Freude und Frust mit Kindern

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Feuerkopf
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So 20. Nov 2005, 19:58 - Beitrag #41

Ah,
ein Reizthema!:)
Wann war "Eure/r" denn "sauber"?

Ich hatte noch mit den Ökomamis zu tun, die lieber Stoff- oder Wollwindeln verwendeten als Pampers oder wie die bösenbösen Industriewindeln auch immer hießen.
Ich war selig, dass es diese gut schließenden Einwegteile gab! (Inzwischen könnte man sie sogar kompostieren - wenn man denn wollte. ;) )

Beide Kinder ließen sich Zeit mit dem regelmäßigen Gang aufs Klo. Jedenfalls war das Erstkind noch Windelträger, als das Zweite geboren wurde, und das war mit gut 2 1/4. Ich meine mich erinnern zu können, dass sie erst so um die drei Jahre bereit war, auf die Bequemlichkeit zu verzichten, jederzeit in die Buxe pinkeln zu können. Größere Geschäfte verrichtete sie da schon lieber auf dem Topf bzw. Klo. (Wir hatten da so ein tolle Töpfchen in Bärenform, eine richtige Sitzgelegenheit mit Rücken- und Armlehne.)
Unser Sohn trug sogar noch Windeln, als er mit 3 1/2 in den Kindergarten kam. Ich hatte im Sommer mal versucht, ihn ans Klo zu gewöhnen, aber er ignorierte diese Versuche konsequent. Also zog ich ihm wieder Windeln an, sagte ihm aber: "DU bestimmst, wenn du keine mehr willst."
Im Kindergarten machten sich die anderen Kinder lustig über ihn, als die Erzieherin mal wechseln musste - er hatte sich beim Wasserplantschen insgesamt nass gemacht. Da antwortete er seelenruhig:"Ich brauch bald keine mehr." So war es. Eines Tages sagte er:"Jetzt geh ich aufs Klo."
Er hat von da an nur noch ganz selten mal in die Hose gepinkelt.
Aber was habe ich mir von der lieben Verwandtschaft anhören müssen!
Dass ich die Kinder verwöhne, war noch der harmloseste Vorwurf.
Wenn ich die Omageneration richtig interpretiert habe, dann setzte man Kinder damals mit knapp einem Jahr so lange auf den Pinkelpott, bis die Kinder kapiert hatten, dass man da rein machen muss. Und wenn das eine Stunde dauerte.

Okay,
wenn ich hätte Windeln auskochen und bügeln müssen und jeweils immer eine Garnitur Wäsche dazu, dann wäre ich möglicherweise auch rigider im Vorgehen gewesen. ;)

aleanjre
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So 20. Nov 2005, 20:44 - Beitrag #42

Erstkind war bei mir auch noch selige Windelträgerin, als Zweitkind ankam, und da war sie 2 1/2. Mit knapp 3 fing auch sie an, wobei es bei ihr auf Grund ihrer Besonderheiten ziemlichen Stress damit hatte. :rolleyes:
Zweittochter hatte schon mit 24 Monaten mal Interesse, aber nicht so richtig stabiles. Mit 28 Monaten war sie dann soweit, mit gelegentlichen Unfällen.
Die Große war mit knapp 4 nachts zuverlässig trocken, die Kurze mit 3 1/2.

Das "abhalten" kenne ich auch in aus Foren, aber ich bin noch niemandem begegnet, der sich diesen Stress antut. Ich meine, Hallo? Ein neugeborenes Baby pullert jede Stunde, was macht man denn da nachts???

In unserer Stadt wird ein Stoffwindelservice angeboten: Gegen eine monatliche Summe wird ein gewisses Quantum aller benötigten Materialien geliefert, und jede Woche einmal die schmutzigen Windeln wieder abgeholt.
Soweit ganz nett, aber dieser Spaß wäre erheblich teurer gekommen als die normalen Pampers.

Seeker
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So 20. Nov 2005, 22:48 - Beitrag #43

Interessant, interessant ... 2 1/2 Jahre Abstand ;-)

Tja, alle guten Dinge sind drei ... sagt ein Sprichwort ... und so will ich dies auch weiterführen. Unsre zwei sind ebenfalls 2 1/2 Jahre auseinander. Niki benutzt noch liebend gern die Windel - beliebter Spruch wenn er noch so stinkt, auf die Frage ob wir Windel wechseln wollen: "Geht scho!".
Das Leidige "Der muß jetzt aber mal auf den Topf!" und "Meine Tochter war mit 18 Monaten trocken!" (was ich für einen Definitionsfehler halte - er bezog sich nur aufs große Geschäft - und selbst das kauf ich ihm nicht ab!), können wir bald nicht mehr hören. Jeder mischt sich ein und gerne wird auch ein "früher waren die Kinder früher trocken" (mag sein, die Windeln sind ja auch heutzutage besser) angeführt ... dann heißt es tief durchatmen, in seine Mitte kommen und grinsend nicken ...

Nun denn, Niki ist schon interessiert am Topf - aber für ihn ist es wirklich nur ein Spiel ... wir werden sehen, wann er sich dazu entschließt, dem Superabsorber zu entsagen.
Wenn Maya so weitermacht, dann ist sie noch vor Niki trocken - sie brüllt alles zusammen, wenn ihre Windel auch nur leicht bepullert ist ...

Geduld ist die benötigste Eigenschaft junger Eltern ... was sag ich "jung" - ich denke ALLER Eltern.

(Wenn ich das vor drei Jahren von mir hätte lesen können, ich hätte es nicht geglaubt - aber vor drei Jahren war vieles anders. Interessant, in welche Richtung sich die eigene Realität verändern kann.)

Ich wünsch Euch noch nen schönen Abend,

Seeker

Ratte
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So 20. Nov 2005, 23:10 - Beitrag #44

Zitat von Feuerkopf:...Wenn ich die Omageneration richtig interpretiert habe, dann setzte man Kinder damals mit knapp einem Jahr so lange auf den Pinkelpott, bis die Kinder kapiert hatten, dass man da rein machen muss. Und wenn das eine Stunde dauerte...



Genau das hat meine Mutter auch vorgeschlagen!
Ich hab dann einen Mittelweg versucht, indem ich morgens nach dem Frühstück, dann, wenn meistens das große Geschäft kommt, einen Gang zum Klo angeregt habe ("Der Teddy muß mal!"). Das hat er dann auch mitgemacht. Hat sich auch aufs Klo setzen lassen (wir haben so 'ne einlegbare kleinere Klobrille), aber gekommen ist nix. An de Tag haben wir das noch 3 mal versucht (Er ließ sich auf's Klo setzen, pupste bestenfalls einmal, stieg wieder runter, hat sich mit einem Feuchttuch den sauberen Popo abgewischt, es ins Klo geworfen, abgespült und wollte wieder aufs Klo, jedesmal ca. 5-10 "Versuche"), aber an dem Tag hat sich die Natur dazu entschlossen, überhaupt keinen Stuhl an die Umwelt abzugeben. Ich denke mir inzwischen auch (wieder), dass er das schon kann, wenn er es will und bereit für diese Entwicklung ist.

Mein Ex-Chef hat auch mal das Kontra am -Nicht-mehr-in-die-Windel-machen aufgeführt: Seine beiden waren beide relativ früh sauber. Vielleicht sogar zu früh, denn Einhalten ging in keinster Weise. D.h. egal wann und wo sie unterwegs waren - ob im Supermarkt, auf der Autobahn, beim Shoppen, im Zoo, etc. - wenn sie mußten, mußten sie SOFORT. Auch wenn Du Dich gerade an der Kassenschlange ganz nach vorne gearbeitet hast - erstmal raus aus der Schlange, Wagen deponieren, mit Kind aufs Klo und wieder anstellen.
Ich denke, wenn ein Kind vielleicht etwas länger braucht, um auf die Windel zu verzichten, ist es dann aber reifer und kann eher erkennen, wann es muß. Und zwar mit etwas Vorlaufzeit bzw. mit der Möglichkeit, es etwas hinauszuzögern. Was sagen die "Alt-Mamis" zu dieser These?

Ich mache mir auch gar keine großen Gedanken. Er ist jetzt 2 Jahre und 2 Monate, er merkt, wenn was kommt, aber er hat eben einfach noch nicht eingesehen, dass mit dem aufs-Klo-gehen auch das lästige Windeln-wechseln flachfällt. Ich habe auch schon von einigen Müttern gehört, dass, wenn es soweit war, die Kinder innerhalb kurzer Zeit richtig trocken waren. Also die Zeit vom ersten echten "Mami, ich muß mal, hilf mir bitte aufs Klo!" bis zum jedes-Mal-(auch mitten im Spiel)-Erkennen-wenn-es-soweit-ist war sehr kurz (ca. 1 Woche bis 1 Monat).

Ich denke auch wie Seeker, dass die Tatsache, dass die Kinder früher schneller sauber waren, nicht zuletzt daran liegt, dass die modernen Einmal-Windeln so gut sind, dass es eben nicht wirklich stört, wenn was drin ist.

Auf der anderen Seite höre ich aber auch, dass die Kinder in anderen Bereichen heutzutage viel schneller sind. Z.B. schon beim Kopf-heben, beim Krabbeln, beim Laufen usw. Maya - Mrs Superextrem - hat seinerzeit im Kreißsaal schon zum ersten Mal den Kopf gehoben für mehrere Sekunden!

Also gleicht sich ja doch alles irgendwie wieder aus!

Fr.Doktor
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Di 22. Nov 2005, 13:47 - Beitrag #45

Oh, mir ging es gar nicht um das Thema "Stubenreinheit" sondern um das Thema "SCHWACHSINN" :crazy:

Aber wenn wir denn beim Thema sind.
Ich finde es reichlich egal, wann Kinder sauber sind.
Ich finde es auch reichlich egal zu welchem Zeitpunkt sie laufen.

Einmal abgesehen von Menschen mit entsprechenden Behinderungen, habe ich noch keinen 12jährigen mit Windeln gesehen, der auf den Knien herumrutscht und Gläschenkost mümmelt.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass Kinder mit ähnlichen Augen betrachtet werden, wie andere Statussymbole der westlichen Industrienation.

Schneller, dicker, weiter, höher.

Damit meine ich jetzt nicht die hier postenden, auf dass da kein Missverständnis entsteht.

Ob´s an uns Deutschen liegt?

Am Perfektionsdrang?

janw
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Di 22. Nov 2005, 14:26 - Beitrag #46

Ich kann mich noch dunkel erinnern an meine Kinderärztin. Da hingen so Tafeln herum mit bestimmten Merkmalen und Fähigkeiten, die bei Kleinkindern irgendwann da sein sollten.
Ich könnte mir vorstellen, daß schon diese Tafeln und ihre bei manchen Ärzten (immer noch?) Verankerung mit dazu beitragen. 18 Monate altes Kind sollte dieses und jenes können, kann aber etwas nicht. Arzt schaut besorgt drein. Mutter vom verängstigt-besorgten Mutter-Typ bekommt das sofort mit und macht dies zum Bestandteil ihres eigenen "Negativ-Kontos".
Ebenso alle Dinge, wo das Kind weiter ist "als es sein sollte", nur damit wird dann hausiert.

Manche meinen ja, wir Deutschen hätten einen Hang zum Pessimismus und zum Schwarz-sehen. Vielleicht offenbart sich das gerade darin. Vielleicht ist der deutsche Hang zur Normierung und Vermessung allens Ausdruck einer gewissen Maßlosigkeit, es fehlt uns etwas das laisser-faire...

Und die beiden verlorenen Kriege des 20.JH, verbunden mit dem Verlust an nationaler (Über)Größe, führte dann zu dem wunsch, irgendwann, irgendwo "wieder wer zu sein". Und sei es damit, daß Klein-Heiner schon mit 9 Monaten sauber ist. Und für Papa war mit seinem nagelneuen silber-Metallic-Schniekeauto gesorgt.

Ratte
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Di 22. Nov 2005, 15:14 - Beitrag #47

Perfektionsdrang? Oh, da kenn ich ein gutes Beispiel!

Ich saß während meiner Schwangerschaft, da ich nicht mehr ins Labor durfte, mit einer weiteren Schwangeren (auch Laborantin) in einem Büro zusammen. Sie war exakt 4 Wochen weiter, und so unterhielten wir uns oft über unsere Frauenarztbesuche und die entsprechenden Ergebnisse. Irgendwann war dann Mutterschutz und die Kinder kamen dann auch. Bei ihr war's per Kaiserschnitt, bei mir natürliche Geburt, und ich glaube, schon diese Tatsache hat sie mir irgendwie übel genommen. Nach einigen Wochen rief ich dann mal bei ihr daheim an und hatte nur den AB dran. Sie rief später zurück und sagte, dass sie an dem Tag gerade beim Kinderarzt waren (irgendeine U-Untersuchung, ich glaube die U4). Natürlich fraget cih nach den Daten, also Größe, Gewicht etc. Sie sagte mir dann alles durch, worauf mir ein "ach, erst so klein, so groß ist unserer aber schon lange" entwich. Das war auch gar nicht böse gemeint. Ist auch eigentlich fast logisch, denn Seeker und ich sind beide groß (beide 1,80 m), während bei ihr der Mann zwar auch unsere Größe hat, sie aber "nur" ca. 1,60 m groß ist. Daraufhin wurde sie pampig und hat seit dem Streit mit mir - wobei ich bis heute nicht weiß, ob es wirklich daran lag. Ich fand es nur ganz schön arm, dass sie die "Qualität" ihres Sohnes offensichtlich an seiner Größe maß. Und sie wollte nicht hinter mir stehen! Wir haben uns seitdem nur noch selten gesehen bzw. sind uns aus dem Weg gegangen. Die Kinder, die ja mal gerade 3 Wochen auseinander sind, haben sich noch nie gesehen. Dabei hätte ich das sehr schön gefunden!
Ihr Ärger auf mich gipfelte dann wohl in einer Geburtstagskarte, die ich ihr schickte, und in der ich einen Spruch in der Art "Eine Freundschaft hat 2 Regeln: 1. Halte immer den Kontakt! 2. Wenn der Kontakt einmal doch abgerissen ist, fang einfach wieder von vorne an." geschrieben habe. Das war von mir so gemeint, dass wir es ja nochmal mit unserer Freundschaft versuchen könnten. Sie jedoch sah das wieder als Angriff. Fragt mich nicht, wie man das als Angriff sehen kann.... Ich weiß es nicht!
Der Punkt, an dem ich es dann endgültig aufgegeben habe, war an meinem letzten Arbeitstag vor Entbindung Nr. 2, als sich alle Kollegen supernett von mir verabschiedeten, während sie in einer Ecke stand und nach 2 Minuten fragte, ob sie jetzt endlich Mittagessen gehen könnten....

So viel zum Druck, den sich so mancher auferlegt!!!

Ratte,
die das immer noch nicht alles nachvollziehen kann

aleanjre
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Di 22. Nov 2005, 22:36 - Beitrag #48

Ratte, so etwas kann man nicht mit dem Verstand nachvollziehen. Würdest du sie fragen, was sie an dir auszusetzen hat, würde sie wahrscheinlich gar nichts sagen können. Du hast sie auf dem falschen Fuß erwischt, und ist deswegen gegen dich eingenommen. Du hast es nett gemeint, aber es war durchaus auch anders zu verstehen. :( Habe ich richtig verstanden, das ihr nur kurze Zeit lang wirklich netten Kontakt miteinander hattet?

Perfektionsdrang: Hat wohl viel mit dem Druck zu tun, der auf Müttern hierzulande lastet. Eine "Nur - Mami" steht unter Verdacht, zuhause zu verblöden, ihr Potential nicht auszuschöpfen, faul und unflexibel zu sein...
Da muss Frau was vorweisen können! Und sei es nur, ein perfekt entwickeltes Baby vorzuweisen, dass belegt, dass Muttern auch wirklich alles tut, und nicht den halben Tag kaffeetrinkend vor der Glotze hängt!
Während die arbeitende Mutter, die modern mit allen Bällen gleichzeitig jongliert, unter Verdacht steht, ihr Kind zu vernachlässigen. Rabenmami, die den Nachwuchs in die Fremde stößt! Da muss doch ein perfekt entwickeltes Kind vorgewiesen werden, das beweist: Ja, diesen Ball hat sie aufgefangen, dem Baby fehlt es an nichts!
Wenn es dann Probleme gibt - Kind will nicht trocken werden, mit 16 Monaten immer noch nicht laufen, kann mit 24 Monaten immer noch keine 3 - Wort - Sätze plappern... dann können die Versagensängste hochkommen. Dieses "Was hab ich nur falsch gemacht" - Gefühl. Deshalb sollen 3jährige schon zum Logopäden, und die Ergotherapeuten sind so überlaufen mit "geringfügig unperfekten" Kindern, dass diejenigen, die tatsächlich Probleme haben, kaum unterkommen. :(

Es ist schwer, sich diesen Denkmustern zu entziehen. Diese "Was, dein Kind ist 5 und kann noch kein Kreuz nachzeichnen" - Geplärre kann einem an die Nieren gehen, denn die Perfektionsfront ist mächtig.

Trotzdem, in der guten alten Zeit, als Kinder noch mit 2 Jahren vor die Tür gekehrt wurden, Anschluss an große Kinder zu suchen, und abends purzelte die Bande glücklich wieder herein - war auch nicht alles besser. Dort wurden Probleme eben totgeschwiegen, Behinderte versteckt. Und laute Probleme so lange geschlagen, bis sie Ruhe gaben. :(
Ein gesundes Mittelmaß wäre wünschenswert. Aber dafür müsste die Gesellschaft sich wandeln, das Frauenbild im allgemeinen und das Mutterbild im Besonderen.

Fr.Doktor
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Do 24. Nov 2005, 08:18 - Beitrag #49

Ein gesundes Mittelmaß wäre wünschenswert. Aber dafür müsste die Gesellschaft sich wandeln, das Frauenbild im allgemeinen und das Mutterbild im Besonderen.


aleanjre, du sprichst mir aus dem Herzen :)

in der guten alten Zeit, als Kinder noch mit 2 Jahren vor die Tür gekehrt wurden, Anschluss an große Kinder zu suchen, und abends purzelte die Bande glücklich wieder herein - war auch nicht alles besser. Dort wurden Probleme eben totgeschwiegen, Behinderte versteckt. Und laute Probleme so lange geschlagen, bis sie Ruhe gaben.


Da hast du sicher recht, dennoch glaube ich, dass es durchaus Zeiten gab, in denen das Thema Kind nicht auf so penetrante Art gehandelt wurde, wie das heute der Fall ist.
Aber vielleicht ist das auch nur ein nostalgische Hoffnung, die sich bei genauerer Recherche nicht halten lässt.

Ratte
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Do 24. Nov 2005, 20:05 - Beitrag #50

Das grundsätzliche Problem für Familien (und insbesondere für Mütter) sehe ich in den beiden extremen Denken:
a) Du mußt als Frau glücklich über Deine Muterrolle sein und völlig darin aufgehen. In der Zeit vor Deiner Mutterschaft hast Du als Frau gelebt, aber das ist jetzt vorbei. Man kann nicht alles haben! Sei froh und glücklich über Deine Kinder, erziehe sie zu den besten Menschen (Vielleicht Nobelpreisträger? Mindestens Akademiker!) und stelle alle Deine Ansprüche zurück. Als Frau kannst Du wieder leben, wenn die Kinder aus dem Haus sind - allerdings nur, bis sie Dich zum Dauerbabysitter ihrer eigenen Kinder ernennen.
b) Wenn Du schon so altertümlich bist, Nachwuchs in die Welt zu setzen, dann mach das bitte so, dass die Blagen niemanden stören. Versteck sie im Haus, halte sie zu ewiger Ruhe an, geh bloß nicht mit ihnen nach draußen - und wenn schon, dann schieb nicht den Kinderwagen den wichtigen, geschäftigen Menschen im Weg herum. Aber dafür hast Du sowieso keine Zeit, weil Du ja parallel noch an Deiner Karriere arbeiten mußt. Du kannst das Deinen Eltern und dem Staat schließlich nicht antun, Deine wertvolle Ausbildung zu verschleuden. Teilzeit? Wozu gibt es Tagesmütter, Kinderkrippen etc.?

Warum gibt es kein gesundes Mittelmaß? Warum fühlt man sich als Mutter meistens diskriminiert, mindestens aber als Rabenmutter?

Und wo wir schon bei Kinderkrippen etc. sind: Warum wird bzw. (soll in Zukunft) nur die Betreuung für Kinder verbessert werden? Ist ja schön und gut, aber wenn ich doch lieber selber nach meinen Kindern schauen will, warum werden mir - die ja schließlich in dem Moment auch einen Arbeitsplatz freimacht - von allen Seiten Steine in den Weg gelegt? Warum muß ich mit einem Witz an Erziehungsgeld auskommen, das mir sowieso nach kürzester Zeit gekürzt wird bzw. das bald ganz wegfällt? Ich habe schließlich einen gut bezahlten Job aufgegeben, um mich um die Erziehung meiner Kinder - der Zukunft Deutschlands! - selbst zu kümmern!

Kann mir das mal einer erklären?

Ratte,
die mal wieder gefrustet ist (und diesmal nicht von den Kindern)

Fr.Doktor
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Sa 26. Nov 2005, 08:16 - Beitrag #51

Und wo wir schon bei Kinderkrippen etc. sind: Warum wird bzw. (soll in Zukunft) nur die Betreuung für Kinder verbessert werden? Ist ja schön und gut, aber wenn ich doch lieber selber nach meinen Kindern schauen will, warum werden mir - die ja schließlich in dem Moment auch einen Arbeitsplatz freimacht - von allen Seiten Steine in den Weg gelegt? Warum muß ich mit einem Witz an Erziehungsgeld auskommen, das mir sowieso nach kürzester Zeit gekürzt wird bzw. das bald ganz wegfällt? Ich habe schließlich einen gut bezahlten Job aufgegeben, um mich um die Erziehung meiner Kinder - der Zukunft Deutschlands! - selbst zu kümmern!


Du hast deine Kinder zu früh bekommen Ratte, denn die neue Regierung hat mit ihrer Familienpolitik deinem letzten Wunsch doch durchaus entsprochen.

Das sogenannte Elterngeld. 60% vom letzten Einkommen, wahrscheinlich wie so oft der Frau, maximal 1700Euro.

Alles schön und gut, sicher eine nette Regelung für die Mittel- und Oberschicht, die Armen schauen mal wieder in die Röhre, denn
a) wird das Elterngeld, im Gegensatz zum Erziehungsgeld, auf den Bezug von Hartz IV angerechnet und
b) werden die schlechtbezahlten Gehälter deutlich benachteiligt.
Wenn ich lediglich 800Euro rausbekomme, dazu ausgleichend Sozialhilfe beziehe (gibt´s ja kaum noch also Hartz IV) dann wird mir das angerechnet und es bleibt auch nicht mehr als mit Erziehungsgeld, mit etwas Pech sogar weniger.
Sei´s drum, den vollen Satz gibt es ja auch nur dann, wenn Vatti sich für mindestens 2 Monate dem Babystress voll aussetzt.
Aber was soll das denn sein?
Welche Frau kann für 2 Monate in den Beruf zurück, um dann wieder zu den Töpfen zurück zu kehren?
Welcher Arbeitgeber macht das mit?

Insgesamt unterstützt diese Regelung mal wieder das tradierte Mutterbild.

Ratte, ich persönlich kann mir nicht vorstellen nur zu Hause zu bleiben aber ich kann durchaus verstehen, wenn man mit 2 Kindern kaum eine Möglichkeit sieht in den Arbeitsprozess zurück zu kehren.

Aber vielleicht würde es vielen Müttern leichter fallen sich wieder ihrem Beruf zuzuwenden, wenn die Betreuungsmöglichkeiten besser wären.
Denn daran mangelt es uns ganz bitterlich.
Wenn ich mir die Betreuungszeiten in den privaten Kindergrippen anschaue, dann muss ich weinen, einmal ganz abgesehen davon, dass die Viertelstelle, die man nebenbei noch abzuleisten hat, kaum ein Anreiz darstellt.
Mütter die arbeiten sind hier meistens eh nicht gewünscht, denn die können ihr Kind nicht ständig ad hoc abholen.

Halbstädtische oder Städtische Institutionen sind kaum zu bezahlen, hier verlangt die AWO 400Euro für einen Platz. Mit 2 Kindern sind das 800Euro und die müssen auch erst einmal verdient werden.
Wer da nicht eine gutbezahlte Vollzeitstelle hat, dem bleibt nix mehr von seiner Lohntüte.

Insgesamt sind die Strukturen in der BRD so beschaffen, dass das tradierte Mutterbild unterstützt wird.
Gut zu verstehen die Mütter, die sich diesem Stress nicht aussetzen und es finanziell auch oft gar nicht können.
Aber was sind das für Strukturen, in denen es sich Frauen nicht leisten können arbeiten zu gehen?

Ratte, sag´nicht du machst den ersten Arbeitsmarkt frei, das ist ganz fatal und darf nicht sein.
Das ist ja der kleine Plan der neokonservativen Revolution, die Frauen wieder zurück an Heim und Herd zu drängen.

Ob es tatsächlich eine Verschwörung der Unfreundlichkeit gegen Mütter mit Kinderwägen gibt, ich weiß es nicht.
Ich finde die Menschen, besonders derzeit, ich glaube es hat etwas mit der Weihnachtsdeko zu tun, hundsunfreundlich, besonders hier in Hessen, da hat das aber sowieso Tradition.

Nach anfänglichen Unsicherheiten, bin ich unterwegs mit dem Kinderwagen, ganz dem Panzerkreuzerdasein verschrieben.
Wer sich hinter meinem Rücken panisch in die Straßenbahn drängen möchte obwohl ich gerade hinterrücks am Aussteigen bin, der muss eben damit leben, dass ich ihn ramme. Wenn es an der nötigen Höflichkeit gebricht zu warten und beiseite zu treten...Pech gehabt.
In der Straßenbahn verjage ich schamlos Menschen, die es sich auf den wenigen Kinderwagenstellplätzen bequem gemacht haben.
Und ich frage, wer in der Lage ist, mir die Tür aufzuhalten oder zu helfen.
Das funktioniert recht gut, denn wer einmal angesprochen wurde, kann sich nicht so leicht aus der Affäre ziehen.

Und so komme ich herrlich durch´s Leben.

Aber wie so oft im Leben muss man sich auch als Eltern eines Kindes an die eigene Nase greifen und sich zurück erinnern, dass die Welt auch aus kinderlosen Menschen besteht, die durchaus ein Recht haben, nicht mit Kindergekreische und vollgeschmierten Plätzen im Cafe belästigt zu werden.

Wir haben hier in meiner Heimatstadt ein Café, das von millionen Eltern mit ihren Kindern frequentiert wird, da viel Platz und wenig vollgeräuchert.
Aber da herrscht zuweilen ein Chaos wie in der Krabbelgruppe.
Ich finde schon, dass man hier auch die Pflicht hat sein Kind zu drosseln, denn vielleicht sitzen dort auch Leute, die sich in ihrer Mittagspause etwas erholen wollen, in Ruhe essen und trinken wollen, worauf sie bei den Preisen durchaus ein Recht haben.

Das schärfste war eine Gruppe Mütter, die die Tische beiseite gestellt hatte und auf die Erde Decken bereitete auf denen ihre kleinen sabbernden Lieblinge dann herumkrebsten, mitten im Café.
Das würde ich mir verbitten als Besitzer.

Nun ja, ich glaube man braucht einfach ein dickes Fell :D

Ratte
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Sa 26. Nov 2005, 19:13 - Beitrag #52

Hallo!

Mangels Zeit, werde ich (vorerst) mal nur auf diesen Punkt eingehen:


Zitat von Fr.Doktor:Ob es tatsächlich eine Verschwörung der Unfreundlichkeit gegen Mütter mit Kinderwägen gibt, ich weiß es nicht.
Ich finde die Menschen, besonders derzeit, ich glaube es hat etwas mit der Weihnachtsdeko zu tun, hundsunfreundlich, besonders hier in Hessen, da hat das aber sowieso Tradition.



Ich war mit Kind(ern) und Kinderwagen an Städten (kleiner und größer) bis jetzt in Aschaffenburg, Hanau, Offenbach und Frankfurt unterwegs.

* In Aschaffenburg waren die Mitmenschen am hilfsbereitesten, auch die Aufzüge von Parkhäusern und Einkaufscentren sind groß genug, um sich selbst, Kind, Kinderwagen und eventuelle Einkäufe bequem unterzubringen. Einige Leute machen einem schonmal Platz oder halten Türen auf. Nicht immer, aber relativ häufig im Gegensatz zu

* Frankfurt. Hier wird man eher umgerannt und aus dem Weg geschubst, als dass man - auch nach höflicher Bitte - geholfen bekommen würde. Ich bin mit meinem Kinderwagen (kein Jogger sondern Din-gerechtes STandard-Maß, mit dem man überall durchkommen SOLLTE) nichtmal in die Straßenbahn gekommen. Ich mußte den Kinderwagen auseinander nehmen und zusammenklappen. Dabei wurde ich fast von der Tür zerquetscht. Allseits dummes Gegaffe, null Hilfe.

* In Hanau sind die Menschen noch relativ freundlich, allerdings gibt es hier die Parkhäuser mit den kleinsten Aufzügen. Zum Glück kann ich bei meinem Kinderwagen die Schieberstange (also den Bügel) wechseln - und somit auch hochklappen. Sonst gäbe es keine Chance. Selbst beim H&M ist der Aufzug so klein, dass ein Baggy nur ohne die Eltern reinpaßt. Also: Baggy in den Aufzug schieben, Kind tragen, Knopf drücken und losspurten, um den Baggy wieder in Empfang zu nehmen!

* In Offenbach schließlich habe ich praktisch keinen Wickelraum gefunden. Und die Leute sind nicht nur nicht nett, nein, sie glotzen einen an, als wäre man aussätzig! Und das trotz - entschuldigung - des hohen Ausländeranteils, wobei es sich meistens um südeuropäische, nordafrikanische oder westasiatische Großfamilien handelt, die doch eigentlich den Anblick von Kindern ertragen sollten. (Nochmal ganz klar: Das soll kein Vorurteil bezogen auf Ausländer darstellen. Es ist schlicht und ergreifend Tatsache. Ich hab früher in Offenbach gewohnt und bin dort zur Schule gegangen, ich weiß wovon ich rede!)


Auf die anderen Punkte von Dir, Fr.Doktor, werde ich noch eingehen.

Bis dann,
Ratte

die sich jetzt wieder ihren Plätzchen widmet

janw
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Sa 26. Nov 2005, 20:30 - Beitrag #53

Zum Thema Berufstätigkeit und finanzielle Förderung von Müttern:
Ich denke, da wird wieder einmal nicht wirklich überlegt, was man eigentlich erreichen will und was sinnvoll erreicht werden sollte, sondern versucht, den Unmut mit ein bißchen Geld zu befriedigen.

Man muß sich fragen:
- ob es für die Mutter gut ist, jahrelang hauptsächlich als Mutter tätig zu sein
- ob es für das Kind gut ist, in einer wichtigen Phase seines Lebens von einer Aufbewahreinrichtung zur anderen verschoben zu werden und später im Schulalltag die Eltern ebenfalls bestenfalls zum Abendessen zu sehen.

Beides halte ich für ungünstig.

Ich denke, daß es für die Kinder sehr wichtig ist, wenigstens einen Elternteil über einen wesentlichen Teil des aktiv erlebten Tages da zu haben. Eine Halbtagsstelle für Mutter in der Kindergartenzeit ist sicher nicht dagegen.

Insofern sollte es in meinen Augen für Eltern zwei Säulen der Förderung geben:
1. eine Förderung für die allgemein erhöhten Aufwendungen durch die Kinder. Wird derzeit über den Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer erbracht, was aber Eltern ohne zu versteuerndes Einkommen benachteiligt. Also am besten Umstellung auf echten Förderbetrag.

2. eine Förderung für Erziehungszeiten der Eltern, um den materiellen Zwang zu einer mehr als halbtäglichen Arbeit bei einem Elternteil zu nehmen.
Problematisch wird das sicher bei Alleinerziehenden, wie soll man das da fassen?
Daß das von anderen Sozialleistungen nicht berührt werden dürfte, ist klar.

Dafür würde dann der ganze kinderspezifische Kram in der Einkommensteuer entfallen.

Nun ja, das dürfte in der Form jedoch kaum finanzierbar sein...

Ich hoffe jetzt nur, daß Ihr mich nicht einen Neoliberalen nennt, meine Einschätzung dessen, was für die Kinder gut ist, basiert auf meiner eigenen Erfahrung, ich habe es als sehr positiv erlebt, daß nach der stressigen Schule zu Hause jemand liebes mit leckerem Essen und einem geduldigen Ohr wartete. :)

Ratte
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Sa 26. Nov 2005, 23:58 - Beitrag #54

Zitat von janw:2. eine Förderung für Erziehungszeiten der Eltern, um den materiellen Zwang zu einer mehr als halbtäglichen Arbeit bei einem Elternteil zu nehmen.
Problematisch wird das sicher bei Alleinerziehenden, wie soll man das da fassen?
Daß das von anderen Sozialleistungen nicht berührt werden dürfte, ist klar.


Schön wär's! Nach der ersten Geburt bin ich direkt nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gegangen. 60%-Stelle (3 volle Tage) und Seeker hatte seinen Arbeitsvertrag vorübergehend auf 80% reduziert (4 volle Tage). Wir haben überschneidend gearbeitet, d.h. ich einen Tag allein, wir beide 2 Tage zusammen (während meine Mutter Nik hütete) und dann nochmal Seeker 2 Tage allein. Erziehungsgeld gab's nur in den ersten 3 Monaten voll, dann nochmal 3 Monate drastisch gekürzt - und dann war Sense.

Ich möchte noch einen Gedanken einwerfen: Mütter gehen nicht nur arbeiten, um sich außer Haus selbst zu verwirklichen. Manche brauchen einfach das Geld. Wir haben z.B. letztes Jahr ein Haus gekauft. Na ja, momentan gehört noch das meiste der Bank. Mit 2 Kindern kann ich aber momentan nicht arbeiten - selbst, wenn ich wollte. Ich hätte niemanden, der kostenlos die Kinder hüten würde, denn meine Mutter schafft beide zusammen nicht. Mal für 1-2 Stunden,ok, aber nicht 4-5 Stunden oder noch mehr. Und wenn ich jemanden bezahlen sollte, müßte ich schon fast wieder voll arbeiten, damit ich denjenigen auch bezahlen kann!
Wenn Nik im nächsten Herbst in den Kindergarten kommt, könnte man eventuell stundenweise was einrichten, dass meine Mutter die Kleine hütet. Kindergarten ist ja auch noch ok. Aber was mache ich, wenn die Grundschule - mit ihren verqueren Zeiten und eventuell häufigen Ausfällen ansteht. Da kann ich froh sein, wenn ich in der Abwesenheit der Kinder das Einkaufen schaffe!

Ratte
die sich über eine bessere Familienförderung freuen würde, auch wenn sie selbst nicht mehr davon profitieren würde!

aleanjre
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So 27. Nov 2005, 00:55 - Beitrag #55

Kurz noch mal zum Thema (Un)freundlichkeit gegenüber Müttern mit Kleinkindern:
Ich war mit meinen Babys im Düsseldorfer, Kölner, Aachener Großraum unterwegs. Beide habe ich im Tragetuch getragen, Erstkind allerdings erst am dem 7. Monat - sie begann ihren Buggy so zu hassen, dass sie schon schrie, wenn ich mich mit ihr dem Gefährt näherte. Tragetuch liebte sie. Nun ist das eine ziemlich praktische Sache an sich: Man hat die Hände frei, kann noch einen Einkaufswagen schieben, Treppen, Rolltreppen, enge Türen, alles kein Thema. Allerdings: Man ist sehr eingeschränkt, wenn es ums Bücken geht. Und gerade bei Zweitkind, mit einem 2 1/2 jährigen Kind an der Hand, ergibt sich häufiger mal die Notwendigkeit sich zu bücken. Nun schätze ich die Mitmenschen meiner Umgebung nicht als überdurchschnittlich freundlich ein. Aber ich habe da nur positive Erfahrungen gesammelt! Wildfremde Menschen sind mir hinterhergelaufen, um mir zu helfen, haben freiwillig schwere Taschen für mich hochgehoben, ohne dass ich erst bitten musste. Einmal hat mir eine Frau den Schuh zugebunden. :P

Kinderbetreuung: Tja, es ist tatsächlich unglaublich schwierig. Wie soll der Staat eine gesicherte, durchgängige Kinderbetreuung finanzieren? Es ist zwar möglich, aber solche Strukturen wachsen nur langsam. Jahrzehntelang wurde darauf keinen Wert gelegt. Ich rechne weiterhin mit 10 - 20 Jahren, bis solche Strukturen flächendeckend vorhanden sind. So traurig das für alle Beteiligten sein mag. Es birgt die Gefahr, dass es gar nicht dazu kommt, weil die Träger knallhart nach Sollwert und Bedarfsdeckung rechnen. In meinem Dorf gibt es gerade dramatische Kriegszustände, weil ein katholischer Kindergarten mit 3 Gruppen vom Erzbistum geschlossen wird. Den kirchlichen Herrschaften ist es so was von egal, dass der städt. Kiga nur 40 Kinder aufnehmen kann, und damit ca. 75 Kinder pro Jahr auf der Straße stehen bleiben. Im einzigen Kinderkrankenhaus in 50 km Umkreis werden Stationen geschlossen, weil es an 2 - 3 Wochen im Jahr vorkommt, dass der Bedarf nicht gedeckt ist. Und da beißt die Katze sich in den Schwanz. Die Voraussetzungen, überhaupt oder mehr als 1 Kind zu bekommen sind sehr schlecht. Zuwenig Kinder verschlechtern die Voraussetzungen.
Was soll da kommen? Steuerfreiheit für berufstätige Mütter mit weniger als 25 Wochenstunden? Nette Idee! Aber genauso unwahrscheinlich wie die Vorstellung, dass plötzlich die gesellschaftliche Entwicklung fort von maximaler Mobilität zurück zum Familiengekuschel geht und jeder einen Stab von Tanten, Schwägerinnen, Schwestern, liebevollen Omis und Nachbarinnen zur Hand haben, die sich darum fetzen, im Wechsel den Nachwuchs betreuuen zu dürfen.

Fr.Doktor
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Di 6. Dez 2005, 08:58 - Beitrag #56

Nun, in Punkto Kinderbetreuung hätte es ja durchaus die Möglichkeit gegeben nicht soviel Energie und Geld in das Elterngeld zu stecken sondern den Ausbau der Ganztagsbetreuung zu befördern.

Allerdings muss dazu auch der gesellschatliche Konsens stimmen. Frauen dürfen nicht der Meinung sein Rabenmütter darzustellen weil sie ihr Kind in Fremdbetreuung geben.
Diese sogenannte Fremdbetreuung muss in den Köpfen positive Elemente enthalten, für die Kinder und die Mütter.

Feuerkopf
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Di 6. Dez 2005, 10:36 - Beitrag #57

Zu Aleas Bericht von der KiGa-Schließung fällt mir gerade ein, dass wir in den 70ern ähnliche Zustände hatten. Es haben sich Elterninitiativen gebildet, die sogenannte Kinderläden gründeten. Nun waren es damals eher ideologische Gründe, die Erziehung der Kinder selbst in die Hände zu nehmen, aber die Not war auch gegeben.
Wenn die Kirche die Kinder nicht betreuen will, kann man nicht vom Träger die Räumlichkeiten mieten und sich selbstständig machen? Das haben wir an der Grundschule auch gemacht, als wir keinen Träger für die "8 - 13 Uhr"-Betreuung fanden. Das hatte zudem den Vorteil, dass die Eltern richtig engagiert waren und wir ein eigenes Konzept entwickeln konnten.
Macht Arbeit, keine Frage. Aber es gab genügend arbeitslose Mütter und Erzieherinnen, die froh über die Betreuungsjobs waren. Ich weiß, das ist eine zweischneidige Sache. Die Öffentliche Hand zieht sich dann immer mehr aus der Verantwortung zurück und die Qualifikation der Betreuung lässt u. U. zu wünschen übrig - muss aber nicht!

Als meine Kinder klein waren, wurde eine komplette Gruppe des katholischen KiGa von Eltern finanziert. Dadurch war aber der gesamte KiGa wesentlich liberaler und konnte problemlos auch Kinder anderer Konfessionen aufnehmen. Kann natürlich sein, dass durch die strengere Leitung von oben sowas inzwischen nicht mehr möglich ist. Ökumene ist ja nicht wirklich gern gesehen von katholischer Seite.

aleanjre
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Di 6. Dez 2005, 10:52 - Beitrag #58

Meine Tochter ist im städt. Kindergarten und damit in sicherer Betreuung. Was die kath. Mütter noch auf die Beine stellen können, weiß ich nicht. Ich weiß nur: Die Finanzierung EINER Gruppe mit einer ex. Erzieherin + unqualifizierte Zweitkraft + Miete + Nebenkosten für den Raum verschlingt 40.000 Euro im Jahr. Hat man eine qualifizierte Zweitkraft, wird es noch viel teurer. Ich weiß nicht, wie hoch die Hürden von der Regierung gelegt werden, um eine ehrenamtliche Betreuung durch unqualifizierte Kräfte zu gestatten.

Feuerkopf
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Di 6. Dez 2005, 10:55 - Beitrag #59

Der Staat hat bisher sowieso rund 80% der konfessionellen Gruppenkosten getragen. Außerdem gibt es in NRW ein Kindergartengesetz, das man mal nachlesen sollte. Ich bin sicher, da gibt es Möglichkeiten.

Die Maschine
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Mi 7. Dez 2005, 20:46 - Beitrag #60

Also soweit ich weiß, gibt es ja allgemeine Kapazitätsprobleme in den Großstädten, von daher bringt ein Gesetz nicht unbedingt wesentliches....

Bei uns (eher ländliche Region) ist es jedoch so, dass einige Kindergärten dichtmachen müssen, weil sie unterbesetzt sind. Die Stadt hat denen jetzt eine 90%-Niveau-Erfüllungs-Klausel gesetzt, d.h. alle Kindergärten sollten (um Schließung zu vermeiden) mind. 90% der verfügbaren Plätze besetzt haben...
tja... dann liegt es wohl an den Eltern *macht mal schön* *g*

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