@Maurice, e-noon, Anaeyon:
Ihr fragt, warum Ceitlyn und viele andere hier, mich eingeschlossen, Probleme haben mit Eurer Haltung Toten gegenüber, fragt nach einer konkreten Begründung dafür.
Ich will Euch sagen, "unsere" Haltung, daß Tote nicht einfach beliebig verfügbare leblose Materie sind, der Mensch mit dem Erlöschen der Hirnstromkurven automatisch alle Würdemerkmale verliert, ist die Standard-Haltung der Menschheit. Selbst die letzten Steinzeitmenschen in Neuguinea gehen in ritueller Weise mit ihren Toten um, auch der früher dort verbreitete Kannibalismus war ein Totenritual - bei dem es darum ging, daß die Lebenskraft des Toten auf die anderen übergehen sollte.
Gut, daraus könnt Ihr jetzt eine Diktatur der Mehrheit über Euch Aufrechte Rationalisten könstruieren....
Aber darauf wollte ich nicht hinaus, mir geht es nur darum zu zeigen, daß "unser" Anliegen nicht ausschließlich in christlicher oder sonst religiöser Moral begründet ist, sondern sozusagen kulturelles menschliches Allgemeingut ist.
Euch mag das irrational erscheinen, letztlich ist es aber so, daß der Mensch rein biologisch aufgrund seiner Hirnanatomie gefühlsbegabt ist, ab einem bestimmten Alter aktiv nach Mustern für "gut" und "böse" sucht. Wahrscheinlich hat diese Eigenschaft den Menschen erst so erfolgreich gemacht, wie er heute ist, gewissermaßen zum "Meta-Tier".
Trotzdem, Ihr fragt nach einer "nachvollziehbaren logischen" Begründung...
Auch, wenn ich um den Totenkult anderer Völker nicht bescheid wüßte, würde mich das Unwohlsein beschleichen, das mich bei den Beiträgen über den Sinn des Züge Anhaltens beschleicht.
Es liegt zu einen daran, daß ich selbst schon mit dem Tod konfrontiert war in der Familie, aber letztlich...warum empfinde ich Hunger? Weil bestimmte Rezeptoren entsprechende Botschaften an mein Hirn senden und dies dann "Hunger" im Bewußtsein ausdrücken läßt. Warum empfinde ich Liebe zu einem Menschen, einem bestimmten? Weil mich etwas besonderes an ihm anspricht.
Was die Liebe betrifft, da haben wir schon festgestellt: "Liebe ist". Letztlich gilt dies für alle Gefühle, auch für den Hass, den ich auf einen bestimmten Lehrer meiner Kindheit noch immer empfinde. Gefühle SIND.
Unsere Gefühle SIND - zum einen auch für uns nicht rational, sie sind aber vor allem ein integraler Bestandteil von uns, machen uns aus, und sind damit ganz generell nicht so bis ins letzte auszudiskutieren wie die Frage, ob ich heute lieber knappes Geld in Brot und Belag oder eine CD investiere.
Ich stimme Ceitlyn voll und ganz darin zu, daß "wir" "unsere" Gefühle nicht begründen, erst recht nicht müssen - ganz unabhängig davon, ob wir könnten.
Anaeyon, Dich kann ich durchaus verstehen dabei, denn ich war auch mal in Deinem Alter, und weiß noch zu gut, wie ich irgendwann zwischen 12 und 16 mal gedacht, "getickt" habe.
Maurice, Du erklärst immer wieder, daß Du in RL ganz anders seist. Was hindert Dich, Dich hier so zu geben, wie Du bist? Du brauchst Dich nicht verstecken hier, Du brauchst keine Maske.
Zitat von Maurice:Da hier jetzt schon mehrmals gefordert wurde, mehr zu argumentieren, will ich einen weiteren Schritt in Richtung eines sachlichen Diskurs machen und versuche in kürzester Form die Argumentationsstruktur der Gegenseite zu rekonstruieren:
1.Prämisse: Was gegen die ethischen Gefühle der breiten Mehrheit verstößt sollte nicht getan werden.
2. Prämisse: Wird mit toten Menschen nicht nach den Regeln der Traditionen umgegangen, verletzt das die Gefühle der breiten Mehrheit.
- - -
Konklusion: Man sollte nicht so mit toten Menschen umgehen, dass es den Traditionen widerspricht.
Diese Schlussfolgerung ist erstmal formal logisch korrekt (wenn ich selbst keine Fehler eingebaut habe ^^*). Die zweite Prämisse ließe sich wohl empirisch prüfen, ich gehe aber davon aus, dass sie soweit wahr ist. Wobei ich aber auch vermute, dass die Gefühle der breiten Mehrheit bei Verstoß gegen die Traditionen weit weniger entscheidend verletzt werden, als hier manche den Anschein machen. Dafür sind die meisten wohl doch zu sehr von den Medien abgestumpft und haben ein zu kurzes Gedächtnis. Der ersten Prämisse stimme ich hingegen nicht kategorisch zu. In meinen Augen ist dies zwar eine Regel, die in den meisten Fällen zwar sinnvoll ist, die aber durchaus auch in Einzelfällen in Frage gestellt werden sollte. Denn nicht alles was die Gefühle der Mehrheit verletzt ist auch notwendig strukturell negativ. Wenn die erste Prämisse so zur unumstößlichen Regel festgelegt wird, ist es nicht mehr möglich eine Interessensverschiebung der Mehrheit zu begründen, wenn diese anfänglich mit negativen Emotionen für die meisten verbunden ist.
Maurice, Du machst den Fehler, Gefühle als Elemente der Menge Rationalia zu betrachten. "Unser" bzw. das allgemeine menschliche Grundempfinden kann nicht mit formallogischen Tricksereien ausgehebelt werden. Ganz ehrlich empfinde ich Dein Tun, mit derartigem Deine Extrem-Mindermeinung durchboxen zu wollen, gar als Zumutung
Du stehst auf ganz wackligem Fuß, wenn Du einerseits diesen thread so startest, wie Du ihn gestartet hast, dann alles nur als Frust ablassen und "wollte mal etwas provozieren" deklarierst und jetzt versuchst, Deine Meinung als die einzig logische und damit einzig rational gültige und rechtmäßige zu positionieren.
Nicht alles, was scheinbar logisch ist, ist tragbar, Ratio ist nicht alles.
Ob ich Dich verstehe, möchtest Du wissen? Mir fällt ein, daß Du des öfteren auf eine etwas verkorkste Kindheit hinwiesest. Ob darin ein Schlüssel für Dein Anders-Sein liegt, mußt Du selbst ergründen, vielleicht mit professioneller Unterstützung.
e-noon, Deine Gefühl-Losigkeit verstehe ich nicht. Du äußerst immer mal Deinen Unmut über den alltäglichen Frust und kommst für mich dabei sehr emotional rüber. Entspricht das, was Du hier schreibst, wirklich Deinem inneren Gefühl?
So, und jetzt noch was in Sachen "Moralist":
Anaeyon, so hat mich mal mein Direx bezeichnet, so mit 17, 18 etwa, und da war ich es wohl auch.
Wenn ich mir alea, Feuerkopf, Lykurg, Padreic, Ipsi und Ceitlyn ansehe, wie sei hier im Forum insgesamt rüberkommen und ich sie teilweise in echt kenne - keine/r von denen ist ein Moralist, wie ich den Begriff in realer Gestalt kenne.
Ich würde nicht sagen, daß irgendeiner von "Euch" krank ist, und das hat von "uns" keiner gesagt.
Ana, Dir bin ich damals so begegnet, weil ich mich in Deine Situation in Deinem Alter hinein versetzen kann - ich war auch mal so alt, auch mal ein Junge in der Pubertät.
Vielleicht, weil ich mich als Christ sehe? Nein, ich handle nicht so und so, weil ich zu dieser und jener Gruppe gehöre, auch nicht, weil ich damit "mein Seelenheil befördern" will, wie man sagen könnte. Eher, weil so zu handeln meinem Gefühl entspricht.
Dein Mißtrauen gegenüber der offiziellen Kirche ist berechtigt, mancher würde gar so weit gehen zu sagen, daß in Rom der Anti-C...nein, lassen wir das. Der schlimmste Verbrecher im Namen Christi hieß IMHO Paulus.
Du hättest aber auch recht, wenn Du die gläubigen Christen für überwiegend inkonsequent halten würdest - gerade ist ein Buch erschienen über Mißhandlungen in christlichen Kinderheimen - und seitens der Kirche ist nichts ernst zunehmendes zu hören, auch nicht aus den Gemeinden. DAS ist eine Schande, in meinen Augen.
Du möchtest nun darauf hinaus, daß dieses hier ein Gedankenexperiment sei.
Wenn es das sein soll, dann sollte der Autor dies von vorneherein so darlegen.
Dieser thread konnte, so wie er gestartet und von Maurice und e-noon weiter geführt wurde, von "uns" nur als ernst gemeint verstanden werden. Wenn Maurice nun zwischenzeitig meinte, es sei nur "Frust ablassen und etwas Provokation" gewesen, dann nehme ich ihm das nicht ab, wie schon oben dargelegt.
Wenn Du wirklich ein reines Gedankenexperiment vollführen willst, dann starte einen thread dazu. Dort wird dann garantiert keiner so antworten wie hier, denn dann ist ja klar, worum es Dir geht.