Oje, ein Interview, das tief blicken läßt. In die Arbeitsweise einer wichtigen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenredaktion. In die Realität deutscher Entwicklungszusammenarbeit. In die Fixiertheit von Weltbildern in den Medien - Relikten, wie es scheint, aus einer Zeit, da andere Kulturen noch Attraktionen waren auf Jahrmärkten, nicht aber Entitäten, deren Eigenheiten und Bedingtheiten besonderer Beachtung würdig waren.
Und in das Innere einer Frau, über die das alles hereingebrochen ist.
Ein Interview, in dem in meinen Augen alles schief gegangen ist, was schief gehen konnte. Aus Dummheit, um nicht Unfähigkeit vermuten zu müssen.
Aber mal von vorne an.
Da ist eine Journalistin, routinierte Frontfrau eines wichtigen Nachrichtenjournals im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen.
Eine Frau, die, wie ich sie sonst aus ihren Sendungen kenne, weiß, welche Informationen sie erfragen will, welche wichtig sind, und die weiß, wie sie an diese heran kommt.
Sie hatte Fragen, Fragen, die sich so auch viele stellten - wie waren die Umstände der Entführung, wer die Entführer, wie die Behandlung? Wie hat das Opfer das verkraftet, welche Auswirkungen hat die Entführung, auch für die Zukunft des Opfers?
Fragen, die ein Gerüst sein können, die sich aber nicht alleine stellen, nicht, wenn man besieht, wer da befragt wird.
Frau Osthoff ist nicht irgendwer, nicht ein verirrter Tourist, nicht ein Bürohengst auf einem zweijährigen Karriereaufstiegsplatz in Bagdad, der versehentlich verschleppt wurde.
Frau Osthoff ist langjährig im Lande tätig, betreibt eigenständig Projekte, zusammen mit und für die einfachen Menschen, die dort leben, zur Erhaltung ihrer Kultur, mit dem Ziel, diese mit Wert zu erfüllen. Dies ergibt sich für mich aus vielem, was in den letzten Tagen zu hören und zu lesen war, und auch aus dem Text des Interviews.
Sie hat die Kultur des Landes zu ihrer gemacht. Und sicher damit und mit ihrem entschlossenen Vorgehen manche hierzulande verstört.
Sie ist gewiß auch öfters mit den deutschen Behörden angeeckt, die, wie sich aus dem Interview erschließen läßt - wenn man das nicht schon nicht anders erwartet - eben doch nicht wirklich vertraut sind mit den Verhältnissen im Lande und sich eher gegenüber den heimischen Stellen verpflichtet fühlen, kameralistische Buchführung über Bedingungen eines Dritte-Welt-Landes stellen, unter denen eben Improvisation die Regel ist.
Und Frau Osthoff steht seit ihrer Entführung im Rampenlicht der Öffentlichkeit, einer Öffentlichkeit, die eigene Bewertungsmaßstäbe ansetzt, zwangsläufig unpassende, die sie in eine Position getrieben hat, in der sie sich verteidigen muss - gegen Anwürfe von Unwissenden.
All dieses hätte Marietta Slomka erkennen können, erkennen müssen und berücksichtigen. Dann wäre es selbstverständlich gewesen für sie, daß Frau Osthoff ganz andere Fragen wichtig sind, als wie sie die Entführung erlebt hat.
Oder was die Äußerungen ihrer Mutter ihr bedeuten.
Das Interview ist, vergleicht man den gesprochenen mit dem gedruckten Text, sprachlich alles andere als wirr. Es ist - eben nicht druckreif gesprochen.
Und Frau Osthoff antizipiert ungefragt die Unkenntnis der Journalistin und der Zuschauer und streift deshalb kurz wichtige Details des Landes, die erklären, warum sie überhaupt dort unterwegs sein mußte, zeigt damit auch, was ihr wichtig ist - das Weitergehen der Projekte zum Wohle der Menschen, nicht die eigene Betroffenheit durch die Entführung. Eigene Betroffenheit ist ihr nur da wichtig, wo sie sich mißverstanden und behindert fühlt, durch Behörden schon länger, durch Medien aktuell.
Die Journalistin war ganz offenbar unvorbereitet, nicht einmal über das Al-Djasira-Interview im Bilde. Und hinterher gleichfalls hilflos, als es um die Aufbereitung ging.
Anstatt das Interview zu nehmen wie es ist, und auf die Spezifika des Landes einzugehen, werden wichtige Passagen gestrichen mit der Begründung, sie seien "für den Zuschauer nicht nachvollziehbar" - der Zuschauer damit für dumm erklärt, anstatt ihm Aufklärungshilfe zu leisten.
Werden die sprachlichen Unglätten mit einem fast pathologischen Zustand der Frau Osthoff begründet, anstatt sie als selbstverständlich zu nehmen für einen Fernsehlaien unter Stress.
Werden zum Schluss noch die Motive für einen besonderen Dank fortgelassen, die doch so aufschlussreich sind.
Dagegen erfährt die ganze Republik, daß es offene Spannungen zwischen Frau Osthoff und ihrer Mutter gibt.
Das war kein Meisterstück, eines Interviews, noch eine Empfehlung für die Sendung überhaupt.
Selig, wer eine schnelle Intenetverbindung hat, denn er kann sich ein Bild davon machen, in welchem Umfang Information "gemacht" wird, und noch nicht mal gut.