Das intervien spannte einen weiten Bogen von der Haushaltssanierung über Hartz IV bis zur Reform der Krankenversicherung, die dieses Thema betrennden Äußerungen lauten wie folgt:
WELT: Verteilt der Staat im Sozialen und bei der Arbeitsmarktpolitik nicht zuviel Geld und zuwenig effizient?
Beck: Alles Sprüche. Wir renovieren jetzt Hartz IV. Aber insgesamt reden wir über zweistellige Milliardensummen, wenn es um die Stabilisierung der Haushalte geht. Es braucht einen Dreiklang: Intelligentes Sparen, Einnahmeverbesserungen und die Erhaltung der staatlichen Investitionsfähigkeit. Die Infrastruktur, gerade in den Kommunen, darf nicht wegbrechen. So ist das Leben.
WELT: Apropos. Sind die Menschen, die bei Hartz IV so kostentreibend die Möglichkeiten ausreizen, bauernschlau oder anstandslos?
Beck: Natürlich gibt es Mißbrauch. Vor allem gibt es aber eine Reihe von neuen Möglichkeiten, die keiner richtig abgesehen hat. Auch ich habe mir nicht vorstellen können, daß Schüler in die Einliegerwohnung der eigenen Eltern einziehen, sich als Bedarfsgemeinschaft anmelden und nach dem Abitur Leistungen einstreichen. Oder daß Leute sechs Monate auf Urlaub gehen und sich das Geld überweisen lassen. Damit muß Schluß gemacht werden, anstatt die Kernsätze zu kürzen oder die Grundidee von Hartz IV kaputtzumachen, nämlich die vergessenen Arbeitslosen aus der Sozialhilfe zurückzuholen.
WELT: Früher ging man zum Sozialamt nur, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab. Warum hat sich das verändert?
Beck: Da hat sich wirklich etwas zum Schlechten verändert. Den Menschen sind die falschen Beispiele gegeben worden.
WELT: Welche?
Beck: In der Politik, aber auch in der Beletage der Wirtschaft. Manager, deren Unternehmen bei besten Gewinnen keine Steuern mehr zahlen, sind als Männer des Jahres gepriesen worden. Oder die Millionenabfindungen für Manager, die in ihren Unternehmen Riesenverluste hinterlassen haben. Da haben sich die Leute gesagt: Bin ich blöd? Auf die paar Groschen für mich kann es ja nicht ankommen.
WELT: Haben nicht vielmehr Politik und Staat die falschen Anreize gesetzt?
Beck: Der Staat könnte natürlich jede Lücke bedenken und schließen. Aber wir regeln ja auch nicht, daß man dem anderen nicht vor die Füße spuckt. Es gibt Dinge, die macht man nicht. Wer gut verdient und keine Steuern zahlt, muß nicht auch noch Bafög für die Kinder beantragen. Wir dürfen die Verantwortung für die Gemeinschaft nicht so vor die Hunde gehen lassen. Man muß nicht alles rausholen, was geht.
WELT: Klingt nach Gerhard Schröder. Ist das in Ihrer Partei schon gelernt?
Beck: Natürlich. Was haben wir denn die vergangenen sieben Jahre anderes getan?
WELT: Gerhard Schröder ist doch gerade von seinen eigenen Sozialdemokraten für die Agenda 2010 gescholten worden.
Beck: Es war nicht leicht für die SPD, die Agenda 2010 zu schlucken. Wir haben Mitglieder verloren und eine ganze Reihe von Wahlen.
Das Interview hat bisher ein breites Echo gefunden, aus der CDU heißt es, Beck müsse bei der anstehenden Reform der Hartz IV-Gesetze auch so konsequent sein, wie er jetzt redet, die FDP betont, sie habe Hartz IV schon immer für einen falschen Weg und eine falsche Konzeption gehalten und fordert rigide Änderungen am System, während aus der Linkspartei zu hören ist, die Rede rücke die bedürftigen Menschen kollektiv in die Position von Leistungsmißbrauchern.
Wenn ich Beck richtig lese, dann ist letzterer Anwurf insoweit berechtigt, als die Rede in ein entsprechendes Klima hinein gehalten wird und Interessierte die Rede in diesem Sinne für sich instrumentalisieren - so wie die CDU und die FDP. Außerdem geht der pauschale "nicht alles rausholen"- Satz in diese Richtung, Menschen, auch wenn sie bedürftig sind, sollten lieber nicht das bantragen, was ihnen zusteht - so könnte der Satz verstanden werden und wäre damit ein Schlag ins Gesicht all derer, die oft ohne jede Schuld in die Lage gekommen sind, Hartz IV beantragen zu müssen.
Die von Beck genannten Defizite - Leistungsbeantragung durch Gutverdiener, die ihr Einkommen steuerfrei deichseln, Bedarfsgemeinschaften von Kindern in elterlicher Einliegerwohnung usw. mag man als solche empfinden, wobei allerdings eine Beantragung von Leistungen jedem frei steht - ob er sie bekommt, ist die entscheidende Frage.
Reform auf dem Rücken der Schwachen, so kann man es Beck unterstellen, und IMHO wäre dies sogar relativ unnötig: Ein großer Teil der Kostensteigerung ist wohl in der Änderung der Verwaltungsstruktur begründet, eine Änderung, die auch den Leistungsbeantragern und -empfängern überwiegend nur Nachteile gebracht hat: Arbeitsagentur und Hartz-IV-Bewilligungsstelle arbeiten vielerorts schlechter zusammen als das frühere Sozialamt mit dem Arbeitsamt, Auskünfte sind ganz überwiegend fehlerhaft - und das bei Menschen, die oft in rechtlichen Angelegenheiten wenig bewandert sind und sich keine Rechtsberatung leisten können.
Hier könnte, hier müßte drastisch reformiert werden, damit Bedürtige die Leitungen zuverlässig bekommen können, die sie benötigen, und damit Leistungen die Menschen sicher erreichen, die sie benötigen.






) Den Ansatz, nur die zu zählen, die "ernsthaft arbeiten wollen", fand ich schon interessant genug, jetzt dieses, die nächste Stufe ist dann, nur die zu zählen, die auf dem Arbeitsmarkt eine echte Chance hätten. 
