Selbstmord halte ich nicht immer für legitim, auch wenn Legitimität für den Betroffenen keine Rolle spielen wird.
Ich halte ihn dann für legitim, wenn man sich tatsächlich in einer ausweglosen Situation befindet (wenn man eine sehr schwere Krankheit hat, unter der man starke Schmerzen leidet, wenn man weiß, dass man gefoltert würde), und dann für verständlich, wenn das Opfer in dem Moment krank ist (manisch depressiv, psychisch krank durch ständiges Mobbing + Einsamkeit + Stress zB.,). Außerdem ist es immer dann sinnvoll, wenn dadurch der eigene Nutzen (die Leidminimierung) genauso stark oder stärker ist als das dadurch verursachte Leid der Hinterbliebenen.
Das heißt,
ein einsamer, depressiver Mensch ohne nahe Verwandte/Freunde darf sich umbringen,
jemand, dem Folter oder ähnliches bevorstehen, darf sich umbringen,
oder jemand, dem sein Leben einfach nicht mehr gefällt, der aber nicht viele trauernde hinterlässt.
Niemand darf sich jedoch imo umbringen, der große Verantwortung trägt: Staatsoberhäupter in Krisen, in denen sie hilfreich sein könnten, Ärzte, die eine wichtige Op vor sich haben, generell Eltern (wenn keines der legitimierenden Merkmale auf sie zutrifft) und Menschen mit Angehörigen, bevor sie nicht versucht haben, bei jedem der ihnen verbundenen Menschen Hilfe zu suchen und damit gescheitert sind.
Dh. auch, niemand, den ich liebe, darf sich umbringen. Ich habe für diesen Fall zwar kaum angemessene Sanktionen, könnte aber bei einigen zB. damit drohen, dass ich dann nicht für sie beten oder gegen sie beten würde
Jedenfalls würde ich (wenn ich davon erführe, was ich mir erwarte) alles versuchen, um zu helfen und den Selbstmord zu verhindern.
Als Zeichen besonderer Schwäche würde ich Selbstmord nicht bezeichnen. Man erweist sich damit zwar als zu schwach, den eigenen Zustand zu verbessern, aber andererseits als stark genug, schlimmere Zustände zu verhindern.
Konsequenterweise müsste man dann jedem Menschen Schwäche vorwerfen, weil er nicht in der Lage ist, seinen Zustand noch mehr zu verbessern (egal wie gut es einem geht, irgendwann ist ja einmal Schluss). Damit verliert der Begriff jedoch seine Besonderheit und es ist nicht mehr sinnvoll, ihn speziell im Zusammenhang mit Selbstmord zu verwenden. Man kann natürlich bei manchen Selbstmorden von ungewöhnlich großer Schwäche sprechen (wenn sich eine 18-jährige wegen einer 5 in Mathe umbringt etwa), aber nicht bei Selbstmord im Allgemeinen, denke ich.
Schwäche vorzuwerfen, weil man nicht alles ertragen will und nicht alles tut, um sich anzupassen und weiterzuleben, hieße in meinen Augen, Leben über Glück zu stellen, was ich nicht tun würde.
Stärke ist imo etwas in sich gutes (so wie das Glück in sich gut ist), also in jeden Fall erstrebenswert.
Hier fehlt imo die Gewichtung. Stellst du Stärke über Glück? Stellst du es gleich? Falls nicht (was ich eher für wahrscheinlich halte) kann man Stärke nicht als in jedem Fall erstrebenswert bezeichnen, weil sie nämlich genau dann, wenn sie glücksreduzierend bzw. leidsteigernd wirkt, nicht mehr erstrebenswert sein dürfte.