Mit 25% meinte ich das vorliegen einer Transmitterstörung. Häufig genug ohne Symptomatik. Es dürften etwa 3 - 5 % aller Menschen, egal welchen Alters, überhaupt behandlungsbedürftig sein, weil sie ihr Leben nicht organisieren können. Es gibt nach wie vor viel zu viele Kinder, die eine Therapie (Maglor, ausdrücklich Therapie, nicht automatisch Tablette) brauchen und nicht bekommen, und damit als Jugendliche oder spätestens Erwachsene in große Not geraten. Depressionen, erhöhte Selbstmordrate, und v.a. große Suchtgefahr gehen mit unbehandeltem schwerwiegendem ADS einher. Glücksspiele und Drogen jeder Art.
Jan, was du meinst ist Hyperaktivität. Die ist nicht auf ADS reduziert. Natürlich, es gibt die große Gruppe hyperaktiver ADSler, aber Hyperaktivität kann durch Fehlernährung (Phosphor, zuviel Zucker und einige andere Inhaltsstoffe stehen in Diskussion), durch Stress, durch Schilddrüsenüberfunktion, Reizüberflutung, Bewegungsmangel u.v.m. ausgelöst werden.
Das sind alles die Fälle, wo Ritalin und Co. unerfreulich wirken würde.
Und genau das ist auch der Grund, warum eine ADS - Diagnostik nicht mal so aus dem Handgelenk geschüttelt werden darf, sondern durch EEG, Blutuntersuchungen, ausführliche Familienanamnese durch geschulte Fachkräfte usw. gestützt werden muss! V.a. Schilddrüsenerkrankungen und Epilepsie müssen aussgeschlossen sein, damit eine falsche Therapie nicht verhindert, dass diese Krankheiten zügig behandelt werden.
Jatrix: Nein, ist kein Stuss. Feuerkopf, Anaeyon und ich hatten es doch auch schon angesprochen, wie schädlich es ist, einem Kind beizubringen, dass es für jedes Unwohlsein eine heilende Pille gibt. Das jeder Fehler durch die Pharmaindustrie weggezaubert werden kann. Selbst wenn es sich dabei dann wirklich immer nur um gefärbten Zucker handelt, ist die Wirkung katastrophal, die Anlage zu Suchterkrankungen, Hypochondrie gelegt, das Selbstvertrauen gestört, die Kommunikation zwischen Körper und Geist unterbunden. Die gesellschaftliche Tendenz ist bereits da: Immer weniger Leute hören auf ihr Bauchgefühl, vertrauen auf ihre Intuition, ob der Schnupfen schlimm ist oder das Magengrummeln ernst. Die einen rennen für jeden Mist und verlangen beim ersten Räuspern Antibiotika, auch wenn es eine Viruserkältung ist. Man muss ja rund um die Uhr leistungsfähig sein! Sich mal zwei Tage zu schonen, keinen Leistungssport treiben, nicht 10 Stunden auf der Arbeit zu plockern und anschließend noch das gesellschaftliche Großprogramm zu leisten, das geht doch nicht! Die anderen gehen auch dann nicht, wenn sie den Kopf schon unterm Arm klemmen können, weil Ärzte alle Verbrecher sind und Krankheit eine Frage mangelnder Willenskraft.
Spender: Wie geschrieben, es gibt nur wenige ADSler, die ihr Leben wirklich nicht organisieren können. Die allermeisten Betroffenen sind einfach ein bisschen zerstreuter, können aber prima damit leben, dass sie ihre Termine nur durch Tricks im Griff haben, ihre Schlüssel nur durch Zufall finden und ihre Lose - Blatt - Sammlung an Telefonnummern wollen sie eines fernen Tages mal sortieren. Nach Schema F zu leben ist ein Greuel, aber: na und? Hauptsache, zufrieden. Und nicht jeder dieser sanft zerstreuten Chaoten wäre beim Militär gut aufgehoben. Gerade sie stellen oft genug das Potential eines Landes, weil sie unorthodox denken, Querverbindungen finden, an die noch niemand dachte. Unangepasste, rebellische Geister sind Pioniere in Forschung und Wissenschaft, in der Politik, an der Spitze von Konzernen. Sie bringen Höchstleistungen im Sport, als Ingenieure, als Shuttlepiloten.
Die verträumten, vom Leben gebeutelten Hypoaktiven können sich oft retten, wenn sie Zugang zur Kunst finden.
Natürlich ist nicht jeder ADSler ein Genie, nicht mal ein verkanntes, oder ein Alphamännchen. Nicht jeder sensible Geist ist zum Maler oder Dichter geboren. Genauso wenig wie jeder Hochbegabte dazu bestimmt ist, großartige Leistung zu vollbringen. Das Potential, etwas Großes zu leisten steckt in beinahe jedem Menschen, es kommt darauf an, ob er die Chance erhält, dieses Potential ausleben zu dürfen.
Das kann bedeuten, dass ein Kind eben Medikamente braucht. Nicht, um zu funktionieren oder ruhiggestellt zu werden, sondern um überhaupt die geistige Ruhe zu finden, um irgendeine Form von Potential entwickeln zu können.