@The_Quest
Dein 23. Geburtstag ist tatsächlich das entscheidende Datum, wenn du nicht aus irgendeinem Grund vorher offiziell zurückgestellt warst. Liegt dein vorgesehenes Dienstantrittsdatum dahinter, müßtest du raus sein (siehe
Wehrpflichtgesetz §5, Abs. 1: "Grundwehrdienst leisten Wehrpflichtige, die zu dem für den Diensteintritt festgesetzten Zeitpunkt das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.")
Ansonsten ist für dich
WPflG §12, Abs. 4 von Bedeutung, da geht es um die Zurückstellungsmöglichkeiten wg. Studium:
(4) Vom Wehrdienst soll ein Wehrpflichtiger auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche liegt in der Regel vor,
1. wenn im Falle der Einberufung des Wehrpflichtigen
a) die Versorgung seiner Familie, hilfsbedürftiger Angehöriger oder anderer hilfsbedürftiger Personen, für deren Lebensunterhalt er aus rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung aufzukommen hat, gefährdet würde oder
b) für Verwandte ersten Grades besondere Notstände zu erwarten sind,
2. wenn der Wehrpflichtige für die Erhaltung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen Betriebes unentbehrlich ist,
3. wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen
a) eine zu einem schulischen Abschluss führende Ausbildung,
b) ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium, in dem zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester bereits erreicht ist, oder einen zu einem Drittel absolvierten sonstigen Ausbildungsabschnitt oder
c) eine bereits begonnene Berufsausbildung
unterbrechen oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde.
Hinsichtlich des Studiums als Argument (3b) sieht es also schlecht aus, wenn du meinst, daß du jetzt im
zweiten Semester bist. Aber ich würde es mit der Familie (1a) versuchen. Argh! Hoffentlich reicht das mit dem 23. Lebensjahr! Der Dienstantritt wäre also so spät wie möglich zu legen... hmm - mir ließ man damals die Wahl, ob ich zum 1.7. oder zum 1.10. wollte - aber die werden sie dir wohl kaum geben, wenn es für dich Dienst oder Nichtdienst bedeutete. Wenn du dich jetzt wegen 1a zurückstellen lassen kannst, dann greift ab dem nächsten Semester 3b, und zum 25. Geburtstag bist du dann ganz aus dem Schneider (WPflG § 5, Abs. 1, Satz 1). Jedenfalls solltest du dich kompetent beraten lassen; es geht einfach um zu viel, um nur auf eigene Recherche und eine entschlossene Miene zu setzen. (Ich hatte jedenfalls
mindestens einen Kameraden mit Frau und Kind.) Ich drücke dir die Daumen...
Und zu mir?^^
Erstens fände ich das Ausdiskutieren am Küchentisch extrem mühsam. Zum Glück gab es das bei uns eigentlich nie. Ich kann mich aus meiner Kindheit an nichts von mir Entscheidbares erinnern, was meine Eltern uns durch lange Diskussionen hätten ausreden wollen oder müssen - und etwa in meine Entscheidung, ob Bund oder Zivi, haben sie sich nicht eingemischt (wie auch nicht in Studienwahl oder sonstiges). Ich kann mir auch schlecht vorstellen, daß eine solche Diskussion mir wirklich geholfen hätte. Bestimmte Erfahrungen muß man in dem Alter einfach auch selbst machen können; es kann auch heilsam sein, negative Folgen nicht befolgter elterlicher Ratschläge am eigenen Leib zu spüren. Aber mehr Beeinflussung sollte nicht sein - psychischer Druck, pfui Spinne!
Zweitens sah ich meine Entscheidung weitgehend als Pflichtfrage. Die Möglichkeiten zur Verweigerung, die ich im Netz sah (Erklärungsschreiben im Sinne von "Ich bin Vegetarier, seit ich mit drei Jahren auf meinen Hamster trat") sind und waren nicht mein Geschmack. Hätte man mir eine ehrliche Wahl gelassen, wäre mir sicherlich der Dienst an der Gemeinschaft wichtiger gewesen als der an der Waffe (wobei ich vermutlich ein guter Gemeindezivi gewesen wäre). Aber die leicht schockierten Fragen von Klassenkameraden "Aber du
hast doch die Wahl! Sag doch einfach..." bestärkten eher meinen Abscheu vor einer nur vorgeschobenen Gewissensargumentation. Weit skrupellosere Bekannte von mir haben verweigert;
mein Gewissen verpflichtete mich zum Wehrdienst.^^
Selbstverständlich erkenne ich es voll an, wenn andere Menschen mit gutem Grund und aus der Kenntnis ihrer selbst sagen, daß sie nicht dazu imstande sind, Menschen ein Leid zuzufügen. Ich verstehe es auch sehr gut, wenn Andere von sich sagen können, daß sie sich nicht vorstellen könnten, Teil einer Befehlskette zu sein oder ihre persönlichen Freiheiten potentiell einer Gruppe von Primaten zu opfern. Ich achte es als Ausprägung einer anderen Lebensauffassung als der meinigen, die jedenfalls ihre Berechtigung hat, in gewisser Weise auch Staat und Gesellschaft dienlicher ist, jedenfalls als Zeichen von Charakter. Ganz große Schwierigkeiten habe ich dagegen mit jemandem, der verweigert, weil Zivildienst die bequemere oder alles in allem besser bezahlte "Wahlmöglichkeit" darstellt.
Und zum Dritten war meine Bundeswehrzeit nun sicher nicht der schönsten eine. Ich war in der Grundausbildung in der direkten Umgebung des bereits erwähnten Stetten am kalten Markt; zum Glück nicht als PzGren, dafür als Jäger, auch eine Sache für sich. Meine oben erwähnte Entscheidung zum Dienstantritt erst am 1.10. bescherte mir zwar einen schönen Urlaub nach dem Abi, den ich mir auch verdient zu haben meinte, dafür aber eine Grundausbildung im Spätherbst und Winter. Der Ortsname besteht nicht grundlos; wir durften als 'Abschlußprüfung' bei -20 bis -25°C zwei Tage und eine (sehr kurze^^) Nacht im Freien verbringen (zum Zelteaufbau war keine Zeit und der Boden zu hart). Ekliges Gefühl, mit dreiviertelsteifen Fingern auf Zeit im Dunkeln Waffen zu zerlegen... Absolut dämlich auch, als Brillenträger mit Gasmaske laufen zu müssen - die Brille paßt nicht drunter, man braucht also mehr Zeit zum Aufsetzen und sieht nichts mehr.
Das sind aber alles äußerliche Kleinigkeiten verglichen mit der kaputten Horde von Idioten, mit der man da zusammengesperrt war. Es gab durchaus auch Leute, mit denen ich mich in einem anderen Zusammenhang gut hätte verstehen können - aber sie waren so in der Minderzahl... Das Gros meines Zuges waren Berliner, der Grund meiner tiefsten Vorurteile gegen diese Stadt. Brutale, dumme Proleten. Alles Menschen, mit denen ich (hoffentlich) sonst nie in Berührung gekommen wäre - und insofern auch ein winziger Schimmer einer produktiven Erfahrung - massive Erweiterung meines Weltbildes in Richtung eines resignativen Kulturpessimismus.
Ich hatte bereits vor meiner Musterung (durch ein Gespräch mit meinem späteren Spieß) dafür gesorgt, daß ich nach diesen drei Monaten in Hamburg diensttun würde - an der Führungsakademie, deren Kasernen von meinem Elternhaus aus bequem mit dem Fahrrad zu erreichen sind. (Mein Heimweg verkürzte sich also von etwa sieben Stunden auf gut zehn Minuten.) Auch sonst war es eine völlig andere Welt. Ich wurde dort im Geschäftszimmer eines Lehrgangs für Stabsoffiziere eingesetzt, hatte also mit einer großen Anzahl von diensterfahrenen Soldaten zu tun, die durch hohen Rang und Bildungsgrad eine gewisse Gelassenheit gegenüber dem ganzen Formalkram entwickelt hatten. Es gibt wohl wenig zivilere Orte in der ganzen Armee als die Brutstätte ihrer Köpfe!^^ Während unsere Grundausbilder uns ehrfurchtsvoll verkündeten, zum Gelöbnis komme ein Major, wir würden wohl in unserer Dienstzeit kaum je wieder einem begegnen, war an der FüAk für mich ein plaudernder Umgangston, Witzeleien, ernsthafte Tischgespräche etc. mit einer ganzen Reihe von Oberstleutnanten angenehmer Alltag. Militärisch gegrüßt habe ich dort mE dreimal - beim Dienstantritt, weil ich den Laden noch nicht kannte; später einem älteren General gegenüber, über den ich gehört hatte, daß er das gelegentlich gerne so hätte; und als Parodie beim Abschied.
Meine Tätigkeit dort war sicher nicht immer spannend und nutzte meine Fähigkeiten nur bedingt aus.^^ Immerhin habe ich meine EDV-Kenntnisse wesentlich verbessern können. Ich habe sehr viel mit Excel gearbeitet, das ich vorher kaum kannte; ich habe gelernt, effizient, schnell und mit lauter verschiedenen Spezialeinstellungen zu kopieren (sehr nützlich!), ich war verantwortlich für ein Dutzend Beamer und diverse Rechner, die ich mit ihren Macken kennenlernte. Anekdoten liegen in Masse bereit - ich war hier jedenfalls als kleinstes Glied in der Kette ein durchaus geschätzter Teil einer Gemeinschaft, auf dessen Meinungen und Vorstellungen durchaus auch eingegangen wurde. Und ich bekam am Schluß mehr Sonderurlaub, als ich in meinen restlichen Diensttagen noch ableisten konnte.
Ein kleiner Wermutstropfen: Eine inkompetente Sachbearbeiterin beim Kreiswehrersatzamt hatte mich damals nach Stetten geschickt in der Annahme, wegen der Zuordnung der FüAk müsse ich zum Heer. Aus meinem nachträglichen Wissen heraus hätte ich es in einer Grundausbildung bei Luftwaffe oder Marine auch sehr viel einfacher haben können.
Was bleibt als Fazit?
a) Man informiere sich.
b) Man entscheide nach seinem Gewissen, wenn man das für mit seinem Gewissen vereinbar hält.^^
c) Man informiere sich.
d) Man sorge vor.
e) Man mache das Beste daraus.^^