SenioraEscarnioJunior Member

Beiträge: 75Registriert: 31.10.2005
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Zu den armen kinderreichen Familien möche ich noch anmerken, dass Familien, die z. B. bereits in mehreren Generation von Sozialhilfe leben, dennoch bestimmte gesellschaftliche Regeln und Strukturen haben. Der Status einer Frau wird z. B. durch ihre Kinder und ihr Dasein als Mutter aufgewertet und es ist überhaupt nicht schändlich oder seltsam, sehr früh Mutter zu werden, im Gegenteil, eine solche Frau erfüllt ihre Aufgabe und Rolle und ist innerhalb ihrer gesellschaftlichen Klasse aufgewertet. Diese Frauen haben häufig überhaupt kein Verständnis für Frauen, die keine Kinder haben oder wollen, denn Kinder bekommen gehört für sie einfach dazu, auch wenn sich einer Akademikerin eventuell angesichts der Art, wie sie mit ihren Kindern umgeht, die Haare sträuben. Meine beste Freundin und ihr Partner haben sich gegen Kinder entschieden. Sie sind Doppelverdiener (wobei sie das höhere, extrem gute Einkommen hat), sind Mitglied im Golfclub, fahren 3-4 mal im Jahr in Urlaub und "genießen" das Leben auch sonst in vollen Zügen. Für 80,00 bis 100,00 Euro essen gehen finden die beiden nicht übermäßig teuer etc. Beide geben zu, kein Interesse daran zu haben, für Kinder auf Luxus verzichten zu wollen. Sein Gehalt ist zu gering, um den Standard mit Kind zu wahren und sie hat kein Interesse daran, nach einer Schwangerschaft wieder arbeiten zu gehen und ihm das Kind zu überlassen, was er auch gar nicht machen würde und wozu ich ihn, ehrlich gesagt, auch gar nicht für fähig halte. Sie sind wiederum mit gut verdienenden kinderlosen Paaren befreundet, die alle freiwillig und aus eigener Entscheidung heraus auf Kinder verzichten und die allesamt einen extrem hohen Lebensstandard pflegen. Letzendlich sind sie zumindest ehrlich, wenn sie zugeben, dass sie auf Kinder keinen Bock haben, weil sie dann selbst verzichten müssten, aber ich frage mich schon, obgleich ich selbst bis jetzt auch noch kinderlos bin, wie viele Orte auf der Welt wollen sie sich noch anschauen, wenn sie schon fast überall waren, angefangen von Irland bis Südafrika? Mir persönlich würde die Aussicht, bis zum Ende meines Lebens nur zu konsumieren, nicht behagen, aber offensichtlich scheint es anderen große Freude zu bereiten, nach vorne zu blicken und den nächsten Porsche, das nächste Haus etc. vor Augen zu haben. Größer, schneller, besser! Vielleicht ist das der Preis der Individualisierung der Gesellschaft. Jeder einzelne kann sich entfalten und werden und machen, was er möche, vorausgesetzt, er hat die nötigen finanziellen Mittel und Kinder werden zum lästigen Störfaktor. Im aktuellen oder im letzten Spiegel war ebenfalls ein Bericht über dieses Thema und u. a. wurde angesprochen, dass sich viele 25 - 40jährigen überhaupt nicht dazu in der Lage fühlen, ein Kind zu erziehen und gar nicht genau definieren können, was Erziehung für sie eigentlich bedeutet und was sie darunter verstehen. Ich denke, dass sich viele Paare von dem Gedanken an ein Kind bereits überfordert fühlen und angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der fehlenden finanziellen Mittel bei anderen Paaren, fühlt sich ein weiterer Teil an Paaren ebenfalls nicht dazu in der Lage, ein Kind zu versorgen, obgleich sie vielleicht ganz gerne eines hätten. Geld sollte nicht der Entscheidungsträger für oder gegen ein Kind sein, aber er ist es nun einmal zwangsläufig, in einer Gesellschaft, die auf Kapitalismus ausgelegt ist und in der bereits viele Untersuchungen während der Schwangerschaft aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Mag sein, dass ein Kind keinen Kindergarten braucht und die kostenlose staatliche Schule in der Nachbarschaft ausreicht, aber wenn ich meinen Verstand als gut gebildeter interessierter Mensch einschalte, dann möchte ich vielleicht nicht, dass mein Kind bis 6 Jahre zuhause an meinem Rockzipfel hängt und Defizite im sozialen Umgang mit anderen Kindern aufweist. Und die Schule in der Nachbarschaft weist vielleicht ein Klientel an Kindern auf, denen ich mein eigenes Kind nicht unbedingt aussetzen möchte. Ganz abgesehen davon ist es sicherlich schwer, in einer Gesellschaft stets der Außenseiter zu sein, in der Kinder wie Trophäen vor sich her getragen werden und zu kleinen Ikonen hochstilisiert werden. Kinder heutzutage auf eine natürlicherer Art und Weise zu behandeln ist angesichts des Umfeld, in dem man sich mit Kind zwangsläufig bewegt, sicherlich nicht einfach. Die Rollenverteilung ist zumeist immer noch konservativ. Frau bleibt zuhause, nicht weil sie unbedingt will, sondern weil sie womöglich a) immer noch schlechter verdient als der Mann oder b) der Mann in seinem Unternehmen auf keinen Fall in Vaterschutz gehen kann, ohne seine Karrierechancen zu verlieren. Abgesehen von den Frauen, die sich auch in meinem Freundeskreis befinden, die nach dem Studium nur solange gearbeitet haben, wie es unbedingt nötig war und eigentlich nach einem Jahr in der Arbeitswelt auf ein Kind gehofft haben, um endlich zu Hause bleiben zu können und die auch nicht im geringsten planen, jemals wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren. (Solche Frauen schüren natürlich auch das Vorurteil, dass Frau ohnehin keinen Bock hat, arbeiten zu gehen! ) Kind als Flucht vor der Realität, in gewisser Weise. Natürlich bietet ein Kind eine andere Realität, in der diese Frauen funktionieren müssen, aber für viele meiner Freundinnen scheint diese Realität eher eine wie eine rosarote Blase zu sein, in die sie sich flüchten, um die "böse Welt da drausen" zurückzulassen und ignorieren zu können. Ich stimme Feuerkopf zu, dass die meisten werdenden Eltern auf die Realität mit Kind nicht vorbereitet werden. Andererseits denke ich, dass viele, auch gerade die, die bewußt keine Kinder wollen, sehr wohl wissen, was es bedeutet und sich gerade deshalb gegen Kinder entscheiden. Bewußter Egoismus, frei nach dem Motto, das tue ich mir nicht an. Das ist viel zu stressig. Man mag es verurteilen, aber vielleicht ist diese Haltung realistischer als die rosarote, ich will etwas zum Liebhaben-Variante, die sich plötzlich von dem Neugeborenen überfordert fühlt oder feststellt, dass die Heimflucht doch auch nicht das wahre ist. Ich habe aber auch durchaus Paare im Freundeskreis, die sich beide um ihre Kinder kümmern und bei denen die Väter, auch wenn sie die "Geldbesorger" sind, dennoch sehr viel Zeit mit den Kindern verbringen und sich sicherlich nicht als reine "Spermienspender" sehen. Gerade die Väter, die arbeiten gehen und ihre Familien versorgen, fühlen sich häufig wichtig und gebraucht und sehen sich als genauso einen hohen Beitrag für die Familie leisten wie die Mütter, denn schließlich sind plötzlich beide, Mutter und Kind, von einer Person abhängig, was manche Väter zu Beginn auch erst einmal als eine Bürde empfinden, denn plötzlich sind es nicht mehr zwei Verdiener und kein größeres Drama, wenn einer plötzlich ausfällt, denn der andere hat ja auch noch ein Gehalt. Plötzlich ist es nur noch ein Gehalt und wenn das wegfällt, ist gar nichts mehr da. Das macht vielen auch Angst. Ich denke, Kinder zu haben, ist mit vielen Ängsten, Verzicht und Komplikationen verbunden und dem wollen sich viele einfach nicht aussetzen und dabei ist vielleicht logisch, dass es sich häufig um Akademiker und Besserverdiener handelt, die Kinder ablehnen, denn ich unterstelle jetzt einfach einmal, dass sich Menschen ab einer gewissen Bildung viel mehr Gedanken um ihre Entscheidungen machen und Pro und Contra abwiegen und hin und her überlegen und ihre Entscheidung auf rationaler Basis fällen und wenn man rational und ohne Emotionen an Kinder herangeht, sorry, dann würden sich vermutlich viele gegen Kinder entscheiden. Man vergisst dabei aber die emotionale Komponente und wie viel Spaß Kinder nun einmal auch machen. Aber der Freund von mir, der sich mit seiner Frau gegen Kinder entschieden hat, sagte neulich zu mir, als ich ihm von meinem Neffen vorschwärmte: "Die Komponente kann ich nicht beurteilen. Da ich nie erlebt habe, wie viel Spaß so ein Winzling machen kann, weiß ich ja auch nicht, was ich eventuell verpasse. In meinen Augen verpasse ich nichts, sondern kann für den Rest meines Lebens weiterhin machen, wozu ich Lust habe". Was soll man darauf noch antworten?
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