janwModerator


Beiträge: 8488Registriert: 11.10.2003
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Tja, Du hast eine ganze Reihe der Probleme bereits angesprochen, die in die Thematik hinein spielen, wie die Theorie von Keynes.
Ganz konkret ist es so, daß sich seit Ende der 70er Jahre kontinuierlich ein Schuldenberg aufgebaut hat, der schon Ende der 80er Jahre als bedrohlich angesehen wurde, bei dem aber immer neue Ausgabenschübe die begonnenen Sparmaßnahmen zunichte gemacht haben.
Warum diese Ausgabenschübe?
Der Staat bezieht seine Einnahmen aus verschiedenen Steuern, die verschiedenen Gliederungen des Staates zugute kommen.
Die Lohn- und Einkommensteuern bekommt der Bund, der einen Teil davon an die Länder abgibt.
Die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) geht iirc an die Länder.
Die Gewerbesteuer geht an die Gemeinden.
Diverse Steuern wie Körperschaftssteuer, Tabak-, Branntweinsteuer etc. geht an den Bund, teilweise bekommen die Länder davon bestimmte Anteile.
Von diesen Einnahmen bezahlt der Staat seine Angestellten (Beamte, andere öffentliche Bedienstete), einen guten Teil des Betriebs von öffentlichen Einrichtungen (Schwimmbäder, Schulen, Kläranlagen, Mülldeponien, Verkehrsbetriebe, Universitäten, Bibliotheken, Museen, usw., die Polizei, die Bundeswehr, die Feuerwehr, außerdem öffentliche Baumaßnahmen wie Straßen, Kanäle, Schulgebäude usw.
Dazu Zahlungen an Menschen, die staatliche Unterstützung brauchen und, ganz wichtig, die Pensionen von Beamten.
Hier liegt einer der ersten Problempunkte, der überhaupt zur Entstehung der Misere beigetragen hat.
Um 1980 wurde der erste große Berg an Beamtenpensionierungen erreicht, und das bedeutete einen Berg an Ausgaben, wie er vorher nicht bestanden hatte. Die Konsequenz daraus hätte sein können und wohl auch müssen, eine spezielle Pensionskasse anzulegen, in welcher der Staat kontinuierlich Beträge ansammelt, ohne daß diese Gelder anderweitig verwendet werden können, und das Pensionssystem so umzustellen, daß auch die Beamten einen Teil ihrer Pensionen selbst einzahlen.
Das wäre wohl auch irgendwie passiert, denke ich, wenn nicht 1983 ein Regierungswechsel passiert wäre mit einer Neuwahl 1984.
Mit dem Ziel, die Wahl zu gewinnen, startete der Bundeskanzler Helmut Kohl einen großen öffentlichen Investitionsschub, wodurch die dringend benötigte Pensionskasse nicht nur nicht eingeführt, sondern auch die bestehenden Pensionsrückstellungen des Staats für andere Zwecke angegriffen wurden.
Kohl gewann die Wahl, und zunächst wurde das Haushaltsproblem dadurch etwas gemindert, daß aufgrund einer guten Konjunktur die Steuern reichlich flossen.
Probleme machten aber nun die Kranken- und die Rentenversicherung, weil sich die bis heute bestehenden Problem im Gesundheitssystem bemerkbar machten - Filz zwischen Pharmaindustrie und Ärzten, teure Arzneimittel, viel teurer Apparateinsatz usw. - und weil nun, um die Arbeitslosenstatistik zu schönen, eine Welle an Frühverrentungen einsetzte, parallel dazu immer weniger Menschen für einen Rentenempfänger Beiträge einzahlten. Dabei sollten aber die Renten weiter steigen, um mit der Inflation mitzuhalten.
Die Floskel von Norbert Blüm "Die Rende is sicha" war geboren.
Damit die Rente "sicha" war, munter weiter stieg, und die überwiegend CDU wählenden Senioren bei Laune gehalten wurden - es war Wahltaktik, und das ist das Problem! - wurden nun bestimmte Zahlungen, die aus der Rentenkasse finanziert wurden, der Krankenversicherung zugeschoben, die sog. "Versicherungsfremden Leistungen", die die Krankenversicherung bis heute wesentlich mitbelasten. Wenn man so will, Betrug an der Krankenversichertengemeinschaft.
Mittlerweile war 1989 und die Regierung Kohl eigentlich am Ende, da fiel ihr die deutsche Einheit in den Schoß. Die Aufgabe, den Osten aufzubauen, wurde dramatisch unterschätzt, der erhoffte schnelle wirtschaftliche Erfolg blieb aus, wodurch die öffentlichen Ausgaben für den "Aufbau Ost" deutlich größer wurden als erwartet, parallel im Osten dramatisch die Steuereinnahmen zurück gingen und die staatlichen Zuschüsse zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung dauerhaft stark zunahmen, außerdem Sozialhilfeleistungen.
Durch verschiedene Einsparmaßnahmen noch unter Kohl, vor allem dann aber unter Schröder wurde die Neuverschuldung leicht gebremst, allerdings wurde das mittlerweile grundsätzliche Problem nicht behoben, daß nämlich mittlerweile mehr Zinsen anfielen als wirkliche Neuverschuldung durch Sachausgaben, und durch die Einsparungen wurden gerade jene getroffen, die iegentlich staatliche Hilfe benötigten, wie sozial Schwache, Behinderte, Vereine, Initiativen, Kultur,...
Der letzte Akt war dann Hartz IV, eine plötzliche Reform, völlig ungeplant und letztlich viel teurer als gedacht.
Da stehen wir nun, und können nicht anders...
Der Weg aus der Krise...heißt sparen.
Es wird gespart, wo es nur geht, zumindest dort, wo sich die besparten Gruppen nicht wehren können.
Dazu heißt er, die Konjunktur in Gang zu kriegen, um Steuereinnahmen zu erzeugen.
Die jetzt beschlossenen Maßnahmen sollen die Steuereinnahmen erhöhen, außerdem weitere Einsparungen bringen - leider zu Lasten eben der Schwachen.
Das Problem, daß die Zinsen mittlerweile die Hauptlast am Schuldenberg ausmachen, werden aber auch diese Maßnahmen nicht lösen können.
Selbst mit einem Wirtschaftswachstum von 10 % wie in China wäre das nicht zu erreichen.
Keynes wäre da allerdings auch keine Lösung, denn zunächst wird eben wieder mehr Geld investiert, die zusätzlichen Steuereinnahmen werden aber nicht so groß sein, daß sie diesen Betrag einschließlich der Zinsen decken. Wenn die Maßnahmenwelle erledigt ist, fallen auch die zusätzlich eingestellten Menschen wieder in die Arbeitslosigkeit zurück.
Beobachten läßt sich dies anhand des Baubooms im Osten anfang der 90er Jahre, eine Sonderkonjuktur ohne bleibende Wirkung, und anhand einiger Phasen, wo in den 70er Jahren gezielt nach Keynes gehandelt wurde.
Eine echte Lösung könnten alternative Modelle der Wirtschaftsgestaltung bringen, z.B. eine Heranziehung aller Einkommensarten zur Sozialversicherung, stärkere Besteuerung auch höherer Einkommen und Senkung der Mehrwertsteuer - statt sie zu erhöhen!- oder eine radikale Senkung der Einkommensteuer und Erhebung von Steuern nur noch auf den Verbrauch von Gütern.
Das würde zugleich Einsparungen im Ressourcenverbrauch verstärken.
Insgesamt ein interessantes Feld, diese alternativen Konzepte, allerdings auch mit einigen Hirngespinsten durchsetzt.
Aber, ich glaub es reicht erstmal...
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