Lykurg, mit
flächendeckende Arbeitslosigkeit führt dadurch zur Ent-Gemeinschaftlichung der Gesellschaft und zur Entwicklung kollektiven Selbstunwertgefühls...
meinte ich nicht so sehr die Selbstdefinition durch Arbeit - die wird es bei manchen sicher auch geben -, sondern, daß Arbeitslosigkeit zu sozialer Isolation derer führt, die in einer modernen Gesellschaft nicht mehr anderweitig eingebunden sind, mit Konsequenzen für ihr Selbstwertgefühl und ihre Vereinnahmbarkeit durch vermeintlich einfache Lösungen anbietende Gruppen. Dies im Osten nicht mehr als Problem armer Einzelner, sondern als flächendeckende Realität ganzer Jahrgänge und Regionen.
Der von Heye erwähnte Protest-Effekt des Rechtsradikalismus in der End-DDR könnte dies noch getriggert haben.
Was den Umgang mit den Tätern betrifft...ich wollte damit in keinster Weise ausdrücken, daß ich für lebenslanges Wegsperren wäre, eher, daß die jetzige Lösung - der eine Täter hat nach kurzer Strafe Aussicht auf Bewährung!!! - mir unzureichend erscheint angesichts dessen, was die Täter angerichtet haben und was diese Täter möglicherweise dazu veranlasste oder sie nicht davon abhielt:
Zitat Heye:
"Allerdings hatten wir auch zahlreiche sehr ernüchternde Erlebnisse mit einigen Jugendlichen - die Wissenslücken, die Unfähigkeit zu Empathie und die Ablehnung gegenüber anderen Lebenswirklichkeiten sind zum Teil sehr erschreckend."
In meinen Augen muss die Haftzeit genutzt werden, um diesen Kerlen zu Empathie zu verhelfen, Einfühlung, daß JEDER Mensch ob seines Menschseins eine Würde und ein Recht auf Dasein hat.
Und daß sie selbst als Menschen einen Wert haben, ganz unabhängig davon, wozu sie "gehören".
Das Grundproblem jeder Haftstrafe bei Gewaltverbrechen, ich weiß...
Mein Hinweis auf Köhler...nun, Köhler ist hinreichend neutral, um einen einseitigen Vorrang von vermeintlich Arbeitsplätze schaffenden Maßnahmen des Staates vor anderen Maßnahmen zu fordern, - gerade vor einigen Tagen vor dem DGB.
Ich will darauf hinaus, daß, wie Heye anmerkt, bereits die Polizei kapituliert, bzw. nach Ipsis und meinem Dafürhalten selbst rechtsextremes Gedankengut in sich trägt.
Wer rechtsextremen Straftaten nicht nachgeht, wer Bürger, die sich gegen die Gewalt einsetzen, nicht unterstützt, ihnen gar rät, wegzuziehen, usw., der hat in meinen Augen in einer öffentlichen Verwaltung dieses Landes recht wenig verloren - und wenn Staat sich bei nichtintegrierten Ausländern erregt, dann muss er dies in gleicher Weise, oder stärker, hier tun, wo offen "National befreite Zonen" proklamiert werden.
Und ein wenig hätte "Farbe bekennen" dem Bundespräsidenten in dieser Frage gut zu Gesicht gestanden, finde ich.
Die Frage, ob nicht "parallele Universen" in gewissem Maße geduldet werden können - im Sinne von Subkulturen eh auch schon existieren - ist IMHO eine interessante, aber das Recht aller, sich frei und gefahrlos überall zu bewegen, darf IMHO dadurch nicht eingeschränkt werden.
Das aber interessiert offenbar niemanden mehr in der Politik, das Desinteresse an den Lebenswirklichkeiten der Nicht-Erfolgreichen der Gesellschaft führt zu den von Heye beschriebenen Fördereinschränkungen von Zeitzeugenprojekten usw, und Heye hat nicht unrecht, daß ein weiteres paralleles Universum unkommentiert geduldet wird:
"Aber wir müssen überlegen, ob wir es uns leisten können, zehn bis fünfzehn Prozent eines Jahrgangs ohne Abschluss von der Schule zu entlassen. Dass wir das normal finden, halte ich für einen der großen Skandale dieser Republik. Es kann nicht sein, dass wir von 650.000 Schülern eines Jahrgangs 65.000 oder mehr in Hartz-IV-Karrieren schicken. So entstehen gefährliche Gegengalaxien."
Letztlich steht hier unser Gemeinwesen vor einer Herausforderung, die weit größer ist als die Frage, ob der angestrebte kommerzielle Nutzen der Fußball-WM nicht angekratzt wird - immerhin,
darum, um den Mammon, kümmert man sich in Deutschland heute!!! - wie nämlich dieser Verlust an Lebensperspektiven verhindert werden kann.
Daß ohne WM das Interview keine 2 Tage in den Medien gewesen wäre, wirft ein wahrhaft düsteres Bild auf unsere politische Landschaft.