@Feuerkopf:
mir erschließt sich die Sinnhaftigkeit eines derart gewollt konstruierten Beispiels nicht. Wieso soll ich mir Verhaltens- oder Gedankenstrategien für eine irreale Situation ausmalen, wenn die Situation "in echt" schon schwierig genug ist?
Gerade deshalb. In der Praxis wird es immer tausend Nebenerwägungen geben, wie eben in diesem Fall die Angehörigen, die kriminalistischen Untersuchungen, der Schock des Fahrers, verstreute Leichenteile etc. Für eine Entscheidung in der Praxis muss man all dies berücksichtigen, keine Frage. Maurices Grundanliegen ist aber ein wohl eher philosophisches: hat eine Leiche an sich eine Würde? Oder anders formuliert: dürfte ich mit einer Leiche machen, was ich will, wenn es sonst keiner mitbekommt? Um diese Frage beantworten zu können, ist es von großem Nutzen, sich Gedankenexperimenten zu stellen, die nicht von allen möglichen Nebenerwägungen belastet sind, die für diese Frage keine Rolle spielen.
Das ist ähnlich wie in der Physik: hätten Leute wie Newton und Galilei nicht von der Reibung abstrahiert und alles in der Theorie in einen luftleeren Raum versetzt, es hätte wohl bedeutend länger gebraucht, bis irgendjemand vernünftige physikalische Gesetze hätte aufstellen können.
Maurice ist jemand, so weit ich ihn kenne, der einen ähnlichen Weg wie in der Physik gehen will: er nimmt sich konkrete Situationen, abstrahiert alles, was für seine Frage unwesentlich ist, leitet daraus abstrakte und allgemeine Sätze ab und kombiniert diese wieder, um sie auf eine konkrete Situation anzuwenden.
Das ist philosophisches Denken

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Natürlich gibt es auch Menschen, die von niemandem vermisst werden. Sie sind aber die Ausnahme von der Regel.
Ich glaube gar nicht mal, dass sie (noch) so sehr die Ausnahme sind. Aber das ist ein anderes Thema.
@janw:
Menschen haben zu allen Zeiten eine Menge Mist gemacht. Z. B. das Haben-Wollen, die Gier, die wird man auch fast in allen Kulturen beobachten können. Das heißt nicht, dass sie gut ist. [ich will hier nicht Gier mit Totenkult gleichsetzen; das ist nur ein Beispiel]
Genauso wie sich ein Mensch von Gier frei machen sollte, braucht der "ideale Mensch" m. E. auch keinen Totenkult, er steht dadrüber. So kann ich Maurice schon verstehen, dass seine Utopie ihn nicht hat. Was nicht heißt, dass ich den Totenkult für uns schwache Menschen ablehne.
@Lykurg:
Maurice, den Nobelpreis für Philosophie gibt es nicht; den fände ich hier auch nicht so angemessen wie den ebenso hypothetischen^^ Nobelpreis für Theologie - aber das ist eine andere Sache. Tatsächlich gibt es Nobelpreise für Chemie, Physik, Medizin, Frieden, Wirtschaft und Literatur (in aufsteigender Bedeutungsreihenfolge^^).
Wenn vielleicht auch in der Bedeutung der Sache (wenn es auch da sehr fraglich ist), so doch keineswegs in der Qualität der Vergabe

. Ich erinnere mich noch mit einem Lächeln an Reich-Ranickis Kommentare über diese Institution

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@Ben
Allerdings geht es hier nicht um eine gestörte Totenruhe (auch wenn ich wenig Verständnis für Selbstmörder habe) sondern vielmehr um das Wesen einer derartigen Gesellschaft, in der auf den Leichnam eines Menschen förmlich geschi**en wird und er noch weniger wert ist als ein Stück Müll. Da sträubt sich in mir etwas.
Glaubst du, man würde wegen einem Stück Müll den Zug bremsen und die Strecke für ein oder zwei Stunden sperren?
Es geht darum, ob ein Leichnam nur ein toter Gegenstand ist und nicht mehr. Ich bin mir auch recht sicher, dass man wegen einer Katze nicht bremsen würde oder wegen eines Eichhörnchens.
Außerdem ist das ein vollkommen unpassender Vergleich, es geht hier nicht um Politiker sonderm darum, einen Toten Menschen ohne Rücksicht zu zerfetzen, nur damit ein gewisser Herr oder Herren pünklich nach Hause kommt(en) oder der Verkehr geregelt weiterläuft oder sonst etwas. Das willtst du doch nicht ernsthaft vergleichen, oder ?
Doch, natürlich. Es ist auch eine politische Entscheidung, ob das gemacht wird bzw. erlaubt ist oder nicht.
Und es wird dauernd Geld und anderes gegen Menschenleben aufgewogen. Da wird eben mal eine Ampel an einer gefährlichen Straße aus Geldmangel nicht gebaut, obwohl dort dann aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten 20 Jahren einer weniger sterben würde.... (oder vergleichbares). Und da geht es um lebende Menschen, deren Leben hier gegen Geld aufgewogen wird; und nicht um tote Menschen (insofern man sie in dem Zustand noch Menschen nennt).
Und ich will den Politikern damit gar keinen Vorwurf machen. Es gibt nur begrenzt viele Ressourcen. Man muss irgendwie abwägen.
@Maurice
Der Sinn deines Threads wäre, dass wenn du mit deiner "These" recht hättest, du imo ein heißer Kandidat für den Nobelpreis für Philosophie wärst.
Ich weiß nicht, ob ich Bens These abwegig finden soll. So kategorisch formuliert vielleicht, aber an sich... Es ist etwas sehr anderes, in einem konkreten Fall zu wissen, was richtig und was falsch ist, und eine allgemeine Theorie darüber zu besitzen.