Personenunfall - Ein Grund anzuhalten?

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Ipsissimus
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Fr 10. Mär 2006, 11:29 - Beitrag #101

grundsätzlich stimme ich Maurice erst mal so weit zu, als ich die starke Annahme hege, daß es keine Werte per se gibt, sondern nur per Setzung. Insofern ist auch die Würde eines lebenden Menschen und erst recht des Leichnams, der einmal ein lebender Mensch war, nicht in die Struktur des Universums eingemeiselt, sondern Ausdruck kultureller Handhabung, prinzipiell kontingent.

Ich stehe andererseits im schärfsten praktischen Gegensatz zu Maurice hinsichtlich der Einschätzung der Eignung reiner Rationalität zur Erfassung des menschlichen Miteinanders. Genauso, wie sich die Wesenhaftigkeit von Menschen nicht nur aus rationalen Komponenten ergibt - aus denen imo sogar am allerwenigsten - und zu einer einigermaßen angemessenen Erfassung derselben die Berücksichtigung der emotionalen, instinktiven und körperlichen Aspekte gehören, genauso wenig ergibt sich menschliches Miteinander aus rein rationalen Aspekten. Noch die hartgesottensten Rationalisten stehen in ihrem je eigenen Umfeld auch in emotionalen Netzen, reagieren instinktiv und bedürftig, in welcher emotionalen Färbung auch immer.

Ich nehme meine Charakterisierung von Maurice´ Eingangsposting als tendentiell faschistisch zurück. Maurice hat dieses Posting ja selbst als verbalen Amoklauf, also ein Abreagieren charakterisiert (daß ich nicht gerne Opfer eines Amoklaufes bin, ist eine andere Sache). Allerdings ergibt sich aus den darauf folgenden Diskussionen relativ mühelos, daß das "Triumvirat"^^ zumindest argumentativ nicht geneigt ist, den Umstand der Vielfalt emotionaler Befindlichkeiten und daß ALLE Menschen Emotionsträger sind, in ihren Thesen angemessen zu berücksichtigen.

Dies führt für mein Empfinden nach wie vor dazu, daß diese Thesen eine Aura von kalter Gefühllosigkeit verbreiten, wie auch immer die Gefühlslage der sie äußernden Personen dahinter aussehen mag.

Anaeyon
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Fr 10. Mär 2006, 13:46 - Beitrag #102

Windsbraut, das mit der Meinung zu den Argumenten beruht größtenteils auf Gegenseitigkeit Bild. Vorwerfen kannst du mir vieles, aber nicht das ich nach einfachen Gedankenmodellen suche. Ich habe nämlich auch von eurer "Fraktion" (ich benutze den Ausdruck nicht gerne) einige Dinge gelesen denen ich zustimmen kann und die ich ich meinem jetzigen Denken hinzugefügt habe. Gewisse Dinge die ich in meinen Gedanken davor nicht berücksichtigt habe.

Ipsissmus, ich stimme dir bei deinen ersten beiden Abschnitten zu. Aber, und das ist jetzt nur eine Frage: Rationalität und Emotionen, muss sich das gegenseitig ausschliessen? Bei all meinen "gefühlskalten" Einstellungen bin ich ein Mensch der z.b. lieben kann. Da mir dieses Gefühl mmn. nützlich ist. Auch wenn es wehtut, wenn diese Liebe endet.

Für realitätsbezogene "Anwendung" meiner Sichtweise interessiere ich mich nicht, ich würde von keiner jetzigen Gesellschaft erwarten (und auch nicht wollen) das so gefühlskalt/NUR rational gedacht wird. Denn wenn das der Fall wäre, wäre ich sicher nicht glücklicher als ich es in unserer jetzigen Gesellschaft bin.

Ich bin mir auch nicht sicher ob es ok sein "sollte", eine Leiche zu überrollen - selbst angenommen es bedarf keinen Untersuchungen am Unfallsort - denn auch ich würde mich nicht gerade wohl fühlen wenn ich in diesem Zug sitze. Man müsste also abwegen, womit die Gesamtheit besser klar kommt. Evtl. einen Termin verpassen, oder eben über eine Leiche zu fahren. Verständnis habe ich dafür, wenn es für manche Leute einfach nicht geht, vor allem für den Zugführer und auch für einen Hilfs-Zugführer der den Vorfall nicht live gesehen hat. Mir kommt nur nicht in den Sinn, warum manche Leute es nicht akzeptieren wollen, den Gedankengang, die Möglichkeit drüber zu fahren - pure Theorie! - nicht akzeptieren wollen, wenn es NICHT um die Realität geht, und wenn ich nicht fordere, hier im richtigen Leben so zu handeln.

Wenn Maurice das fordert, dann teilen sich unsere Meinungen hier. Es sollte und hat afaik nie so geklungen als würde ich Maurice in allen Punkten zustimmen. Ich hüte mich davor, seine Denkweise zu kopieren ohne seine Gedankengänge so zu kennen wie er sie kennt Bild

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 14:10 - Beitrag #103

Zitat von Ipsissimus:...
Ich stehe andererseits im schärfsten praktischen Gegensatz zu Maurice hinsichtlich der Einschätzung der Eignung reiner Rationalität zur Erfassung des menschlichen Miteinanders. Genauso, wie sich die Wesenhaftigkeit von Menschen nicht nur aus rationalen Komponenten ergibt - aus denen imo sogar am allerwenigsten - und zu einer einigermaßen angemessenen Erfassung derselben die Berücksichtigung der emotionalen, instinktiven und körperlichen Aspekte gehören, genauso wenig ergibt sich menschliches Miteinander aus rein rationalen Aspekten. Noch die hartgesottensten Rationalisten stehen in ihrem je eigenen Umfeld auch in emotionalen Netzen, reagieren instinktiv und bedürftig, in welcher emotionalen Färbung auch immer. ...

Allerdings ergibt sich aus den darauf folgenden Diskussionen relativ mühelos, daß das "Triumvirat"^^ zumindest argumentativ nicht geneigt ist, den Umstand der Vielfalt emotionaler Befindlichkeiten und daß ALLE Menschen Emotionsträger sind, in ihren Thesen angemessen zu berücksichtigen.
...


Kann ich nur unterschreiben.
Das Eingangsposting war emotional, im Zorn geschrieben, sollte provozieren.
Anschließend die Rolle rückwärts zu fordern und eine rein rationale Herangehensweise zu wollen, ist m. E. unsinnig, denn Menschen sind nicht rein rational, wie Ipsissimus und Jan deutlich dargestellt haben.
Selbst reines Theoretisieren ist müßig, da es die Ausgangsbedingungen konterkariert.

Maurice und e-noon,
was ihr versucht, nämlich die Vergedanklichung von Gefühlen, ist schädlich, weil es Abspaltung bedeutet. Abspaltung ist ein Begriff aus der Psychologie, der die Trennung von "Kopf" und "Bauch" beschreibt, die Durchtrennung des notwendigen Wechselspiels von Gedanke und Gefühl.
Gefühle sind nicht feindlich, sie sind die Basis. Je feiner unsere Sensoren für unsere Gefühle sind, desto weniger werden wir zu ihrem Spielball.
Zum "Ego-Tuning" gehört also nicht nur die intellektuelle Vervollkommnung, sondern auch eine eingehende Beschäftigung mit der Emotionalität. Sie liefert den besten Sensor im Umgang mit anderen Menschen und mit sich selbst.

Ceitlyn
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Fr 10. Mär 2006, 14:12 - Beitrag #104

Mir kommt nur nicht in den Sinn, warum manche Leute es nicht akzeptieren wollen, den Gedankengang, die Möglichkeit drüber zu fahren - pure Theorie! - nicht akzeptieren wollen, wenn es NICHT um die Realität geht, und wenn ich nicht fordere, hier im richtigen Leben so zu handeln.

Vielleicht, weil der Schritt zwischen purer Theorie und gelebter Praxis so klein sein kann....

Es ist diese sterile Gefühlskälte die mich in diesem "Gedankenmodell" abschreckt. Die herrscht in keinem Menschen, selbst nicht in jenen die ihre Gefühle gern ungelebt hätten. Also sollte meiner Meinung nach auch nicht in einem solchen Modell gedacht werden. Aber wie gesagt, das ist meine Meinung und meine Welt.

Anaeyon
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Fr 10. Mär 2006, 14:19 - Beitrag #105

Zitat von Ceitlyn:Mir kommt nur nicht in den Sinn, warum manche Leute es nicht akzeptieren wollen, den Gedankengang, die Möglichkeit drüber zu fahren - pure Theorie! - nicht akzeptieren wollen, wenn es NICHT um die Realität geht, und wenn ich nicht fordere, hier im richtigen Leben so zu handeln.

Vielleicht, weil der Schritt zwischen purer Theorie und gelebter Praxis so klein sein kann....

Es ist diese sterile Gefühlskälte die mich in diesem "Gedankenmodell" abschreckt. Die herrscht in keinem Menschen, selbst nicht in jenen die ihre Gefühle gern ungelebt hätten. Also sollte meiner Meinung nach auch nicht in einem solchen Modell gedacht werden. Aber wie gesagt, das ist meine Meinung und meine Welt.


Ok, also wenn du meinst das z.b. Hitler sich mal im Stillen gedacht hat, das es evtl. helfen würde, die Juden zu vernichten, das daraus seine Überzeugung wurde und er später entsprechend gehandelt hat? (das Beispiel hat nichts zu bedeuten) Wenn du das damit meinst versteh ich dich.

Gefühlskalt ist es mmn. nicht, wenn man seine Gefühle für bestimmte Aspekte des Lebens/des Todes ausschaltet oder sie nie anerzogen bekommt. Komplett gefühlskalt ist/ Maurice ja auch nicht immer, sonst wäre er kaum mit E-Noon zusammen Bild

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 14:27 - Beitrag #106

Zitat von Anaeyon: Gefühlskalt ist es mmn. nicht, wenn man seine Gefühle für bestimmte Aspekte des Lebens/des Todes ausschaltet oder sie nie anerzogen bekommt. Komplett gefühlskalt ist/ Maurice ja auch nicht immer, sonst wäre er kaum mit E-Noon zusammen Bild


Ana,
wenn du Gefühle bewusst ausschaltest, dann IST das die Abwesenheit von Gefühlen, dann ist das die landläufige Beschreibung von "Gefühlskälte".

Gefühle werden nicht anerzogen, höchstens ein paar Auslöser dafür. Es gibt ein paar Grundemotionen, die uns angeboren sind. Schau dir ein Neugeborenes an: Es hat alles schon dabei, die Wut, die Furcht, die Freude, die Trauer, die Liebe, den Schmerz.
Es kann sie noch nicht benennen, aber alle schon empfinden und auch ausdrücken, wenn auch noch fast ausschließlich auf sich selbst bezogen.
Die intellektuellen Verknüpfungen erfolgen später, aber die Basis, die ist immer da. Sie ist überlebenswichtig.
Sie "abzuschalten", wenn auch nur teilweise - es geht meist um das "Abschalten" vermeintlich negativer Gefühle - nimmt uns einen wesentlichen Teil unserer Persönlichkeit. Außerdem beraubt man sich einer ungeheuren Energie.

BEN2506
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Fr 10. Mär 2006, 14:32 - Beitrag #107

@ Padreic

Freut mich, dass du meinen wenigen Worten soviel abringen konntest :) .

Du sagst also, dass eine Gesellschaft, die in bestimmten Fällen pünktlichen Zügen eine höhere Priorität zuordnet als der Totenruhe, die vielleicht sogar Leichen gegenüber anderem Toten keinen besonderen Status zuordnet, die vielleicht sagt: "es ist nur das etwas wert, was lebt", dass die nicht wert wäre zu existieren, dass es also besser wäre, wenn sie komplett mit allen Menschen ausgelöscht wäre? Verstehe ich das richtig?


Ja, du verstehst das schon richtig, in meinen Augen wäre diese Gesellschaft es nicht Wert, wenn mit öffentlichen Einvernehmen so damit umgegangen wird. Den anderen Teil des Inhalts verstehst du aber falsch. Erstens reden wir hier nicht von "bestimmten Fällen" sondern dem alltäglichen Verkehr, wenn die Rettung der Welt an diesem Zug hängen würde, dann wäre es fraglos legitim.

Allerdings geht es hier nicht um eine gestörte Totenruhe (auch wenn ich wenig Verständnis für Selbstmörder habe) sondern vielmehr um das Wesen einer derartigen Gesellschaft, in der auf den Leichnam eines Menschen förmlich geschi**en wird und er noch weniger wert ist als ein Stück Müll. Da sträubt sich in mir etwas.

Ich glaube, da sind sehr viele Sachen, die uns zu Menschen machen. Moral mag dazu gehören, wahrscheinlich sogar.

Es sei dir zugestanden, dass du glaubst zu wissen, was richtig ist, was falsch ist und dass das vielleicht sogar stimmt und dass du das nicht begründen musst und willst. Nur macht gerade dieses es dann unmöglich, mit dir über etwas zu diskutieren, was Sollen beinhaltet. Genauso mit allen anderen, die gleicher Ansicht sind. Und wenn dann ein Dissens darüber besteht, was richtig und falsch ist, prallen beide Ansichten aufeinander, ohne dass dem einen deutlich wird, warum der andere so denkt. So sind dann beide Ansichten gleichberechtigt so lange, bis jemand durch Insichgehen seine Ansicht geändert hat; oder auch nicht...


Ja ich denke schon, dass ich ziemlich gut sagen kann was richtig und was falsch ist. Und ich kann dir auch mit bestimmtheit sagen das ich es nicht UMBEDINGT für richtig halte, alle Leute die nicht arbeiten (wollen) gewollt verhungern zulassen. Man muss seine Meinung nicht immer Ändern, man kann da auch einen Kompromiss eingehen. Ich gebe zu, dass diese eine Belastung für die Gesellschaft sind, aber da muss man wie schon gesagt einen Kompromiss finden.

Ich denke es ist logisch, dass soetwas in der Politik ungleich schwerer ist, da dort die Entscheidungen ja auf mehr oder weniger sinnvollen Pro und Contra Auseinandersetzungen beruhen. Es wäre aber nicht zwingend Nötig ihre Ansichten zu begründen, wenn sie gezwungen wären diesen Kompromiss nun zu finden, zumindest wenn die Stimmen gleich verteilt sind.

Außerdem ist das ein vollkommen unpassender Vergleich, es geht hier nicht um Politiker sonderm darum, einen Toten Menschen ohne Rücksicht zu zerfetzen, nur damit ein gewisser Herr oder Herren pünklich nach Hause kommt(en) oder der Verkehr geregelt weiterläuft oder sonst etwas. Das willtst du doch nicht ernsthaft vergleichen, oder ?

@ Maurice

Ich hoffe das war jetzt ironisch gemeint. Du hast die einzig wahre Erkenntnis über das Wesen der Moral? Bitte verrat mir, wie du das gemacht hast, das interessiert mich brennend!


Nein, das war nicht ironisch gemeint. Hast du diese Erkentnis etwa nicht, oder baut deine vielmehr darauf auf tote Menschen in Fetzten zu fahren? Du deutest es ja immer wieder an. Wozu sollte ich dir meine Moralvorstellungen eigentlich erläutern, bringen würden sie dir ja sowieso nichts. :rolleyes:

Ben

Anaeyon
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Fr 10. Mär 2006, 14:34 - Beitrag #108

Ich bezog mich mit dem Begriff Gefühlskälte auf eine allgemein kalte Art. Bestimmte Gefühle sind mmn. nicht von großem Nutzen, zum Beispiel das Gefühl, das eine Leiche Würde besitzt. Vielleicht sehe ich das aber noch anders, wenn ich selbst genug an meinem Leben hänge, um eine Art Beerdigung zu wollen.

Beraubt es mir Energie, wenn ich keine Gedanken an die Würde einer Leiche "verschwende". Oder meinst du es braucht Energie, diese Gedanken zu unterdrücken? Ich meine nicht unterdrücken, ich meine keine unterdrückten Wertungen sondern das Nichtvorhandensein solcher Werte.

Ipsissimus
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Fr 10. Mär 2006, 14:48 - Beitrag #109

Ana, sprechen können wir ja nur über das, was bekannt ist, in der Regel also über das, was zur Debatte steht. Deine Emotionalität bleibt solange "Privatsache" wie sie nicht zum Vorschein kommt. Ich bin keineswegs der Ansicht, daß sich Rationalität und Emotionalität gegenseitig ausschließen, in der Diskussion kam nur nicht der Eindruck bei mir auf, daß es da eine emotionale Seite gibt, die du, e-noon und Maurice praktisch berücksichtigen würdet.

Maurice
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Fr 10. Mär 2006, 14:53 - Beitrag #110

Ich gehe der einnfachheitshalber erst mal nur auf die Posts auf Seite 5 ein:

Zitat von janw:Aber darauf wollte ich nicht hinaus, mir geht es nur darum zu zeigen, daß "unser" Anliegen nicht ausschließlich in christlicher oder sonst religiöser Moral begründet ist, sondern sozusagen kulturelles menschliches Allgemeingut ist.

Zumindest ich kann mich nicht erinnern behauptet zu haben, dass ich das behauptet hätte, dass das ein Privileg der Religion ist. Ich habe ja Ana darauf hingeweisen, dass ich den Ursprung dieses Verhaltens nicht allein darin begründet sehe. Totenkult ist auch ohne Religion möglich.
Ich weiß auch, dass die Masse der Menschheit einem solchen anhängt. Inwieweit das ein Argument für einen Totenkult ist, halte ich fraglich. Was die Masse macht ist normal, aber ist alles das was normal ist auch automatisch gut? Klar derjenige der sagt, dass das Normale schlecht ist, hat eine größere Beweislast als der andere.

Ich stimme Ceitlyn voll und ganz darin zu, daß "wir" "unsere" Gefühle nicht begründen, erst recht nicht müssen - ganz unabhängig davon, ob wir könnten.

Als ich deine Passage über die Gefühle gelesen hatte, musste ich leider davon ausgehen, das du mich entweder falsch verstanden hast oder einfach nicht richtig gelesen. Gefühle zu rechtfertigen ist nicht möglich. Man kann sie höchstens nur kausal erklären, doch ist das in diesem Fall keine Rechtfertigung. Darauf habe ich weiter oben schon e-noon hingewiesen. ICH will ja auch gar nicht, dass mir irgendjemand eine Rechtfertigung für seine Emotionen abgibt. Was ich will ist eine rationale Begründung für den Totenkult. Ein Totenkult ist eine Ansammlung von Regeln und Handlungen die entweder rational sind oder irrational. Wenn wir hier zu einer vernünftigen Diskussion übergehen wollen, dann sollten zumindest die Dinge, die man rational begründen kann auch rational begründen.

Maurice, Du erklärst immer wieder, daß Du in RL ganz anders seist. Was hindert Dich, Dich hier so zu geben, wie Du bist? Du brauchst Dich nicht verstecken hier, Du brauchst keine Maske.

Ich glaube zwar nicht, dass das hier der richtige Ort ist, um wieder meinen Charakter zu thematisieren, aber nun gut: Es verhält sich wohl genau umgekehrt. Was ich den Menschen im RL zeige ist nur ein Ausschnitt. Der "ganze Maurice" in seinen "hellen und dunklen Seiten" kommt hier mehr zum Ausdruck. Wobei hier wohl mehr von letzteren zum gezeigt, als wenn ich dies auch mehr im RL ausleben würde. Das Internet ist bei mir z.T. auch, wie für soviele anderen auch, Kompensation.

"Unser" bzw. das allgemeine menschliche Grundempfinden kann nicht mit formallogischen Tricksereien ausgehebelt werden.

Ich will eure Gefühle auch nicht mit Logik aushebeln. Die logische Analyse betraf ja auch die Argumentation hiner euren Aussagen. Bzw. die Argumentation die ich hinter euren Aussagen vermute.
Wie e-noon schon sagte, können wir hie entweder alle unsere Befindlichkeiten niederschreiben und dann den Thread schließen oder wir diskutieren logisch, vernünftiv und argumentativ über die Sache. Entscheidet man sich für letzteres sollte man soweit in der Lage sein, seine Gefühle hinten anzustellen. Anders ist kein ordentlicher Diskurs möglich.

Du stehst auf ganz wackligem Fuß, wenn Du einerseits diesen thread so startest, wie Du ihn gestartet hast, dann alles nur als Frust ablassen und "wollte mal etwas provozieren" deklarierst und jetzt versuchst, Deine Meinung als die einzig logische und damit einzig rational gültige und rechtmäßige zu positionieren.

Wichtig: Ok hier scheint die Sache primär im Argen zu liegen. Der Thread anfangs nur als ein böser Spaß gedacht. *den anfliegenden Steinen ausweich*
Er sollte Frust ablassen und provozieren. Eine unreife Spielerei von mir aus. Der erst später auftretende Versuch, die Sache ernsthafter zu betrachten, passt imo auch nicht mehr zu dem Anfang des Threads. Ich hatte darum ja auch um eine Trennun gebeten. Es scheint mir aber, dass auch eine rationale Beschäftigung mit der Thematik nicht mehr möglich ist, weil die meisten hier einfach zu sehr von ihrem Emotionen gefangen sind und nicht von diesem den gehörigen Abstand nehmen können, um sich mit der Sachlage nüchtern auseinander zu setzen.

Nicht alles, was scheinbar logisch ist, ist tragbar, Ratio ist nicht alles.

Leider.

Ob ich Dich verstehe, möchtest Du wissen? Mir fällt ein, daß Du des öfteren auf eine etwas verkorkste Kindheit hinwiesest. Ob darin ein Schlüssel für Dein Anders-Sein liegt, mußt Du selbst ergründen, vielleicht mit professioneller Unterstützung.

Die kausale Erklärung eines Charakters halte ich in einer Sachdiskussion idR für irrelevant.

e-noon, Deine Gefühl-Losigkeit verstehe ich nicht. Du äußerst immer mal Deinen Unmut über den alltäglichen Frust und kommst für mich dabei sehr emotional rüber. Entspricht das, was Du hier schreibst, wirklich Deinem inneren Gefühl?

Es scheint einfach nicht möglich zu sein, seine eigene Gefühlskonstitution soweit zu relativieren,um anzuerkennen, dass jemand im allgemeinen ein sehr gefühlvoller Mensch ist, und nur in einem bestimmten Punkt ganz anders fühlt als man selbst. Mich als gefühlskalt zu deuten, kann ich ja nachvollziehen, angesichts der Posts die ich hier schon abgelassen habe. Aber bei e-nnon ist das völlig unbegründet. Sie ist nicht im allgemeinen gefühlslos, ganz im Gegenteil. Nur in dieser spezielle Fall lässt sie ausnahmsweise kalt. Und du beschwerst daich, dass wir angeblich eine Rechtfertigung für eure Emotionen wollen, deutest aber imo selbst die Forderung an, dass sich e-noon erklären soll. Zumindest deute ich den Abschnitt so.

Ich würde nicht sagen, daß irgendeiner von "Euch" krank ist, und das hat von "uns" keiner gesagt.

Es gibt auch sowas wie implizite Sprechakte. Nur weil einer nicht direkt sagt "du bist doof", kann man das auch durch eine Reihe von Umschreibungen und Andeutungen, dem anderen mitteilen.

@Windsbraut: Ich habe meine Sicht der Welt, du hast deine und jemand anderes hat seine. In jeder werden bestimmte Phänomene und Aspekte besonders betont und andere dagegen vernachlässigt. Das ist ein Makel der wohl unumgänglich ist. Du nennst mich jetzt naiv, und ich meine, den Vorwurf durchaus verstehen zu können. Ich betone nämlich andere Aspekte in meiner Weltsicht stärker, als du in deiner Weltsicht. Seine eigenen Weltsicht hält man idR immer für die bessere und die Aspekte die man selbst betont für die wichtigeren. Ich meine, dass du gewisse Aspekte nicht gnug beachtest, du meinst hingegen, das ich gewisse Aspekte vernachlässige. Diese Aspekte hälst du für entscheidend und weil ich sie nicht so in meine Theorie der Welt einbaue wie du, meinst du, dass es mir an den nötigen Erfahrungen fehlt, die mich zu einer anderen Sicht bewegen würden. Dein Vorwurf ist für mich durchaus plausibel. Ja ich schätze, dass er z.T. auch berechtigt sein wird, da meine Weltsicht nicht perfekt ist. Doch das wird sie auch nie sein können. Sie wird sich nur mehr oder weniger einem entsprechenden Optimun annähern können. Du hast andere Erfahrungen gemacht als ich, deshalb ist deine Sicht der Dinge auch eine andere. Den Vorwurf der Naivität lehne ich aber ab. Zumindest wenn wir darunter dasselbe verstehen. Naiv würde ich jemanden bezeichnet, der seine Sicht der Dinge hat und sie nicht in Frage stellt. Das ist bei mir nicht der Fall, weil ich ständig meine Sicht in Frage stelle und auch immer wieder modifiziere. Ich habe nicht den Stein der Weisen gefunden und werde ihn auch nie finden. Meine Sicht der Dinge wird immer unvollkommen sein. Ist so eine Bewertung der eigenen Perspektive naiv?

Ihr habt euch da eine Ideologie zusammengebastelt, die an Einfachheit kaum mehr zu überbieten ist.

Ein Ziel der Theorienbildung ist es, die komplexen Dinge der Welt in einfache Grundstrukturen zu übersetzen. Das ist eines der Hauptanliegen jeder guten Theorie. Einfachheit ist aber nur dann gut, wenn man die Komplexität der Wirkichkeit entsprechend übersetzt und man keine relevanten Aspekte auslässt. Einfachheit ist daher nicht an sich gut oder schlecht, sondern letzteres nur dann, wenn wichtige Aspekte außer Acht gelassen wird. Einfachheit (relativ zur Komplexität der Phänomene) ist aber ein notwendiger Bestandteil einer guten Theorie.

Wer das Leben auf Nutzen und Ratio reduzieren möchte, negiert dabei die Fakten des tatsächlichen Lebens

Ich poste hier einfach nochmal die Passage die ich vor kurzen Ceitlyn geschrieben hatte, wo ich versucht hatte, ihr meinen Begriff von Nutzen näher zu bringen:
"Ich gehe davon aus, dass hier auch gewisse Missverständnisse vorliegen. Nimm es mir nicht übel, wenn ich glaube, dass du mich niht ganz richtig verstehst. Ich gestehe nämlich auch, dass mein Gebrauch der Wörter nicht immer ganz dem vieler anderer Menschen entspricht und so Missverständnisse entstehen können, wenn der Gegenüber nicht versucht zu verstehen, was ich mit den Wörtern meine. In unserem Fall wird es meiner Einschätzung nach am Wort "Nutzen" liegen, den du, wie es viele (wenn nicht gar die meisten) machen, rein wirtschaftlich, ökonomisch verstehst. Bei mir hingegen muss sich Nutzen nicht nur auf die Wirtschaft beziehen. So nützt meinem Verständnis nach z.B. ein Baby der Mutter nicht nur dahingegehnd, dass dieses vielleicht später ihre Rente sichert, sondern auch deshalb, weil sie sich gegenseitig Nähe und Zuneigung vermitteln. Allein schon das glückliche Lächeln des Babys macht die Mutter schon glücklich. Und auch das ist eine Form des Nutzens für mich, ist auch ein Grund, warum das Baby für die Mutter wertvoll ist. Leider wird diese Art des Nutzens von Ökonomen scheinbar meist völlig übersehen und sie meinen Nutzen ließe sich allein in Form von Geld ausdrücken."
Vielleicht stimmen dich diese Zeilen entwas milder und du kommst du der Ansicht, dass ich bestimmte der Aspekte des menschlichen Seins weniger vernachlässigere, als es vielleicht den Anschein hatte, sondern sie nur anders beschreibe.

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 15:02 - Beitrag #111

Ana,
ich habe nicht "das Gefühl", dass eine Leiche Würde besitzt. Es ist eine anerzogene und von mir als angemessen erachtete Bewertung.
Der Körper eines Menschen ist die Entität, die mir im Alltag gegenüber steht, sie ist für mich untrennbar mit seinem geistigen und emotionalen Ich verbunden. Wenn also ein Mensch stirbt, dann ist diese Gesamtheit tot. (Vielleicht gibt es ein irgendwie geartetes Weiterexistieren der Seele, aber das ist hier nicht wichtig.) Meine Wertschätzung, die ich dem Menschen entgegen gebracht habe, ist nicht fort, nur weil er jetzt gestorben ist. Auch ein toter Mensch ist immer noch ein Mensch.

Von diesem Menschen möchte ich Abschied nehmen, ich hätte gern einen Ort, an den ich gehen kann, um an ihn zu denken. Totenkulte haben ihren Sinn, sie integrieren das Sterben und den Tod in den Lebenszyklus. Dazu gehört auch eine ritualisierte Bestattung, in welcher Form auch immer.

Diese letzte Wertschätzung eines Menschen, die ist für mich sehr stark mit Gefühlen besetzt, mit der Möglichkeit, Trauer zu empfinden über den Verlust, Wut über das Verlassenwordensein, Freude darüber, dass er vielleicht eine schwere Krankheit hinter sich gelassen hat. Auch meine Furcht vor dem eigenen Tod wird berührt. Alle Grundgefühle haben ihren Platz.

Wenn ich an den toten Selbstmörder denke, dann bin ich zwar nicht direkt betroffen, wie ich es bei einem Freund oder Angehörigen wäre, aber ich gestehe seinen Angehörigen und Freunden zu, dieselben Bedürfnisse zu haben.
Selbst ein Mensch ohne Angehörige hat in meinen Augen diese Würde, die es zu bewahren gilt.

Habe ich den Unterschied zwischen Gefühl und Wert deutlich machen können?

Nachtrag für Maurice:

Hier hast du meine Erklärung für den Sinn von Totenkulten.

Ceitlyn
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Fr 10. Mär 2006, 15:07 - Beitrag #112

Zitat von Anaeyon:Ok, also wenn du meinst das z.b. Hitler sich mal im Stillen gedacht hat, das es evtl. helfen würde, die Juden zu vernichten, das daraus seine Überzeugung wurde und er später entsprechend gehandelt hat? (das Beispiel hat nichts zu bedeuten) Wenn du das damit meinst versteh ich dich.

Nein, das meine ich nicht damit.
Und ich nehme zur Kenntnis dass du nicht verstehst
Frage mich ob du nicht verstehen kannst oder nicht verstehen willst. Frage mich ob es an deiner Jugend liegt, hoffe dass es daran liegt.

Zur Gefühlskälte ist bereits alles notwenige gesagt worden.

Windsbraut
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Fr 10. Mär 2006, 15:20 - Beitrag #113

Maurice schrieb: Vielleicht stimmen dich diese Zeilen entwas milder und du kommst du der Ansicht, dass ich bestimmte der Aspekte des menschlichen Seins weniger vernachlässigere, als es vielleicht den Anschein hatte, sondern sie nur anders beschreibe.


"Milde" ist mein mittlerer Name, Maurice. ;)

Ich halte weder dich noch e-noon für Unmenschen. Ich meinte es auch nicht herablassend, als ich euch als "naiv" bezeichnete. Ich bezog mich damit ausschließlich auf mangelnde Lebenserfahrung. Lebenserfahrung ist kein Verdienst, sie kommt mit den Jahren und darauf kann man sich nichts einbilden.
Ich bin mir einfach nur vollkommen sicher, dass eure Sicht der Dinge sich noch grundlegend ändern wird. Wie gesagt: Gäbe es doch nur eine Zeitmaschine!

Ansonsten EOD für mich, weil ich alles zu dem Thema geschrieben habe, was ich dazu loswerden wollte.

@Feuerkopf: Über die Folgen des Unterdrückens von Gefühlen könnte man eigentlich schon fast einen Extrathread eröffnen...

Anaeyon
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Fr 10. Mär 2006, 15:27 - Beitrag #114

Ceitlyn, auf mein Alter hättest du jetzt nicht verweisen müssen, ich fände es aber nett wenn du dich dann so erklärst, das ich es verstehe. Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch, aber dumm bin ich nicht (nicht das du es behauptet hättest) und SO schwer von Begriff auch nicht.

Feuerkopf, ich verstehe was du sagst. Allerdings hast du nichts zum Energieaufwand gesagt. Naja, vll. ist das auch nicht so wichtig.



Mh, ich denke wenn nichts weltbewegendes mehr kommt bin ich hier raus. Mir wurden Dinge beantwortet und verstehen tue ich immer noch nicht alles, aber da manches nicht erklärt werden will, will ich auch nicht nochmals darum bitten.

Maurice
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Fr 10. Mär 2006, 15:28 - Beitrag #115

Puh dann versuche ich jetzt auch noch etwas zur Seite 6 zu schreiben.
Aber trotz des ganzen Zwists kann man doch auch das positive sehen: So eine hitzige Debatte ist mal eine Abwechslung. Außerdem wie sagen die Menschen so schön: Wäre doch langweilig, wenn alle immer einer Meinung wären. :P (Wobei ich diesen Spruch doof finde. ;))

@Feuerkopf: Was der Sinn des Totenkultes war, und dass er für viele einen hohen Wert hat, war mir schon vorher klar. Ich habe diesen Wert für die Menschen, die ihm anhängen, nicht in Frage gestellt, sondern bin quasi für eine Umwertung des Wertes dieser Praxis.
Ich habe aber gestern abend nochmal etwas rumüberlegt und versucht abzuwägen, was besser wäre: Eine Beibehaltung der Praxis oder eine Änderung. Ich tendiere jetzt doch wieder mehr dazu, die Praxis beizubehalten, weil eine Präferenzverschiebung bei sovielen Menschen einfach mehr Kosten verursachen würde, als es der Totenkult tut. Mein Ideal bleibt dennoch eine Welt ohne Totenkult, bzw. eine Welt in der die Menschen soetwas nicht brauchen und ohne diesen (verzeih!) "Schnickschnack" mit ihren Schmerz des Verlusts eines Menschen klar kommen.

@Ratio vs. Emotionen: Da sage ich mal nichts dazu. Das hatten wir garantiert schon mehrmals im Forum diskutiert. Das nochmal hier aufzurollen, würde einen eigenen Thread bedürfen.

@Ipsi: Sorry dass ich mich doch etas zu stark an dem Wort "Faschist" aufgehangen habe. Ich hoffe, du kannst verstehen, warum mich das Wort etwas geschockt hat.
Was das mit der Ratio angeht, so kann man imo den Menschen natürlich nicht nur auf eine Weise erklären, als ob er rein rational wäre. Da ich den Menschen aber im Grunde für nicht mehr als hochkomplexe Physik halte, sollte zumindest theoretisch eine rein rationale Beschreibungsform des Menschens möglich sein. Inwiefern man dem zustimmt, hängt wohl mit dem Vertrauen in die Wissenschaft zusammen. Aber das näher zu besprechen, wäre wohl auch wieder einen eigenen Thread wert.
zumindest argumentativ nicht geneigt ist, den Umstand der Vielfalt emotionaler Befindlichkeiten und daß ALLE Menschen Emotionsträger sind, in ihren Thesen angemessen zu berücksichtigen

Nein das dieses Faktum habe ich zu Beginn wirklich nicht ausreichend berücksichtigt. (In Fachsprache ausgedrückt würde ich wohl sagen, dass ich die externen Präfernzen zu wenig berücksichtigt habe. Nur für die die was damit anfangen können. ;)) Dass ich aber prinzipell das Faktum, dass alle Menschen (abgesehen von geistig schwer Behinderten) emotionale Wesen sind, nicht angemessen berücksichtige, möchte ich aber zurückweisen. Siehe dazu meine Äußerung zu Windsbraut.

@Ben: Ich versuche sachlich zu bleiben, obwohl es mir momentan bei dir am schwersten fällt. ^^*
Ich weiß nicht, ob es dir klar ist, dass du eine sehr steile These aufstellst, wenn du sagst, dass du weiß, was moralisch gut und böse ist. Noch steiler ist aber die These, dass du dies nicht zu begründen brauchst. Wäre es aber dennoch möglich, dass du einen Thread zu deiner ersten These in der Philo-Sektion eröffnest und uns da erklärst, woher du das alles weißt? Ganz ernst, es interessiert mich wirklich! :)

e-noon
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Fr 10. Mär 2006, 16:38 - Beitrag #116

Was die Liebe betrifft, da haben wir schon festgestellt: "Liebe ist".
@JanW: DU hast das festgestellt ;) Um meine Kritik mal nicht zu unterschlagen.
e-noon, Deine Gefühl-Losigkeit verstehe ich nicht. Du äußerst immer mal Deinen Unmut über den alltäglichen Frust und kommst für mich dabei sehr emotional rüber. Entspricht das, was Du hier schreibst, wirklich Deinem inneren Gefühl?
Wenn ich zu einem bestimmten Thema keine heftigen Gefühlsregungen habe, heißt das nicht, dass ich allgemein sehr gefühllos bin ^^ Wie Maurice auch schon gesagt hat und ich auch betont habe: In Bezug auf Menschen gehen mir die Schicksale anderer meist näher, als ich das bei vielen beobachten kann; in Bezug auf Tote habe ich diese Gefühle jedoch ebenso wenig wie in Bezug auf Felsbrocken oder Nachttischlampen.

@Windsbraut: Ich denke nicht, dass du meine Posts gelesen hast, sonst könntest du nicht zu deinem Urteil kommen ^^

@Feuerkopf:
Von diesem Menschen möchte ich Abschied nehmen, ich hätte gern einen Ort, an den ich gehen kann, um an ihn zu denken. Totenkulte haben ihren Sinn, sie integrieren das Sterben und den Tod in den Lebenszyklus. Dazu gehört auch eine ritualisierte Bestattung, in welcher Form auch immer.
Das ist eine Begründung, wie ich sie mir erhofft hatte :) Wenn du erklärst, warum es sinnvoll ist, die Leiche mit Würde zu behandeln, kann ich es auch verstehen. Wenn jemand jedoch nur sagt, eine Leiche habe an sich Würde und sei demnach so und so zu behandeln, kann ich das nur schwer nachvollziehen.
Von einem geliebten Menschen auf diese Weise Abschied zu nehmen, kann hilfreich und heilsam sein, das verstehe ich ^^ Auch wenn es mir wohl nicht so ginge. Eine Bestattung oder rituelle Verabschiedung ist demnach sinnvoll, solange sie der Trauerbewältigung dient und den (lebenden) Menschen hilft.

Ist dabei für dich auch der Gedanke vonnöten, dass einen Meter unter dir jetzt die Leiche des Verstorbenen liegt? Oder ist es primär die "Zeremonie", die du als nützlich bei der Verarbeitung der Trauer betrachtest? (ot: Ich glaube nicht, dass Säuglinge schon "Trauer" empfinden können, bestenfalls Traurigkeit oder Hunger/Schmerzen)

Auch aus meiner Sicht gibt es Dinge, die gegen ein Überfahren der Leiche sprechen, zB. wie schon erwähnt die Ekelgefühle (Lykurg hat mir das an einigen bildhaften Ausführungen nochmals verdeutlicht :) ).

Ich denke jedoch nicht, dass mir der tote Körper des Verstorbenen in irgendeiner Weise bei der Trauerarbeit helfen würde; wenn das jemandem anders geht (wie Feuerkopf vermutlich?), ist es auch sinnvoll, den Leichnam mit Würde zu behandeln, um die Gefühle der Angehörigen nicht zu verletzen.

In meinem Gedankenexperiment ging es um einen Selbstmörder ohne Angehörigen; vorstellbar wäre auch ein Selbstmörder mit Angehörigen, denen der tote Körper gleichgültig ist oder ihnen gar weitere seelische Belastungen aufdrücken würde. Wäre es nicht in einer solchen Situation dennoch sinnvoller (wenn man von der Verunreinigung des Zuges und dem Ekel der Fahrgäste absieht), den Toten erstmal zu belassen, wo er ist, und ihn in einer Pause zwischen zwei Zügen so effizient wie möglich zu entsorgen?

janw
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Fr 10. Mär 2006, 16:49 - Beitrag #117

Gut, dann bleibt jetzt...bleiben jetzt Glauben, Hoffnung und Liebe als die drei Dinge, zu denen Menschen fähig sind und unabhängig wieder kommen - letztlich ohne, daß dies bis ins Letzte begründbar und hinterfragbar ist.
Sie SIND, gewissermaßen.

Maurice, ich habe Dir geschildert, wie es um den Umgang mit Toten in der Menschheit bestellt ist.
Du verstehst es so, daß dies die Usance einer Masse ist, gegen die der Einzelne sich stellen darf, die der Einzelne gar abschaffen wollen können darf oder gar sollte.
Gut, Du nimmst es zurück mit Hinweis auf die Kosten, aber das ist keine Rücknahme in der Sache.

Warum Menschen aller Kulturen Tote achten, hat auch Feuerkopf Dir erklärt.
Die Gründe haben Hand und Fuß, es geht nicht um die Entscheidung zwischen Mac Doof und Würger King.

Natürlich ist zu unterscheiden zwischen Gefühl und Wert. Der Wert ist, wie Ipsi sagt "nicht ins Universum gemeißelt".
Aber die menschliche Wertzuweisung in diesem Punkt ist eine universell gültige, zu welcher Kultur Du auch kommst.
Der kollektiv definierte Wert ergibt sich dabei zu einen aus dem von allen Menschen empfundenen Gefühl gegenüber "ihren" Toten, ich nehme an, daß außerdem diese Werthaltung auch eine sozialkonstitutive Wirkung hat. Ja, wenn Du immer nach nach dem Nutzen fragst: Sie ist nützlich!
Eine Gesellschaft, in der der Tote nichts zählt, ist auf dem Weg, auch den Lebenden nicht mehr als wertvoll zu erachten.
Und ich wage zu behaupten, daß ohne Achtung vor dem Toten der Mensch nicht Mensch geworden wäre.
Warum im Einzelnen hier und dort andere Kulte gepflegt werden, ist ein anderes Thema. Was begründet eine Kultur? Herkommen, Lebensumstände, Klima, Kenntnisse,...

Natürlich steht es Dir frei, den Wert Deines Körpers für Dich persönlich anders zu definieren. Das ändert aber nichts daran, daß jeder Mensch auch mit Deinen Überresten achtsam umgehen wird.

Ana, was war Dir jetzt konkret noch unklar? Frag gern nach :)

Anaeyon
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Fr 10. Mär 2006, 16:59 - Beitrag #118

Das war konkret genug. Wenn mir jetzt noch auf folgende Frage mit einem simplen Ja oder einem Nein (dann aber wiederrum mit Begründung) geantwortet wird, bin ich zufrieden:

Die Emotionen hier in dem Thread, die Empörtheit und alle Anschuldigungen, beziehen sie sich NUR auf die Vorstellung oder den Wunsch, Maurices Forderung in der Realität anzuwenden, oder?
Edit: Und natürlich sind manche etwas "angeregt" wegen unserer Gefühlskälte, allerdings sollte diese bei einem simplen Gedankenexperiment geduldet werden, ohne sich darüber zu beklagen. Oder? ^^

BEN2506
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Fr 10. Mär 2006, 17:05 - Beitrag #119

@Ben: Ich versuche sachlich zu bleiben, obwohl es mir momentan bei dir am schwersten fällt.
Ich weiß nicht, ob es dir klar ist, dass du eine sehr steile These aufstellst, wenn du sagst, dass du weiß, was moralisch gut und böse ist. Noch steiler ist aber die These, dass du dies nicht zu begründen brauchst. Wäre es aber dennoch möglich, dass du einen Thread zu deiner ersten These in der Philo-Sektion eröffnest und uns da erklärst, woher du das alles weißt? Ganz ernst, es interessiert mich wirklich!


Mir ist schon klar, dass meine These steif und steil erscheinen mag, vielleicht sollte man es auch nicht These sondern "Teil einer Lebenseinstellung" nennen. Mal sehen evt. komme ich nochmal darauf zurück und eröffne diesen Thread, wobei ich mir dem Sinn dessen nicht ganz bewusst werden :| .

Ben

janw
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Fr 10. Mär 2006, 17:18 - Beitrag #120

Ana, sie beziehen sich auch auf seine erst deutlich später als Frust ablassen und Provokation erklärten Äußerungen über den Wert der menschlichen Überreste.
Die Betrachtung der Überreste als wertloses Material, Abfall, zu entsorgendes hat ebenso zu den erregten Äußerungen beigetragen.

Das Problem mit dem Gedankenexperiment ist, daß es sich um einen konkreten Fall handelt, einen konkreten Menschen, der von einem Zug erfasst worden ist, wodurch es zu Zugverspätungen und Ausfällen gekommen ist.
Die Frage "was wäre wenn, wie könnte man das denken, wenn? hast Du aufgebracht, sie stellte sich sonst nicht so.

Natürlich kann eine rein theoretische Diskussion geführt werden, aber dann sollte klar sein, daß es eben darum geht.

Ana, ich halte Dich nicht für gefühllos, Du fragst einfach nach dem Sinn all der Werthaltungen, mit denen Du in Deinem Leben konfrontiert wirst. Das ist ganz normal in Deinem Alter, habe ich auch gemacht damals.
Du wirst schon noch Deine eigenen Begründungen finden für die Werthaltungen, die Menschen im allgemeinen eigen sind, so eigen für Dich, daß sie für Dich so unhinterfragbar sind wie unsere es letztlich für uns sind.
Vielleicht noch dies für Dich: Gestern bin ich über ein Buch gestolpert, eine strikte Begründung eines Atheismus mit Werten. Hat mich sehr angesprochen...

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