Die Osthoff-Entführung

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Sa 3. Dez 2005, 03:58 - Beitrag #1

Die Osthoff-Entführung

schön, wie mensch Namen verwenden kann, als habe mensch sie schon immer gekannt^^ das aber nur am Rande

kurz vorm Einschlafen, schon im Zustand beginnender Somnambulie, las ich, daß Mutter und Schwester einen Appell an die Entführer gerichtet hatten, per TV: "Bitte seien Sie gnädig und barmherzig und lassen Sie meine Tochter (Schwester) frei".

hmm ... wenn es mir ein Anliegen gewesen wäre, diesen Apell zu schreiben, hätte er ungefähr so geklungen:

"Bitte, wenn es Ihnen möglich ist, verzeihen Sie, daß meine Tochter sich in Angelegenheiten eingemischt hat, die sie nichts angingen. Bitte verzeihen Sie, daß unser Staat, Deutschland, alles tun wird, nur nicht Sie, die Entführer, ernst nehmen, ernst nehmen in dem Sinne, daß Ihre Forderungen auch nur für einen Moment ernsthaft erwogen würden. Der Tod meiner Tocher ... wird an diesen Umständen nichts ändern. Aber ich - die Mutter, die Schwester - bin im Innersten erschüttert. Bitte vergeben Sie, und wenn es Ihnen möglich ist, schenken Sie mir meine Tochter/Schwester wieder. Ich kann Ihnen dafür nichts anbieten - mein Leben im Tausch für meine Tochter wird Ihnen nichts bedeuten. Ich bitte nur darum, daß Sie vielleicht bedenken, daß meine Tochter naiv und dumm ist in ihrem Engagement für etwas, wovon sie nichts versteht, aber daß sie es nicht böse gemeint hat, und daß sie nicht schuld daran hat, an der Bösartigkeit der Auseinandersetzngen, die Ihrem Volk aufgezwungen wurden. Bitte, wenn es Ihnen möglich ist, sien Sie gnädig und barmherzig. Ich kann es Ihnen nicht vergelten, aber ich würde für alle Zeit für Sie und Ihre Sache beten."

ich denke, mensch muss Menschen ernst nehmen, wenn mensch etwas von ihnen will ...

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Sa 3. Dez 2005, 10:18 - Beitrag #2

Warum, frage ich mich, entführen diese Gangster - Entführung ist ein Verbrechen - ausgerechnet eine Frau, die ihre Sprache spricht, die ihrer Religion angehört, die sich bestens im Land und mit der Geschichte auskennt und die seit bald 20 Jahren nichts anderes tut, als dort vor Ort zu helfen, ohne Ansehen der Personen?

Malte279
Advanced Member
Advanced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 312
Registriert: 01.08.2004
Sa 3. Dez 2005, 10:51 - Beitrag #3

Ich kann es Ihnen nicht vergelten, aber ich würde für alle Zeit für Sie und Ihre Sache beten.

Und würdest Du das auch tun? Für deren Sache beten wärend andere unschuldige entführt und ermordet werden? Oder wäre ein solches versprechen bloße Rhetorik?

Elbereth
Good Member
Good Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 455
Registriert: 17.03.2004
Sa 3. Dez 2005, 11:42 - Beitrag #4

Schönes Apell ;)

Das stimmt schon, dass alle diese Entführungen ihren politischen Sinn verfehlen, weil nämlich keins der Heimatländer der Entführten sich wirklich Gedanken um die Situation im Irak oder über die politischen Forderungen macht, sondern einfach nur hofft durch Geld ihre Leute wieder frei zu bekommen. Aber man kann ja auch eigentlich nicht erwarten, dass ein Land seine ganze Aussepolitik für das Leben eines einzelnen Menschen ändert...

Ich glaube den Entführern ist es egal ob ihre Opfer arabisch sprechen oder nicht, das wichtgste ist, dass ihre Entführung in ihren Heimantländern Aufmerksamkeit erregt, und das hat ja gut "geklappt", wie man in allen Nachrichten sieht :rolleyes: .

P.S.:Und eigentlich frage ich mich überhaupt, warum so viel Traram darum gemacht, es ist ja nur ein Menschenleben (bzw. eigentlich zwei, aber über den zweiten Mann wird selten etwas gesagt), und es sterben jeden Tag Menschen, ist das Leben bzw. Tod dieser Frau "wertvoller" als der der verbrannten Obdachlosen? Das jemand sich die Gedanken über den politischen Hintergrund macht, wage ich zu bezweifeln, es ist wohl eher einfach "spektakulär" :rolleyes: ...

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Sa 3. Dez 2005, 11:43 - Beitrag #5

Frau Osthoff ist Archäologin, Feuerkopf. Archäölogen helfen vor Ort nicht im Sinne von Ärzten oder Katastrophennothilfe, sie "helfen" die musealen Schätze aus dem Boden zu holen, auf daß diese dann in unseren Museen verschwinden.

Es ist ziemlich offensichtlich so, daß eine große Anzahl von Menschen im Irak nicht daran interessiert sind, einem modernen, aufgeklärten Islam Tür und Tor zu öffnen. Das ist aus unserer Sicht - auch meiner - bedauerlich, bleibt aber trotzdem Fakt. Ich denke, sehr viel weiter braucht man nichtzu suchen, um das Motiv zu finden.

Malte, ich würde nicht für die Morde beten, sondern dafür, daß die Vorstellungen dieser Menschen in einen gewaltlos herbeigeführten echten Gesellschaftskonsens angemessen mit einfließen können, und dafür,d aß dieser Konsens ohne die militärischen und wirtschaftsimperialen Einflüsse ausländischer Militärmächte zustande kommen kann.

/edit dem stimme ich zu, Elbereth^^

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Sa 3. Dez 2005, 13:15 - Beitrag #6

Erlaube, dass ich dich korrigiere, Ipsi.

Wenn du mal dieses Portrait von Susanne Osthoff lesen möchtest...

Die Frau ist kein weiblicher Indy Jones, sondern durchaus engagiert.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 3. Dez 2005, 14:55 - Beitrag #7

Ipsi, grundsätzlich hast Du recht, eine Entschuldigung für die Einmischung wäre angemessener.
Allerdings, ich glaube, in diesem Falle geht das fehl, denn Frau Osthoff ist vor allem auch durch humanitäres Engagement hervorgetreten.
Und wenn ich den Medien glauben darf, ist gar nicht mal klar, daß es sich bei den Entführern um Sachwalter der irakischen Identität und Souveränität handelt (wobei ich damit auch bei den Leuten Sarkawis sehr vorsichtig wäre, ich halte sie eher für Terroristen im religiösen Gewand, aber das nur nebenbei), oder schlicht um Banditen, die mit einer westlichen Geisel schnelles Geld machen wollen.

Die Maschine
Experienced Member
Experienced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 505
Registriert: 21.04.2005
Sa 3. Dez 2005, 15:04 - Beitrag #8

Nur mal so ne Frage kurz nebenbei:

Haben die Entführer eigentlich schon/noch andere Forderungen gestellt, außer dass die Bundesrepublik nicht weiter die irakische Regierung unterstützen soll?

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 3. Dez 2005, 16:14 - Beitrag #9

Der Berliner Zeitung nach (zitiert nach Spiegel online) ist es wohl noch etwas unklar, was die Entführer wollen und wer sie sind.
Es gab ja vor ein paar Tagen ein Video, dessen Echtheit aber wohl unklar ist.
Insofern ist es auch möglich, daß etwaige bekannt werdende Forderungen nur von Trittbrettfahrern aufgesetzt sind.
Ich halte aber das jetzt von allen CDU-Fritzen im Lande ausgegrabene Terror-Warnschild für nicht ganz passend, es ist die verdammte Pflicht einer Regierung, alles zur Freilassung einer entführten Bürgerin unseres Landes zu tun. Daß zeitgleich 8 Leute in einem Bus weggebombt wurden, um die sich keiner kümmert, ist entsetzlich, kann aber für mich nicht bedeuten, jemandem nicht zu helfen, dem geholfen werden kann.
Klar, aber, daß das procedere dazu selbst außerhalb der Öffentlichkeit laufen muß, um nicht weitere Entführungen und Anschläge zu provozieren.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 3. Dez 2005, 18:47 - Beitrag #10

Laut einer ARD-Meldung, die sich aber vor allem auf Berichte von Spiegel und Focus stützt, gibt es zwei politische Forderungen: Deutschland soll
die "Zusammenarbeit mit der kollaborierenden Regierung des Iraks" beenden und die "Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte" einstellen

Die Beraterfirma FaktorM., für die sie dort am Aufbau des Gesundheitswesens arbeitete, hat ihre Profilseiten gelöscht - vielleicht als Teil einer Nachrichtensperre. Im Google-Cache finden sich die Informationen aber noch: hier ihr Lebenslauf, und hier der Artikel über die Verleihung des SZ-Preises für Zivilcourage an sie.

Susanne Osthoff hat einen Studienabschluss in vorderasiatischer Archäologie, Semitistik und Osteoarchäologie. Sie hat mehrere Studien- und Ausgrabungsreisen in die Türkei, nach Syrien, Tunesien, Jordanien, Algerien, Marokko, Ägypten, in den Irak und den Jemen unternommen und dabei eingehende Landes-, Kultur- und Sprachkenntnisse des arabischen Raums erworben. Sie war viele Jahre als Reiseleiterin für mehrere Länder des arabischen Sprachraums tätig. Seit 1991 organisiert und unterstützt sie Hilfsgüterübermittlungen in den Irak.

Seit 1998 arbeitet sie als Beraterin, Organisatorin und Trainerin für faktorM. im Bereich Interkulturelles Management. Sie betreut ausländische Patienten in Einrichtungen des Bayerischen Gesundheitswesens und initiiert, koordiniert und berät Projekte zum Aufbau des Gesundheitswesens im Irak.

„Meine Stärken sind die verhandlungssichere Kenntnis der arabischen Sprache, die Vertrautheit mit der arabischen Gesellschaft und Kultur und die langjährige Erfahrung in interkulturellen Hilfs- und Aufbauprojekten.“

Artikel der Süddeutschen Zeitung über die Projekte von Susanne Osthoff:



  • Bild Lebenszeichen aus Bagdad, Glonnerin berichtet am Telefon von ihrer Irak-Hilfe, SZ 7. April 2003 (PDF-Datei, 8 kB)
  • Bild Die Nippur-Connection, Aus der Not eine Untugend machen: Raubgräber verwüsten die archäologischen Stätten im Irak, SZ 12. Juli 2003 (PDF-Datei, 14 kB)
  • Bild Medikamententransport unter Granaten, Susanne Osthoff aus Glonn erreichte als Erste das umkämpfte Bagdad, SZ 21. Februar 2004 (PDF-Datei, 8 kB)
  • Bild Hüterin der Vergangenheit und Zukunft, Die Archäologin Susanne Osthoff organisiert Hilfstransporte im Irak und rettet Altertümer vor Plünderungen, SZ 12. März 2004 (PDF-Datei, 11 kB)
  • Bild Auf jeder Fahrt lauert der Tod, Susanne Osthoff hilft unter Einsatz ihres Lebens den Notleidenden im Irak, SZ 20. März 2004 (PDF-Datei, 12 kB)
  • Bild Sehnsucht nach Frieden für den Irak, Archäologin Susanne Osthoff aus Glonn erhält für ihren Einsatz in den Kriegsgebieten den SZ-Preis für Zivilcourage, SZ 27./28. März 2004 (PDF-Datei, 11 kB)
  • Bild Traditionelle Musik aus Bagdad, SZ 27./28. März 2004 (PDF-Datei, 5 kB)
Mit freundlicher Genehmigung der Süddeutschen Zeitung und der DIZ München GmbH. © Süddeutsche Zeitung und DIZ München GmbH

Auch der Artikel klingt sehr vernünftig; sie betont ihre Absicht, dem Land die Würde wiederzugeben, den Menschen Hoffnung und Selbstbewußtsein.

Daraus wird nun wirklich deutlich, daß dein Beitrag
Zitat von Ipsissimus:Archäölogen helfen vor Ort nicht im Sinne von Ärzten oder Katastrophennothilfe, sie "helfen" die musealen Schätze aus dem Boden zu holen, auf daß diese dann in unseren Museen verschwinden.
geringfügig an der Sache vorbeigeht. Übrigens "verschwinden" heutzutage die wenigsten "Schätze" in unseren Museen, tatsächlich basieren Grabungen schon seit dem frühen 20. Jahrhundert üblicherweise auf internationalen Abkommen, die fast grundsätzlich vorsehen, daß die Funde im Land bleiben. Die Archäologen gewinnen davon also "nur" Erkenntnis und Ansehen. Und ohnehin sind die für die Forschung interessantesten Funde materiell meistens völlig wertlos (und auch für den Betrachter wenig reizvoll) - z.B. kleine Scherben mit Nahrungsrückständen, die vielleicht durch die Zusammensetzung des Tons verraten, woher sie stammen und was für Handelsbeziehungen damals bestanden etc. - das Indiana-Jones-Berufsbild ist eine reichlich realitätsferne Projektion.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
So 4. Dez 2005, 03:23 - Beitrag #11

und selbstverständlich sehen alle Iraker die Welt und die Menschen so, wie sie in unseren Medien dargestellt werden ... dann ist das Ganze wirklich unverständlich.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 4. Dez 2005, 03:43 - Beitrag #12

Ipsi, das klingt ein wenig nach einer grundsätzlichen Doktrin der Nichteinmischung, indem selbst humanitäre Maßnahmen als Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte anderer Völker angesehen werden.

Das ist ein interessanter Gedanke, der mich schon eine Weile bewegt. Europa hat 1000 Jahre, den 30jährigen Krieg und die Aufklärung gebraucht, um zur Erkenntnis des gesellschaftlichen Gewinns durch individuelle Freiheitsrechte zu gelangen.
Brauchen vielleicht andere Völker oder Kulturräume auch diese Zeit, richten wir Schaden an, wenn wir ihnen die Verwerfungen dieses Prozesses ersparen wollen, indem wir sie per crashKurs zur Demokratie bringen wollen?
Nur, müßten wir dann nicht auch konsequent auf Handel mit ihnen verzichten?

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 4. Dez 2005, 03:56 - Beitrag #13

Und könnte man dann überhaupt Kontakte irgendeiner Art zulassen? Etwa die Vorgänge im anderen Land beobachten? Schließlich (siehe Elementarphysik) bedeutet jede Beobachtung auch eine Veränderung des Zustands. Wir sollten also versuchen, die Völker in Unkenntnis unserer Existenz zu halten, um die Entwicklungsprozesse nicht zu verfälschen und die kulturelle Eigenständigkeit zu gewährleisten.

[zynisch] Und in diesem Zusammenhang bloß nicht zu vergessen sind die furchtbaren Auswirkungen, die Hilfsgüter im Krisenfall auf ein Volk haben, schließlich wird ihm damit die Möglichkeit genommen, durch die Urerfahrung eines Massensterbens seine Gesellschaft individuell zu entwickeln. Vielleicht ist hier auch auf die Schädelkunstwerke der roten Khmer zu verweisen, oder die zukunftsweisenden ethnischen Säuberungen in Ruanda, die einen sehr selbständigen Lösungsvorschlag von Problemen bedeuten, den die jeweiligen Völker dank eher geringer Einmischung des Westens unbehelligt entwickeln konnten.[/zynisch]

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 4. Dez 2005, 04:09 - Beitrag #14

Lykurg, zwei Herzen schlagen, ach, in mir, und eines folgt dem was Du schreibst.
Nur gibt es eine Tradition des westlichen es-Besser-zu-wissen-meinens, die in Verbindung mit Raffgier zu manchen der Probleme mit geführt hat, die wir heute humanitär zu beheben suchen.
Eine Tradition, die teilweise zu Mißtrauen geführt hat, das ich durchaus verstehen kann.
Wie weit das reicht, wie man ihm begegnen kann, wo Hilfe vielleicht wirklich mehr hindert als hilft, das versuche ich zu verstehen. Und deshalb die Frage.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
So 4. Dez 2005, 10:30 - Beitrag #15

Dass Hilfe früher aus eigennützigen Interessen bestand und Schaden angerichtet hat, heißt ja nicht, dass das zur Definition von Hilfe gehört. Man kann also imo durchaus helfen und dabei mehr nützen als schaden ^^
Ich denke, dass viele auch im Irak die Arbeit dieser Frau begrüßt haben - Zumindest die, die ihre Einrichtung genutzt haben, werden dies wohl freiwillig und vermutlich freudig getan haben. Wenn dann andere (seien sie in der Überzahl oder Minderheit) ihnen diese Hilfe verwehren wollen, ist das imo kein Grund, die Hilfe tatsächlich zu verwehren. Zumindest nach allgemeinen westlichen Wertevorstellungen sollte Hilfe da geleistet werden, wo sie gebraucht und auch angenommen wird, was ja hier offensichtlich der Fall war.
Sich von Entführern und Terroristen davon abhalten lassen, denen zu helfen, die Hilfe brauchen und wollen, sollte zumindest nach meinem Empfinden vermieden werden.

@langsame Entwicklung: Ich denke, man hätte auch Babys von vor 2000 Jahren in unserer Kultur erziehen können und sie hätten es als selbstverständlich angesehen. Die Erfahrungen, die unsere Vorfahren gemacht haben, erleben wir ja nur in ihren Folgen für den jetzigen Zustand und vielleicht im Geschichtsunterricht. Deswegen meine ich, wenn man eine Generation oder zwei wirklich drängen würde, sich dem "zivilisierten" Teil der Welt anzupassen oder anzunähern, ihnen aber auch helfen würde, die ungefährlichen Teile ihrer Kultur zu bewahren, würde die dritte Generation sich damit zurechtfinden können.
Natürlich nur, wenn keine Bürger/-Kriege oder ein plötzlicher Stop in der Unterstützung dazwischen kommt, der sie wieder zurückwerfen würde.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
So 4. Dez 2005, 11:48 - Beitrag #16

der Heiligsprechung der Frau Osthoff in deutschen und vielen internationalen Medien liegt ein fundamentaler Irrtum zugrunde, von dem ich mehr und mehr geneigt bin anzunehmen, daß er - politisch funktionalisiert - mit Bedacht in Szene gesetzt wird.

Aus dem Umstand, daß die Iraker möglicherweise tatsächlich Hilfe auch von uns benötigen und annehmen, folgt nicht, daß sie uns mögen oder achten; dies folgt um so weniger, je mehr eine derjenigen, die diese Hilfe vermitteln, aus Sicht des normalen orthodoxen Moslems sich wie ein wandelndes Skandalon aufführt, das im Gewande der Hilfe gleich noch unerbetene Güter weltanschaulicher Art mittransportiert.

Es mag uns nicht gefallen - und es gefällt mir nicht - aber es gilt zumindest zur Kenntnis zu nehmen, daß Frauen im Irak und anderen fundamental moslemischen arabischen Gesellschaften in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Insofern ist Frau Osthoff, bei aller persönlichen Nettheit, zu deren Vorhandensein ich nichts aussagen kann, ein permanenter Affront für mehr als nur ein paar Iraker.

Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, daß die Geschichte der meisten Geiselnahmen westlicher Geiseln in umkämpften Ländern dazu geführt hat, daß der konkrete Mensch, der da entführt wurde, in der Öffentlichkeit durch ein Zerrbild ersetzt wurde, welches darauf hinausläuft, daß da der "gütigste, netteste, mutigste, hilfsbereiteste" usw. Mensch von allen Opfer wurde.

Ich denke, daß dieser Mechanismus dafür benötigt wird, um die Attitude der verwunderten Ungläubigkeit - "Wie konnte es nur so einen guten Menschen treffen, das ist ja völlig unverständlich - plausibel aufrecht erhalten zu können.

/edit wozu diese Attitude benötigt wird? Nun, um der breiten Öffentlichkeit ein stabiles psychologisches Fundament für die Sicherheit zu geben, daß bei uns, in unserem Verhalten und unserer Sicht der Dinge, keinesfalls änderungswürdige Gründe für das Geschehene zu finden sind

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
So 4. Dez 2005, 12:25 - Beitrag #17

Ich finde schon, dass wenn man Hilfe bringt, die gewünscht ist, man dazu nicht seine eigenen Bräuche ablegen sollen muss - wenn mir einer einen Gefallen tut, verlange ich auch nicht, dass er zuerst meine politische und moralische Gesinnung annehmen muss.
Und ich finde auch, dass man die Iraker - so fromm auch ihre Motivation sein mag - dazu bewegen sollte, sich an den Anblick unverschleierter Frauen in der Öffentlichkeit zu gewöhnen. Hier setze ich einfach meine eigenen Grundsätze absolut und sage, dass jeder Mensch gleichberechtigt sein sollte, mag das auch (noch) an der Faktizität der Umstände scheitern.
Wenn man dann trotzdem noch verschleiert herumlaufen möchte, bitte, aber zumindest das Recht sollte vorhanden sein.

Hilfe durch eine Frau zu bringen - es werden wohl nicht NUR Frauen helfen - sollte daher imo nicht als Affront verstanden werden. Und wenn doch, muss sich ja niemand helfen lassen, dann werden die Frauen schon wieder gehen.

Mag auch sein, dass die Person/en der Entführten verherrlicht werden, aber da sie bei einer Hilfsorganisation tätig ist, wird sie wohl kaum Graffitis mit "f**k Allah" an die Wand sprayen oder ähnliches. In jedem Fall halte ich sie für einen Menschen, dessen Leben einfach mehr wert sein sollte als die tradierte Abwertung eines Geschlechts.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 4. Dez 2005, 13:34 - Beitrag #18

In dem Punkt hast du recht, Ipsi, das Subjekt wird immer als Repräsentanz wahrgenommen und anhand bestehender Schemata bewertet. Wenn Frau Osthoff zum Islam konvertiert ist, mag das aus unserer Sicht ein großer Schritt in Richtung der Iraker sein, aus deren Sicht kann sie durch ihr öffentliches Auftreten, teils auch unverhüllt, als schlechte Muslima angesehen werden.

Müßte das dann aber nicht bedeuten, daß in islamischen Ländern nur Männer als Ausgräber und Helfer in Frage kommen?

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
So 4. Dez 2005, 16:37 - Beitrag #19

Leute,
wir reden vom Irak, da sind viele Frauen gut ausgebildet und arbeiten auch.
Selbst im Iran ist die Situation nicht mehr so schlimm.
Frau Osthoff kennt sich seit Jahrzehnten gut mit Land und Leuten aus.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 4. Dez 2005, 17:20 - Beitrag #20

Feuerkopf, ja, es gibt gut ausgebildete Frauen im Irak und große Kreise, die dies für modern und selbstverständlich halten.
Es gibt aber wohl auch noch Bevölkerungskreise, die man nach Bayern eingemeinden könnte, in dem Sinne, daß für sie die Frau ins Haus gehört.

Und es gibt eingedrungene Kräfte, die diese Haltung weiter propagieren und für eigene, recht unheilige Ziele nutzen wollen.

Für mich bemerkenswert ist, daß eine religiöse Respektsperson (hab gerade vergessen, wer genau) öffentlich gegen die Entführung eingetreten ist.
Vielleicht manifestiert sich hier eine interne Differenz zwischen den einheimischen Autoritäten und den eingedrungenen Kräften (Sarkawi usw.)

Nächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste

cron