Personenunfall - Ein Grund anzuhalten?

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Maurice
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Fr 10. Mär 2006, 17:28 - Beitrag #121

Zitat von janw:Aber die menschliche Wertzuweisung in diesem Punkt ist eine universell gültige, zu welcher Kultur Du auch kommst.

Sorry aber das klingt für mich widersprüchlich in bezug auf:
Der Wert ist, wie Ipsi sagt "nicht ins Universum gemeißelt".

Was meinst du mit "universell"? Ein menshclicher Wert ist immer subjektiv, allerhöchstens intersubjektiv. "Universell" verbinde ich stattdessen mit Objektivität.

Der kollektiv definierte Wert ergibt sich dabei zu einen aus dem von allen Menschen empfundenen Gefühl gegenüber "ihren" Toten

Diese Aussage ist schlicht und einfach falsch. Nicht alle Menschen haben die gleichen Gefüglen gegenüber "ihren" Toten. Selbst ohne empirische Studie kann ich das als sicher bewerten, in anbetracht der Inhomogenität der Menschheit im Detail, die trotz aller Homogenität der Menschen im allgemeinen besteht.

Eine Gesellschaft, in der der Tote nichts zählt, ist auf dem Weg, auch den Lebenden nicht mehr als wertvoll zu erachten.

Diese These ist mir völlig unplausibel. Diese Schlussfolgerung fine ich alles andere als notwendig.

Und ich wage zu behaupten, daß ohne Achtung vor dem Toten der Mensch nicht Mensch geworden wäre.

Auch davon gehe ich nicht aus. Den Totenkult stufe ich als Epiphänomen ein.

Natürlich steht es Dir frei, den Wert Deines Körpers für Dich persönlich anders zu definieren. Das ändert aber nichts daran, daß jeder Mensch auch mit Deinen Überresten achtsam umgehen wird.

Ich glaube vielen Menschen wäre meine Leiche ziehmlich egal.


PS @ Ben: Der Sinn deines Threads wäre, dass wenn du mit deiner "These" recht hättest, du imo ein heißer Kandidat für den Nobelpreis für Philosophie wärst. ;)
(Gibts den überhaupt?)

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 18:33 - Beitrag #122

Ich wiederhole mich gern:
Der ritualisierte Abschied von einem Toten bedient ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Trauerarbeit ist nur eines davon.
Deshalb ist ja auch der "Leichenschmaus", das mitunter sehr muntere Kaffeetrinken nach einer Beerdigung sehr sinnvpll: Man kehrt unter die Lebenden zurück, man erinnert sich an den Toten und lässt ihn oft auch hochleben.
Die Beerdigungen ohne Kaffeetrinken, auf denen ich war, empfand ich als unvollständig und buchstäblich herzlos.

Noch etwas:
Wie wichtig für viele Menschen ein ritualisierter Abschied ist, zeigen die Leider derer, die Angehörige vermissen, die aber nie gefunden wurden. Oder jene, die nicht wissen, wo ihr Angehöriger verscharrt wurde. Nicht umsonst werden Massengräber geöffnet und der Versuch gemacht, den anonymen Toten wieder einen Namen und dann ein Grab zu geben. Das hat nicht nur forensische Gründe.

Natürlich gibt es auch Menschen, die von niemandem vermisst werden. Sie sind aber die Ausnahme von der Regel. Der Tod eines Menschen verursacht immer Gefühle, es können auch Glückgefühle sein, weil man den Quälgeist endlich los ist. Diese archaischen Emotionen sollten wir nicht unterschätzen. Wer sie achtlos beiseite schiebt, so gar als überflüssig oder lästig erachtet, wird von ihnen eingeholt, so sicher wie das Amen in der Kirche. Das kann Jahre oder Jahrzehnte dauern, aber starke Gefühle holen sich ihr Recht.

Windsbraut hat recht, das führt ein wenig vom Thema ab.

Maurice,
mir erschließt sich die Sinnhaftigkeit eines derart gewollt konstruierten Beispiels nicht. Wieso soll ich mir Verhaltens- oder Gedankenstrategien für eine irreale Situation ausmalen, wenn die Situation "in echt" schon schwierig genug ist?
Ich hätte nachvollziehen können, wenn du dir intensiv Gedanken gemacht hättest über Bewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen.
Nun, vielleicht ist das deine Strategie: Du transportierst das Problem in den theoretischen Orkus und löst es abstrakt. ;)

Kleine Warnung: Das klappt nicht immer. :cool:

Lykurg
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Fr 10. Mär 2006, 19:05 - Beitrag #123

Zitat von Anaeyon:Die Emotionen hier in dem Thread, die Empörtheit und alle Anschuldigungen, beziehen sie sich NUR auf die Vorstellung oder den Wunsch, Maurices Forderung in der Realität anzuwenden, oder?
Edit: Und natürlich sind manche etwas "angeregt" wegen unserer Gefühlskälte, allerdings sollte diese bei einem simplen Gedankenexperiment geduldet werden, ohne sich darüber zu beklagen. Oder? ^^
Aus meiner Sicht: Nein; nein.

Mir will es ebenfalls nicht so recht einleuchten, warum ich in einer abstrakten Diskussion eine andere Position vertreten sollte als in der konkreten. Ich hatte bereits in meinem ersten Beitrag ein gewisses Verständnis dafür geäußert, verbunden mit dem Wunsch, daß die ganze Sache mit geringstmöglicher Beeinträchtigung anderer verläuft - dazu gehört zwangsläufig aber auch, sie vor dem Anblick des Opfers zu bewahren. Diese Position gilt mE ebenso für den konkreten Fall wie die rein hypothetische Annahme eines 'Versuchsaufbaus' bzw. für das Gedankenexperiment. Worin sollte der Unterschied liegen, der mich zu einer anderen Position bewegen sollte? Ein Wesen ohne Moral bin ich nun einmal nicht. Sich eine Maske (wie die des Amoralisten) aufzusetzen, erscheint mir nur als Mittel, andere aus der Reserve zu locken, für sinnvoll (und auch dafür setze ich es selten ein). Insofern wüßte ich nicht, was der Vorteil davon sein sollte, in dieser Diskussion den rein hypothetischen Fall eines Personenunfalls unter dem rein hypothetischen Gesichtspunkt zu betrachten, ich sei ein Amoralist. Denn die unter diesen Voraussetzungen entstehenden Beiträge kann ich ja viel bequemer und "echter" von anderen lesen. :cool:

Maurice, den Nobelpreis für Philosophie gibt es nicht; den fände ich hier auch nicht so angemessen wie den ebenso hypothetischen^^ Nobelpreis für Theologie - aber das ist eine andere Sache. Tatsächlich gibt es Nobelpreise für Chemie, Physik, Medizin, Frieden, Wirtschaft und Literatur (in aufsteigender Bedeutungsreihenfolge^^).

Padreic
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Fr 10. Mär 2006, 19:51 - Beitrag #124

@Feuerkopf:
mir erschließt sich die Sinnhaftigkeit eines derart gewollt konstruierten Beispiels nicht. Wieso soll ich mir Verhaltens- oder Gedankenstrategien für eine irreale Situation ausmalen, wenn die Situation "in echt" schon schwierig genug ist?

Gerade deshalb. In der Praxis wird es immer tausend Nebenerwägungen geben, wie eben in diesem Fall die Angehörigen, die kriminalistischen Untersuchungen, der Schock des Fahrers, verstreute Leichenteile etc. Für eine Entscheidung in der Praxis muss man all dies berücksichtigen, keine Frage. Maurices Grundanliegen ist aber ein wohl eher philosophisches: hat eine Leiche an sich eine Würde? Oder anders formuliert: dürfte ich mit einer Leiche machen, was ich will, wenn es sonst keiner mitbekommt? Um diese Frage beantworten zu können, ist es von großem Nutzen, sich Gedankenexperimenten zu stellen, die nicht von allen möglichen Nebenerwägungen belastet sind, die für diese Frage keine Rolle spielen.
Das ist ähnlich wie in der Physik: hätten Leute wie Newton und Galilei nicht von der Reibung abstrahiert und alles in der Theorie in einen luftleeren Raum versetzt, es hätte wohl bedeutend länger gebraucht, bis irgendjemand vernünftige physikalische Gesetze hätte aufstellen können.
Maurice ist jemand, so weit ich ihn kenne, der einen ähnlichen Weg wie in der Physik gehen will: er nimmt sich konkrete Situationen, abstrahiert alles, was für seine Frage unwesentlich ist, leitet daraus abstrakte und allgemeine Sätze ab und kombiniert diese wieder, um sie auf eine konkrete Situation anzuwenden.
Das ist philosophisches Denken ;).

Natürlich gibt es auch Menschen, die von niemandem vermisst werden. Sie sind aber die Ausnahme von der Regel.

Ich glaube gar nicht mal, dass sie (noch) so sehr die Ausnahme sind. Aber das ist ein anderes Thema.

@janw:
Menschen haben zu allen Zeiten eine Menge Mist gemacht. Z. B. das Haben-Wollen, die Gier, die wird man auch fast in allen Kulturen beobachten können. Das heißt nicht, dass sie gut ist. [ich will hier nicht Gier mit Totenkult gleichsetzen; das ist nur ein Beispiel]
Genauso wie sich ein Mensch von Gier frei machen sollte, braucht der "ideale Mensch" m. E. auch keinen Totenkult, er steht dadrüber. So kann ich Maurice schon verstehen, dass seine Utopie ihn nicht hat. Was nicht heißt, dass ich den Totenkult für uns schwache Menschen ablehne.

@Lykurg:
Maurice, den Nobelpreis für Philosophie gibt es nicht; den fände ich hier auch nicht so angemessen wie den ebenso hypothetischen^^ Nobelpreis für Theologie - aber das ist eine andere Sache. Tatsächlich gibt es Nobelpreise für Chemie, Physik, Medizin, Frieden, Wirtschaft und Literatur (in aufsteigender Bedeutungsreihenfolge^^).

Wenn vielleicht auch in der Bedeutung der Sache (wenn es auch da sehr fraglich ist), so doch keineswegs in der Qualität der Vergabe ;). Ich erinnere mich noch mit einem Lächeln an Reich-Ranickis Kommentare über diese Institution ;).

@Ben
Allerdings geht es hier nicht um eine gestörte Totenruhe (auch wenn ich wenig Verständnis für Selbstmörder habe) sondern vielmehr um das Wesen einer derartigen Gesellschaft, in der auf den Leichnam eines Menschen förmlich geschi**en wird und er noch weniger wert ist als ein Stück Müll. Da sträubt sich in mir etwas.

Glaubst du, man würde wegen einem Stück Müll den Zug bremsen und die Strecke für ein oder zwei Stunden sperren?
Es geht darum, ob ein Leichnam nur ein toter Gegenstand ist und nicht mehr. Ich bin mir auch recht sicher, dass man wegen einer Katze nicht bremsen würde oder wegen eines Eichhörnchens.

Außerdem ist das ein vollkommen unpassender Vergleich, es geht hier nicht um Politiker sonderm darum, einen Toten Menschen ohne Rücksicht zu zerfetzen, nur damit ein gewisser Herr oder Herren pünklich nach Hause kommt(en) oder der Verkehr geregelt weiterläuft oder sonst etwas. Das willtst du doch nicht ernsthaft vergleichen, oder ?

Doch, natürlich. Es ist auch eine politische Entscheidung, ob das gemacht wird bzw. erlaubt ist oder nicht.
Und es wird dauernd Geld und anderes gegen Menschenleben aufgewogen. Da wird eben mal eine Ampel an einer gefährlichen Straße aus Geldmangel nicht gebaut, obwohl dort dann aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten 20 Jahren einer weniger sterben würde.... (oder vergleichbares). Und da geht es um lebende Menschen, deren Leben hier gegen Geld aufgewogen wird; und nicht um tote Menschen (insofern man sie in dem Zustand noch Menschen nennt).
Und ich will den Politikern damit gar keinen Vorwurf machen. Es gibt nur begrenzt viele Ressourcen. Man muss irgendwie abwägen.

@Maurice
Der Sinn deines Threads wäre, dass wenn du mit deiner "These" recht hättest, du imo ein heißer Kandidat für den Nobelpreis für Philosophie wärst.

Ich weiß nicht, ob ich Bens These abwegig finden soll. So kategorisch formuliert vielleicht, aber an sich... Es ist etwas sehr anderes, in einem konkreten Fall zu wissen, was richtig und was falsch ist, und eine allgemeine Theorie darüber zu besitzen.

BEN2506
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Fr 10. Mär 2006, 20:24 - Beitrag #125

Glaubst du, man würde wegen einem Stück Müll den Zug bremsen und die Strecke für ein oder zwei Stunden sperren?
Es geht darum, ob ein Leichnam nur ein toter Gegenstand ist und nicht mehr. Ich bin mir auch recht sicher, dass man wegen einer Katze nicht bremsen würde oder wegen eines Eichhörnchens.


Natürlich würde ein Zug nicht wegen einem Stück Müll anhalten, auch nicht wegen einer Katze oder eines Eichhörnchens. Es geht um die Geste, die diese Gesellschaft damit zeigt. Aber ich glaube wir reden aneinander vorbei.

Ben

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Fr 10. Mär 2006, 20:31 - Beitrag #126

Unter dem Gesichtspunkt (Ausschließen von Nebenaspekten; Frage: Gibt es eine Würde nach dem Tod?) verstehe ich den Wunsch nach einer anderen Diskussion - dann aber bitte im Philo! (und folglich ohne meine wenig sachgemäßen Beiträge, sofern mir nichts Relevantes einfällt). Im Diskussionsbereich erscheint es mir nach wie vor nicht sinnvoll, anders zu antworten, als ich es getan habe. Tut mir leid, daß der Groschen so lange brauchte; allerdings fühlte auch ich mich in dieser Hinsicht nicht so recht an die Hand genommen.^^ Danke also für die Aufklärung, Padreic.

Auf die explizite Verneinung der Frage, ob man für eine Katze bremsen würde, war ich mit e-noon auch gekommen, schwieriger erschien uns der Fall bereits bei einem Pferd oder einer Kuh. Hierbei läßt sich übrigens die andere Seite der Überlegung abstrahieren - das gesamte Nutzen-Kalkül, ästhetische und andere Bedenken, ohne die Frage nach zwischenmenschlicher Ethik abhandeln zu müssen. Vielleicht läßt sich auf diesem Weg auch der andere Komplex isolieren?

Wenn vielleicht auch in der Bedeutung der Sache (wenn es auch da sehr fraglich ist), so doch keineswegs in der Qualität der Vergabe ;). Ich erinnere mich noch mit einem Lächeln an Reich-Ranickis Kommentare über diese Institution ;).
Ja, dath itht eine ganth anderre Thache! :D (Ein schwerwiegender Vorwurf ist auch die zwangsläufige sprachliche "Beschränktheit" der Jury, die eine Vielzahl von kleineren Nationen stark benachteiligt - mW gab es bisher genau zwei Literaturnobelpreisträger aus Asien (außer UdSSR) und einen aus Afrika.)

Und meine Kritik an Bens Beitrag richtete sich ebenfalls vor allem gegen die problematische Absolutheit von "Ich weiß was Richtig und was falsch ist" - auch wenn das völlig im Einklang mit unseren gemeinsamen alttestamentarischen Grundlagen steht.^^

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 21:43 - Beitrag #127

Geschrieben von Padreic:
Gerade deshalb. In der Praxis wird es immer tausend Nebenerwägungen geben, wie eben in diesem Fall die Angehörigen, die kriminalistischen Untersuchungen, der Schock des Fahrers, verstreute Leichenteile etc. Für eine Entscheidung in der Praxis muss man all dies berücksichtigen, keine Frage. Maurices Grundanliegen ist aber ein wohl eher philosophisches: hat eine Leiche an sich eine Würde? Oder anders formuliert: dürfte ich mit einer Leiche machen, was ich will, wenn es sonst keiner mitbekommt? Um diese Frage beantworten zu können, ist es von großem Nutzen, sich Gedankenexperimenten zu stellen, die nicht von allen möglichen Nebenerwägungen belastet sind, die für diese Frage keine Rolle spielen.
Das ist ähnlich wie in der Physik: hätten Leute wie Newton und Galilei nicht von der Reibung abstrahiert und alles in der Theorie in einen luftleeren Raum versetzt, es hätte wohl bedeutend länger gebraucht, bis irgendjemand vernünftige physikalische Gesetze hätte aufstellen können.
Maurice ist jemand, so weit ich ihn kenne, der einen ähnlichen Weg wie in der Physik gehen will: er nimmt sich konkrete Situationen, abstrahiert alles, was für seine Frage unwesentlich ist, leitet daraus abstrakte und allgemeine Sätze ab und kombiniert diese wieder, um sie auf eine konkrete Situation anzuwenden.
Das ist philosophisches Denken .


Wir sind hier aber nicht in der Philo-Abteilung, und das aus gutem Grund. Maurice hat an den Anfang ein alltagspraktisches Problem gesetzt, das zusätzlich einen starke moralischen Aspekt besitzt. Den Bereich des Totenkults haben wir - denke ich - inzwischen als durchaus sinnvoll beschrieben, weil er mit der Emotionalität des Menschen zu tun hat. Dummerweise kann man Gefühle (noch) nicht auf physikalische Formeln reduzieren, so gern Maurice das auch täte. Noch muss man sie als das sehen, was sie sind, nämlich nicht unbedingt unserer Ratio untergeordnet, sondern mindestens gleichrangig.
Über den Einfluss der Emotionen auf die Entscheidungen des Menschen gibt es weiß Gott genügend wissenschaftliche Untersuchungen.

Also stellt sich für mich die Frage, ob Maurices Herangehensweise in diesem Fall nicht die falsche ist.
Mir kommt der nicht unbegründete Verdacht, als würde die Argumentation mit der Wichtigkeit von Emotionen als unwissenschaftlich belächelt von denen, die von der Alleinseligmachung des unbestechlichen Geistes überzeugt sind.

e-noon
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Fr 10. Mär 2006, 23:28 - Beitrag #128

Ich nehme erfreut wahr, dass Padreic mir die Worte treffender aus dem Mund nimmt, als ich sie wohl hätte formulieren können ^^

Mir ist aufgrund der juristischen Schwierigkeiten, der ästethischen Frage, des psychischen Zustandes des Fahrers und vielen anderen Erwägungen* (mittlerweile) klar, dass unter den jetzigen Umständen eine Unterbrechung des Zugverkehrs auf jeden Fall nützlich ist (/ ~großes Unheil verhindert~).

Wie Padreic auch erklärt hat, würde mich daher der moralische/ethische/philosophische Aspekt der Frage interessieren (den ich auch am Anfang für am interessantesten erachtete, um den es wohl auch ging?).
Dazu können wir die Aspekte, die nach allgemeinem Konsens die sofortige Weiterfahrt verhindern*, ausklammern und uns nur auf die Frage beschränken, was für moralische.. Gründe es geben kann, nicht über einen offensichtlich Toten zu fahren.

Das in einem neuen thread zu machen, halte ich auch für sinnvoll. Dabei müssten wir uns nicht auf dieses eine Beispiel beschränken, was die Sache einfacher macht :)

Mein Standpunkt dürfte klar sein; ich hätte lediglich ästhetische Bedenken (=Würgereiz, Atemnot ^^) beim Anblick und nochmaligen Überfahren einer plattgefahrenen Leiche. Dass es anderen bei ihren ANgehörigen anders geht, kann ich verstehen; bleibt die Frage nach Menschen ohne Angehörige und nach Gründen, eben nicht nochmals darüber zu fahren.

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 23:36 - Beitrag #129

e-noon,
wenn ein moralischer Aspekt aus einem emotionalen Bedürfnis erwächst, wie
willst du ihn dann frei von Emotionen diskutieren? Ohne die Berücksichtigung der Gefühlsebene wird man ihm dann nicht gerecht werden können.

Ich finde es sowieso spannend, dass ihr so sehr bestrebt seid, die Gefühlsebene kategorisch auszuklammern bei euren Überlegungen.

e-noon
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Fr 10. Mär 2006, 23:43 - Beitrag #130

Habe ich das geschrieben? So war es nicht gemeint :) Natürlich darf der emotionale Aspekt zur Begründung des Moralischen herangezogen werden; eine sehr überzeugende Begründung könnte zB. sein, "Weil ich mich dann schlecht fühle" - immerhin kann man dann diskutieren, ob es gut ist, dass man sich dabei schlecht fühlt ^^

Feuerkopf
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Fr 10. Mär 2006, 23:46 - Beitrag #131

"Weil ich mich dann schlecht fühle" wäre mir zu billig argumentiert, denn dieses "sich schlecht fühlen" kann man mit sehr viel mehr Inhalt füllen.

Die Gefühlskiste ist euch unheimlich, was? Macht sie mal auf, ihr Inhalt ist mindestens so spannend wie die Welt der Logik. :)

e-noon
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Fr 10. Mär 2006, 23:59 - Beitrag #132

Feuerkopf ^^ Ich habe manchmal das Gefühl, du ignorierst, was schon öfters gesagt wurde: Wir HABEN tatsächlich schon Gefühle, haben uns an sie gewöhnt, einige liebgewonnen, können damit umgehen, sind damit vertraut, kennen manche, können einige sogar erklären, wissen um Nuancen, vertrauen zuweilen gar unserem Instinkt, hören auf unser Bauchgefühl, sind spontan, folgen unserem Herzen,...

Nur wollen wir jetzt, in dieser Diskussion, gerne logisch vorgehen :)

Feuerkopf
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Sa 11. Mär 2006, 00:01 - Beitrag #133

Dann eröffne in der Philoabteilung einen entsprechenden Thread.
So kann man einem unbequemen Thema natürlich auch ausweichen.

e-noon
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Sa 11. Mär 2006, 00:12 - Beitrag #134

Welchem unangenehmen Thema bin ich deiner Meinung nach ausgewichen?

Feuerkopf
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Sa 11. Mär 2006, 00:19 - Beitrag #135

Ich zitiere mich mal selbst:

wenn ein moralischer Aspekt aus einem emotionalen Bedürfnis erwächst, wie willst du ihn dann frei von Emotionen diskutieren? Ohne die Berücksichtigung der Gefühlsebene wird man ihm dann nicht gerecht werden können.


Mich interessiert wirklich, wie du rein logisch etwas diskutieren willst, das eine emotionale Basis hat.

e-noon
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Sa 11. Mär 2006, 00:30 - Beitrag #136

Dann zitiere ich mich einfach auch mal (wo soll das hinführen?):
Natürlich darf der emotionale Aspekt zur Begründung des Moralischen herangezogen werden

Wenn ich etwas logisch betrachte, heißt das nicht, dass nur Aspekte innerhalb der Logik einbezogen werden dürfen, sondern dass die Art und Weise, wie Aspekte verknüpft und begründet werden, logisch ist.

Analog dazu: wenn ich etwas in deutscher Sprache verfasse, heißt das nicht, dass nur deutsche Objekte in diesen Text einbezogen sein dürfen.
Es ist also, um mich zu wiederholen, legitim und auch erwünscht, Emotionen mit einzubeziehen ^^ Auf sachliche Art und Weise.

Maurice
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Sa 11. Mär 2006, 01:36 - Beitrag #137

Ich komme gerade von dem Geburtstag meines Onkels und bin ziehmlich müde. Deshalb nur kurz an Padreic ein paar wenige Worte und dann eventuell morgen noch was. Die anderen mögen es mir verzeihen. ;)

Pad nimm es mir nicht übel, wenn ich sage, dass deine Posts mich erstaunen. Angesichts der ganzen Reibungen die wir in letzter Zeit hatten, bin ich schon regelrecht ein wenig gerührt, über das was du schreibst. Ne ehrlich! ^^
Was mich aber noch mehr wundern, als deine Rückdeckung sind die imo utilitaristisch anmutendene Argumentation, die du hier z.T. anwendest. Ein Menschenleben wird gegen Geld abgewogen und du verweist auf die Notwendigkeit dieser Praxis auf Grund von Ressourcenknappheit. Und das angesichts der kritischen Haltung die du sonst gegenüber der utili. Perspektive äußerst. Nimms mir nicht übel. Entweder habe ich dich bisher falsch eingeschätzt oder du hast deine Sicht der Dinge z.T. geändert.
Oder bist du am Ende gar nicht Pad und Sarah hat deinen Account gehackt? ;)

Auf Grund dieser wohlwollenden Worte, werde ich wahrscheinlich einen Thread in Richtung von Bens These eröffnen, damit wir das zusammen möglichst in Ruhe etwas über die Sache reden können. Ich verspreche, dass ich mir besonders Mühe geben, auf Polemik oder dergleichen zu verzichten. ^^


So und jetzt gehe ich schlafen. :wink:

Ipsissimus
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Sa 11. Mär 2006, 12:29 - Beitrag #138

Oder anders formuliert: dürfte ich mit einer Leiche machen, was ich will, wenn es sonst keiner mitbekommt? Um diese Frage beantworten zu können, ist es von großem Nutzen, sich Gedankenexperimenten zu stellen, die nicht von allen möglichen Nebenerwägungen belastet sind, die für diese Frage keine Rolle spielen.


erste Antwort (nach Klaus Hoffmann):
gefügig, leise, zahm und still, darf ein jeder machen, was er will

will sagen: wenn ich "wenn es sonst keiner mitbekommt" mit "es bleibt für mich ohne unerwünschte Konsequenzen" richtig übersetze: wo ist das Problem, wenn es keiner mitbekommt? Mit seinem Gewissen wird ein Lebender immer einen modus vivendi finden


zweite Antwort
Modellbildung unter Abstraktion der realen Komplexität ist so recht der Zug der Zeit, der Naturwissenschaft und Technik ermöglicht, der auch im Verweis auf das Mögliche Blindheit ermöglicht und den leisen, beinahe unmerklichen Schwanengesang des Humanismus singt. Für mich der einzige, wenn auch billige Trost dabei: ich werde wahrscheinlich und hoffentlich schon lange tot sein, wenn die Apologeten, Macher und Nichtverhinderer der nichthumanistischen Wirklichkeit noch lange darin leben werden müssen.

Maurice
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Sa 11. Mär 2006, 13:57 - Beitrag #139

wenn ich "wenn es sonst keiner mitbekommt" mit "es bleibt für mich ohne unerwünschte Konsequenzen" richtig übersetze: wo ist das Problem, wenn es keiner mitbekommt?

Möglicherweise sollte man es dennoch nicht tun, wenn es unmoralisch wäre.
Ich glaube, e-noon will fragen, ob jemand etwas aus moralischer Sicht etwas dagegen hätte.
Für uns beide Ipsi ist das wohl ziehmlich irrelevant. Für den ein oder anderen hier wohl aber wird die moralische Dimension eine entsheidende Rolle spielen. ;)

Feuerkopf
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Sa 11. Mär 2006, 15:04 - Beitrag #140

Wieso denkst du, für Ipsi sei die moralische Sicht irrelevant? Er hat doch den Aspekt des Gewissens benannt, mit dem sich jeder einzelne auseinander setzen muss. Wenn das Gewissen nicht die letzte moralische Barriere ist, was denn sonst?

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