Schädliche Wirkung von Lob und Strafe

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Milena
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Mo 15. Mai 2006, 14:10 - Beitrag #1

Diskussion, ausgelöst durch eine Nebenbemerkung von Ceitlyn, im Thread "In jeder Gesellschaft", von dort abgetrennt - Traitor.

Lob kann zuweilen noch verheerender wirken als Strafe

...könntest du das vielleicht etwas genauer umschreiben,
vielleicht mit einem Beispiel Ceitlyn...?..^^
(du sprichst doch von berechtigtem Lob, oder..?)

Ceitlyn
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Di 16. Mai 2006, 09:39 - Beitrag #2

@Milena.
Zitat von Milena:...könntest du das vielleicht etwas genauer umschreiben,
vielleicht mit einem Beispiel Ceitlyn...?..^^
(du sprichst doch von berechtigtem Lob, oder..?)

Ob es berechtigt ist/war, ist imo irrelevant
Die "Dosis" ist relevanter.

situativer Gedankengang eines Menschen der mit Lob aufgewachsen ist:
Ich möchte dass jemand BEMERKT, wenn ich etwas "Gutes" mache, ich möchte dass mich jemand lobt, WEIL ich etwas "Gutes" mache, etwas Nützliches (für den anderen)
Ich möchte dass jemand - MICH - bemerkt.


Ein solcher Mensch braucht das Lob, braucht die Beachtung, fühlt sich ohne dies nur als halber Mensch (wenn überhaupt)

Verstehst du so ungefähr?
Ist ein bisschen überspitzt dargestellt, aber nicht wirklich selten.

Lykurg
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Di 16. Mai 2006, 10:23 - Beitrag #3

Ich möchte dass jemand BEMERKT, wenn ich etwas "Gutes" mache ...
Das ist mE per se nicht schädlich. In meinen Augen ist es weitaus wichtiger, daß "Gutes" überhaupt geschieht, als daß die Menschen ausschließlich selbstlose und reine Motive haben.
situativer Gedankengang eines Menschen der mit Lob aufgewachsen ist: ...
Ich halte es für ungesund, völlig ohne Lob aufzuwachsen, auch weil gerade das dann einen Menschen möglicherweise, wie beschrieben, abhängig machen mag. Wie du es sagst, die "Dosis" ist relevant. Null-Diät bedeutet verhungern. Ist vielleicht seinerseits etwas überspitzt, aber mE auch nicht irrelevant.

Ceitlyn
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Di 16. Mai 2006, 12:44 - Beitrag #4

Ich rede nicht von "völlig ohne Lob", ich meinte die Dosierung muss stimmen; wenn sie nicht stimmt ist Lob genauso schädlich wie überdosierte Bestrafung und kann (und imo wird in der Regel auch) zu Defizit-Empfinden und entsprechenden Reaktionen führen fällt das Lob dann in vergleichbaren Situationen aus. (das Gleiche, denke ich, passiert auch bei später ausfallenden Bestrafungen vergleichbarer Situationen die früher zu Bestrafungen geführt haben)

Was deinen ersten Einwand angeht: Wenn ein Mensch es BRAUCHT, BEMERKT zu werden, ist das imo extrem schädlich. Weil es zu oft geschieht dass ein Mensch und sein Tun unbemerkt bleiben.

Ipsissimus
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Di 16. Mai 2006, 13:39 - Beitrag #5

Motivation worauf bezogen, scheint mir hier die entscheidende Frage zu sein.

Ich tue Dinge, weil sie mir angemessen sind. Dafür benötige ich kein externes Motiv wie Dank, Lob oder Lohn, ich tue die Dinge für mich, und wenn als Nebenprodukt abfällt, daß damit auch anderen "Gutes" getan ist, soll´s mir recht sein, mein explizites Ziel ist das nicht.

Andere Dinge tue ich, in unterschiedlichem Maße freiwillig, ohne daß sie mir angemessen sind; für diese Dinge benötige ich auch in unterschiedlichem Maße Motivation. Dieses Ausmaß korreliert mit der bei den Tätigkeiten empfundenen Langeweile und Mühe. Lohn für geleistete Arbeit, aber auch Dankbarkeit oder Lob wären solche Motive

Nun scheint Ceitlyns Gedanke darauf hinauszulaufen, daß in einem gewissen Maße die Fähigkeit, diese unangemessenen Tätigkeiten auch ohne externe Motivation durchführen zu können, lebensnotwendig ist.

Dem stimme ich zu.

Es handelt sich dabei aber wiederum um ein Fließgleichgewicht.

Die imo wesentliche Frage dabei ist also, ab welcher Stelle schlägt das lebensnotwendige Vermögen der Selbstmotivation um in einen Verrat meiner selbst zugunsten von Zielen, die nie die meinen waren?

janw
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Di 16. Mai 2006, 13:46 - Beitrag #6

Ceitlyn, "die Dosis macht das Gift", nicht wahr? :)

Es stimmt schon, wer immer gelobt worden ist, der kann eine große Angst davor entwickeln, einmal nicht wahrgenommen zu werden und dies dann mit Liebesentzug gleich setzen.
Zu wenig wird oft gesagt" wir haben dich lieb, WEIL DU BIST", zu oft entsteht der Eindruck "man hat mich lieb, WEIL/WENN ich immer gute Noten schreibe o.ä.".

C.G.B. Spender
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Di 16. Mai 2006, 14:38 - Beitrag #7

Pass auf wo die Huskys hingehen, friss nicht den gelben Schnee!

Bei Lob und Bestrafungen gibt es noch ein anderes schwerwiegendes Problem. Was ist, wenn beispielsweise die Elternteile unterschiedliche Auffassungen in den meisten Dingen haben und damit ihre Kinder für gleiche Dinge gegenteilig betrafen und loben?

Das halte ich noch nicht einmal für eine Seltenheit. Die Auswirkungen sind sicher fatal, selbst wenn es dabei verschiedenste Abstufungen und Härtegrade gibt.

Eine Auswirkung ist dabei ganz klar eine große Verunsicherung der Persönlichkeit. In ganz üblen Fällen entsteht vielleicht sogar eine Spaltung der Persönlichkeit. Auf jeden Fall wird eine Person, die in so ambivalenten Verhältnissen aufwächst, bestimmt nicht unabhängiger von Lob, wobei der Lob in diesem Fall eher so etwas wie den Strohhalm eines ertrinkenden Menschen bildet. Eine Sicherheitsgrundlage, die auf sehr wackeligen Füßen steht, denn subjektive Einschätzungen von Menschen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst und daher fällt auch Lob von Mensch zu Mensch anders aus. So kann unter Umständen auch ein Teufelskreis entstehen, d.h. die Suche nach Lob zur Festigung des Selbstbildes, verursacht nur noch mehr Verunsicherung.

Wie paßt hier der Ausspruch "Eigenlob stinkt" hinein? Ist dieser Spruch nicht für unsichere Menschen in hohem Maße unkonstruktiv?

Lob halte ich für gefährlich, wenn die empfangende Person es nicht richtig einschätzen und einstufen kann, oder/und wenn sie davon abhängig ist. So manches Lob kann daher schlimmer als eine Verleumdung sein.

Wenn man Lob und Bestrafung als Erziehungsmethoden betrachtet, kann man sich die Frage stellen, inwieweit dies auch bei Erwachsenen untereinander gilt, zumal Erwachsene oft nur äußerlich dem Kindesalter entronnen sind. Lob halte ich dabei für gefährlicher als Strafe. Lob, geschickt eingesetzt, kann bestimmte Menschen zum Selbstverrat bringen. Der Lob einer Gesellschaftsgruppe gegenüber Außenseitermenschen, die dazu gehören wollen, erfolgt möglicherweise nur, wenn diese der Gruppe in irgend einer Weise nützen und wenn sie sich normkonform verhalten. Sicher gibt es noch viele andere Beispiele, wo Lob zum Vereinnahmen verwendet werden kann.

janw
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Di 16. Mai 2006, 15:22 - Beitrag #8

Zitat von C.G.B.Spender:Wenn man Lob und Bestrafung als Erziehungsmethoden betrachtet, kann man sich die Frage stellen, inwieweit dies auch bei Erwachsenen untereinander gilt, zumal Erwachsene oft nur äußerlich dem Kindesalter entronnen sind.

Erziehung iSV "Akkulturation" ist nicht nur auf Kinder begrenzt, sondern kann in nahezu beliebigem Alter stattfinden.
Ob Erwachsene "große Kinder" sind...die Bewußtseinsveränderung beim Aufwachsen ist IMHO doch zu groß, um mir dies als häufiges Phänomen gegeben erscheinen zu lassen.

Das Grundproblem einer Erziehung mit Lob und Strafe ist aber, daß damit immer nur bestimmte Seinsausprägungen des Erziehungsobjektes, nie dieses selbst als Ganzes, um seiner selbst willen, betont werden.
Das kann sehr leicht zu Hemmungen iSv Vermeidungsverhalten gegenüber mit Strafe bedachten Seinsausprägungen führen, wie auch zu einer geringen Selbstwerthaltung bei einer lobbasierten Erziehung, "weil ja nie ich selbst, sondern immer nur meine Leistungen belohnt worden sind" und Abhängigkeit von Lob zur Selbstwerterzeugung. Die Suchtentwicklung durch dopamingesteuerte Nervensysteme ist nicht nur bei verschiedenen Stoffen ein Problem...

Lykurg
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Di 16. Mai 2006, 18:28 - Beitrag #9

Zitat von Ceitlyn:Ich rede nicht von "völlig ohne Lob", ich meinte die Dosierung muss stimmen] Das sehe ich absolut nicht so, durch überharte Bestrafungen wird einem Menschen direktes physisches oder psychisches Leid zugefügt, er kann unter Umständen traumatisiert werden, jedenfalls ist in meinen Augen ein Vergleich davon mit falsch dosiertem Lob (das schlimmstenfalls zu einer Fehleinschätzung seiner selbst führt), absolut unangebracht, fahrlässig und mehr.

"Völlig ohne Lob" schien (und scheint) mir der nächstliegende Kontrast zu "genau richtig dosiert", weil ich es für wesentlich schlechter für einen Menschen halte, niemals gelobt zu werden, als zu sehr gelobt zu werden (wobei ich selbstverständlich nicht der Meinung bin, das sei unschädlich). Ich weiß, daß du nicht davon geschrieben hattest, du hattest schließlich nur eine Seite ausgeführt, das, was du wolltest, und nicht genau davon abgegrenzt, was du nicht wolltest, sondern es quasi nur als sein Gegenteil beschrieben, daher habe ich diese Alternative genannt, da sie mir als die Schlechtere und damit das konsensfähigere Beispiel erschien.

Eine übermäßig dosierte Bestrafung, etwa körperliche Züchtigung vielleicht noch dazu aus einem nichtigen Anlaß oder gleich eines Unschuldigen kann einen Schaden verursachen, von dem ich nicht weiß, wie du ihn mit überdosiertem Lob vergleichen willst. Es gibt immerhin Menschen, die von Bestrafung im Kindesalter vernarbte Brandwunden etc. davontragen, die seelischen Schäden daraus möchte ich nicht abschätzen müssen. Wie müßte ein Lob beschaffen sein, um einem Menschen so sehr zu schaden?
Was deinen ersten Einwand angeht: Wenn ein Mensch es BRAUCHT, BEMERKT zu werden, ist das imo extrem schädlich. Weil es zu oft geschieht dass ein Mensch und sein Tun unbemerkt bleiben.
Das tut mir aber schrecklich leid. :rolleyes: Dann lernt der Mensch - hoffentlich - daß er auch ohne das auskommen muß - derselbe Schritt der Gewöhnung kann (und sollte im Normalfall) zurückvollzogen werden. Abgesehen davon sehe ich absolut nicht, wie du aus "Ich möchte, daß jemand bemerkt..." "Ein solcher Mensch braucht" folgerst. Das mag sich in einzelnen Fällen so ergeben, und wie gesagt ist dann die Umkehrentwicklung ihm dringend anzuraten und auch recht wahrscheinlich. Aber die Gleichsetzung beider Zustände ist schlicht falsch.


@Ipsissimus: Ich stimme weitestgehend mit dir überein, gerade das Fließgleichgewicht aus sozialer Bezugnahme und selbständigem Handeln sehe ich als sehr wesentlichen Aspekt, der viel Freiraum zur persönlichen Deutung und Lebensplanung läßt. Ich lasse mich nicht auf "müssen", "dürfen" und "brauchen" einengen, insofern kommt mir diese Stellungnahme sehr entgegen.

@janw: Die Sicht ist zwangsläufig ungefähr so subjektiv wie meine...^^ Wobei deine biologisch argumentierende Ausdeutung im neuen Posting für mich annehmbarer ist als die vorige - auch hier erscheint mir aber der Zusammenhang von Strafe mit Schaden (durch Angst) sehr viel näherliegender und direkter als der von Lob mit Schaden (durch Sucht).

@Spender - logischerweise diesmal wenig Übereinstimmung, abgesehen von der Gefahr gleichzeitigen Lobes und Tadelns durch Elternteile - in diesem Fall erodieren die Eltern ihre Glaubwürdigkeit, schlimmstenfalls ist selbst das noch ein Vorteil. Lob als Weg zum Selbstverrat - unter bestimmten Bedingungen, ja, Strafe aber jedenfalls auch - viel stärker sogar. Wie typisch ist die Erpressung irgendeines Verrats mit dem schlichten Wörtchen "sonst"...

Ceitlyn
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Di 16. Mai 2006, 18:51 - Beitrag #10

Zitat von Lykurg:Das tut mir aber schrecklich leid. :rolleyes: Dann lernt der Mensch - hoffentlich - daß er auch ohne das auskommen muß - derselbe Schritt der Gewöhnung kann (und sollte im Normalfall) zurückvollzogen werden. Abgesehen davon sehe ich absolut nicht, wie du aus "Ich möchte, daß jemand bemerkt..." "Ein solcher Mensch braucht" folgerst. Das mag sich in einzelnen Fällen so ergeben, und wie gesagt ist dann die Umkehrentwicklung ihm dringend anzuraten und auch recht wahrscheinlich. Aber die Gleichsetzung beider Zustände ist schlicht falsch.


Weil ich jemanden kenne, der es BRAUCHT, BEMERKT zu werden]"weil ich es für wesentlich schlechter für einen Menschen halte, niemals gelobt zu werden, als zu sehr gelobt zu werden"[/I]

Beides.
Beides ist imo schädigend für die Entwicklung eines Menschen.
Ein übermäßiges Lob ist genauso vernichtend wie übermäßge Strafe (Strafe, Lykurg besteht nicht immer in körperlicher Misshandlung)

Vielleicht ist der Begriff "übermäßig" falsch an dieser Stelle.
"verhältnismäßig" bzw (wie heißt das Gegenteil dazu??) "unverhältnismäßig" trifft es eher. Im Verhältnis zum Anlass aus dem Lob und Strafe erfolgen. Wenn dieses Verhältnis, wenn Lob/Strafe dem auslösendem Ereignis nicht angemessen ist, dann kann sowohl Lob als auch Strafe (über längeren Zeitraum, Jahre, auf diese Weise erfahren) einen Menschen zerbrechen.

Lykurg
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Di 16. Mai 2006, 19:39 - Beitrag #11

Das ist ein Einzelfall - das ist kein Einzelfall - bringt uns hier zweifellos nicht weiter. Denn damit äußern sich nur immer mehr Einzelfälle zu Wort - natürlich bin ich auch ein Einzelfall. Allerdings gehen Sätze wie "Solche Einzelfälle sind längst nicht mehr die Ausnahme" von einer Entwicklung aus, die kaum zu belegen und zu widerlegen ist, ganz einfach weil sich die gesamte 'Meßapparatur' für psychische Erkrankungen im Wesentlichen im zwanzigsten Jahrhundert gebildet und auch innerhalb davon stark verändert hat, auch die jeweiligen Probleme und ihr Stellenwert sich massiv verschoben haben. Sehr grob gesagt: Während ein Teil der mitteleuropäischen Unterschicht im 19. Jh. hungerte, klagt er heute über zuviel Freizeit.

Während es damals um Fragen wie das Wahlrecht oder die Berufsfreiheit ging, Frauenrechte, Kranken- und Altenversorgung noch nicht einmal thematisiert wurden, sind die heutigen Probleme hierzulande meist qualitativer Natur. Der wesentliche Punkt, der gleichgeblieben ist, sich auch sehr langfristig kaum ändern läßt, ist der Zusammenhang zwischen Beruf und gesellschaftlichem Status, der dazu führt, daß Arbeitslosigkeit auch bei nie erreichter sozialer Versorgung erhebliche Einbußen an Lebensqualität mit sich bringt (- die gesamtgesellschaftlich gesehen in gewissem Maße auch ihren Sinn haben, aber das gehört nicht hierher.) Jedenfalls wird, als Teil dieser Veränderung der kollektiven Bewußtseinslage, auch die persönliche Befindlichkeit, das Nichtzurechtkommen mit der Welt, massiv zu stark eingeschätzt.

*Meine Zeit nimmt gerade massiv ab, daher jetzt etwas stichwortartiger...*

Ich kenne sehr viele Menschen, die in ihrer Kindheit mit Lob und Tadel für ihre Leistungen konfrontiert wurden, ohne daran zu zerbrechen. Zweifellos handelt es sich dabei um Ausnahmen. Allerdings kam ein Freund von mir mit seinem Leben ebenfalls nicht mehr zurecht - ich kann ihn nicht mehr fragen, ob es an falschem Lob oder Tadel lag, nehme es aber nicht unbedingt an.

Dagegen erkenne ich aus dem dir bekannten Fall absolut nicht, was er über die allgemeine Rechtfertigung von Lob und Tadel aussagen soll. Daß beides schaden kann, habe ich nicht bestritten, ich habe nur betont, daß ich unangemessene und falsche Strafen für gefährlicher halte als übertriebenes Lob; dagegen kann dein Fall, der immerhin - anders als der größte Teil meines Bekanntenkreises - auch mehrfach Körperstrafen ausgesetzt war, nichts schließen, was deine oder meine Annahme in besonderer Weise stützte oder schwächte. Daß rein dieser Aspekt "für die Gegend ... prima" sein mag, sagt noch absolut nichts darüber aus, wie angemessen oder unangemessen diese Strafen waren oder in welchem Klima er ansonsten aufwuchs.

******
Daß Strafe nicht nur aus körperlicher Mißhandlung besteht, ist mir völlig klar, ich wählte hier nur ein Beispiel, das uns beiden gleichermaßen mißfallen muß, um einen Ausgangspunkt zur Verständigung zu finden. Wenn du diese Beispiele dann als nicht die komplette Wirklichkeit umfassend kritisierst, triffst du damit schlagend den Charakter eines Beispiels, erreichst zur Sache aber eher wenig.

Ansonsten kann ich aber deinem 16:58-Posting weitestgehend zustimmen: beides ist schädlich, abgesehen davon, daß ich eben diesen qualitativen Unterschied weiterhin sehe; ich habe bereits zuvor dafür argumentiert, ohne von dir hier Neues dazu gehört zu haben.

Milena
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Di 16. Mai 2006, 19:47 - Beitrag #12

Weil ich jemanden kenne, der es BRAUCHT, BEMERKT zu werden; der es BRAUCHT, dass sein Tun annerkannt wird; der es BRAUCHT, dass seine Reden, sein Denken honoriert wird. Der andere BRAUCHT. Entfällt dieses Anerkennen (seiner Existenz), bricht er psychisch zusammen, fühlt sich überflüssig, unwürdig, jede Existenzberechtigung spricht er sich dann ab: Er ist so ein Mistkerl, so ein Arschloch, so ein schlechter Mensch, nichts was er macht macht er richtig, alles falsch - eigentlich dürfte er gar nicht hier sein, er müsste eigentlich schon lange tot sein, dürfte niemals geboren worden sein.
......
ich kann dich sehr gut verstehen Ceitlyn......
es ist sehr schwierig für die betreffende Person,
aber auch für nahestehende Menschen....so wie du ihm anscheinend einer bist....
..
aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich dir vielleicht folgendes raten:
(da auch ich zu solch einem Einzelfall zähl(t)e...)
...du wirst nicht fähig sein,
ihm irgendwie wirklich helfen zu können....
er muss sich definitiv selbst helfen, d.h. entweder sich professionelle Hilfe
zugestehen oder selbst so tief fallen,
dass sich der Lebenswille bei ihm einschaltet und er gewillt ist,
sein Leben, seine Lebenseinstellung, sein Selbstbewusstsein dbzgl. zu verändern....
...
versuche nicht, ihm herbeizueilen, ihm das Gegenteil seines eigenen Bewusstseins zu vermitteln,
er wird dich nicht hören, er kann dich nicht verstehen......
du wirst gegen Mauern rennen...
gib ihm das Gefühl, dass er nicht alleine ist,
aber renne ihm nicht hinterher.....
du bist nicht verantwortlich für sein Leben....
vergiss nicht dein eigenes zu leben...
wenn er auf dich zukommt,
dann nimm ihn seiner an und vielleicht
wirst du es eines Tages erleben,
dass er dich in seiner eigenen kleinen Welt
willkommen heisst und dir Eintritt gewährt.....

Lykurg
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Di 16. Mai 2006, 22:22 - Beitrag #13

...du wirst nicht fähig sein,
ihm irgendwie wirklich helfen zu können....
er muss sich definitiv selbst helfen, d.h. entweder sich professionelle Hilfe
zugestehen oder selbst so tief fallen,
dass sich der Lebenswille bei ihm einschaltet und er gewillt ist,
sein Leben, seine Lebenseinstellung, sein Selbstbewusstsein dbzgl. zu verändern....
Das sehe ich übrigens auch so, mein "Dann lernt der Mensch - hoffentlich - daß er auch ohne das auskommen muß" bezog sich darauf; ob im leichteren Fall aus sich heraus, oder im schweren mit professioneller Hilfe - oder auch mit ihr nicht, wie der mir bekannte Fall - sei dahingestellt.

Ipsissimus
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Di 16. Mai 2006, 22:37 - Beitrag #14

warum nur habe ich das Gefühl, daß das meiste davon an Ceitlyns Gedanken vorbei geht?

janw
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Mi 17. Mai 2006, 03:21 - Beitrag #15

Ceitlyn, meint Strafe in Deinem Sinne vielleicht auch etwas, das als Strafe empfunden wird, wenn auch vielleicht micht so gemeint ist?
Also...das regelmäßige Erlebnis, nur wenn man etwas getan hat Zuwendung erfahren zu haben, könnte zu dem Eindruck führen, daß Handeln/Reden mit Zuwendung belohnt, einfach nur sein aber mit Nichtzuwendung bestraft wird.
Tja...solch ein Mensch braucht wohl sehr viel Bestätigung, einfach so, weil er ist, wertvoll zu sein. Sicher nicht das einfachste für eine Mitwelt, die mit sich selbst beschäftigt ist...aber mensch soll nie die Hoffnung aufgeben. :)

Ceitlyn
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Do 18. Mai 2006, 10:26 - Beitrag #16

Jan: "Ceitlyn, meint Strafe in Deinem Sinne vielleicht auch etwas, das als Strafe empfunden wird, wenn auch vielleicht micht so gemeint ist?"

Grundsätzlich: ja.
Nur: Warum empfindet ein Mensch etwas als Strafe, dass doch nicht so gemeint ist? Oder: warum jippert ein Mensch nach Lob/Anerkennung?

Das kann erst einmal ein Missverständnis in den Auffassungen sein, darüber kann geredet werden. Wenn beide darüber reden können und wollen. Selbstverständlich. Aber von kurzen, kleinen MIssverständnissen rede ich nicht, die meine ich nicht.


Milena: Zustimmung in allen Punkten :-)
Nur: Warum? Warum wird ein Mensch so?

Das, worüber du (und auch Lykurg?) sprechen, ist imo Nachbehandlung. Und ja, solch ein Mensch braucht Hilfe. Doch viel interessanter und imo um Längen wichtiger: Wie konnte es soweit kommen?

DAS ist für mich die wirklich wichtige Frage: Wieso gibt es so viele kaputte Menschen? Und wieso wird erst dann mit Hilfe (welcher Art auch immer) eingesetzt wenn dieser Mensch schon kaputt ist? (was unbestreitbar sein Gutes hat, imo aber zu spät kommt)



Edit.
Vielleicht kenne ich auch einfach nur "kranke" Menschen, und ist deshalb meine Wahrnehmung der "Welt" verzerrt....

janw
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Do 18. Mai 2006, 12:19 - Beitrag #17

Zitat von Ceitlyn:Jan: "Ceitlyn, meint Strafe in Deinem Sinne vielleicht auch etwas, das als Strafe empfunden wird, wenn auch vielleicht micht so gemeint ist?"

Grundsätzlich: ja.
Nur: Warum empfindet ein Mensch etwas als Strafe, dass doch nicht so gemeint ist? Oder: warum jippert ein Mensch nach Lob/Anerkennung?

Das kann erst einmal ein Missverständnis in den Auffassungen sein, darüber kann geredet werden. Wenn beide darüber reden können und wollen. Selbstverständlich. Aber von kurzen, kleinen MIssverständnissen rede ich nicht, die meine ich nicht.


Warum...ich würde denken, daß der Grund sehr tief sitzt, durch sehr eingehende Erfahrung gelegt ist und damit gut festgekleistert, die Auffassungen sind damit ziemlich mit dem eigenen Sein verbunden, nicht als gelegentliches Mißverständnis abzutun.

Vielleicht hat der Mensch es lange so erlebt, daß nur auf ihn eingegangen wurde, wenn er etwas besonderes getan hatte, daß sein einfach nur so da-sein ignoriert wurde?
Wurde vielleicht nur gelobt, was er getan hatte, nicht er selbst?
Oder bekam er vielleicht immer wieder Sachen zu hören wie "Mach das so, Mach das anders, ich würde das so machen, steh gerade und Brust raus,..." Würdigung nur von bestimmtem So-Sein, nicht des überhaupt und auch mal schwach seins?
Es ist schwer, mit sich selbst zufrieden zu werden, in sich zu ruhen, in jedem Moment seines Seins, dann...schwer, aber man kann es lernen, über Zeit und doch jeden Tag neu.

Ceitlyn
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Do 18. Mai 2006, 12:46 - Beitrag #18

Sorry, Jan, schlecht ausgedrückt von mir
Nicht dieses Warum meine ich
(wobei das natürlich wichtig ist für die "Nachbehandlung/treuung")

So gut wie kaum ein Mensch wächst mit nur einer oder zwei "Bezugs"personen auf, schon gar nicht in unserer westlichen "mordernen" Welt.

Warum fällt es nicht auf wenn es ansetzt?
Zu wenig Achtsamkeit gegenüber dem Kind? Gegenüber diesem Menschen?
"Würdigung nur von bestimmtem So-Sein, nicht des überhaupt..." bzw seines So-Sein (das dieses Menschen, dieses Klein/-Kindes)



Edit.
Vielleicht die grundsätzliche Frage an die Gesellschaft: Warum lässt 'du' das zu? Warum bemerkst 'du' nicht, was mit 'deinen' Menschen geschieht? Bemerkst 'du' nicht was 'du' und 'deine' Menschen 'deinen' Menschen antun?
(und diese Frage auch an die Menschen, da 'Gesellschaft' ja aus ihnen besteht)

Und weißt du, Jan, was mich dann wirklich traurig macht?
Dass ich nur Fragen stelle....

Ipsissimus
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Do 18. Mai 2006, 16:24 - Beitrag #19

das ist eine Grundeigenheit der Dämonenrasse "Menschheit", daß ihre Individuen über alles hinwegsehen zu können, was situativ als störend empfunden wird, aber mit geringerer Macht ausgestattet ist, so daß es anscheinend folgenlos ignoriert werden kann

hinzu kommt, daß Kinder das schwächste Glied in der Kette sind, kurz dahinter die Alten

hinzu kommt, daß unsere Werte von den agilen Mitgliedern unserer Rasse geprägt werden, nicht von den passiven. Wer es für sinnvoll hält, für 16 Stunden Tagesarbeit an sieben Wochentagen reich und berühmt zu sein, aber jede wirkliche Zuneigung von Freunden oder Familie dafür auf´s Spiel zu setzen bereit ist, wird nicht viel Verständis aufbringen für ein ruhigeres Lebensgefühl. Er wird in seinen Aktionen auch nicht geneigt sein, die Belange von in kommerzieller Hinsicht weniger engagierten Menschen zu berücksichtigen und daher in irgendeiner Variante Calvinist sein, oder Liberaler^^

also sind auch Kinder nur durchlauferhitzte Subjekte auf dem Weg in kommerzielle Verwertbarkeit, die zu funktionieren haben^^

das sind die wahren Werte unserer Gesellschaft

wo gibt es da noch unbeantwortete Fragen?

Milena
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Do 18. Mai 2006, 19:29 - Beitrag #20

Nur: Warum? Warum wird ein Mensch so?

....vielleicht weil Mensch einfach nur Mensch ist,
mit all seinen Stärken, aber auch all seinen Schwächen.....

warum, warum....
ich frage nicht mehr nach einem warum....
warum..?
das Leben gibt mir keine Antwort, deswegen.

vielleicht kann ich dir sagen,
warum ich so bin, wie ich bin....
zum einen,
genetische Disposition, ein vererbter Hang dahingehend....
zum anderen,
Vernachlässigung in jeglicher Hinsicht, von Geburt an.....
und darüber hinaus,
mein göttlicher Glaube, der mich noch hier sein lässt,
hier auf dieser Welt,
tja,
und so bin ich wie ich bin.
@Ceitlyn,
nimm doch deinen Freund einfach so an, wie er ist,
und auch vielleicht niemals ein anderer sein wird,
nimm ihn auf als einen Gast in deinem Herzen.....
wünsche euch beiden alles Gute.

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