SenioraEscarnioJunior Member

Beiträge: 75Registriert: 31.10.2005
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Ich steige jetzt natürlich etwas spät in die Diskussion ein und habe versucht, mir so gut es geht einen Überblick über die bereits vorgebrachten Argumente zu verschaffen, aber dennoch bereits vorab sorry, falls sich von mir jetzt genannte Aussagen mit denen anderer überdecken. Es gibt sicherlich ganz unterschiedliche Varianten des Selbstmords bzw. der Selbstmordgedanken. Viele Menschen oder vielleicht sogar fast alle spielen irgendwann einmal in ihrem Leben mit dem Gedanken, sich selbst das Leben zu nehmen, um eine Phase zu beenden, von der man glaubt, sie nicht mehr ertragen zu können. Ich habe einmal gelesen, dass dieser Gedanke sogar wichtig für uns ist, denn er zeigt, dass wir doch immer die letztendliche Kontrolle über unser Dasein haben und genau das ist es, was viele Menschen mit diesem Gedanken erreichen wollen. Nicht eine Krankheit, eine Depression, Lebensumstände bestimmen mein Leben, sondern doch immer noch ich selbst und ich selbst kann bestimmen, ab welchem Zeitpunkt ich es nicht mehr ertragen möchte. Bei den meisten Menschen bleibt dies ein reines Gedankenspiel und wird nicht in die Tat umgesetzt. Nun gibt es natürlich viele Gründe, warum manche Menschen diesen Gedanken ausführen. Häufig ist es eine Kurzschlusshandlung, manchmal auch gut überlegt. Die ursprüngliche Frage des Topics lautet ja, ob man Verständnis für Suizid hat. Verständnis habe ich schon. Es gibt Lebensumstände, die der betreffenden Person absolut unerträglich erscheinen. Es gibt Menschen, die jahrelang, ihr halbes Leben lang versuchen, an sich zu arbeiten, Umstände zu verbessern, aber das Licht am Tunnel ist zu weit weg, erscheint unerreichbar. Und doch gibt es Menschen, die dennoch niemals aufgeben und weitermachen und immer wieder etwas finden, was ihnen die Freude am Leben zurückgibt. Wo besteht der Unterschied zwischen den einen und den anderen? Ich denke, dass es mit Einsamkeit zusammenhängt. Sicherlich könnten einige Suizide vermieden werden, wenn der Betreffende sich nicht völlig allein gefühlt hätte oder im entscheidenden Moment gar nicht allein gewesen wäre. Wenn unsere Werte, wie bereits erwähnt wurde, nicht auf Wohlstand und Besitz ausgelegt wären. Wenn Familien nicht danach beurteilt werden, ob alle gut versorgt sind und der Mann immer noch seiner Rolle als Ernährer und Versorger gerecht werden muss und sich als Versager fühlt, wenn er es nicht kann und dann mit seinen Sorgen und Nöten allein gelassen wird. Sicherlich besteht ein Unterschied zwischen einem Suizid aus einer schrecklichen Lebenssituation heraus, die vielleicht hätte gemeistert werden können und einem Selbstmord auf Grund einer Krankheit. Auch bei Depressionen ist Vorsicht geboten. Es gibt drei Stufen der Depression und eine kurzweilige vorübergehende Depression erleiden wir fast alle mehrmals in unserem Leben. Ausgesprochen schwierig ist jedoch die lang anhaltende Depression, die medikamentös behandelt werden muss und die z. B. nicht mehr mit einer schwierigen Lebenssituation allein im Zusammenhang steht sondern unter Umständen mit biochemischen Vorgängen im Gehirn, die soweit ich weiß, auch erblich bedingt sein können. Diese Form der Depression fällt unter den Begriff Krankheit. Die anderen beiden Formen, soweit ich weiß, nicht. Der Familienvater leidet z. B. an einer vorübergehenden Depression, die durch sich ändernde Lebensumstände verursacht wurde. Das ist eigentlich nicht so schlimm. Es ist schlimm, aber nicht tragisch, sein Haus zu verlieren und es gibt sicherlich viele Arten zu wohnen und zu leben. Es gibt niemals nur einen Weg. Aber das muss jemand begreifen und derjenige muss einen anderen Weg auch als lebenswert erachten. Ein Suizid aufgrund einer schrecklichen chronischen Krankheit ist für mich wieder etwas anderes, denn in einem solchen Fall ist die Hilfe schwierig, da der Betreffende ja unter Umständen nicht geheilt werden kann. Es gibt also keinen wirklichen anderen Weg, sondern lediglich nur eine Linderung und manchmal nicht einmal das. Wenn ein solcher Mensch nach reiflicher Überlegung den Freitod wünscht, weiß ich nicht, was ich dagegen setzen könnte und ich glaube auch nicht, dass ich als gesunder Mensch das Recht hätte, diesen Menschen zu verurteilen, denn gleichgültig wie viel Empathie mir zu eigen ist, ich kann die Situation dieses Menschen niemals vollständig beurteilen. Die Gründe für einen Selbstmord sind so mannigfaltig und die inneren Vorgänge eines Menschen, über die man ja zumeist gar nicht Bescheid weiß, so komplex, dass es schwierig ist, einen Selbstmord überhaupt vollständig nachvollziehen zu können. Ich würde mir niemals anmaßen, einen anderen Menschen zu verurteilen, der sich selbst das Leben genommen hat, aber ich bin überzeugt davon, dass vielen hätte geholfen werden können, wenn sie in ihrer psychischen Not und mit ihren inneren verworrenen Stimmen nicht allein gewesen wären oder sich nicht allein gefühlt hätten.
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