Scharons Schlaganfall

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Traitor
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Do 5. Jan 2006, 20:48 - Beitrag #1

Scharons Schlaganfall

Nach einem zweiten Schlaganfall ist der Zustand des israelischen Ministerpräsidenten weiterhin kritisch, auch wenn er überlebt, wird er wohl kaum weiter Politik betreiben können.

Wie wirkt sich dies nun auf die Parteienlandschaft und auf den Konflikt mit den Palästinensern aus? Ohne Scharon ist sehr fraglich, ob seine neue Partei den bisher prognostizierten Wahlsieg schafft. Und dann steht zu befürchten, dass der durch Abwanderung der gemäßigten Kräfte weit nach rechts gedriftete Likud gewinnt.

Ironie des Schicksals, dass man jetzt um Scharon bangt, um wenigstens etwas vom Friedensprozess zu retten. War er doch lange dessen größter Feind...

Die Maschine
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Fr 6. Jan 2006, 00:01 - Beitrag #2

Nun heute morgen (oder wars mittag?) hat der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland Avi ??? die Vermutung aufgestellt, dass einige von Scharons Partei ins alte Lager zurückkehren, wenn auch nicht alle.

Er geht auch davon aus, dass das Volk eher links als rechts wählt, da es eine gemäßigte Politik befürworte.

Es bleibt abzuwarten, was denn jetzt die nächsten Tage bringen.

teut
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Mo 9. Jan 2006, 17:34 - Beitrag #3

Frage???

Ist eine rechte Partei außerhalb Deutschlands(z.B.in Israel) nur halb so bemerkenswert wie in Deutschland?Oder ist es vielmehr so dass bei uns alles was angeblich rechts ist(oder was immer das ist)böse ist und deshalb das linke bis linksrabiate Denken und Handeln so breiten Raum bekommt,zu unser aller Schaden???

Ipsissimus
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Mo 9. Jan 2006, 17:44 - Beitrag #4

dass bei uns alles was angeblich rechts ist(oder was immer das ist)böse ist


die links/rechts-Unterscheidung stammt aus der Zeit um die französische Revolution, als in der französischen Nationalversammlung die Anhänger der bürgerlichen Revolutionäre links und die Anhänger des Adels rechts vom Rednerpult saßen

allgemein könnte man den Unterschied so fassen, daß Linke das Wohl einer Nation durch weniger Staat und staatliches Reglement, Rechte durch mehr Staat und staatliches Regelement gewährleistet sehen

ich denke nicht, daß das primär mit "böse" zu tun hat, sondern mit Angst; aus Angst verlangen Rechte mehr Reglement, was wiederum zu weniger Freiheit führt. Mir ist dies als Preis für die Pseudosicherheit, die damit erkauft wird, zu hoch.


was Scharon angeht: dieser alte, beschissene Hardliner ist nur angesichts der Alternativen die bessere Alternative, welche Art von Demenz auch immer ihn dazu geführt haben mag, sein politisches Lebenswerk (Apartheit in Israel) wieder zu demontieren. Das spricht nicht wirklich für Scharon

Lykurg
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Mo 9. Jan 2006, 18:10 - Beitrag #5

allgemein könnte man den Unterschied so fassen, daß Linke das Wohl einer Nation durch weniger Staat und staatliches Reglement, Rechte durch mehr Staat und staatliches Regelement gewährleistet sehen
Das sehe ich ganz und gar nicht so, weder in den Extrempositionen (Sozialismus vs. Diktatur/Monarchie), in denen jeweils eine zentrale Verwaltung jegliche Macht innehat und der Eigentumsbegriff auf gesetzlichem Weg oder durch Gesetzlosigkeit quasi aufgehoben wird; noch in den gemäßigten Spielarten unseres politischen Alltags, man vergleiche die FDP diesbezüglich mit der SPD. Die CDU ist allerdings ungefähr genauso regulierungsfreudig^^ wie die Grünen. Aber die von dir genannte Tendenz kann ich darin nicht erkennen.

Und die "Art von Demenz", die du Scharon unterstellst, war immerhin der erfolgversprechendste Vorgang im Friedensprozeß seit dem Jom-Kippur-Krieg. Wohl kaum ein Vertreter der israelischen Linken hätte den Rückzug aus dem Gazastreifen, von den Golanhöhen und aus Teilen des Westjordanlandes gegen die ultrarechten Siedler durchsetzen können. (Genau wie konservative Regierungen in aller Welt üblicherweise mehr Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften haben, was dazu führt, daß Sozialreformen "von links" leichter durchzusetzen sind. Dann aber auch weniger bewirken.^^[size=84])[/size]

Ipsissimus
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Di 10. Jan 2006, 11:27 - Beitrag #6

OT

darauf zu antworten, würde ziemlich weit vom Thema wegführen; wenn es interessant genug ist, kannst du ja mal nen Thread dazu eröffnen. Nur kurz gefaßt:

zweifellos gibt es Unterschiede zwischen "Rechten" und "Liberalen", historisch, entwicklungsgeschichtlich, mental. Ich tue mir nur schwer, diese wirklich zu würdigen^^ aus meiner Sicht der Dinge sind es seit der Wiege der Zivilisation in Mesopotamien, Indien und China vor allem die Kaufleute gewesen, die den Ausbau der staatlichen Regelungs- und Überwachungssysteme vorangetrieben haben, einfach deswegen, weil derart der Besitzschutz leichter fiel. Die Liberalen haben seit ihrer Existenz ja auch keineswegs den Abbau staatlicher Regelung und Normierung im Sinn, sondern deren Umgestaltung dahingehend, daß als hemmend empfundene Regeln - die zwar einigermaßen für einen akzeptablen Wohlstandsgradienten sorgen, aber der Optimierung des Besitzstandes des Einzelnen entgegenwirken - daß diese als hemmend empfundenen Regeln aufgehoben werden, gleichzeitig aber die Schutzregeln ins beliebig Ungeheuere verstärkt werden.

Sprich, die Liberalen haben keineswegs das Wohl des Sozialgefüges im Sinn, sondern die Optimierung des Wohls des sowieso schon Starken, und kommen bei der Verwirklichung dieses Zieles durchaus zu Positionen, die als "rechts" aufzufassen sind. Forderungen wie "mehr Verantwortung für den Einzelnen, weniger staatliche Eingriffe" laufen imo ausschließlich darauf hinaus, den Reichen das Verlassen der Solidargemeinschaft zu ermöglichen, wo es für diese nützlich ist, und die Last bei den sowieso schon Schwachen zu belassen - und dies unter dem Schutz staatlicher Regelung.

OT aus


Scharon - Hardliner, Falke, ausgewiesener Krimineller, äußerst geschickt darin, politische Wechselfälle und Winkelzüge für sein politisches Überleben auszunutzen. Der Abzug der Siedler wird ihm noch den Friedensnobelpreis einbringen (oder hat er ihn schon?^^), faktisch aber nichts ändern, da auch die Ultraorthodoxen seines Landes sehen können, daß das Bomben und Töten der Israelis im Gazastreifen und im Westjordanland weitergeht und die berechtigte Hoffnung haben, daß das Ganze ein äußerst geschickter Schachzug war, der den internationalen Druck auf Israel massiv verringerte und letztendlich wahrscheinlich dazu führen wird, daß Israel den Palästinensern ein gut Stück Land mehr abnehmen kann, als vorher realistisch zu erwarten war^^

Lykurg
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Do 26. Jan 2006, 12:27 - Beitrag #7

Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten

Die ersten Wahlen seit zehn Jahren haben offenbar ein für den Friedensprozeß extrem unangenehmes Ergebnis erbracht. Wie ich in der Welt eben las, hat die Hamas offensichtlich eine deutliche Mehrheit erhalten.
Die Pressekonferenz zur Bekanntgabe erster Ergebnisse wurde auf Drängen der Fatah auf 19.00 Uhr (18.00 MEZ) verschobenen, hieß es. Hamas-Vertreter erklärten, sie hätten eine absolute Mehrheit der 132 Sitze.
Eine Hoffnung auf Besserung könnte daraus wohl nur lesen, wer meint, daß, da Scharon den Friedensprozeß weiter vorangebracht hat als die meisten seiner Vorgänger, zwangsläufig Hardliner die besseren Verhandlungspartner sind. :crazy:

Mir stellt sich aber, daher in diesem Thread, die Frage, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Schlaganfall und Wahlergebnis besteht. Was meint ihr dazu?

janw
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Do 26. Jan 2006, 12:50 - Beitrag #8

Naja, wenn Scharon jetzt auch aus dem Verkehr ist, dann ergibt sich auf der israelischen Seite die Möglichkeit, daß jüngere, weniger vorbelastete Leute, die mehr auf Ausgleich aus sind, nach oben kommen. Immerhin sind gar nicht so wenig Leute in Israel der Meinung, der Staat müsse mit den palästinensern eine gerechte Lösung finden, die Orthodoxen und die Zionisten sind meins Wissens in der Minderzahl mittlerweile.

Was die Wahl bei den Palästinensern betrifft...wenn ich es richtig sehe, hat dort vor allem die Opposition gewonnen, die zweite große Kraft neben der bisher regierenden Fatah. Das muß nicht unbedingt mit Scharon zu tun haben.

Es wird IMHO für die Hams eine Prüfung sein, wie sie es nun in praxi halten mit ihren doch milderen Äußerungen der letzten Zeit. Ob sie wirklich bereit und in der Lage sein werden, das Existenzrecht Israels als Grundwert in der Bevölkerung zu verankern, die radikalen Leute zu entwaffnen und mit Israel eine gerechte Lösung zu finden - die dann auch eine "Friedens-Dividende" generieren muss.

Im Prinzip kann die Hamas aber nicht anders als dies zu versuchen, denn daran hängt ihre Akzeptanz und Unterstützung auch von der EU, und die ist einer der wesentlichen Unterstützer der palästinensischen Verwaltung.

Lykurg
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Sa 28. Jan 2006, 17:12 - Beitrag #9

Wie ich eben las, ist eines ihrer ersten Projekte jetzt der Aufbau einer palästinensischen Armee. :rolleyes:
Aber der Spiegel sieht ganz massive Probleme: einerseits sind die Polizeitruppen nicht auf den Staat (den es ja so auch nicht gibt) vereidigt, sondern auf Arafat bzw. auf die jetzt abgewählte Fatah, die - beleidigt über ihre Wahlniederlage - gerade den Waffenstillstand mit Israel gekündigt hat. Und zum anderen droht ein massiver Rückgang der internationalen Hilfsgelder - dazu kommt auch noch, daß ein Großteil der Wirtschaftskraft von dort ansässigen NGOs abhängt, die sich zurückziehen müssen, wenn die Lage sich verschärft. Ein palästinensischer Geschäftsmann wird zitiert, der vermutet, daß die Notwendigkeit einer Alleinregierung in so schwieriger Lage der Hamas politisch erheblich schaden könnte.

Dazu kommt ja noch das Korruptionsproblem, wohl der wesentliche Grund für die Abwahl der Fatah; und vielleicht die einzige Wirtschaftsform, die dort dauerhaft blüht...

Ipsissimus
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So 29. Jan 2006, 11:51 - Beitrag #10

soweit ich Spiegel verstanden habe ist es nicht die Fatah als ganze, die den Waffenstillstand gekündigt hat, sondern einzelbe Al'Aksha-Brigaden.

ich würde mich auch hier freuen - und winke hinsichtlich meiner eigenen naiven Erwartung resigniert ab - wenn es möglich wäre, diese ganze Geschichte aus mehreren Perspektiven zu bewerten, nicht immer nur einzubeziehen, was derartige Vorgänge für UNSERE Zielvorstellungen und Maßnahmen bedeuten, sondern mal zu verstehen, WARUM die Leute dort so gewählt haben. Demokratie wird immer wieder ganz klein geschrieben, wenn die Resultate nicht in unser Weltbild passen.

Daß die Hamas idiotisch vorgeht, ein derartiges Vorhaben derart zu propagieren, steht außer Frage. Aber nach wie vor, dort wird zunehmend weniger nach unseren Regeln gespielt, und die Lösung auch des Problems "Hamas" wird möglicherweise der Ausrottung der Palästinenser gleichkommen, denn die Hamas ist - in gewisser Weise - die Stimme des Volkes. Zumal man nicht vergessen darf, daß auch die Fatah gespalten ist, und der "politische" Teil nur mit äußerster Mühe den militanten Teil in Schach gehalten hat.

Und ja, ich sehe darin eine direkte Verantwortlichkeit des Westens infolge einer völlig verfehlten westlichen Nahost-Politik

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So 29. Jan 2006, 12:07 - Beitrag #11

Zitat von Ipsissimus:soweit ich Spiegel verstanden habe ist es nicht die Fatah als ganze, die den Waffenstillstand gekündigt hat, sondern einzelbe Al'Aksha-Brigaden.

ich würde mich auch hier freuen - und winke hinsichtlich meiner eigenen naiven Erwartung resigniert ab - wenn es möglich wäre, diese ganze Geschichte aus mehreren Perspektiven zu bewerten, nicht immer nur einzubeziehen, was derartige Vorgänge für UNSERE Zielvorstellungen und Maßnahmen bedeuten, sondern mal zu verstehen, WARUM die Leute dort so gewählt haben. Demokratie wird immer wieder ganz klein geschrieben, wenn die Resultate nicht in unser Weltbild passen.

Daß die Hamas idiotisch vorgeht, ein derartiges Vorhaben derart zu propagieren, steht außer Frage. Aber nach wie vor, dort wird zunehmend weniger nach unseren Regeln gespielt, und die Lösung auch des Problems "Hamas" wird möglicherweise der Ausrottung der Palästinenser gleichkommen, denn die Hamas ist - in gewisser Weise - die Stimme des Volkes. Zumal man nicht vergessen darf, daß auch die Fatah gespalten ist, und der "politische" Teil nur mit äußerster Mühe den militanten Teil in Schach gehalten hat.

Und ja, ich sehe darin eine direkte Verantwortlichkeit des Westens infolge einer völlig verfehlten westlichen Nahost-Politik


Wie meinst du das mit der Verantwortlichkeit. Wenn es kein Geld mehr gibt für die Palistinänser werden sowiso kleinere Brötchen gebacken.

Ipsissimus
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So 29. Jan 2006, 12:36 - Beitrag #12

Verantwortlichkeit? Die Nichtbeachtung des Faktes, daß im britischen Mandatsgebiet Palästina seit 2000 Jahren Leute wohnten, denen zwecks Gründung des Staates Israel ihr Land weggenommen wurde; danach die völlig einseitige Unterstützung Israels zu lasten der Palästinenser.

Was du über das Brötchenbacken sagst - glaubst du, dort würden in den letzten 50 Jahren große Brötchen gebacken? Der Inhalt deiner Frage gibt der üblichen Arroganz des Westens ziemlich guten Ausdruck

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So 29. Jan 2006, 12:52 - Beitrag #13

[quote="Ipsissimus"]Verantwortlichkeit? Die Nichtbeachtung des Faktes, daß im britischen Mandatsgebiet Palästina seit 2000 Jahren Leute wohnten, denen zwecks Gründung des Staates Israel ihr Land weggenommen wurde]

Ich sage nur wenn die Palitinänser kein Geld kriegen, und das wird so kommen wenn sie so weitermachen, kriegen sie kein Geld von den westlichen Staaten. Ich sage ja nicht das sie je im Überfluß gelebt hätten. Die Welt sind allen Juden hörig daher kein Geld.

Ipsissimus
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So 29. Jan 2006, 13:09 - Beitrag #14

Die Welt sind allen Juden hörig


eieieieiei

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So 29. Jan 2006, 13:22 - Beitrag #15

Zitat von Ipsissimus:eieieieiei


Das du das nicht falsch verstehst. Ich bin kein Fascho nur ein real denkender Mensch.

Ich weiß was für einen Mist mit den Juden gemacht haben. Nur sollten wir uns nicht in Sack und Asche vergraben.

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So 29. Jan 2006, 13:37 - Beitrag #16

okay, trotzdem sind es nicht "die Juden"

Reiche und Mächtige, die Einfluss nehmen gibt es überall

janw
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So 29. Jan 2006, 13:56 - Beitrag #17

Zitat von Ipsissimus:Demokratie wird immer wieder ganz klein geschrieben, wenn die Resultate nicht in unser Weltbild passen.

Das Klang auch in einem Kommentar an in Tagesschau oder tagesthemen über die Reaktion von Bush auf das Wahlergebnis.
Der Fall, daß in einer demokratischen Wahl Leute gewählt werden, die nicht unserem Bild von Demokraten entsprechen, war quasi in den Köpfen nicht vorgesehen. Die Konfrontation mit den Ergebnissen der eigenen Wirklichkeitsverkennung ist vielleicht die größte Herausforderung, der usa begegnet - die Welt funktioniert nicht mehr so, wie man es sich im Pentagon und im Weißen Haus gedacht hat - wenn sie denn je wirklich so funktioniert hat.

Und genau daran krankt IMHO alles: Der Westen hat nach wie vor eine kolonialoide Einstellung zu den Völkern im Nahen Osten - "wir müssen" ihnen helfen, "damit sie ihre Probleme in den Griff bekommen". Probleme, die wir ihnen gebracht haben...Probleme, die wir teilweise selber hatten, vor 2 - 300 Jahren, auf die wir unsere Antwort gefunden haben auf schmerzhafte Weise, die aber nicht für alle anderen die ultimative Antwort sein muss - bzw. wenn selbst erarbeitet werden muss.
("Wir" im Sinne des Bewußtseins der westlichen classe politique)

Eine wirkliche Lösung ist IMHO nur zu erreichen, wenn Israel wirklich quantitativ auf jetzt beanspruchte Fläche verzichtet, im Prinzip sich in seinen völkerrechtlich zulässigen Rahmen zurück zieht, oder andernfalls sehr weitgehende Zugeständnisse an die Palästinenser macht - die Westbank für echtes Geld abkauft z.B., sehr viel Geld. Geld, das dann aber vernünftig angelegt werden müßte, um den Menschen zugute zu kommen.
Die Korruption auf der palästinensischen Seite ist natürlich ein Problem, aber eines, das vorrangig dort gelöst werden muss - und bei mehr Pluralismus auch wird. (Wir im Westen brauchen uns darüber auch gar nicht erregen, wesentliche Korruptionsanreize kommen gerade aus unserer Richtung, weltweit.)

Ob das Zusperren des Geldhahnes jetzt das richtige Mittel ist, ich glaube nein. Zum einen muss eine demokratisch legitimierte Regierung zunächst einmal akzeptiert werden. Dann würde eine Mittelverweigerung IMHO gleich das Verhältnis zu Israel weiter belasten, als vermutetem Motiv - damit den militanten Gruppen Auftrieb geben. Zudem ist die Frage, welche materiellen Konsequenzen das hätte - man sollte nicht unterschätzen, was an Mitteln aus der arabischen Welt nach Palästina fließt.

janw
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Di 31. Jan 2006, 02:06 - Beitrag #18

Zu dem "Judenproblem":
Ich denke, man sollte in der Sache nicht von "den Juden" sprechen, sondern von Israelis. Letztlich prallen der Staat Israel auf der einen und die Palästinenser bzw. die palästinensische Verwaltungseinheit und verschiedene palästinensische Gruppierungen auf der anderen Seite auf einander, in einem Problem, das ganz wesentlich historische Wurzeln hat, die nicht nur ausschließlich Holocaust heißen, sondern auch Mißachtung durch die britische Mandatsmacht und Wegsehen des Restes der Welt.

Würde z.B. die EU die Sache so betrachten, stünde ihr ein neuer Blickwinkel offen: Der Legitimität der Forderung nach Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel und nach Achtung der Lebenrechte der Israelis stünde die Forderung nach Wahrung der Rechte der Palästinenser gleichrangig gegenüber - was derzeit eher einseitig betrachtet wird: man macht es sich zu einfach, wenn man von der Hamas fordert, sofort ultimativ ihren Teil der Pflichten zu erfüllen und andererseits zusieht, wie jeden Tag Grundrechte der Palästinenser mißachtet werden.
Daniel Barenboim hat darauf hingewiesen, daß 85% der Palästinenser unter 33 Jahren alt sind, das ist eine ganze Generation in dem Alter, in dem mensch "etwas schaffen" will, der die Bildung und die Mittel dazu permanent verwehrt werden, jeden Tag.

Maglor
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Di 31. Jan 2006, 16:15 - Beitrag #19

Ich denke die Tatsache, dass die Israelis Juden sind, ist gar nicht so entscheidend wie die Tatsache, dass die Israelis im Grunde doch Europäer sind. Das ist denke ich auch der wahre Grund dafür, warum Europäer und Nordamerikaner im Zweifel doch immer auf Seiten Israels stehen.

Ich denke letztlich wird das bloße Mengenverhältnis den Israelis zum Verhängnis. Das Bevölkerungswachstum ist in Palästina bedeutend höher und irgendwann wird es so viele Palästinenser geben, dass der Staat Israel nicht mehr dazu in der Lage ist, sie zu bändigen. Selbst die gemäßigten Palästinenser werden sich wohl kaum damit abfinden, dass eine Minderheit den größeren Teil des Landes für sich behält. Die Radikalen hingegen werden natürlich ihre Drohung war machen und "die Juden zurüück ins Meer jagen."
Und dann kommen sie wieder dahin, wo sie herkommen: Nach Europa!
MfG Maglor


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