Mord der Ehre wegen

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mi 19. Apr 2006, 13:19 - Beitrag #41

Churchill - ...in Ermangelung einer besseren (- selbstverständlich weit davon entfernt, in ihm grundsätzlich eine unumstößliche Autorität zu sehen^^).

Nur Körner zu sehen und nicht Sand nennen zu dürfen, wäre allerdings eine der anderen gelegentlich probierten... bewahre^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mi 19. Apr 2006, 13:44 - Beitrag #42

Adorno sprach von der Atomisierung der Gesellschaft, die Konsequenzen dessen muss ich noch überdenken.
Th. Körner und George Sand waren aber recht unähnlich^^

Feuerkopf
Moderatorin
Moderatorin

Benutzeravatar
 
Beiträge: 5707
Registriert: 30.12.2000
Mi 19. Apr 2006, 14:02 - Beitrag #43

Bevor ihr mir hier zu intellektuell werdet und ich kein Wort mehr nachvollziehen kann, mein gern geübter Versuch, eure Füße wieder auf den Alltagsboden zu ziehen:

Die Beschreibung Ipsis, dass unsere Gesellschaft ein Nebeneinander von verschiedenen Sets gesellschaftler Eigenarten ist, finde ich nachvollziehbar.
Allerdings scheint es mir weniger ein Nebeneinander als vielmehr ein gelegentliches Mit- bzw. Durch- und häufiges Gegen-Einander zu sein.
Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir diese Vielfaltigkeit als solche überhaupt wahrnehmen würden, denn schon bei Menschen innerhalb EINES Sets gibt es Ausführungsdifferenzen.

Ipsi, ich kenne deinen Kulturpessimismus ^^, aber wir kommen schlicht nicht drumherum, einen gangbaren Weg zu suchen und hoffentlich zu finden, sonst hauen sich wirklich bald ideologische Betonköpfe dieselben ein.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 19. Apr 2006, 14:49 - Beitrag #44

Feuerkopf, ich habe 3 real gangbare Wege genannt^^ und fühle mich derzeit nicht in der Lage, meine Beobachtungen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit Deutschlands mit Hoffnungen in Einklang zu bringen, es könnten weitere Wege den Sprung von der Hoffnung in die Wirklichkeit schaffen. Deutschland ist mitsamt seinen Verbündeten dabei, sich für einen Krieg einzuigeln, zu dessen Vorbereitung wie bei jedem Krieg auch die Schürung der Hybris zählt

Die Maschine
Experienced Member
Experienced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 505
Registriert: 21.04.2005
Fr 21. Apr 2006, 13:33 - Beitrag #45

Um meinen Senf auch noch dazuzugeben *g*:

Ich denke, wenn die Deutsch-Muslime hier leben, haben sie sich den Sitten und vor allem dem Grundgesetz anzupassen.

Die Grundrechte sind Gott-sei-Dank unveräußerlich und unantastbar in unserer Verfassung. Und wenn die Deutsch-Muslime hier leben wollen, haben sie sich zumindest an unser oberstes Gebot zu halten und auch an den in Art. 1-20 eingestandenen Grundrechten.

Um es radikal auszudrücken: In ihrer Heimat (Türkei) herrscht strengster Laizismus, und Deutschland ist kein "Ersatz" für das was sie in der Türkei nicht dürfen.
Wenigstens passt sich die Mehrheit der Deutsch-Muslime der individuellen Freiheiten und den Rechten der individuellen Freiheit an...
ich glaube nicht, dass die Frau wollte, dass sie getötet wird... also ist das quasi ein Bruch mit dem Grundgesetz; und wer damit bricht, um seine Kultur durchzusetzen, der sollte mit ernsthaften Konsequenzen rechnen, die über 9,5 Jahre Knast (oder wie viel auch immer) hinaus gehen... ich denke da an die Familie in mittelbarer Mittäterschaft....
Aber ich bin auch kein Jurist.......

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 22. Apr 2006, 20:59 - Beitrag #46

Eine "mittelbare Mittäterschaft" der Familie ist bei uns gesetzlich nicht (mehr) vorgesehen, und ich bin recht froh darum. Daß in diesem konkreten Fall die Mittäterschaft zumindest der Brüder nicht erwiesen werden konnte, ist - zumindest nach ihren erstaunt-begeisterten Reaktionen auf den Freispruch - eher bedauerlich, insbesondere als Signal für die nächsten Täter bzw. für die jungen Frauen, die sich dementsprechend mehr zu fürchten haben, stärker eingeschränkt und schikaniert werden können. Aber die Schuld konnte nicht erwiesen werden; und mehr kann man kaum machen. Das Strafmaß ist altersbezogen, sicher kann man sich über die Berechtigung der Anwendung von Jugendstrafe auch Gedanken machen, allerdings sind fast zehn Jahre für einen unter 20jährigen auch ziemlich viel Zeit, genug jedenfalls, um ggf. ein Leben zu ruinieren.

Die Erklärung der Taten aus ihrem historisch-kulturellen Umfeld heraus diente nur dazu, zu zeigen, daß die Situation dieser Täter auch aus dem Blickwinkel ihrer ursprünglichen Heimat kompliziert ist, sie tatsächlich eher keine Heimat haben, versuchen, sich hier ein Umfeld nach ihren Regeln zu schaffen, und dabei selbstverständlich in Konflikt mit hiesigen Regelsystemen kommen. Eine Billigung dieser 'Ersatzfunktion' war darin nicht enthalten - wobei, wenn sie in ihrer Religionsausübung dort tatsächlich gehindert würden, selbst darüber geredet werden müßte. (Der Wille der Frau und ihre grundgesetzlichen Rechte dürften übrigens im Prozeß keine wesentliche Rolle gespielt haben, darüber wurde ja auch nicht verhandelt.)

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 23. Mär 2007, 13:32 - Beitrag #47

Nun ist das für undenkbar gehaltene eingetreten - eine bundesdeutsche Richterin hat, in einem anderen Fall, es ging um das Züchtigungsrecht islamischer Männer gegenüber ihren Frauen, "gruppenspezifisch" geurteilt und dabei das Rechtssystem der moslemischen Tätergruppe angewandt. Ergebnis: nach der islamischen Scharia ist die Züchtigung der Frauen statthaft, also Freispruch.

Das Urteil ist natürlich sofort in der juristischen Kritik gewesen und revidiert worden, und, für mich bemerkenswert, der Islamrat hat das Urteil gleichfalls kritisiert, nicht nur, weil es unseren Gesetzen zuwider laufe, sondern auch weil es nicht islamischem Recht entspreche.

Wenn auch deutlich misslungen, ist hier nicht prinzipiell eine Tür aufgestoßen worden für gruppenspezifische parallele Normensysteme? Wenn, wie ist das zu bewerten?
Oder haben wir diese nicht längst schon - im Bereich des Wirtschaftsrechts, etwa wenn der ehemalige Chef der Berliner Landesbank wegen der Veruntreuung mehrerer Millionen mit nachfolgendem Fast-Bankrott des Landes Berlin zu 16 Monaten auf Bewährung verurteilt wird, ein "kleiner" Veruntreuer oder Betrüger dafür aber mehrere Jahre wirklich einsitzen muss ?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 23. Mär 2007, 14:04 - Beitrag #48

ganz so eindeutig ist der Fall wohl nicht, es ging zumindest nicht um einen Strafrechtsprozess, daher konnte er auch nicht mit "Freispruch" enden, sondern um eine Scheidungsklage, und speziell um die Anwendung der Härtefallregel für eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres.

Die Richterin hat sehr wohl die Gefährdung der Frau erkannt, und dem Mann gerichtlich verboten, in irgendeiner Weise Kontakt zu seiner noch-Ehefrau aufzunehmen, der auch das alleinige Benutzungsrecht für die vormalige gemeinsame Wohnung übertragen wurde. Aus diesen Maßnahmen ergibt sich möglicherweise, daß eine Härtefallregelung nicht mehr zwingend notwendig war - tatsächlich belaufen sich viele Statements von Juristen darauf, daß das Trennungsjahr der beiden in 2 Monaten ohnehin vorbei sei. Anstatt das so zu kommunizieren, hatte die Richterin dann allerdings einen Totalausfall und glaubte, mit Vorstellungen und Begrifflichkeiten des fundamentalistischen Islam argumentieren zu müssen. Dafür gehört sie sicherlich geohrfeigt, aber die Hysterie, die wegen dieser Sache jetzt entfacht wird, zeigt mir eigentlich nur, daß hier etwas politisch ausgeschlachtet werden soll

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 23. Mär 2007, 14:05 - Beitrag #49

janw, du hast den armen Vergleich skalpiert...

Im konkreten Fall wurde einer Frau die Scheidung verweigert, weil eine Koranpassage Ehemännern anempfiehlt, ihre unbotmäßigen Frauen zu verprügeln, ihr Mann also richtig gehandelt habe. Der Islamrat protestiert aber auch, weil diese Stelle offenbar heute üblicherweise nicht so ausgelegt wird, die Richterin also nach einer selbstgestrickten Pseudo-Sharia geurteilt hat.

Ich finde den Fall reichlich unglaublich. Im nächsten Verfahren bestraft die Richterin dann ein Ehebruchsdelikt mit Steinigung?

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 23. Mär 2007, 14:49 - Beitrag #50

Stimmt wohl, es ging um ein Scheidungsverfahren und nicht um Strafrecht, mea culpa - letztlich könnte man aber sagen, daß die Verweigerung der Scheidung von der Wirktiefe her einem strafrechtlichen Freispruch recht nahe kommt, oder?

Tja, es hätte so einfach gehen können - Umgangsverbot für den Mann, Wohnung allein für die Frau, damit kein Härtefall mehr gegeben...wartet noch 2 Monate, dann könnt Ihr Euch scheiden lassen. Nächster Fall...

Lykurg, verstehe ich Dich richtig, daß der Islamrat ein Urteil nach der Sharia im aktuellen Sinne gut gefunden hätte?

Ipsi, das Gefühl der Ausschlachtung befiel mich gestern auch, als ich Herrn Bosbach mit mühsam unterdrücktem Schaum vor dem Mund in den Nachrichten sah.

Aber, wo siehst Du die Grenzen und Möglichkeiten für gruppenspezifische Normsysteme in diesem Land? Wie weit könnte bzw. sollte das gehen?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 23. Mär 2007, 15:32 - Beitrag #51

zum Fall zunächst mal http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24921/1.html mit mehr Grips als in allen Zeitungsberichten zusammen, die ich dazu bis jetzt gelesen habe

janw, dieser ganze alte Thread geht ja über Multikultur, und ich habe mich dazu schon eingehend geäußert. Nach meinem Dafürhalten nicht machbar. Davon abgesehen halte ich die Ideale der europäischen Aufklärung für das viertbeste existierende moralische System, das wir kennen (was nicht heißt, daß ich mit Moral was am Hut hätte^^) und für das wahrscheinlich mit Abstand am besten geeignete, einer Menschheitsverfassung als Grundlage zu dienen, wenn noch ein paar Kleinigkeiten korrigiert würden.

Von daher halte ich es nicht für wünschenswert, hinter diese Standards zurückzugehen. Es ist vieles relativierbar, aber die Ächtung der real praktizierten Ungleichwertigkeit der Geschlechter ist es in meinen Augen nicht, ebensowenig wie mir die Ächtung von Mord, Folter und Todesstrafe, religiöser Bigotterie, Kindesmissbrauch, Vergewaltigung usw. relativierbar ist. Von daher tut es mir leid, aber ich würde in diesem Fall immer sagen: Lasst eure diesbezüglichen Vorstellungen zuhause, ihr lebt jetzt hier.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 23. Mär 2007, 15:35 - Beitrag #52

Der Zentralrat der Muslime verlautbarte gestern, daß auch nach islamischem Recht Gewalt und Mißhandlung eine Scheidung rechtfertigten.

Übrigens ist in Marokko, wo die Frau herstammt, Gewalt in der Ehe seit zwei Jahren strafbar.

Gruppenspezifische Normsysteme haben vor deutschen Gerichten nichts zu suchen (bzw. bestenfalls zum Verständnis des Vorgefallenen, nicht aber bei der Urteilsfindung).

Ipsissimus, d'accord!^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 23. Mär 2007, 21:13 - Beitrag #53

D'accord zu Euch beiden!^^ :)

Ipsi, ich fragte nur, weil Du iirc mal angedeutet hattest, es sollte Räume geben für nicht dem mainstream folgende Lebensweisen. Aber das sollten wir andernorts mal vertiefen...

Der Artikel ist in der Tat bedenkenswert, zeigt er doch recht deutlich das eigentliche Problem auf: Nicht die wertmäßige Subordination der Frau ist der Stein des Anstoßes, sondern die Verankerung der Subordination in einem nichtchristlichen Rechtskontext.
Was wäre wohl passiert, hätte die Richterin Augustinus zitiert? :rolleyes:

Man muss ja sagen, daß die Türkei mit ihrem verfassungsmäßig festgelegten Säkularismus den Kulturkampfverhältnissen hierzulande etwas voraus hat.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 23. Mär 2007, 21:31 - Beitrag #54

Der Artikel ist in der Tat bedenkenswert, zeigt er doch recht deutlich das eigentliche Problem auf: Nicht die wertmäßige Subordination der Frau ist der Stein des Anstoßes, sondern die Verankerung der Subordination in einem nichtchristlichen Rechtskontext.
Was wäre wohl passiert, hätte die Richterin Augustinus zitiert? :rolleyes:
Das sehe ich deutlich anders; hätte die Richterin mit Augustinus argumentiert, wäre ihr das genauso um die Ohren gehauen worden, wenn auch sicherlich von anderen Leuten (die vielleicht eher dein Vertrauen genießen^^). Der gemeinsame und hier entscheidende Punkt ist nur, daß beide Seiten sich damit darauf berufen können, daß nach unserem Rechtsverständnis ein Richter gemäß der deutschen Rechtsordnung zu urteilen hat - und nichts sonst einzubeziehen hat.
Würde ein Richter mit Haeckel argumentieren und die Ermordung eines Behinderten als dem Volkswohl dienlich bezeichnen, wäre das ein Verstoß gegen dieses Prinzip; würde ein Richter christliche Milde im Sinne des hundertfachen Verzeihens walten lassen, wäre es ebenfalls einer.

Die Subordination der Frau hier als das Hauptproblem zu sehen, geht mMn insofern fehl, als es ja tatsächlich nicht nur die Frau betreffen kann, sondern beliebige andere gesellschaftliche Konfigurationen. Sobald von einer allgemeinverbindlichen gesellschaftlichen Grundlage wie Grundgesetz und BGB abgewichen wird, um stattdessen das Rechtssystem einer Parallelgesellschaft zu adaptieren, ist eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden darf. Ob es sich dabei um Frauen handelt, um Schwule oder etwa um (vermeintliche) Blasphemie, ist völlig unerheblich.
Man muss ja sagen, daß die Türkei mit ihrem verfassungsmäßig festgelegten Säkularismus den Kulturkampfverhältnissen hierzulande etwas voraus hat.
Ja, aber zugleich auch gewaltige unter der Oberfläche brodelnde Kräfte - was in Frankreich nicht anders ist. In der Türkei "klappt" es dank einer sehr starken Militärgewalt. Ich glaube nicht, daß das ein wünschenswerter Weg zu einer "freieren" Gesellschaft ist.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 24. Mär 2007, 13:08 - Beitrag #55

Zitat von Lykurg:hätte die Richterin mit Augustinus argumentiert, wäre ihr das genauso um die Ohren gehauen worden, wenn auch sicherlich von anderen Leuten (die vielleicht eher dein Vertrauen genießen^^).

Nun, allein die Tatsache, daß führende Exponenten dieses Staates bei jeder sich bietender Gelegenheit den Adjektiv "christlich" als wesentlich konstitutives und diskriminantes Merkmal deutscher oder europäischer Kultur hinstellen, unter impliziter oder gar expliziter Feststellung, wer nicht christlicher Kultur sei, könne nicht so richtig zu "uns" gehören - hör Dir mal Frau Merkel, Herrn Stoiber und Herrn Beckstein an - lässt mich fürchten, daß diese zumindest implizit Hosianna gerufen hätten.

Die Subordination der Frau hier als das Hauptproblem zu sehen, geht mMn insofern fehl, als es ja tatsächlich nicht nur die Frau betreffen kann, sondern beliebige andere gesellschaftliche Konfigurationen.

Naja, das ist ja der aktuelle Gegenstand, natürlich kann man den unter "soziokulturell-ethnisch-sexuell-malaziv motivierte Suppression" subsummieren.

Ja, aber zugleich auch gewaltige unter der Oberfläche brodelnde Kräfte - was in Frankreich nicht anders ist. In der Türkei "klappt" es dank einer sehr starken Militärgewalt. Ich glaube nicht, daß das ein wünschenswerter Weg zu einer "freieren" Gesellschaft ist.

Mh, stimmt in diesen Ländern wohl...man könnte auch die Frage stellen, ob Laizismus überhaupt vollständig durchsetzbar ist, oder ob nicht bei Verordnung die religiösen Motive immer unter der Oberfläche gären...

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Sa 24. Mär 2007, 16:30 - Beitrag #56

Nun, allein die Tatsache, daß führende Exponenten dieses Staates bei jeder sich bietender Gelegenheit den Adjektiv "christlich" als wesentlich konstitutives und diskriminantes Merkmal deutscher oder europäischer Kultur hinstellen, unter impliziter oder gar expliziter Feststellung, wer nicht christlicher Kultur sei, könne nicht so richtig zu "uns" gehören


Zunächstmal ist die Bundesrepublik Deutschland ein christlicher, demokratischer und föderalistischer Staat, wie der Konstitution zu entnehmen ist, darüber hinaus kommt in bezeichnetem Kontext dem Prädikat christlich ein ganz anderer Stellenwert zu als dem Prädikat muslimisch, denn das Prädikat christlicher Staat ist dahingehend konnotiert, dass eine vollständige Teilung der Religion vom Staat stattgefunden hat, das lediglich die Mehrheit der im Land lebenden Bürger christlichen Glaubens ist und dass christliche Werte unverzichtbare Bestandteile des ethischen Systems sind; wohingegen das Prädikat muslimischer Staat, wie an sämtlichen Beispielen muslimischer Staaten ersichtlich, meint dass eben keine Trennung von Religion und Politik stattgefunden hat. (Und ja ich bin mir der kontroversen Positionen in Spanien und Italien bewusst, das allerdings läuft unter demokratischen Mehr-parteien-Systemen) Die explizite Betonung dieses Faktums ist also durchaus legitimiert und kann nicht oft genug hervorgehoben werden, weil eben gerade diese Differenzen im Selbstverständnis maßgeblich zur Integrationsverweigerung von Großteilen der muslimischen Mitbürger beitragen. Es ist präzise die Politik der ausgestreckten Hand, in Kombination mit verquerer Selbstaufgabe und -Geißelung, die erst zur jetzigen Problematik geführt hat, diesen Weg noch weiter zu beschreiten halte ich für sehr fragwürdig, außer natürlich das letztliche Ziel ist es Teil des neo-osmanischen Reiches zu werden, aber ich schweife mal wieder vom Thema ab.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 24. Mär 2007, 23:49 - Beitrag #57

Yanapaw, der Unterschied ist, daß die "Deutschen christlichen Glaubens" mehrheitlich dies nur auf dem Papier sind^^ Und auch allmählich nur noch eine Minderheit...unter Religionslosen.

Die Crux ist, daß alle unsere Freiheitsrechte, geschweige die Gleichheit von Mann und Frau mitnichten christlichen Ursprungs sind, sondern allesamt Ergebnis der Aufklärung. Welche auf der Wiederentdeckung der griechischen Philosophie basiert, welche von wem überliefert wurde? Sage noch einer, Europa habe keine islamischen Wurzeln...

Fundament unserer Werteordnung ist die Aufklärung, nur daß sich keine Mehrheit findet, das so im GG zu formulieren.
Gegenüber den Moslems wird dies auch deshalb nicht leicht zu kommunizieren sein, weil die Aufklärung als historischer Prozess als Prozess der Abkehr von Gott beschrieben werden kann, wenn man unsauber arbeitet aka negiert, daß der KI einen Gott voraussetzt.

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
So 25. Mär 2007, 23:30 - Beitrag #58

Ich sagte auch nicht Werte christlichen Ursprungs, sondern christliche Werte und die sind konkret definiert und Basis unseres ethischen Systems, ob sie durch französische Denker aus griechischer Philosophie abgeleitet wurden oder von Sarazenen im Wüstensand gelesen ist für die Einschätzung der Integrationsverweigerung nicht relevant. Entscheidend ist das Faktum, dass Deutschland das Land der Deutschen ist (ob es mal das erste Kaiserreich war, das Großdeutsche Reich, oder einzelne Fürstentümer ist absolut unerheblich) und wer in diesem Land leben will und vom deutschen Staat unterstützt werden will, der hat sich nach den hier vorherrschenden Bedingungen zu richten, so einfach ist das. Ob derjenige muslimischen, christlichen, buddistischen oder hinduistischen Glaubens ist spielt überhaupt keine Rolle. In Deutschland ist die Trennung von Staat/Justiz und Politik vollzogen und das bedeutet, jeder kann seine Religion frei wählen und ausüben, sofern er damit keinen anderen beschneidet. Der Umkehrschluss bedeutet, dass der meistverbreitete gelebte Islam eine verfassungswidrige Religion ist, welche die Gleichstellung von Mann und Frau negiert. Nur weil dieses Land von verweichlichten Ja-Sagern regiert wird bedeutet das nicht, dass Unrecht zu Recht wird. Nicht die juristische Handhabung von Ehren-Morden ist das Problem, das ist ein Symptom einer Kausalität die man hierzulande nicht objektiv betrachten darf ohne als neo-faschistischer Radikaler gebrandmarkt zu werden. Also von den Grundgedanken der Aufklärung sehe ich in diesem, unserem Land herzlich wenig...

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 26. Mär 2007, 00:16 - Beitrag #59

Nun, in
Zitat von Yanapaw:wer in diesem Land leben will und vom deutschen Staat unterstützt werden will, der hat sich nach den hier vorherrschenden Bedingungen zu richten, so einfach ist das. Ob derjenige muslimischen, christlichen, buddistischen oder hinduistischen Glaubens ist spielt überhaupt keine Rolle.

stimme ich Dir zu.
In Deutschland ist die Trennung von Staat/Justiz und Politik vollzogen und das bedeutet, jeder kann seine Religion frei wählen und ausüben,

so rum ja, aber wie sehr doch religiöse Reflexe noch immer die Politik bestimmen, sieht man u.a. in der Familienpolitik, die immer noch dem Idealbild der Familie anhängt, auch wenn die gesellschaftliche Realität längst eine andere ist.

Entscheidend ist das Faktum, dass Deutschland das Land der Deutschen ist

Gut, dann ist das hier für mich als Halbengländer nur halb mein Land...
Nein, aber anders gefragt: Wer sind die Deutschen, gibt es sie?
Ich kenne Niedersachsen, Westfalen, Rheinländer, Hessen, Schwaben, Saarländer,..., und welches landsmannschaftliche Gewicht dahinter steckte, davon vermittelt noch der Simplicissimus einen Eindruck.

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Mo 26. Mär 2007, 00:36 - Beitrag #60

Gut, dann ist das hier für mich als Halbengländer nur halb mein Land...
Nein, aber anders gefragt: Wer sind die Deutschen, gibt es sie?


Ersteres mag sein, das hängt von dir ab. Letzteres ist ganz einfach zu analysieren. Was macht den Deutschen, zum Deutschen? Das zusammenspiel mehrerer Faktoren:

1. Er ist deutscher Staatsbürger.
2. Er beherrscht die deutsche Sprache in Wort und Schrift.
3. Er teilt die Grundgedanken der Konstitution und er aktzeptiert besagte christliche (aufklärerische) Werte und handelt ihnen entsprechend.

Selbstverständlich ist es ein leichtes nun mit dem Umkehrschluss, dem deutschen Staatsbürger, der 2. oder 3. nicht erfüllt, also dem urdeutschen Analphabeten, oder dem deutschen Kriminellen aufzuwarten, aber ich vertraue darauf, dass du erkennst, dass das Niveau einer derartigen Diskussion zu tief wäre, als dass ich mich danach bückte, davon abgesehen dass es um die Integration von Ausländern geht und dazu reichen obige 3 Punkte als kriterien völlig aus.

Viel relevanter ist doch die Frage, wer ist nicht deutsch?

-> Der Muslim, der Frauen als minderwertig ansieht, der die Juden ins Meer treiben will und die Kurden verbrennen sehen will, der Muslim, der an vermeintlich religiös fundierter Unterdrückung der Frau, durch Kleidung und Habitus festhält und patriachalische Familienstrukturen lebt.
-> Der Muslim, der sich westlich kleidet und aufgeklärt daherredet und dann, wenn eine dänische Zeitung Karikaturen seines Propheten abdruckt bereit ist zu morden oder selbiges gutheißt.
-> Der Ausländer, der sich weigert die deutsche Sprache zu erlernen und sich statt dessen nur mit ehemaligen Landsleuten umgibt und dann auf Ämtern Anträge in der jeweiligen LAndessprache ausfüllt um seinen Lebensunterhalt auf Kosten der Solidargemeinschaft zu bestreiten.

Das sind 3 der zahlreichen und leider riesigen Gruppierungen, die keine Deutschen sind und auch niemas werden, weil das nie ihr Interesse war.

Das ist mir doch das klassische Familienbild als antiquiertes Ziel der Familienpolitik sehr viel sympathischer, auch wenn es der patchwork Familie in realitas längst wich...

VorherigeNächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron