Personenunfall - Ein Grund anzuhalten?

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aleanjre
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Mi 8. Mär 2006, 20:37 - Beitrag #21

e-noon: Weißt du, wieviel Kilometer Bahnschienen es in Deutschland gibt? Es ist völlig unmöglich, für jede einzelne Bahnstation zu jedem denkbaren Zeitpunkt ausreichend Busse bereitzuhalten, um für den Fall der Fälle einen Transport der Passagiere zu gewährleisten. Zumal "ausreichend" abhängig von der Tageszeit ist. Nachts um 3.00 Uhr sind nun mal weniger Menschen unterwegs als morgens um 7.30 Uhr.

Natürlich ist es für die menschlichen Reste, die ein Zug übrig lässt, wenig entscheidend, ob da ein oder zwei Züge drüberrollen. Aber wie bereits gesagt: für die Kriminaltechnik wäre es eine Katastrophe. Für die Anwesenden und direkt Beteiligten unerträglich. Willst du der Lokführer sein, der aus Rationalitätsgründen über eine Leiche fährt?

Ein Selbstmörder denkt nicht darüber nach, dass er andere noch mit einbezieht. Als Ausnahme empfinde ich Geisterfahrer (also jene, die es absichtlich tun, die arme Verwirrte, die tatsächlich glaubten, richtig abgebogen zu sein). Bei denen gehe ich davon aus, dass sie tatsächlich mit Absicht noch schnell ein paar Menschen von dieser ihnen verhassten Welt mitnehmen wollen.
Aktiver Selbstmord ist schwieriger als man so meint. Beim Brückensprung muss man seine Todesangst überwinden und selbstständig handeln. Tabletten verfehlen oft ihre Wirkung. Bei Rasierklingen muss man tief genug schneiden und in die richtige Richtung. Es kann tatsächlich einfacher sein, sich kräftig zu betäuben, auf die Schienen zu legen und still liegen zu bleiben. Ein Mensch, der so depressiv ist, dass er nur noch den Tod sucht, kann sich nur noch auf sich selbst konzentrieren. Mögliches Leid eines Lokführers kommt ihm einfach nicht in den Sinn.

e-noon, du (und Maurice), ihr mögt in einer Leiche einen Gegenstand sehen, der wie ein Stück Abfall entsorgt werden kann. Die überwältigende Mehrheit aller anderen Menschen sehen das eben anders. Für die Angehörigen ist es grauenhaft, wenn so etwas geschieht. Sie wollen, dass mit den sterblichen Resten so respektvoll wie noch möglich verfahren wird! Ihr kennt Geschichten von Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen, die ein ganzes Leben lang nicht damit fertig werden, dass sie keine Leiche des Toten haben, demnach also auch nicht zum Friedhof gehen und am Grab trauern können?

Maurice: Natürlich ist die Untersuchung des Falles der Grund, den Bahnverkehr lahm zu legen! Die völlig unnötige Beleidigung des Beamten als solchen übersehe ich jetzt mal. :rolleyes: Die Beweisaufnahme am Ort des Geschehen geht recht zügig - Fotos, den möglichen Fallwinkel messen, von Experten berechnen lassen ob hier ein Sturz oder ein Sprung vorlag, und wenn, ob der Aufschlagpunkt Anzeichen für einen Stoß von außen gibt - na, oder ob derjenige eben schon auf den Schienen stand/lag.
Der Rest ist Augenzeugenbefragung und Recherche im Umfeld des Toten, und DAFÜR muss man tatsächlich keine Züge anhalten lassen.
Und: welches Interesse ist wichtiger? Die Aufklärung eines möglichen Verbrechens oder das pünktliche Erreichen eines Zielortes?

e-noon
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Mi 8. Mär 2006, 20:53 - Beitrag #22

Bekommen die nicht auch einen Platz auf dem Friedhof mit Kreuz?
Warum sind die Angehörigen so ortsgebunden, dass sie nicht zu Hause, im Kreis ihrer Lieben trauern wollen? Kann ich echt nicht verstehen :| Sie werden doch wohl nicht die Knochen des Verstorbenen vermissen, sondern ihn als Lebendigen, und den gibt es nun einmal nicht mehr. Ist es somit nicht egal, wo und wie man trauert? Außerdem gibt es nicht überall Friedhöfe, in Indien oder sonstwo wird die Leiche einfach verbrannt und verstreut, und die kommen auch damit klar! Das halte ich eher für ein Nebenprodukt unserer Friedhofskultur, nicht für ein spezifisch menschliches Bedürfnis!

Dass die Spurensicherung fertig sein muss, bevor der Zug weiterfährt, ist mir ja klar ;) Aber danach sollte es möglichst schnell weiter gehen. Und der von Maurice beschriebene Zustand, dass leere Busse an der Bushalte standen, aber nicht eingesetzt wurden, ist doch jämmerlich! Muss ich auch jeden Tag drunter leiden :(

Maurice
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Mi 8. Mär 2006, 21:04 - Beitrag #23

Natürlich ist es für die menschlichen Reste, die ein Zug übrig lässt, wenig entscheidend, ob da ein oder zwei Züge drüberrollen. Aber wie bereits gesagt: für die Kriminaltechnik wäre es eine Katastrophe.

Nein ich verstehe nicht, warum die Polizeiarbeiten ein Grund sind anzuhalten. Fakt ist: Der Typ ist Matsch. Welchen Unterschied macht es da nicht, ob da 1-2 Züge mehr drüber fahren? Die Fotos können die Polizisten auch dann noch machen. Dafür muss kein Zug anhalten.

@Respektvoller Umgang mit Leichen: Ich kann nachvollziehen, dass niemand will, dass man den Leichnam einer geliebten Person öffentlich schändet. Alles andere was darüber hinaus geht, kann ich nicht anders als völlig irrational bezeichnen. Jeglicher Totenkult ist irrational und für mich schlicht nicht nachvollziehbar.
Du hast recht, dass es den Interessen vieler Menschen wiederspricht, wenn man die Reste des verstorbenen nicht mit Samthandschuhen anfasst. Interessen die man für das Kalkül berücksichten muss, will es ausführlich sein. Ich weiß leider nicht, wieviele protestbrereite Personen die Gruppe derjenigen umfasst, die Samthandschuhe im Umgang mit Leichen fordern. Ich ging zuerst davon aus, dass sie so klein ist, dass deren Verletzung der Interessen weit weniger wiegen, als die der Interessen derjenigen, die durch das Anhalten des Verkehrs verletzt werden. Wenn das so ist, dann sind sie nicht weiter wichtig für mich.

aleanjre
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Mi 8. Mär 2006, 21:05 - Beitrag #24

Es ist die Ungewissheit, was mit dem Körper des Toten angestellt wurde, der die Hinterbliebenen quält. Eine Verbrennung als solche ist nicht das Problem, oder eine Seebestattung, was auch immer. Aber solange man nicht weiß, was mit der Leiche geschehen ist, weiß man auch nicht sicher, dass derjenige tot ist. Schnell die "Reste" zusammenkratzen, in eine Mülltüte schmeißen und weg damit - wie soll die Familie wissen, mit Sicherheit wissen, was da geschehen ist? Eine Untersuchung wäre in diesem Fall ja gar nicht möglich.
Und selbst wenn es ein Artefakt unserer "Friedhofskultur" ist - welches Recht hast du, dich darüber lustig zu machen, was für andere Menschen so wichtig ist?

Ich habe einen Busfahrer im engsten Freundeskreis. Glaub mir, er leidet ganz bestimmt nicht an Langeweile! Wenn die da stehen und Pause machen, dann ist dies eine Notwendigkeit, die allen nachfolgenden Mitfahrern das Überleben sichert. Sie stehen unter höherem Stress als Fernfahrer, da sie ihre Fahrpläne einhalten müssen, völlig egal, wie Wetterbedingungen und Verkehrslage aussehen.

Kati
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Mi 8. Mär 2006, 21:20 - Beitrag #25

E_noon (und vielleicht auch Maurice): Versetz dich doch einfach mal in die Lage der Hinterbliebenen.
Wie würdest du dich fühlen, wenn ein Mensch den du liebst sich umbringt? Und wie würdest DU dich fühlen wenn der Körper dieses Menschen einfach weggeschmissen wird, als sei er nichts wert? Oder noch drüber gefahren wird?

Ich freue mich für euch, das ihr noch nie in dieser Situation wart, und ich hoffe auch für euch, das ihr nie in eine solche kommt. Aber ich finde es schade, dass ihr eine solche Sichtweise habt und auch nicht an die Hinterbliebenen denken könnt die vielleicht eine andere Sichtweise als die eure haben.

Maurice
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Mi 8. Mär 2006, 21:24 - Beitrag #26

Zitat von aleanjre:Schnell die "Reste" zusammenkratzen, in eine Mülltüte schmeißen und weg damit - wie soll die Familie wissen, mit Sicherheit wissen, was da geschehen ist? Eine Untersuchung wäre in diesem Fall ja gar nicht möglich.

Klar so gehts nicht, wenn man noch Bilder von dem Unfallort machen will. Bleiben die Reste eben solange auf der Strecke, bis die Fotos gemacht sind und werden dann entsorgt. Ein Grund den Verkehr einzustellen, sehe ich aber immer noch nicht.

Und selbst wenn es ein Artefakt unserer "Friedhofskultur" ist - welches Recht hast du, dich darüber lustig zu machen, was für andere Menschen so wichtig ist?

Welches Recht ich habe? Das was ich mir selbst gegeben habe. Menschen geben sich und anderen Rechte oder verweigern diese. Es gibt für die Menschen keine Rechte außer den menschengemachten.
Nur weil du mir nicht das Recht geben willst, den Totenkult zu kritisieren, bedeutet das nicht, dass ich mir nicht selbst das Recht dazu geben kann. Dein Satz hat kein Gewicht für dich. Genauso wenig würdest du dein Verhalten ändern, wenn ich dich fragen würde, wer dir das Recht gegeben hat, mich zu kritisieren. Das spielt hier nämlich einfach keine Rolle.


@Kati:
Wie würdest du dich fühlen, wenn ein Mensch den du liebst sich umbringt? Und wie würdest DU dich fühlen wenn der Körper dieses Menschen einfach weggeschmissen wird, als sei er nichts wert? Oder noch drüber gefahren wird?

Ich wäre traurig, wenn sich jemand umbringen würde, den ich sehr gemocht oder gar geliebt habe. Solange die Leiche der Person aber nicht öffentlich geschändet werden würde, wäre mir egal, was mit ihr gemacht wird. Von mir aus, kann man aus e-noon auch Hndefutter machen, wenn sie gestorben ist, solange ich dabei nicht zugucken muss. Sie wäre tot, was interessiert mich dann nur ihr lebloser Körper?

e-noon
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Mi 8. Mär 2006, 21:25 - Beitrag #27

Ich habe das Recht der freien Meinungsäußerung ^^ abgesehen davon habe ich mich über niemanden lächerlich gemacht, nur mein Unverständnis bekundet, wie du mir gegenüber auch.

Klar ist die Ungewissheit, ob die geliebte Person tot ist oder nicht, schlimm - ich hatte dich so verstanden, als ginge es den Personen nur um einen Ort, dass sie nicht sicher sein können, dass ihr Angehöriger tot ist, hattest du nicht erwähnt, oder? Meine Antwort bezog sich jedenfalls auf Leute, denen es tatsächlich nur um einen bestimmten Ort geht.

Kann ein Busfahrer nicht in dem Notfall einspringen (er hatte ja wohl vorher schon pausiert) und dafür den Rest des Tages frei bekommen? Oder ist er tatsächlich so vollkommen fertig, dass das unmöglich scheint ohne akute Gefahr zu verunglücken?

@Maurice: Für die Spurensicherung ist es natürlich wichtig - ein Fingerbreit verschoben kann einen Fall in ganz anderem Licht erscheinen lassen ^^ guck mehr Krimis!

Maurice
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Mi 8. Mär 2006, 21:40 - Beitrag #28

ein Fingerbreit verschoben kann einen Fall in ganz anderem Licht erscheinen lassen

Ich glaube nicht, dass das im Fall des Zugunglücks eine Rolle spielt, ob der eine Finger nun einen halben Zentimeter weiter vom rechten Gleis aus liegt oder nicht.

e-noon
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Mi 8. Mär 2006, 21:47 - Beitrag #29

Klar doch: Woher sollen die wissen, die tief die Eindrücke waren, wenn der Zug nochmal drüber fährt? Und wenn die Person gefesselt war, sieht man das womöglich nur, wenn sie nicht noch einmal überrollt wird. Auf jeden Fall ist es wichtig ^^ Findest du nicht, dass das einleuchtet?

Maurice
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Mi 8. Mär 2006, 22:17 - Beitrag #30

Was meinst du mit "Eindrücken"? Und wenn die Person gefesselt war, dann wird sich das Seil nicht plötzlich in Luft auflösen, nur weil ein Zug darüber fährt.
Ob es einleuchtet? Du magst, überzeugt sein, mir leuchet es nicht ein.

Anaeyon
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Mi 8. Mär 2006, 22:24 - Beitrag #31

Wollen wir uns nicht lieber über den (Un-)Sinn von Moral streiten? Maurice, wenn du mal gesehen hast wie so ein Menschenwesen nach einer Durchfahrt aussieht, dann kannst du dir gut vorstellen das man nach einer zweiten nicht viel mehr als..Hackfleisch erkennt. Ich habe es gesehen, also glaubst du mir vielleicht. Bild

aleanjre
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Mi 8. Mär 2006, 23:29 - Beitrag #32

e-noon, wenn ein Busfahrer, der wie jeder andere Angestellte auch, 30 Minuten Pause hat, und diese kurze Zeit in den Wind schießt, um eine fremde Strecke zu übernehmen, vielleicht sogar eine, die es auf dem Plan gar nicht gibt - wer übernimmt seine reguläre Tour? Die ganzen Leute, die sich auf diesen Bus verlassen, stehen dann auch im Regen, und der komplette Plan fällt auseinander. Die öffentlichen Verkehrslinien stehen alle in der Krise. Die fahren keine Gewinne, von denen man zig Ersatzbusse ins Lager und sprungbereite Fahrer in die Rufbereitschaft setzen könnte.

Ihr könnt gerne Kontakt mit der Kriminalpolizei aufnehmen, euch grundlegend informieren lassen und mich dann mit Fakten Lügen strafen. Bis dahin bleibe ich dabei: wird eine Leiche ein 2. Mal überfahren, kann man nicht mehr mit Sicherheit nachvollziehen, in welchem Winkel der Mensch auf die Gleise stürzte. Warum sollte man also riskieren, Beweise an einem Tatort zu verfälschen, wenn es nicht mehr als ca. 45 - 60 Minuten dauert, all diese Beweise zu sichern?

Für alles andere wünsche ich euch, dass das Leben weiterhin so freundlich zu euch ist, dass eure Theorien niemals an der Wirklichkeit gemessen werden. Ich vermute zwar, dass dies nicht der Fall sein wird, aber zum Glück kann dies niemand wissen.

Maurice
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Do 9. Mär 2006, 00:28 - Beitrag #33

An welche Theorien denkst du da jetzt genau?

@Tatort: Ich bin wie gesagt davon ausgegangen, dass weitere Züge keine relevanten Einfluss auf den Tatort haben werden. Ist diese Prämisse falsch, dann hat das natürlich auch Auswirklungen auf meine Kunklusionen. Ich halte das nunmal für unwahrscheinlich. Liege ich aber falsch (empirische Belege würden mich überzeugen), muss ich meine Forderung, auch wenn es mir etwas unbehaglich ist, den Verkehr aufrecht zu erhalten, zurückziehen. Da halte ich die Sicherheit und das Aufdecken möglicher Verbrechen für wichtiger, als den Zeitplan der wartenden Menschen. Strukturelle Nutzenmaximierung überwiegt punktuelle Nutzenmaximierung.
Ana hast du wirklich ein Vorher-Nachher-Vergleich gehabt? Kann ich mir nur schwer vorstellen, denn das setzt ja voraus, dass eben mehrere Züge den Unfallort vor der Spurensicherung passiert haben, wovon doch nicht auszugehen ist.
Ich glaube wie gesagt, dass eine erneute Durchfahrt keinen relevanten Unterschied machen wird. Die Teile des Körpers liegen ja schon vorstreut neben oder zwischen den Gleisen. Wie soll der Zug über diese noch drüberfahren, wenn keine direkt auf dem Gleis liegen? Oder ist die Sogwirkung des Zuges so groß? Ich zweifle daran.

@Ana: Eine Diskussion über Sinn und Nutzen von Moral im allgemeinen könnte sehr interessant sein. Mach doch dazu einen Thread auf, wenn du willst. Ich finde, dass man das hier nicht diskutieren sollte, weil es sonst ot wird.
Ansonsten will ich dir an dieser Stelle noch mitteilen, dass deine Befürchtungen mir bezüglich zu hoch waren. Ohne Frage wirkt mein Anfangspost äußerst emotional, doch war ich es im Moment des Schreibens weit weniger, als es den Anschein hat. Die Worte waren in (relativer) Ruhe bewusst gewählt und sollten zum einen meinen Gedankengang am besagten Nachmittag beschreiben. Zum anderen sollte der Post auch gezielt provozieren, was mir ja offensichtlich gut gelungen ist. :D
Schon interessant, wie sich die Menschen über manche Sachen aufregen. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich auch leider zu oft über Unwichtiges ärgere, wie z.B. als der Zug ausgefallen ist und ich nach hause gehen musste. ^^*

janw
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Do 9. Mär 2006, 00:35 - Beitrag #34

Zitat von Maurice:@Respektvoller Umgang mit Leichen: Ich kann nachvollziehen, dass niemand will, dass man den Leichnam einer geliebten Person öffentlich schändet. Alles andere was darüber hinaus geht, kann ich nicht anders als völlig irrational bezeichnen. Jeglicher Totenkult ist irrational und für mich schlicht nicht nachvollziehbar.
Du hast recht, dass es den Interessen vieler Menschen wiederspricht, wenn man die Reste des verstorbenen nicht mit Samthandschuhen anfasst. Interessen die man für das Kalkül berücksichten muss, will es ausführlich sein. Ich weiß leider nicht, wieviele protestbrereite Personen die Gruppe derjenigen umfasst, die Samthandschuhe im Umgang mit Leichen fordern. Ich ging zuerst davon aus, dass sie so klein ist, dass deren Verletzung der Interessen weit weniger wiegen, als die der Interessen derjenigen, die durch das Anhalten des Verkehrs verletzt werden. Wenn das so ist, dann sind sie nicht weiter wichtig für mich.

Maurice, Du hast offenbar keine Ahnung, wie die allgemeine Meinung in Deutschland, Europa, ja, weltweit bezüglich des Umgangs mit Toten ist.
Alle Kulturen haben Regeln zum Umgang mit ihren Toten entwickelt, die integraler Teil der Kulturen sind. Und in keiner mir bekannten Kultur werden Tote als Abfall "entsorgt".
Du stellst Dich damit, um es mal so deutlich zu sagen, außerhalb des kollektiven Wertekonsenses der Menschheit.

Wenn Du Probleme damit hast, daß Menschen sich vor Züge werfen und dies zu Verspätungen führt, dann schaff Dir ein Auto an. Aber mecker dann nicht, daß Du wegen der Dauerstaus nicht pünktlich dort ankommst, wo Du hin musst :cool:
Übrigens, auf der Straße gibt es sehr viel häufiger Unfälle, die den Verkehr aufhalten :rolleyes:

Zitat von Maurice:Welches Recht ich habe? Das was ich mir selbst gegeben habe. Menschen geben sich und anderen Rechte oder verweigern diese. Es gibt für die Menschen keine Rechte außer den menschengemachten.
Nur weil du mir nicht das Recht geben willst, den Totenkult zu kritisieren, bedeutet das nicht, dass ich mir nicht selbst das Recht dazu geben kann. Dein Satz hat kein Gewicht für dich. Genauso wenig würdest du dein Verhalten ändern, wenn ich dich fragen würde, wer dir das Recht gegeben hat, mich zu kritisieren. Das spielt hier nämlich einfach keine Rolle.

Du hast natürlich das Recht, Deine Meinung dazu zu äußern, aber Du musst dabei den anderen, übrigens der überwältigenden Mehrheit, das Recht lassen, ihren Umgang mit dem Tod zu pflegen, das schließt das sich nicht darüber lächerlich machen ein. Damit verletzt Du andere Menschen nämlich zutiefst, und das darfst Du nicht.
Wir haben das Recht, und nehmen dies wahr, Dir zu sagen, daß Du unsere Gefühle dabei mit verletzt. Zumindest wir älteren haben alle schon Menschen verloren, und unser individueller Umgang damit ist ein Teil von uns. :cool:

Zitat von e-noon:@Lykurg: Wenn man nicht an Gott oder transzendentes glaubt, was ist es dann mehr als Fleisch (ich nehme an, dass du nicht Knochen, Gewebe etc. meinst)? Und natürlich kann man den Tod eines Bekannten zum Anlass nehmen, einen Moment inne zu halten. Aber das bei jedem Toten von jedem noch so Unbeteiligten zu fordern, hieße, die Welt zum Stillstand zu verdammen (denn wir sind weit über 6 Milliarden!).

In dem Moment, wo jemand vor uns stirbt, sind wir nicht mehr unbeteiligt.
Ich habe Eschede so erlebt, daß mein Zug plötzlich nicht mehr weiter fuhr und wir Fahrgäste auf Busse verteilt wurden. Im Radio kamen dann stückweise Nachrichtenschnipsel darüber, was da passiert war. Als mir das langsam klar wurde, lief gerade das Lied "Frozen" von Madonna. Die Verknüpfung werde ich wohl immer behalten.

Feuerkopf
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Do 9. Mär 2006, 00:41 - Beitrag #35

Ein guter Bekannter von uns hat sich vor drei Wochen vor einen Zug geworfen.
Ich habe direkt mitbekommen, wie alle Beteiligten gelitten haben.
Jan hat völlig recht damit, dass Tod und unser Umgang damit Respekt verdienen.

Wenn du, Maurice, eine andere Haltung dazu hast, sei dir das unbenommen, aber Respekt ist das mindeste, was du anderen gegenüber haben solltest, denn den forderst du für deine Meinung auch ein.

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Do 9. Mär 2006, 00:58 - Beitrag #36

Zitat von janw:Maurice, Du hast offenbar keine Ahnung, wie die allgemeine Meinung in Deutschland, Europa, ja, weltweit bezüglich des Umgangs mit Toten ist.

Klar weiß ich das. Aber ist das schon Grund genug, dieses Verhalten gut zu finden? Ich würde es besser finden, wenn sich die Menschheit von ihrem Totenkult verabschieden würde.

Du hast natürlich das Recht, Deine Meinung dazu zu äußern, aber Du musst dabei den anderen, übrigens der überwältigenden Mehrheit, das Recht lassen, ihren Umgang mit dem Tod zu pflegen, das schließt das sich nicht darüber lächerlich machen ein. Damit verletzt Du andere Menschen nämlich zutiefst, und das darfst Du nicht.

Ich lasse ihnen ja ihr Recht, ihren Umgang mit den Toten zu pflegen. ich grabe ja auch von niemanden die Oma auf dem Friedhof aus. Das ich ihr Verhalten deshalb nicht kritisieren kann, verstehe ich nicht. Entweder begehst du hier einen Fehlschluss oder wir stimmen nicht in den Prämissen überein. Und ob ich jemanden verletzten darf oder nicht, ist reine Konvention. Wenn du sagst, dass ich etwas nicht tun darf, dann verbietest du mir etwas und sankionierst mein Verhalten, wenn ich gegen dein Verbot verstoße (z.B. mit Tadel). Das hindert mich aber nicht daran, mir das, was du mir verbietest, mir gleichzeitig zu erlauben. An sich ist alles erlaubt und etwas ist immer nur in den Augen von jemanden verboten. Warum sollte mir also dein Verbot wichtiger sein, als meine selbst gesetzte Erlaubnis?

Wir haben das Recht, und nehmen dies wahr, Dir zu sagen, daß Du unsere Gefühle dabei mit verletzt.

Ich hatte nicht die Absicht hier jemanden persönlich zu verletzten. Das käme mir höchstens in den Sinn, wenn man mich beleidigen würde, z.B. wenn man mich ohne Begründung als einen Faschisten bezeichnet. (Komisch eigentlich dass niemanden Ipsi wegen dieser Aktion kritisiert hat. Fällt wohl auch wieder unter "Fairness".) Ich wüsste auch nicht, warum sich jemand von mir persönlich angegriffen fühlen sollte.

Feuerkopf
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Do 9. Mär 2006, 01:09 - Beitrag #37

Maurice,
du machst dir die Welt, so wie sie dir gefällt, nach dem Motto "Tu, was du willst."

Deine Welt erlaubt alles, sanktioniert nichts. Aber es ist deine Welt, eine Welt, die es real nicht gibt.
Es ist eine Welt, die in deiner Vorstellung existiert.

Du lebst aber. Du lebst in einer Welt, die auf anderen Voraussetzungen basiert und mehr oder weniger funktioniert. Wenn du mit den anderen Menschen, die diese Alltagswelt bevölkern, Umgang pflegen willst, dann wirst du nicht umhin kommen, ihren Werten und Vorstellungen zumindest Respekt zu zollen, denselben Respekt, den du nicht müde wirst, für deine Vorstellungen einzufordern.

Das müsste dir mit deinem expliziten Sinn für Pragmatismus einleuchten.

Padreic
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Do 9. Mär 2006, 01:17 - Beitrag #38

@Maurice:
Das ich ihr Verhalten deshalb nicht kritisieren kann, verstehe ich nicht.

Totenkult ist genauso irrational wie Freude an Lebenden. Du kannst mit deiner Einstellung nicht auf irgendeine objektive Weise kritisieren. Genauso wie du anderen immer sagst, sie könnten dir nicht sagen, was dein Recht ist, kannst du ihnen nicht sagen, was richtig und falsch ist. Du kannst sagen: "ganz persönlich hätte ich es lieber, wenn der Zug weiterfährt." Aber mehr?

Nochmal zum Totenkult: Wenn jemand Schmerz empfindet, wenn eine Leiche geschändet wird, ist das irrational, wenn jemand Schmerz empfindet, weil die Geliebte getötet wird, ist das rational?

Maurice
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Do 9. Mär 2006, 01:22 - Beitrag #39

Die Welt gibt uns keine Verbote auf, abgesehen von den Naturgesetzen. Die Welt verbietet mir gar nicht, nur irgendwelche Menschen. Das als Fiktion zu bezeichnen, halte ich gewagt.

Mag sein, dass ich mit meinen Posts ein Unwohlsein einiger User bewirkt habe. Aber hätte sich das nur vermeiden lassen, wenn ich den Mund gehalten hätte. Doch schätze ich dieses Forum als einen Ort ein, deren User (zumindest ein großer Teil) mit solchen provokanten Aussagen umzugehen wissen.

Und was meinen Pragmatismus angeht, so scheint dieser ausreichend zu funktionieren, weil ich idR mit dem zu bewältigenden Umgang mit Menschen gut klar komme. Auch scheinen die Funktionsträger hier weitgehend mit meinem Verhalten klar zu kommen, weil ich sonst hier nicht mehr wäre. ;)

PS @ Pad: Da muss ich dir wiedersprechen. Natürlich kann ich jemanden kritisieren und behaupten, dass er etwas falsch macht. Nur weil richtiges und falsches Verhalten rein relativ zu einem Subjekt ist, bedeutet das nicht, dass es kein richtiges oder falsches Verhalten gibt. Wenn ich ein Verhalten als irrational kritisiere, dann setzt das lediglich voraus, dass die Beteiligten Personen Irrationalität als etwas negatives bewerten und es ausreichend Übereinstimmung bezüglich des Begriffs von Rationalität gibt. Ich gebe aber zu, dass letzteres womöglich nicht der Fall ist und meine Kritik daher wenig sinnvoll war, wenn dies so ist. Das alles hat nichts mit dem Postulat einer objektiven Bewertung im Sinne einer meta-subjektiven zu tun.
Abgesehen davon, kann ich mich nicht erinnern, dass ich den Schmerz über den Verlust eines Menschen als irrational bezeichnet habe, sondern lediglich die Reaktion in Form eines Totenkultes darauf.

aleanjre
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Do 9. Mär 2006, 01:23 - Beitrag #40

Maurice, es gibt Tabuthemen. Themen, bei denen es eine persönliche Entscheidung ist, ob man darüber sprechen kann oder nicht, und wie viel Kritik man dabei verträgt oder nicht. Tod, Sterben und der Umgang mit den Toten gehört genauso dazu wie das persönliche religiöse Bewusstsein jedes einzelnen Menschen. Es gibt nun Leute, die damit ganz locker umgehen können. Und es gibt eine Menge Menschen, denen dies großes Unbehagen bereitet. Es gehört zur privaten Intimssphäre eines jeden Einzelnen, wie er damit umzugehen gedenkt.
Ich habe kein Recht in deine Wohnung einzubrechen, mich in die Tür zu stellen und dir dabei zuzusehen, wie du auf der Toilette sitzt. Dies ist deine private Intimssphäre. Möglich, dass es dir egal und gar kein bisschen peinlich oder unangenehm wäre. Trotzdem habe ich nicht das Recht dazu. Dies gehört zu den gesellschaftlichen Konventionen, die das Gruppenleben als solches ermöglicht. WAHRUNG DER PRIVATEN INTIMSSPHÄRE.
Wenn dir der Umgang deiner Mitmenschen mit Tod, Sterben und Leichen als lächerlich, irrelevant und überzogen erscheint, steht dir diese Meinung durchaus zu. Du darfst diese Meinung auch gerne äußern. Aber bitte ohne Polemik, Grinsezeichen und zynischen Heiterkeitsbekundungen. Mit Respekt eben vor der privaten Intimssphäre anderer Menschen. Vielleicht siehst du eine Leiche als guten Gartendünger an. Ich wage zu behaupten: über 99% aller anderen Menschen nicht.

Und fühle dich bitte nicht wieder ungerecht behandelt. Meine Aufforderung, dass hier kein öffentlicher Krieg geführt werden soll, betraf Ipsi genauso wie dich.

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