrengung bedarf, um der nächsten Versuchung zum bloßen automatischen Funktionieren zu entkommen. Und diese Versuchungen sind häufig.

Eltern meinen zumeist - ich verallgemeinere unzulässig aber imo in den weitaus meisten Fällen zutreffend - ihre Erziehung sei dann gut gewesen, wenn es ihnen gelungen ist, ihr Kind auf die in der Gesellschaft vertretenen Prinzipien einzuschwören, die entsprechenden Werte zu vermitteln und diese verinnerlichen zu lassen. Die Mittel hierzu reichen von subtiler Überredung über Überzeugung bis zu blanker Erpressung von Willfährigkeit, unterstützt von Schule und ähnlichen Einrichtungen.

In vielen Fällen vielleicht - wahrscheinlich - kein Problem. ABER.es.gibt.Kinder - HÖCHSTBEGABTE Kinder - die auf diesem Weg durch.die.Hölle.müssen, wenn nicht erkannt wird, daß mit ihnen völlig anders umgegangen werden muss. Und wenn sie durch die Hölle gezwungen werden ... hat das Konsequenzen, die nicht mehr mit "aber die Eltern haben es doch gut gemeint" vom Tisch gewischt werden können.

aleanjre
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Fr 23. Sep 2005, 13:37 - Beitrag #62

Ich denke, an diesem Punkt der Diskussion kommen wir ohne konkrete Beispiele nicht weiter, Ipsissimus. Ich stimme dir zu einem bestimmten Grad zu, aber eben nicht vollkommen.

Beispiel: Meine lange Tochter hasst Hausaufgaben. Würde ich ihr freien Lauf lassen, ginge sie täglich ohne Hausaufgaben zur Schule.
Nun ist sie zwar gut begabt, aber nicht so clever, dass sie ohne die Übung daheim auskäme.
Es belastet sie extrem. Sie leidet, verflucht das Leben. Sie ist Asperger - Autistin, so leicht betroffen, dass sie keinen Behindertenstatus erreicht. So schwer betroffen, dass das Leben eine schwere Last für sie ist.
Ich könnte es darauf anlegen, dass sie in einer Sonderschule endet. Aber das dürfte ihr kaum gefallen. Also muss ich sie gegen ihren Willen zwingen, ihre Hausaufgaben zu erledigen.
Meine Methoden: Ich erkläre ihr jeden Tag aufs Neue den Sinn dieser Übung. Ausführlichkeit schwankt nach Nervenkraft. Wenn sie anfängt sich in Extase zu brüllen, bringe ich sie ins Badezimmer. Dort darf sie frei nach Belieben brüllen und rauskommen, wenn sie damit fertig ist. Ich erkläre ihr, wie gut sie ist, und zeige ihr, was sie wirklich gut kann, denn sie ist überzeugt, dass sie schlecht wäre. Wenn sie es geschafft hat, wird geknuddelt, geküsst, entspannt.
Sie muss da durch, sonst schafft sie nicht mal die 2. Klasse. Auch wenn es für sie die Hölle ist.

Maurice
Analytiker
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Fr 23. Sep 2005, 21:01 - Beitrag #63

@alea/Musikerziehung: Das sehe ich im Prinzip genau so wie du. Nicht die vier Stunden am Tag, die ich meinem Kind auch nie gegen seinen Willen antuen würde, sondern das regelmäßige Üben, wenn es sich ein Instrument ausgesucht hat, sollten überwacht werden. Denn natürlich ist das spannende Buch, die Freundin, der PC... meist grade wichtiger als Noten lesen ;)
So wenig Druck wie möglich, aber eine gewisse Anleitung zur Regelmäßigkeit, zum Durchhalten finde ich vorteilhaft.

EDIT: Mist. Also obiges hat e-noon geschrieben, die vergessen hat, sich auszuloggen ^^

Aydee
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Di 27. Sep 2005, 06:52 - Beitrag #64

Zitat von Ipsissimus:ABER.es.gibt.Kinder - HÖCHSTBEGABTE Kinder - die auf diesem Weg durch.die.Hölle.müssen, wenn nicht erkannt wird, daß mit ihnen völlig anders umgegangen werden muss.


Wie ist das "höchstbegabt" an der Stelle gemeint?
Sog. Wunderkinder? Genie's....?

Ich hatte bei meinen Eltern.... nein, das stimmt nicht, respektive bei meiner Mutter...(was aber vielleicht auch daran liegt, dass mein Vater sich aus der Kindererziehung "rausgehalten" hat, er war/ist die fun-fraction :-))) .... beinah immer das Gefühl gegen Wände zu laufen (sie sicherlich mit der Zeit auch bei mir). Und auch immer gedacht: sie meint es gut mit mir, sie weiß was gut für mich ist. Ich habe immer versucht das zu tun was sie wollte, was mir aber in der Regel nicht lag. Und habe immer und immer wieder dabei versagt.Ihrem Maßstab nicht halten können. bzw den Maßstab von dem ich dachte es wäre ihrer. Da ich mit ihr nie darüber reden konnte (und noch immer nicht kann) WEISS ich schlicht nciht ob dieser Maßstab von mir "für sie" gesetzt wurde oder ob ich ihn tatsächlich aus ihr heraus "entdeckt" habe

Klar. ist nicht ihr "verschulden"
Jedenfalls nicht allein. wenn ich ihr nicht sagen kann, was ich möchte (weil ich das gefühl hatte/habe, dass sie es eh als Unsinn abtut), kann sie mich nichts tun lassen was ich möchte. Aber warum konnte ich ihr nie sagen: Das möchte ich nicht?

Und dann kommt dieser nette Spruch: "Solange du die Füße unter meinem Tisch hast....."


(weiß nicht ob das halbwegs verständlich klingt...)

Milena
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Di 27. Sep 2005, 07:04 - Beitrag #65

Aber warum konnte ich ihr nie sagen: Das möchte ich nicht?
..einfach weil es sehr schwer ist, zu sagen was man möchte oder
auch nicht möchte, Aydee und das noch seiner Mutter gegenüber....
selbst heute, in meinem Alter, ist es für mich schwer, ihr knallhart ins Gesicht zu sagen...so und so, das gefällt mir nicht...könntest du das sein lassen etc......sondern kleide es aus, bette es ein in Höflichkeitsformeln, um sie nicht zu verletzen, um mir selbst hinterher keine Vorwürfe machen zu müssen....
"Solange du die füße unter meinem tisch hast....."

..dieser Satz zeugt von Hilflosigkeit...wenn alles andere nicht mehr fruchtet, dann doch noch dieses....auch ich verwendete ihn gegenüber meinem Sohne an und kam mir gleichzeitig so schwach dabei vor...

e-noon
Sterbliche
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Di 27. Sep 2005, 12:39 - Beitrag #66

Ich habe kein Problem damit, meinen Eltern klarzumachen, was ich möchte oder nicht ;) Das kann auch schon mal lauter sein, ebenso wie sie sich mal in Rage reden können. Ich habe aber auch meistens kein Problem damit, wenn sie mir mal etwas nicht erlauben, da das selten vorkommt und ich es dann auch einsehe. Bzw. ihre Anweisungen einfach ignoriere (kein Problem bei inkonsequenten Eltern ^^).

Die natürlich auch Nachteile haben, mehr Freiheiten heißt nämlich, dass auch meine Geschwister mehr Freiheiten haben (meine Eltern wären nahezu perfekt, wenn ich keine Geschwister hätte), und ihre Freiheit nutzen sie dazu, Krach und Unsinn zu machen. Inkonsequente Erziehung funktioniert meist nur bei so braven Geschöpfen wie Maurice und mir richtig gut.

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