Natürlich ist es für die menschlichen Reste, die ein Zug übrig lässt, wenig entscheidend, ob da ein oder zwei Züge drüberrollen. Aber wie bereits gesagt: für die Kriminaltechnik wäre es eine Katastrophe. Für die Anwesenden und direkt Beteiligten unerträglich. Willst du der Lokführer sein, der aus Rationalitätsgründen über eine Leiche fährt?
Ein Selbstmörder denkt nicht darüber nach, dass er andere noch mit einbezieht. Als Ausnahme empfinde ich Geisterfahrer (also jene, die es absichtlich tun, die arme Verwirrte, die tatsächlich glaubten, richtig abgebogen zu sein). Bei denen gehe ich davon aus, dass sie tatsächlich mit Absicht noch schnell ein paar Menschen von dieser ihnen verhassten Welt mitnehmen wollen.
Aktiver Selbstmord ist schwieriger als man so meint. Beim Brückensprung muss man seine Todesangst überwinden und selbstständig handeln. Tabletten verfehlen oft ihre Wirkung. Bei Rasierklingen muss man tief genug schneiden und in die richtige Richtung. Es kann tatsächlich einfacher sein, sich kräftig zu betäuben, auf die Schienen zu legen und still liegen zu bleiben. Ein Mensch, der so depressiv ist, dass er nur noch den Tod sucht, kann sich nur noch auf sich selbst konzentrieren. Mögliches Leid eines Lokführers kommt ihm einfach nicht in den Sinn.
e-noon, du (und Maurice), ihr mögt in einer Leiche einen Gegenstand sehen, der wie ein Stück Abfall entsorgt werden kann. Die überwältigende Mehrheit aller anderen Menschen sehen das eben anders. Für die Angehörigen ist es grauenhaft, wenn so etwas geschieht. Sie wollen, dass mit den sterblichen Resten so respektvoll wie noch möglich verfahren wird! Ihr kennt Geschichten von Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen, die ein ganzes Leben lang nicht damit fertig werden, dass sie keine Leiche des Toten haben, demnach also auch nicht zum Friedhof gehen und am Grab trauern können?
Maurice: Natürlich ist die Untersuchung des Falles der Grund, den Bahnverkehr lahm zu legen! Die völlig unnötige Beleidigung des Beamten als solchen übersehe ich jetzt mal.

Der Rest ist Augenzeugenbefragung und Recherche im Umfeld des Toten, und DAFÜR muss man tatsächlich keine Züge anhalten lassen.
Und: welches Interesse ist wichtiger? Die Aufklärung eines möglichen Verbrechens oder das pünktliche Erreichen eines Zielortes?