Hm, nun ja...wenn es einem allein auf das Spaß haben ankommt, dann braucht man keine nationalen Attribute, dann kann einem das Nationale so egal sein, wie es Ipsi egal ist, wie er sich mal ausgedrückt hat.
Ehrlich gesagt, mir gefällt die gegenwärtige Hurra-Fahnenschwenk-Stimmung samt Hupkonzerten angetrunkener Autofahrer nicht, da kann ich Martin gut verstehen - ich kann dabei aber durchaus dem einen oder anderen Spiel etwas abgewinnen, Argentinien war ungeheuer spannend, und Argentinien hat IMHO nur einmal wirklich verloren - als sie nämlich zum Schluss eine Rangelei anfangen wollten. Es erwartet keiner eine freudige Beglückwünschung des Siegers, auch kein demütiges Zukreuzekriechen, aber Tätlichkeiten sollten unterbleiben.
Gut, ich kann mich in diesem Sinne für die deutschen Spieler mit freuen - sie haben ein recht gutes Spiel gezeigt und überhaupt schon eine gute Leistung bis hierher - was das mit der Nation zu tun hat, erschließt sich mir indes nicht.
Sie haben gewonnen, nicht irgendein kollektives WIR, insofern könnte ich mir analog zu irgendwelchen Symbolen eines Lieblings-Vereines - wenn ich denn einen hätte;)- irgendein Symbol der deutschen Mannschaft als Schwenk-Symbol vorstellen, aber eine deutsche Fahne, ich weiß nicht...
Gut, nun könnte man sagen, die Mannnschaft habe eben diese Fahne zu ihrem Symbol gemacht - akzeptiert.
Damit hört dann aber für mich die Sympathie mit den nationalen Symbolen auf, alles weitere ist für mich immer in der Gefahr, Ausgangspunkt für unangebrachte und gefährliche Überheblichkeitsattitüden zu werden.
Zitat von Ich_von_hier:Martin, es geht hier nicht unbedingt darum, das man Fan der deutschen Manschaft ist, es geht um das Zugehörigkeitsgefühl, das sich automatisch einstellt. ICH bin Deutscher (von Geburt oder durch Einbürgerung oder was auch immer), also gehöre ICH zu denen, die spielen, und zu denen, die mit mir mitjubeln. Das schweist das deutsche Volk zusammen (West und Ost, Nord und Süd).
Und wenn MEINE Manschaft vorwärts kommt, bin ich froh, weil das zeigt, wie toll WIR Deutschen sind. Das ist aber bei allen anderen Sportarten auch so, man will, das die eigene Manschaft gewinnt. (Und die eigene ist die meines Landes.)
Aber das will man auch aus anderen Bereichen hören, Deutschland ist eine führende Industrienation, das macht mich stolz. Deutschland hat die besten Geschäftsleute, das macht mich stolz, usw...
Es geht nur darum, zu sagen bzw. zu zeigen, wie toll das eigene Volk (zu dem man gehört) ist.
Du gehörst zu den Spielern? Zu den 11 bzw. zu den 23, die potentiell gesetzt sind?
Soso, das schweißt das Volk zusammen...und was ist mit den 20% unter den Menschen in Deutschland, die anderen Nationen entstammen? Ich empfinde die Integration durch das Nationale eigentlich eher als Abgrenzung vom Rest der Menschheit, letztlich unter dem Vorzeichen "wir sind was besseres", und das finde ich gefährlich. Für mich ist das auch keine deutsche Spezialität, in meiner zweiten Heimat England treiben solche Attitüden auch immer noch solche gefährlichen Blüten.
Gut, wir sind eine führende Industrienation, aber aus uns selbst heraus? Ohne jene, die unsere Produkte abnehmen, wären wir nichts. Ohne jene, die auch durch deutschen Kolonialismus ausgebeutet wurden, wäre die deutsche Wirtschaft nicht zu dem Bestand an Entwicklungen gekommen, mit dem sie heute auf dem weltmarkt stark sein kann. Stolz auf die deutsche Wirtschaft sein, das ist "in", aber wo bleibt die Verantwortung für das "am deutschen Wesen solll die Welt genesen", für Menschenschinder wie Carl Peters usw.?
Dasselbe natürlich auch an meine englischen Landsleute - "Rule Britannia", wenn dies mit Sklaverei und Ausbeutung verbunden war, deren Nachwirkungen auch durch den Commonwealth nicht geheilt werden?
Deutschland hat die besten Wirtschaftsleute...warum nur schaut alles nach den Heilsbringern von Mc Kinsey? [Nein, natürlich haben wir gute WiWis, aber andere Länder haben ebenfalls solche, und die von Harvard und Mc Kinsey sind IMHO die schlechtesten, weil sie das Maß vermissen lassen, weil sie Wirtschaft zum Selbstzweck werden lassen, wo Gesellschaft der Wirtschaft dient und nicht umgekehrt - wie es eigentlich sein müßte.]
So toll sind wir also...und andere nicht?
So toll sind wir also, daß wir es dulden, wenn Bettler aus unseren Innenstädten vertrieben werden, daß wir es dulden, daß die östlichen Bundesländer außer Sachsen die vom Westen aufgebrachten Soli-Mittel mißbrauchen, bei Hartz IV-Empfängern aber jeder Quadratmeter Wohnraum nachgemessen wird?
Daß wir... daß wir...?
Nein, wir sind nur die Bürger eines recht bevölkerungsreichen Staates in Mitteleuropa, die dabei sind, das zu verlieren, was ein Gemeinwesen wirklich ausmacht - bürgerschaftlichen Zusammenhalt nämlich, Engagement für das Gemeinwesen.
Einbeziehung des anderen, weil er auch nur ein Mensch ist wie wir alle, nicht Abgrenzung, weil WIR uns toller fühlen.
ich_von_hier, nur damit Du mich nicht falsch verstehst...ich will Dich damit nicht persönlich treffen, ich weiß, daß Du es im Guten meinst, was Du schreibst. Nur möchte ich aufzeigen, welche Gefahren in meinen Augen in diesen - sehr verbreiteten - Positionen liegen.
So, und nun wünsche ich mir, daß die Spieler von Klinsis Ex-Gurkentruppe weiterhin zeigen, was sie können, und die jeweils andern auch. Möge es spannend werden und fair zugehen!
