Rationalistische Gedankenspiele über das Wesen der Welt

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
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Mo 14. Nov 2005, 15:37 - Beitrag #1

Rationalistische Gedankenspiele über das Wesen der Welt

Ausgang der folgenden Überlegungen war die Beschäftigung mit der Frage, was wir Wissen können und ob man an logischen Grundsätzen zweifeln kann. Motiviert diesen Thread zu eröffnen, wurde ich von Scubas Ausführungen im Evolution-Thread. Es folgen unüberarbeitete Notizen, die ich bisher nur als Spielerei betrachte, aber hier dennoch mal zur Diskussion stellen. Vielleicht entwickelt sich ja doch ein interessantes Gespräch. :)

- - - - -

Die Welt ist "zeitlich" unendlich. Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende und umgekehrt. Hätte die Welt ein Ende, so hätte sie auch einen Anfang, was aber dem Satz "nihil ex nihilo" widerspricht und somit dem logischen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit. Die Welt muss daher "zeitlich" unendlich sein. (Die Existenz der Welt ist damit kein Ereignis, da ein Ereignis einen Anfang und ein Ende hat.)
Wenn etwas keinen Anfang und kein Ende hat, gibt es auch kein Werden und Vergehen. Die Welt ist damit nicht nur ewig, sondern auch unveränderlich. Gibt es nun kein Werden und Vergehen, ist also der Zustand der Welt konstant, dann kann sich kein Ereginis aleine vor oder nach einem anderen ereignen, da dies eine Veränderung der Welt bedeuten würde. Deshalb müssen alle Ereignisse ebenfalls ewig und unveränderlich sein. Jedes Ereignis "ereignet" sich somit "jederzeit", also ewig.
Da dies in diesem Teil der Welt nicht der Fall ist, muss es verschiedene Teile geben, in dem jeweils andere Umstände herrschen.

Wie lassen sich aber die Veränderungen in den Teilen der Welt erklärern, wenn die Welt insgesamt unveränderbar ist?
Dadurch, dass sich alle Teile verändern und alle Ereignisse in einem der Teile der Fall ist, bleibt die Welt insgesamt unverändert.

Maglor
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Mo 14. Nov 2005, 15:45 - Beitrag #2

Nun, Maurice, du hast offensichtlich herausgefunden, was Heraklit schon lange wußte. ;)
Man kann nicht zweimal durch den gleichen Fluß schreiten, denn der Fluß ist dann ein anderer. "panta rhei" alles fließt. Auf wenn die Masse, wenn man die Welt als ganzes betrachtet, gleich bleibt ändert sich die Form. Es ist die Bewegung, die eine Illusion von Werden und Vergehen erzeugt. So ist letztlich nichts ewig und doch ist alles ewig.
MfG Maglor :rolleyes:

Maurice
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Mo 14. Nov 2005, 16:03 - Beitrag #3

Du stimmst mir also zu?

Ich gehe zwar davon aus, dass es die meisten es sofort selbst erkennen, aber es könnte bei dem einen oder anderen ja auch nicht der Fall ist, weshalb ich explizit die Folge einer solcher Theorie unterstreiche:
Wenn diese Theorie stimmen sollte, dann ist alles was sein wird schon passiert und wird immer wieder passieren, was bedeutet, dass alles was passieren wird schon immer feststeht.

Maglor
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Mo 14. Nov 2005, 16:05 - Beitrag #4

Nun ich entziehe dieser Theorie allerdings nicht die Implikation einer zyklischen Geschichte des Universum, also aufeinanderfolgende detailgetreue Wiederholungen.
MfG Maglor :rolleyes:

Maurice
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Mo 14. Nov 2005, 16:13 - Beitrag #5

Wie sollte sonst gewahrt werden, dass sich jedes Ereignis ewig ist? Doch nur, dass in irgendeinem Teil der Welt dieses Ereignis geschiet.
Bildlich stelle ich mir die Geschichte wie einen Raum mit vielen Fernsehern vor, in dem überalle das gleiche Video läuft, dass jeweils nur kurze Zeit später in Bezug auf das vorgegangene Gerät angeschaltet wurde. Wenn ein Video zu Ende ist, fängtes sofort wieder von vorne an. Würde man alle Videos gleichzeitig anhalten, so würde man immer die ganze Geschichte in Einzelbildern betrachten können. Da wir nun selbst Teil eines Videos sind, wissen wir nicht, wie es ausgehen wird, obwohl dies schon feststeht. Wir selbst erleben Veränderung, während es insgesamt keine Veränderung gibt.

Aber wie stellst du dir vor, dass die Welt insgesamt unveränderlich ist, wir selbst aber meinen, Veränderung zu erleben?

e-noon
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Mo 14. Nov 2005, 16:28 - Beitrag #6

Das würde imo auch bedeuten, dass man in jedem Zustand ewig existiert, sich aber nicht verändern kann - oder wie soll der jetzige Augenblick ewig sein, wenn ich aus ihm rausgehe und ihn somit verändere?

Wenn das jetzt zwei Momente in den Kästchen sind, ich Montag und ich Dienstag um zwei Uhr:

[e-noon_Montag] [e-noon_Dienstag]

Gelange ich dann vom Montag - ins Dienstagkästchen, oder sitzt in jedem eine e-noon, die vom Dienstag denkt aber, sie hätte auch im Montagskästchen gesessen?

Maglor
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Mo 14. Nov 2005, 16:35 - Beitrag #7

Nun ja, ich denke wenn die Materie (hier nicht im Sinne der Physik) ewig ist, heißt das doch noch lange nicht das ihr Form ewig. Also die Zustände ändern sich durchaus, sie wiederholen sich vielleicht, aber wohl doch nicht zyklisch und detailgenau.
MfG Maglor :rolleyes:

Padreic
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Mo 14. Nov 2005, 22:09 - Beitrag #8

Hm, ist deine Argumentation im Anfangsposting als irgendwie zwingend gemeint? Oder sollen nur die Möglichkeiten deiner parmenidesch anmutenden Theorie durchgespielt werden?

Ich wollte, bevor ich mich an der Diskussion beteilige, nur mal nachfragen.

ThomasM
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Mo 14. Nov 2005, 23:01 - Beitrag #9

Hallo Maurice

Wundert es Dich, dass ich Deinen Überlegungen nicht zustimme?
Zitat von Maurice:Die Welt ist "zeitlich" unendlich. Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende und umgekehrt. Hätte die Welt ein Ende, so hätte sie auch einen Anfang, was aber dem Satz "nihil ex nihilo" widerspricht und somit dem logischen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit. Die Welt muss daher "zeitlich" unendlich sein. (Die Existenz der Welt ist damit kein Ereignis, da ein Ereignis einen Anfang und ein Ende hat.)

Dreifach Widerspruch.
1.) Wieso sollte alles, was einen Anfang hat auch ein Ende haben und umgekehrt?
Nicht, dass ich anderer Meinung wäre, aber ich sehe eine solche Aussage am ehesten als logisches Axion denn als eine Schlussfolgerung. Du brauchst doch eine Basis, um diese Aussage zu machen, welches ist Deine Basis? Wie definierst Du die Begriffe Anfang und Ende?

2.) Warum sollte der Satz "nihil ex nihilo" korrekt oder auf uns anwendbar sein?
Schon das Wörtchen "ex" impliziert einen zeitlichen Rahmen, der ja vielleicht gar nicht korrekt ist oder nur im Sinne eines Grenzwertes gelten kann.

3.) Wieso ist dieser Satz allein die Basis für Widerspruchsfreiheit und auf welchen Axiomen basierst Du den Begriff?
Wenn etwas keinen Anfang und kein Ende hat, gibt es auch kein Werden und Vergehen. Die Welt ist damit nicht nur ewig, sondern auch unveränderlich. Gibt es nun kein Werden und Vergehen, ist also der Zustand der Welt konstant, dann kann sich kein Ereginis aleine vor oder nach einem anderen ereignen, da dies eine Veränderung der Welt bedeuten würde. Deshalb müssen alle Ereignisse ebenfalls ewig und unveränderlich sein. Jedes Ereignis "ereignet" sich somit "jederzeit", also ewig.

So, wie Du dies beschreibst, scheinst Du mir das Paradies zu beschreiben, aber nicht unser Universum.
Da dies in diesem Teil der Welt nicht der Fall ist, muss es verschiedene Teile geben, in dem jeweils andere Umstände herrschen.

Wie lassen sich aber die Veränderungen in den Teilen der Welt erklärern, wenn die Welt insgesamt unveränderbar ist?
Dadurch, dass sich alle Teile verändern und alle Ereignisse in einem der Teile der Fall ist, bleibt die Welt insgesamt unverändert.

Ist nicht auch eine Veränderung, die Teile verändert, so dass der Mittelwert konstant bleibt, trotzdem eine Veränderung. Du widersprichst Deiner eigenen Schlussfolgerung.

Ich kann auch nur feststellen, dass unser Universum sich verändert, sich entwickelt. Da das nach Deiner logik gar nicht möglich ist, müssen Deine Grundannahmen irgendwo falsch sein.

Gruß
Thomas

Maurice
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Di 15. Nov 2005, 12:07 - Beitrag #10

@Pad: Inwieweit logische Grundsätze zwingend befolgt werden müssen, daran grübele ich zur Zeit.
Die ganze Argumentation ist natürlich nicht zwingend, weil sie auch von anzweifelbaren Prämissen ausgeht, wie die Gottlosigkeit der Welt.

@E-Noon: Nein du bleibst ständig die selbe. Du bist die Sarah X des "Videos X" oder des Universums X. Neben dir gibt es noch viele andere Sarahs (A, B, C usw.) in vielen anderen Universen (A, B, C usw.).
Ist dir jetzt klar, was ich meine?

@Thomas:
@1.: Der Satz ist hier als Axiom gedacht.

@2+3.: Zum einen geht der Energieerhaltungssatz auf diesen logischen Grundsatz zurück. Zum anderen habe ich gelesen, dass der Satz aus dem Satz der Widerspruchsfreiheit resultiert. Die genaue Argumentation weiß ich leider nicht auswendig, aber ich versuche sie in etwa wiederzugeben:
Wenn etwas wird, dann entsteht es aus etwas bereits dagewesenen und mehreren Einzelschritten. Wenn etwas aus dem Nichts entstehen würde, dann wären Zwischenstadien dieses Etwas zwischen Nichts und Sein notwendig. Diese Zwischenschritte werden aber durch die Definitionen von Nichts und Sein ausgeschlossen. Wenn wir nun sagen, dass etwas nun existiert oder nicht, dann steht die Aussage dazu in Widerspruch, dass es einen Seinszustand zwischen Nicht-Existenz und Existenz gibt.
Deshalb gilt der Satz "nihil ex nihilo" wenn der Satz der Widerspruchsfreiheit gilt.

Ist nicht auch eine Veränderung, die Teile verändert, so dass der Mittelwert konstant bleibt, trotzdem eine Veränderung. Du widersprichst Deiner eigenen Schlussfolgerung.

Sprachlich genau genommen widerspreche ich mich, das stimmt. Ob ich mir logisch widerspreche muss diskutiert werden. Ich verwende "Veränderung" an verschiedenen Stellen nicht immer exakt identisch.
Was mir wichtig war, war die Veränderung der Welt die wir erleben mit der Unveränderbarkeit des Gesamtzustandes der Welt zu verbinden.

PS: Wie gesagt, das Ganze sehe ich erstmal nur als Spielerei an. ;)

Traitor
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Do 17. Nov 2005, 13:27 - Beitrag #11

Ich habe mir mal erlaubt, alles ab Ipsis Beitrag abzuspalten, da es danach eigentlich nur noch um diesen und nicht mehr um den Ausgangsbeitrag ging.

Zu jenem:
Mich würde erstmal die genaue Motivation des Gedankenspieles interessieren. Geht es generell darum, zu überprüfen, wie weit man mit wenigen Grundannahmen kommt, geht es darum, diese speziellen ad absurdum zu führen, oder darum, aus diesen speziellen etwas sinnvolles zu konstruieren?

Schnell ist zumindest zweiteres zu erledigen oder letzteres zu verhindern. Du sagst
Die ganze Argumentation ist natürlich nicht zwingend, weil sie auch von anzweifelbaren Prämissen ausgeht, wie die Gottlosigkeit der Welt.
Aber das Problem liegt nicht erst in derart impliziten Prämissen, sondern schon in den expliziten, von denen einige der Alltagserfahrung, Physik oder zumindest Mathematik widersprechen - gerade letzere ist meines Erachtens, solange es um logische Sätze gilt, ein ebenso wertvoller Prüfstein wie die "Realität".
Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende und umgekehrt.
Gegenbeispiel: man betrachte halboffene Intervalle wie etwa die positive Halbachse von Null bis unendlich.
Wenn etwas keinen Anfang und kein Ende hat, gibt es auch kein Werden und Vergehen. Die Welt ist damit nicht nur ewig, sondern auch unveränderlich.
Es gibt unzählige Funktionen, die auf (-unendlich,unendlich) definiert sind und fröhlich unkonstant sind.

Diese Voraussetzungen und Schlüsse sind nicht nur nicht zwingend, sondern eigentlich sogar ohne jede Plausibilität. Es sind setzbare Axiome, ja, wie alle Aussagen, aber sie sind nicht in der Lage, etwas zu beschreiben, was unserer Welt und Mathematik entspricht. Und sie sind auch viel zu unfundamental, um sinnvolle Axiome abzugeben.

Maurice
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Do 17. Nov 2005, 13:35 - Beitrag #12

Ich lehne manche Aussagen der Mathematik als Aussagen über die (Außen-)Welt ab, weil ich Nominalist bin. Für mich gibt es z.B. keine unendliche Gerade, sondern nur die Idee einer unendlichen Geraden. Die Mathematik abstrahiert nicht nur die Formen der Außenwelt, setzt sie in eine Sprache um und expliziert ihre Verhältnisse, sondern erfindet auch idelle Gebilde, bei denen man imo keinen Grund zur Annahme hat, dass es sie auch in Wirklichkeit gibt. Ich zu meinen Teil bestreite, dass es eine unendliche Gerade gibt. Wer das Gegenteil behauptet trägt die Beweislast.

Traitor
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Do 17. Nov 2005, 13:43 - Beitrag #13

Wenn du das Konzept der Unendlichkeit für die Realität ablehnst und diese Ansicht deinem Gedankenspiel hinzufügst, hast du sowieso sofort einen inneren Widerspruch, der nichtmal der Überprüfung an irgendetwas bedarf.

Reden wir innerhalb deiner üblichen Weltanschauung oder innerhalb des Gedankenspieles? ;)
Wenn letzteres, dann sind wir eben an einem Widerspruch. Wenn ersteres, dann müssen logische Sätze aber immer noch auch an der Mathematik bestehen, selbst wenn du deren Inhalte als nicht deckungsgleich mit der Realität annimmst.

Maurice
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Do 17. Nov 2005, 14:16 - Beitrag #14

Ich sehe da keinen Widerspruch. Ich schätze du hast noch nicht verstanden, was ich meine.
Ich sprach bei der Welt ja nicht von einem räumlichen Unendlichkeit, wie es bei der unendlichen Gerade der Fall ist, sondern von einer "zeitlichen Unendlichkeit". Räumlich betrachtet gehe ich bei meinem Entwurf von keiner räumlich unendlichen Welt aus.
Die Welt ist zeitlich unendlich, weil sie keinen Anfang und kein Ende hat, also nie nicht existiert hat und immer existieren wird. Man darf es sich aber nicht wie eine Gerade vorstellen, die immer weiter verläuft, sondern wohl eher wie eine Strecke die es schon immer gegeben hat und immer geben wird. Die Ausdrücke "gegeben hat" und "geben wird" sind dabei nicht ideal, weil die Welt ja einfach existiert.
Ich bin mir leider nicht sicher, aber man spricht ja auch von aktueller und potentieller Unendlichkeit. Leider weiß ich nicht, wie deine Gerade in der Mathematik normalerweise klassifiziert wird, aber ich würde sie als potentiell unendlich bezeichnen, "meine" Welt dagegen als aktuell.

Traitor
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Do 17. Nov 2005, 18:43 - Beitrag #15

Zwischen "Die Welt muss daher "zeitlich" unendlich sein." und "es gibt keine Unendlichkeit" sehe ich schon einen Widerspruch.
Den reellen Zahlen ist es herzlich egal, ob man mit ihnen Zeiten oder Strecken beschreibt. Du kannst aus philosophischen Gründen also nur die Unendlichkeit an sich ablehnen, nicht die der einen Größe und nicht die der anderen. (Ob man dann davon ausgeht, dass das Universum in der einen oder anderen Größe wirklich unendlich ist, also Platz für die Unendlichkeit bietet, ist eine Frage auf einer anderen, physikalischen Ebene, nachdem man sich bereits entschieden hat, ob man die Unendlichkeit im Prinzip zulässt.)
Zu den Unendlichkeitsvarianten und dazu, als was die Gerade zu klassifizieren ist, siehe den Wikipedia-Artikel: laut diesem und auch so, wie ich es selbst verstehe, muss man durchaus "echte" (also aktuale) Unendlichkeit annehmen, um sinnvoll mit reellen Zahlen arbeiten zu können.

Padreic
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Do 17. Nov 2005, 22:24 - Beitrag #16

Dass etwas, was keinen Anfang hat, auch kein eigentliches Ende haben kann, scheint mir plausibel. Es ist das Prinzip der ewigen Wiederkehr in einer zeitlich unendlichen Welt. Alles, was jetzt passiert, wäre schonmal passiert, insbesondere wäre das Ende dann vor dem Ende schonmal passiert, was natürlich dem Begriff des Endes widerspricht.

Was andersherum dagegen spricht, dass etwas, was kein Ende hat, auch keinen Anfang haben kann, kann ich nicht verstehen.
Es deuten momentane kosmologische Erkenntnis meines Wissens auch darauf hin, dass es zwar einen Urknall gab, aber das Universum sich immer weiter ausdehnt. [dies ist natürlich kein Beweis, dass es wirklich so sein wird, aber immerhin ein deutlicher Hinweis auf die Denkbarkeit des Ganzen.]

@Traitor:
Wenn ich im Logischen bleibe, so können mathematische Beispiele sehr wertvoll sein. Wenn ich aber über das Logische in die tatsächliche Welt hinausgehe, so kann ich keine Folgerungen mehr aus der Mathematik ziehen. Mit Mathematik in der Philosophie wurde viel Schindluder getrieben, besonders mit dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz, aber auch mit aller möglichen anderer Mengenlehre (erst heute hab ich da was über das Skolem-Paradoxon gelesen).
Dass halboffene Intervalle unendlicher Länge in der Mathematik existieren, sagt noch nichts über die Existenz (oder auch nur Denkbarkeit) von Welten, die nur in eine Richtung unendlich lange währen.

@Maurice:
Wenn etwas keinen Anfang und kein Ende hat, gibt es auch kein Werden und Vergehen.

Das verstehe ich nicht im geringsten. Kannst du es erläutern?

Deshalb gilt der Satz "nihil ex nihilo" wenn der Satz der Widerspruchsfreiheit gilt.

Deine Argumentation benutzt aber, wenn ich es recht sehe, auch noch den Satz vom ausgeschlossenen Dritten und vor allem den Satz vom Grunde.

Maurice
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Fr 18. Nov 2005, 10:09 - Beitrag #17

@Traitor: Sorry hast recht, dass ich mich unexakt und damit nach außen hin widersprüchlich ausgedrückt habe.
Also nochmal, obwohl ich glaube, dass man meine Antwort auch aus dem letzten Post hätte ablesen können:
Ja Unendlichkeit halte ich generell nicht für ausgeschlossen. Was ich aber ablehne ist der Gedanke, dass es reale Dinge gibt, die eine unendliche Ausdehnung haben. Eine mathematische Gerade ist kein reales Ding, sondern nur eine Vorstellung eines Dings. Und nur weil man mit fiktiven Dingen arbeitet bedeutet das ja noch nicht, dass es solche auch in Wirklichkeit gibt. Ich zumindest habe in meinem Matheunterricht noch nie eine unendliche Gerade gesehen, sondern nur Strecken, die wir als Geraden bezeichnet haben. Dieser Strich auf dem Papier war aber immer in seiner Läng begrenzt also real eine Strecke, wurde aber als Gerade bezeichnet, weil sie für die Idee einer unendlichen Gerade stand.
Mathematiker scheinen mir meistens leider immer noch zu einem Platonismus zu neigen, der doch eigentlich schon längst tot sein müsste. Wer einen solchen Platonismus (und sei er nur auf mathematische Objekte beschränkt) annimmt trägt die Beweislast und nicht der Nominalist. Du musst mir also erstmal zeigen, dass es die Dinge, von denen du Ideen in deinem Kopf hast auch in der Außenwelt existieren. Das wiederum sollte wohl besser in einem anderen Thread diskutiert werden.

Nun aber zurück zur eigentlichen Frage nach Unendlichkeit: Während ich nun unendliche Ausdehnung ablehne, wsa man auch als räumliche Unendlichkeit bezeichnen könnte, so habe ich in meinem Anfangspost ja auch von "zeitlicher Unendlichkeit" gesprochen. Zeitliche Unendlichkeit, also das etwas unvergängiglich ist, halte ich für realistisch denkbar. Ich schließe damit also nicht das Prinzip der Unendlichkeit generell aus, sondern schließe nur räumliche Unendlichkeit aus, wohingegen ich zeitliche Unendlichkeit für möglich oder vielleicht sogar als notwendig betrachte.


@Pad:
Dass etwas, was keinen Anfang hat, auch kein eigentliches Ende haben kann, scheint mir plausibel. Es ist das Prinzip der ewigen Wiederkehr in einer zeitlich unendlichen Welt. Alles, was jetzt passiert, wäre schonmal passiert, insbesondere wäre das Ende dann vor dem Ende schonmal passiert, was natürlich dem Begriff des Endes widerspricht.

Du beschreibst schön einen Punkt, um den es mir hier auch geht. :)
Ich entschuldige mich nochmal, dass meine Ausführungen bisher z.T. noch ziehmlich wirr sind.

Das verstehe ich nicht im geringsten. Kannst du es erläutern?

Schwer... Also wenn etwas kein Anfang und kein Ende hat, dann gibt es auch keinen wirklichen Verlauf der Ereignisse, weil es ja sonst irgendwo mal mit dem Verlauf angefangen haben muss. Selbst wenn sich ein Video immer wiederholt, muss es an einem Punkt einmal angefangen haben. Dann hätte es aber wieder einen Anfang, was ja gerade nicht sein soll. Das lässt sich meiner Überlegung nach wohl so umgehen, indem alle Ereignisse gleichzeitig existieren und somit kein Werden und Vergehen mehr ist, da ja alles das was "war", ist und "sein wird" immer zugleich ist.
Mir fällt es leider noch schwer die richtigen Worte zu finden, um das auszudrücken, was ich denke. Ich hoffe, es wurde ein wenig verständlicher.

Deine Argumentation benutzt aber, wenn ich es recht sehe, auch noch den Satz vom ausgeschlossenen Dritten und vor allem den Satz vom Grunde.

Das stimmt, was ich iirc auch nicht im Anfangspost hervorgehoben hatte, sondern einfach vorausgesetzt habe.
Das Ganze hier ist zwar primär eine Spielerei hat aber auch eine ernsthafte Dimension, so wie man auch bei Spielen einen gewissen Ernst besitzen kann. Ich hatte mich gefragt, wie ich mir eine ewige Welt zu denken hätte, die ohne Gott auskommt. Das hier war die daraus resultierende Überlegung. Ich habe ja keine Ahnung von Physik, weshalb ich es ja als Spielerei betrachtet habe, aber dann will ich aber trotzdem ein wenig dafür argumentieren. ;)
Das größte Problem sehe ich momentan ehrlich gesagt daran, ob ich logische Grundregeln richtig beachtet habe und inwieweit diese uns Sicherheit bezüglich der Wahrheit von Sätzen geben kann. Das ist wiederum wohl ein erkenntnistheoretisches Problem, wo ich auch gerne drüber sprechen würde, weil ich mir in letzter Zeit unter anderem den Kopf darüber zerbrochen habe, ob man auch an grundsätzlichen logischen Sätzen, "Denkgesetzen", die den Satz der Widerspruchsfreiheit sinnvoll zweifeln kann.


Anmerkung: Wie auch im anderen Thread mache ich darauf aufmerksam, dass ich bis Montag nicht ins Internet kann. Ich bitte also um Geduld. ;)

Padreic
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Fr 18. Nov 2005, 19:33 - Beitrag #18

@Maurice:
Das ist wiederum wohl ein erkenntnistheoretisches Problem, wo ich auch gerne drüber sprechen würde, weil ich mir in letzter Zeit unter anderem den Kopf darüber zerbrochen habe, ob man auch an grundsätzlichen logischen Sätzen, "Denkgesetzen", die den Satz der Widerspruchsfreiheit sinnvoll zweifeln kann.

Dazu ist eines ganz wichtig zu beachten: logische Gesetze existieren nicht in der Realität (zumindest meiner Meinung nach). Wir bilden uns ein Modell der Wirklichkeit und zu diesem Modell gehört auch eine Logik, die uns erlaubt, Schlüsse zu ziehen, logisch unmögliches auszuschließen und so etwas. Die Logik hängt also von der Modellierung ab. Ich kann sicherlich Modellierungen vorlegen, wo der Satz vom ausgeschlossenen Dritten oder auch der Satz vom Widerspruch nicht oder wohl vielmehr nur eingeschränkt gelten, die aber inhaltlich gleichbedeutend sind mit Modellierungen, die diese Grundsätze verwenden, doch vielleicht geeigneter sind, bestimmte Sachverhalte zu beschreiben.
Z. B. wäre wohl eine Logik möglich, die jedes Urteil, das subjektiv wahr ist, auch als wahr beschreibt. Der eine sagt: "Das Auto ist schön!", der andere "Das Auto ist nicht schön!". Und wenn man das abbildet auf eine Wahrheitsebene ohne Perspektive, bekommt man schon "Das Auto ist schön und das Auto ist nicht schön." als wahr, direkt dem Satz vom Widerspruch widersprechend.
Besser ausgebaut ist wohl noch die intuitionistische Logik, in der das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten nicht gilt. Diese beruht im wesentlichen auf dem Wahrheitsbegriff "Wahr ist, was wir wissen.". Wenn wir nicht wissen, ob ein Auto rot oder nicht rot ist, dann ist es insbesondere also weder rot noch nicht rot ;).

Schwer... Also wenn etwas kein Anfang und kein Ende hat, dann gibt es auch keinen wirklichen Verlauf der Ereignisse, weil es ja sonst irgendwo mal mit dem Verlauf angefangen haben muss. Selbst wenn sich ein Video immer wiederholt, muss es an einem Punkt einmal angefangen haben. Dann hätte es aber wieder einen Anfang, was ja gerade nicht sein soll. Das lässt sich meiner Überlegung nach wohl so umgehen, indem alle Ereignisse gleichzeitig existieren und somit kein Werden und Vergehen mehr ist, da ja alles das was "war", ist und "sein wird" immer zugleich ist.

Diese Argumentation wurde in ähnlicher Weise auch schon von mittelalterlichen Theologen oder auch Aristoteles (wenn ich mich nicht irre) vertreten, falls dich das tröstet ;). Ihre Argumentation ging aber andersherum: Wir haben in unserer Welt Veränderung, also muss das Universum einen Anfang haben. Nach dem Satz vom Grunde, muss es aber eine Ursache haben. Die nennen wir Gott. Und damit Gott keinen Anfang haben muss, kann er auch nicht Zeit und Veränderung unterworfen sein.
Plausibel, nicht wahr? ;)

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Mo 21. Nov 2005, 11:30 - Beitrag #19

@Maurice:

Ich verstehe nicht ganz, wieso du die Unendlichkeit der Ausdehnung damit kritisierst das sie nur als Strecke sichtbar ist. Zeit nehmen wir nicht anders wahr.

Widerlegbar ist es wohl kaum, dass die Welt im Kreis läuft. sagen können wir nur, dass dieser Kreis ein recht großer sein muß.

Meiner Ansicht nach gibt es auch eine Begründung dafür, dass wir von Unendlichkeit sprechen. Die wirkliche Welt ist (erscheint) unendlich, weil wir nur durch den Verstand wahrnehmen, und diesem ein Anfangsgrund zuwider währe.
Dies gilt aber ebenso für Raum wie für Zeit, was in Kombination die Kausalität ausmacht.
Ist der Raum aber unendlich ausgedehnt, so ist der räumliche Inhalt der Zeit unendlich. Ist der räumliche Inhalt der Zeit unendlich, so ist unendlich viel in der Zeit das sich ändern kann. Kann sich unendlich viel in der Zeit ändern, so kann es unendlich lange dauern, bis die Zeit einen Lauf des Kreises abgeschlossen hat. Der Zirkel der Zeit wird anschaulich gesprochen durch die Unendlichkeit des Inhalts (radius) zu einer Geraden.

Nicht nachvollziehbar ist dein Schluß aus "kein Werden und Vergehen" hin zu "unveränderlich".

Dass Existenz dauerhafte Existenz bedeutet ist verständlich. Dass dies Veränderung ausschließt hängt daran was man für Identitätsbedingungen an ein Objekt stellt. Ist die Tomate also noch die selbe, wenn sie von grün zu rot wechselt?
Wenn sie nicht mehr dieselbe ist, so bedarf es einer weiteren Erklärung wie sie denn fortexistiert, wenn die grüne Tomate doch nun weg ist (rot geworden ist). Hier hilft einem eine Äthernalistische Zeittheorie, wonach alles das jemals existierte in einem gewissen Verständnis immer existiert. Sokrates ist jetzt tot, aber damals existierte er. Auch morgen wird er noch damals existieren. Er wird immer damals existieren.

Sehr undeutlich scheint in Folge dessen auch deine Konstanz der Zeit. Ist doch die Zeit rein begrifflich schon das Maß der Veränderungen. Ich glaube eine Unveränderliche Zeit ist ein begrifflicher Widerspruch.

Wenn die Unveränderlichkeit ein Gesetz ist, was das Ganze erfüllt, so scheint es mir schwierig irgendwie deutlich zu machen, warum dies Gesetz der Unveränderlichkeit nicht auch für jeden Teil des Ganzen gilt. - Ändert sich ein Teil eines Gegenstandes ändert sich doch auch der Gegenstand selbst in gewisser Weise.

Ich halte den äthernalistischen Perdurantismus, den ich bei dir durchzuhöhren glaube für durchaus einleuchtend, aber für hier mangelhaft Begründet.

@ciprian

Die Entstehung der Zeit mit dem Urknall ist sehr dürftig, ansonsten wüsste ich nicht worauf sich deine Andeutung mit den Physik Sachbüchern bezieht.

Meines Erachtens nach macht die Physik an zu vielen Stellen den Fehler, die Unendlichkeit durch Endlichkeit zu beschreiben. Nur ein Physiker/Mathematiker, ist so kühn dir das Ende der Unendlichkeit zu beschreiben. Er nennt die Unendlichkeit dann Konvergenz das Ende einen Grenzwert - und die kühnsten unter diesen meinen sogar das dieser Grenzwert erreicht wird.

Ipsissimus
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Mo 21. Nov 2005, 12:50 - Beitrag #20

mich beschäftigt bei der Frage der Unendlichkeit des Raumes folgende Überlegungen:

angenommen, das Urknall-Modell sei einigermaßen korrekt, dann hatte das Universum unmittelbar nach seiner Immanentisierung eine Ausdehnung von einer Apfelsine - zumindest im Vergleich zu heute^^ wenn die allgemeine Relativitätstheorie recht hat, schafft Materie sich ihre eigene Raumzeit, in die hinein sie sich denen kann - daraus folgt, daß vor der Immanentisierung keine Raumzeit existierte, in die etwas immanentisiert hätte werden können

scheint mir also plausibel, daß es vorher ein "etwas" gab, das zumindest die Fähigkeit hat, als Träger einer Raumzeit dienen zu können


desweiteren die Frage, in was hinein sich Raumzeit ausdehnt. wenn wir annehmen, daß die von Materie geschaffene Raumzeit sich immer weiter ausdehnt (mit der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums), müssen wir dann nicht annehmen, daß sie sich in ein etwas hineindehnt, das zumindest die Fähigkeit hat, Raumzeit tragen zu können?

natürlich antwortet der Physiker: da ist nichts, und erst die sich ausdehnende Materie schafft sich ihre Raumzeit - aber - zumindest genügend "Platz" muss doch in diesem Nichts vorhanden sein, um zumindest ein Universum aufzunehmen? Und dieser Platz muss zumindest als Potential schon immer und unabhängig von jeder Immanentisierung da und beliebig groß gewesen sein, sonst hätte sich das Universum nie über Stecknadelkopfgröße ausweiten können

selbst wenn also die Raumzeit endlich sein sollte müßte das Trägermedium derselben potentiell unendlich sein?

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