Zum Verhältnis von Vernunft und Wissen

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Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 19:12 - Beitrag #1

Zum Verhältnis von Vernunft und Wissen

Abgetrennt aus dem Dämonen-Thread - Traitor

Kommt es mir nur so vor, oder argumentieren Ipsi und Maurice jeweils genau anders herum als vor einiger Zeit in einer ähnlichen Diskussion!?

Gut möglich... und die wäre?

Mich hat Ipsis Reaktion auch etwas gewundert, weil er sonst hier immer der stärkste Rationalitätskritiker ist. Wahrscheinlich war sein Post eine unbewusste Abwehrreaktion auf seinen eigenen Relativismus. :D

Neuere skeptische Überlegungen lassen mich mittlerweile auch zu einer Rationalitätskritik tendieren. Denn solange wir kein sicheres Wahrheitskriterium haben, läuft jede These letzten Endes auf Glaubenssätze hinaus, die nicht hinreichend begründet werden können und somit nicht rational sind.

e-noon
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Sa 26. Nov 2005, 19:25 - Beitrag #2

Du meinst die Diskussion? Weiß ich leider nicht mehr, da kommen einige in Frage. Ist glaub ich auch öfters vorgekommen ^^

Da ich nicht vermute, dass einer von euch prinzipiell in Opposition zum andern steht, liegt es vielleicht am religiösen Thema, in dem Ipsi ja auch zu Begründungen greift, die letztlich an der Subjektivität und Irrationalität scheitern können, was er bei anderen Themen auch meistens anprangert.

"Normalerweise" plädiert Maurice ja zB. für die Sparsamkeit einer Theorie, während Ipsi dagegen hält, dass Sparsamkeit ja nicht für jeden das non plus ultra sein muss, oder so ähnlich (wobei sich das imo nicht ausschließt).
Jetzt meint Ipsi, dass wir um tatsächliche Strukturen der Realität WISSEN und Maurice hält dagegen, dass dieses Wissen bzw. diese logische Interpretation der Sinnesdaten leider nicht allgemein gültig ist bzw. nicht jeder diese Auffassung teilt.

Sehr interessant ^^

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 19:30 - Beitrag #3

Auch interessant ist, dass ich von der normativen Dimension des Okönomieprinzips auf eine fast ausschließlich deskriptive Ebene gewechselt bin. ^^

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 20:27 - Beitrag #4

Maurice, umgekehrt^^ der Rationalist muss imo der größte Relativist sein, sonst ist es mit seinem Rationalismus nicht weit her^^

wenn ich hier den Rationalismus hoch halte, dann nur deswegen, weil er gegenüber dem Glauben ein größeres Maß an Skeptik enthält^^

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 20:33 - Beitrag #5

Nein Ipsi da liegst du leider falsch. Der Rationalist vertraut auf die Vernunft als Wahrheitskritierium. Der Skeptizismus (worunter auch der Relativismus fällt) ist eine Gegenposition zum Rationalismus. Schon der Empirismus als klassische Gegenposition zum Rationalismus trägt skeptizistische Züge in sich, wenn es sich nicht gerade um eine naive Form handelt.

Wenn du mir nicht glaubst, versuche ich meine These mit entsprechenden Zitaten zu stützen. Denn ich glaube nicht, dass ich die philosophischen Standpunkte so falsch verstanden haben kann. ;)

janw
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Sa 26. Nov 2005, 20:45 - Beitrag #6

Zitat von Ipsissimus:wenn ich hier den Rationalismus hoch halte, dann nur deswegen, weil er gegenüber dem Glauben ein größeres Maß an Skeptik enthält^^

Das mag Dir so scheinen, aber übersieh nicht die ständige Prüfung des Glaubens durch die Realität, die den Glaubensinhalt zu widerlegen scheint.
Glauben heißt vor allem, anzuerkennen, daß nicht alles erklärbar und mit unseren Werturteilsmustern vereinbar ist.
Ein Rationalismus, der die Welt auf das wissenschaftlich Feststellbare beschränkt, bewegt sich auf sehr dünnem Eis, ut opinor.^^

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 20:58 - Beitrag #7

Ein Rationalismus, der die Welt auf das wissenschaftlich Feststellbare beschränkt, bewegt sich auf sehr dünnem Eis, ut opinor.

Das dieser Satz ist imo selbstwidersprüchlich. Wissenschaft stützt sich doch primär auf empirische Daten, wohingegen der Rationalismus seine "Erkenntnisse" primär allein aus der Vernunft gewinnt. Der Empirismus macht möglichst viele Aussagen aposteriori, wohingegen der Rationalismus seinen Schwerpunkt auf den apriorischen hat.
Was du in deinem Satz skizziert hast, wäre ein Rationalismus der versucht nur mit aposteriorischen Schlüssen zu arbeiten, was ein Widerspruch in sich ist.

janw
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Sa 26. Nov 2005, 22:33 - Beitrag #8

Mag sein, daß ich mich mißverständlich ausgedrückt habe.
Ich wollte darauf hinaus, daß der Versuch einer Welterkenntnis ausschließlich auf Vernunft- bzw. empirischer Basis IMHO zu einer unvollständigen Welt führt:
Sie schließt reale irrationale Prozesse und die in meinen Augen vorhandenen transzendenten Aspekte der Welt aus.

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 22:36 - Beitrag #9

janw, ich habe in meiner fundamental-christlichen Zeit "Glauben" als etwas anderes kennengelernt^^ "Festhalten an dem als wahr erkannten gegen jede Evidenz"

"Zweifel" hat da, wenn überhaupt, nur den Platz der Selbstinfragestellung, wenn ich es nicht vermag, dem Dogma zu folgen^^

Maurice, der Rationalist vertraut nicht der Vernunft, sondern der Plausibilität^^

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 22:39 - Beitrag #10

@Janw:
Wo wir wieder bei meinen Ausführungen zum Ökonomieprinzip wären:
Dass eine rein wissenschaftliche Sichtweise der Welt wichtige transzendente Aspekte übersieht ist deine Meinung. Ich hingegen bin der Ansicht, dass eine rein wissenschaftliche Sichtweise ausreicht (was die Existenzannahmen angeht) und zusätzliche Annahmen von transzendeten Entitäten überflüssig ist. Wir halten eben eine verschiedene Anzahl an Existenzannahmen für notwendig. ^^

@Ipsi: Was den Rationalisten angeht, so spreche ich natürlich von philosophischen Rationalismus und setze voraus, dass das bei den anderen auch so ist. Ich habe lediglich versucht den rationalistischen Standpunkt zu skizzieren. In Anbetracht dessen empfehle ich dir vielleicht doch nochmal einen Blick ins Lexikon. ;)

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 22:50 - Beitrag #11

Maurice, ich enthalte SEHR viel Lexikon-Wissen^^ das macht mir die Lexikalität in gewisser Weise suspekt, weil ich gleichzeitig wahrnehmen muss, wie wenig sie bedeutet^^

Bitte erläutere mir, was "Vernunft" anderes ist als das Vertrauen in Plausibilität^^

e-noon
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Sa 26. Nov 2005, 23:05 - Beitrag #12

Maurice, der Rationalist vertraut nicht der Vernunft, sondern der Plausibilität^^
Bitte erläutere mir, was "Vernunft" anderes ist als das Vertrauen in Plausibilität^^

Warum erläuterst du es nicht, wo du ja offensichtlich einen Unterschied zwischen den beiden machst, wenn ich das hier richtig deute?

Was Jan meinte war wohl, dass es gewisse Vorgänge in der Welt gibt (siehe Anneliese), die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, was imo ein gutes und schwer zu entkräftendes Argument für Transzendenz darstellt.

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 23:08 - Beitrag #13

Das ist wieder eine andere Diskussion. Es ging mir erstmal darum den Standpunkt des Rationalismus möglichst neutral darzustellen.
Deine Anmerkung ist hingegen wieder eine Kritik am Rationalismus, die nicht zu neutralen Darstellung dessen gehört. Deine These können wir aber gerne diskutieren. Spontan finde ich sie sowohl interessant als auch symphatisch.
Nur stellt sich die Frage, ob wir das hier fortführen sollten, solange unsere andauernde zum OT werdenden Diskussionen noch an diesem Thread hängen. ;)

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 23:14 - Beitrag #14

Maurice, irgendwie scheinen immer wieder alle Dinge miteinander zusammenzuhängen^^

Was Jan meinte war wohl, dass es gewisse Vorgänge in der Welt gibt (siehe Anneliese), die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen,


aber die Geschichte der Anneliese lässt sich doch rational erklären. Mein Exkurs auf die Blitze sollte doch nur darauf hinauslaufen, daß die kindliche, unkritische Erklärung (analog: "vor der Tür habe ich einen Drachen gesehen" - wo das Kind in Wahrheit einfach nur von Angst beherrscht wird) mittlerweile längst überwunden ist. Du glaubst doch auch nicht mehr an den Weihnachtsmann in kindlicher Vorstellung

Maurice
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Sa 26. Nov 2005, 23:26 - Beitrag #15

Unwiderlegbarkeiten

Was Jan meinte war wohl, dass es gewisse Vorgänge in der Welt gibt (siehe Anneliese), die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, was imo ein gutes und schwer zu entkräftendes Argument für Transzendenz darstellt.

Moooooment, hier muss ich auf einen sehr wichtigen Punkt hinweisen!
Aus der bisherigen nicht vollständig wissenschaftlichen Unerklärbarkeit eines Sachverhaltes folgt nicht, dass der Sachverhalt prinzipell wissenschaftlich nicht erklärt werden kann.
Ich als Gegner mystischer Erklärungen (so bezeichne ich jetzt mal das Erklärungsmuster des Exorzisten) kann meinen Standpunkt ganz einfach gegen jegliche Kritik imunisieren, indem ich behaupte, dass alles prinzipell wissenschaftlich erklärbar ist und dieser Sachverhalt nur bis jetzt nicht wissenschaftlich erklärt werden kann.
Meine These, dass alles prinzipell wissenschaftlich zu erklären ist, lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Es ist schlicht und einfach eine Glaubensfrage.

Warum ich nun weiter diese These annehme, obwohl ich zu der Erkenntnis (in Anführungszeichen) gekommen bin, dass es sich hier um bloßen Glauben handelt, der von mir ohne hinreichende Begründung vertreten wird?
Aus ideologischen Gründen. ;)

Ipsissimus
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Sa 26. Nov 2005, 23:30 - Beitrag #16

wir sind uns - bei geringfügig unterschiedlicher Ideologie - sehr einig in deser Sache, Maurice^^

Traitor
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So 27. Nov 2005, 00:00 - Beitrag #17

Maurice, ich erinnere mich daran, exakt diese Diskussion auch schonmal mit dir geführt zu haben... damals wie heute benutzt du "Rationalismus" nur in einer Bedeutung, in der als Gegensatz zum Empirismus, die innerhalb der Philosophie vielleicht die übliche ist. Dass Missverständnis anderer auf deine Argumentation liegt darin begründet, dass dies aber nicht die Bedeutung ist, die man dem Wort als normaler Mensch üblicherweise zuordnet, nämlich die des Gegensatzes zum Spiritualismus/Transzendentalismus. In dieser ist Rationalismus mit Skeptizismus eng verbunden und diese Teilaspekte sind schwer voneinander abzugrenzen oder gar gegeneinanderzusetzen. Also mag deine Definition die produktivere sein, aber sie ist eben nicht die übliche. Also würde es die Diskussionen wohl voranbringen, wenn du die andere zumindest in ihrer Existenz akzeptierst und ihre Verwendung bemerkst :)

Auflösen könnte man das Begriffswirrwarr vielleicht, wenn man deinen Satz "Auch interessant ist, dass ich von der normativen Dimension des Okönomieprinzips auf eine fast ausschließlich deskriptive Ebene gewechselt bin." als Inspiration nimmt. Für dich zeichnet sich der Rationalismus dadurch aus, dass für ihn die Ratio normative Instanz und gar Wahrheitskriterium ist; für mich und IMHO andere dadurch, dass er die Ratio als Werkzeug verwendet. Ersteres setzt letzteres voraus, letzteres zieht ersteres meist nach sich, aber nicht zwingend in vollem Umfange.
Wirklich klar zu kategorisieren kann dies also nicht helfen, aber es ist ein betrachtenswerter Aspekt.

Maurice
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So 27. Nov 2005, 00:18 - Beitrag #18

@Thread-Splittung:
Naja an dem Titel sollte man aber noch etwas ändern. Der wird nämlich nicht der Bedeutsamkeit der momentanen Diskussion gerecht.

Ok Traitor du hast recht, ich bin zu sehr von meiner Vorstellung der Begriffe zu diesem Zeitpunkt ausgegangen. Ich ging davon aus, dass wir mit dem Wort über dasselbe sprechen und habe auf Grundlage dieser Annahme meine Kritik geäußert. Ich gebe zu, dass ich nicht genug darüber nachgedacht hatte, ob wir in dem Augenblick mit dem selben Wort nicht über verschiedene Dinge sprechen.

Hier zeigt sich mal wieder die Probleme, die aus einer Mehrdeutigkeit der Wörter resultieren kann.
Ich frage mich, ob man den von dir skizzierten Standpunkt nicht auch anders bezeichnen könnte, als einfach nur "Rationalismus". Ich gebe dir recht, dass wir im Alltag darunter das verstehen, was du beschrieben hast. Vielleicht ist eine Unterscheidung im Sinne eines "klassischen Rationalismus" (worüber ich zu Beginn gesprochen hatte) und eines "Alltags-Rationalismus" passend.
Falls das aber in eine längere Diskussion ausarten sollte, müsste man das seperat besprechen. Zumindest ich wollte hier vorerst über die Frage diskutieren, ob nicht jede These letzten Endes auf nicht hinreichend begründbare Glaubenssätze aufbaut.

Traitor
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So 27. Nov 2005, 00:25 - Beitrag #19

Zumindest ich wollte hier vorerst über die Frage diskutieren, ob nicht jede These letzten Endes auf nicht hinreichend begründbare Glaubenssätze aufbaut.

Was gibt es da groß zu diskutieren? Ich denke/hoffe, dass es sich dabei um einen allgemein anerkannten Sachverhalt handelt. Kein System lässt sich ohne Axiome aufbauen.
Die Qualität eines Systems bestimmt sich nur dadurch, dass es auf möglichst viele unnötige Axiome verzichtet (und auf widersprüchliche natürlich erst recht), nicht dadurch, dass es ganz ohne auskommt.

Maurice
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So 27. Nov 2005, 00:29 - Beitrag #20

Ich finde das nicht so trivial, wie du es suggerierst. Immerhin gehe ich davon aus, dass du dich als Verteidiger der Wissenschaften im Vorteil gegenüber religösen Erklärungen siehst, oder?
Wenn das der Fall ist, wie kannst du begründen, dass du im Vorteil bist?
Dein Modell macht weniger Annahmen? Ja das mag wohl sein, aber in den Augen eines anderen, machst du zu wenig oder gar falsche Annahmen. Wie kannst du also begründen, dass deine Erklärungen besser sind?

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