Überwachung vs Freiheit

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ich_von_hier
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Sa 15. Jul 2006, 17:29 - Beitrag #1

Überwachung vs Freiheit

Heute startet in Dresden der vielleicht größte Massen-Gentest in Deutschland. (siehe hier )

Nun ist das ja schon ein großer Eingriff in die Privatsphäre. Aber selbstverständlich hilft dies, einen Sexualverbrecher zu finden. Soweit eine gute Sache.
Wird der Täter endlich gefunden, wird sich die Polizei mit großer Wahrscheinlichkeit behaupten müssen, warum der Täter nicht eher ausgemacht und so ein zweiter Missbrauch verhindert wurde. Ihr werden Fehler vorgeworfen, wie es schon bei der letzten Vergewaltigung in Dresden geschehen ist. (Ich weiß den Namen leider nicht mehr, aber vielleicht erinnert sich noch jemand, an das Mädchen, das Anfang des Jahres wochenlang in der Wohnung ihres Peinigers gefangen gehalten wurde.)

Selbstverständlich hätte die Polizei schon eher einen Massengentest anordnen können, aber sowas ist halt schwierig, nicht zuletzt wegen der oben genannten Privatsphäre. Und auch andere Wege, um den Täter zu finden, sind aus Gründen der Privatsphäre verboten. (z.B. kontollieren, welche Handys zum Zeitpunkt der Tat in der Nähe des Tatorts waren, wie es schon einmal in Deutschland gemacht wurde, ich glaub dazu gab es hier auch einen Threat.)

Aber hätte die Vergewaltigung nicht auch durch Überwachung verhindert werden können? Ich meine nicht nur Kammeras, sondern auch Chips im Ausweis, Handy, o.ä. zur Positionsbestimmung.
Selbstverständlich erinnert das an einen Überwachungsstaat, und ich kenn auch die Vorbehalte gegenüber sowas.
Aber wer nichts zu Verbergen hat, der brauch sich doch nicht verstecken.

Ist es nicht vielleicht möglich, die Bevölkerung zu überwachen (natürlich nur von befugten Personen und mit hoher Sicherheitsbestimmung, damt nichts nach außen gelangt, was dort nichts zu suchen hat) und trotzdem deren Freiheit zu gewährleisten? Überwachung allein für die Sicherheit? Um Gewaltverbrechen und besonders Vergewaltigungen von Kindern schon durch Abschreckung zu verhindern?

MfG ich_von_hier

DarkMousy
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Sa 15. Jul 2006, 19:35 - Beitrag #2

Der Täter, der das Mädchen gefangen gehalten hat, hätte den Ermittlern auch einfacher in die Falle gehen können. Sie haben einfach versäumt, wie stand das gleich noch geschrieben, den straffällig gewordenen Typen in der Nähe des Entführungsortes zu überprüfen. So ungefähr war das, wer genaueres weiß, ich wäre dankbar, wenn mein doch recht dünnes Wissen darüber noch ergänzt würde.

Was das Haupttopic betrifft, darüber habe ich auch schon diverse Male nachgedacht, bin aber immer zu dem gleichen Schluss gelangt: Der Missbrauch wäre zu groß. Es gibt überall schwarze Schafe, die so ein System für sich benutzen würden. Man kann sich einfach nicht darauf verlassen, dass das alles glatt laufen würde und so steht die absolute Freiheit immer noch höher als eine eventuelle sichere Überwachung, die aber auch nach hinten los gehen kann.

Daaku

Maurice
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Sa 15. Jul 2006, 21:12 - Beitrag #3

Also ich würe es begrüßen, wenn von jedem Bürger (egal ob männlich oder weiblich) bei seiner Geburt ein Gentest gemacht werden würde, der dann bei der Polizei gespeichert werden würde. Viel Rechenkapazität wird das wohl kaum fressen, sodass es den riesigen Vorteil nur ansatzweise in Frage stellen würde.
Dass dies irgendwie die Privatsspäre von irgendjemanden verletzen sollte, ist mir in keinster Weie ersichtlich. Und solage man nichts anstellt, braucht man auch nichts zu befürchten.

Kati
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Sa 15. Jul 2006, 21:25 - Beitrag #4

Da kann ich Maurice nur voll und ganz zustimmen. Soetwas greift von niemandem die Privatsphäre an und kann viele schreckliche Verbrechen verhindern :(

Eine ständige Überwachung würde ich auch ablehnen. Wie Daaku schon sagte: Da gibt es viele schwarze Schafe und man könnte viel Reibach damit machen. Geld lockt nunmal.
Und irgendwie,... selbst wenn ich nichts zu verbergen habe. Ich würde mir irgendwie verfolgt vorkommen :D

Maurice
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Sa 15. Jul 2006, 22:03 - Beitrag #5

Schön dass wir hier einer Meinung sind Kati. :)

Eine völlige Kontrolle kann ich auch nicht befürworten. Zum einen, weil sich das physisch sehr schlecht auf die Bevölkerung auswirken würde, es eine riesige Menge an Geld und Arbeitskraft verbrauchen würde und letzten Endes hier eine offensichtliche große Missbrauchsgefahr besteht.

ich_von_hier
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Sa 15. Jul 2006, 22:19 - Beitrag #6

Die Gefahr des Informationsmissbrauch führ ich bei solchen Diskussionen normalerweise auch als erstes auf. Aber wie sollte denn z.B. die Video-Überwachung ausgenutzt werden können, in London funktioniert das schließlich schon seit Jahren. Wie sähe so ein Missbrauch aus?

Und besteht diese Gefah des Missbrauchs nicht auch bei DNA-Datenbanken? (Ich denke dabei an den Film Gattaca)

MfG ich_von_hier

Maurice
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Sa 15. Jul 2006, 23:17 - Beitrag #7

Ich sehe keine Gefahr bei einer Gen-Datenbank. Sie soll ja nur für polizeiliche Zwecke genutzt werden. Was hat das denn mit Gattaca zu tun?

@Video: Ich sprach von völliger Kontrolle. Also nicht nur Videoüberwachung an wichtigen Orten, sondern eher sowas alla "1984". Gegen eine Videoüberwachung an wichtigen Orten hab ich nix. Sie muss sich eben nur rentieren.

ich_von_hier
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Sa 15. Jul 2006, 23:40 - Beitrag #8

Zitat von Maurice:Ich sehe keine Gefahr bei einer Gen-Datenbank. Sie soll ja nur für polizeiliche Zwecke genutzt werden.
Und genau dafür könnte auch eine totale Kontrolle (im Sinne von Beobachtung, nicht aktiver Beeinflussung) verwendet werden.

Wenn die Tätigkeiten und/oder Positionen zu bestimmten Zeiten nur für polizeiliche Zwecke (und nicht für politische) genutzt werden und man nichts zu verbergen hat, dürfte doch auch nichts dagegen sprechen. Dann gbe es auch keine Daten, die Missbraucht werden könnten.

So sehr mir "1984" gefallen hat, sollte man bedenken, dass der Roman zu einer anderen Zeit verfasst wurde. Ich glaube kaum, dass so etwas heutzutage durchsetzbar ist. Die Geschichte ist schließlich ein absolutes Negativ-Beispiel einer zukünftigen Gesellschaft.

MfG ich_von_hier

Maurice
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Sa 15. Jul 2006, 23:49 - Beitrag #9

Mir ist immer noch nicht klar, inwiefern eine Gendatenbank misbraucht werden könnte. Das erscheint mir mal wieder typisch deutsch: Nur die denkbaren Gefahren werten, aber nicht die möglichen Vorteile. :rolleyes:

ich_von_hier
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So 16. Jul 2006, 04:04 - Beitrag #10

Nur die denkbaren Gefahren werten, aber nicht die möglichen Vorteile. :)

*g* Das selbe gilt für die Komplettüberwachung. ^^

Naja, wie ich schon sagte. Die Sache erinnert mich an Gattaca. Sollte man irgendwann mal alle menschlichen Gene entschlüsselt haben, könnte man Leute sortieren nach "genetisch Perfekt" und "genetisch nicht Perfekt", sozusagen Rassenlehre für Fortgeschrittene.

Aber auch einfachere Dinge wären möglich. Haare von einem Versammlungsplatz einsammeln, mit Gendatenbank vergleichen, schon weiß man, wer dabei war. (OK, ganz so einfach ist es nicht, aber das Prinzip ist klar, denk ich.)

Aber was ich eigentlich sagen will ist, dass man eine Gendatenbank doch genauso Missbrauchen könnte, wie die oben genannte Überwachung mit Chips, Kammeras oder ähnlichem.

MfG ich_von_hier

janw
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So 16. Jul 2006, 10:43 - Beitrag #11

ich_von_hier, Dein erster Beitrag liest sich etwas so, als wärest Du durchaus nicht abgeneigt, chips und Kameras usw. als permanente Überwachung zur Verbrechensvorbeugung einzusetzen, oder ist das advocatus diaboli?
Oder lese ich das nur falsch?

Nun, aus meiner Sicht kann man vor soetwas nur warnen.
Wir können uns glücklich schätzen, nicht in einer es wirklich dikatorisch ernst meinenden Diktatur zu leben, aber schon jetzt sind Daten über uns alle - wo wir hingehen, was wir konsumieren, was für einen Lebensstil wir pflegen,... - viel Geld wert. Man muss diese Interessen der Wirtschaft nicht weiter unterstützen, außerdem sollte man immer auch im Blick behalten, daß politische Systeme sich wandeln können. Gut, unsere Lobby-Demokratie scheint recht stabil zu sein, aber man sieht ja schon, wie bereitwillig Freiheitsrechte abgetreten werden, wenn der Große Bruder in Terror-Paranoia ausbricht.

Wir haben das Recht, uns überall frei zu bewegen und alles zu tun, was nicht explizit verboten ist.
Dazu gehört für mich unbedingt auch das Recht, dies zu tun, ohne daß es dokumentiert wird. Wenn ich irgendwo einkaufen gehe, im Eiscafe sitze, irgendwo hin fahre, zu welcher Zeit auch immer, dann geht das nur mich etwas an und den Menschen, der mit mir dabei ist. Damit sie ihre Nutzungen im Auge behalten kann, verlangt meine Stadtbücherei eine Unterschrift für jedes entliehene Buch. Die gebe ich ihr gerne, denn ich weiß, daß die Information dort verbleibt und eben nur für die Zwecke verwendet wird, für die sie gedacht ist.
Wenn an sicherheitsrelevanten Orten eine Überwachungskamera mich beobachtet, dann kann ich das verstehen, und auch da werden die Bilder nur kurz aufbewahrt und nicht anderweitig verwendet. In mancher Fußgängerzone nehme ich die Kameraüberwachung grummelnd zur Kenntnis, bin aber froh, daß mit den Bildern nach klaren Regeln verfahren werden muss.

Der Satz
wer nichts zu Verbergen hat, der brauch sich doch nicht verstecken.

ist in meinen Augen brandgefährlich.
Denn er setzt jeden permanent dem Verdacht aus, etwas zu verbergen zu haben oder etwas Unerlaubtes zu tun. Das widerspricht ganz eminent unserer Rechtslogik, wo sogar ein konkret Tatverdächtiger als unschuldig betrachtet wird, bis ein Urteil ergangen ist.
Ein Innenminister, der den Satz benutzen würde, müßte sich folgenden Satz anhören:
Bitte zurücktreten!

und seine Verfassungstreue überprüfen lassen.

Was Mißbrauchsmöglichkeiten betrifft, ja, was ist denn das für eine junge Dame da an der Seite des bekannten Herrn Meyer, etwa 50 Jahre? Gleich mal der Ehefrau stecken...
Wer war denn da alles auf der Fan-Meile in x-Stadt? Wo es nur das eine Bier gab? Wunderbare Daten für die Brauerei, um die Kundenzufriedenheit zu erfragen und ihr wunderbares neues Wellnessgetränk direkt per Telefon anzupreisen...
Was DNA-Daten betrifft, ist ja schon einiges gesagt worden.

Maurice
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So 16. Jul 2006, 12:22 - Beitrag #12

Ängste- Eine rutschige Angelegenheit

Ok mir ist jetzt auch klar, dass eine DNA-Datenbank missbraucht werden könnte. Aber folgt daraus, dass sie auch missbraucht werden würde? Folgt aus der Denkbarkeit des Missbrauchs, der tatsächliche Missbrauch, bei der Einführung der Institution? Nein!
Ob es zu Missbrauch kommen würde ist eine empirische Frage, die sich nur abschätzen lässt. Vermuten wir also, dass es zu einem Missbrauch kommt oder nicht? Dass ein Missbrauch denkbar ist, haben wir ja jetzt heraus bekommen, aber das spielt jetzt nicht die Rolle. Es kommt allein darauf an, ob wir davon ausgehen, dass eine DNA-Datenbank missbraucht werden würde oder nicht.
Wenn wir nun meinen, dass kein Missbrauch stattfinden wird, genauso wie wir nicht glauben, dass die Überwachungskameras nicht missbraucht werden, warum sollten wir dann noch dagegen sein, wenn der Nutzen die Kosten deutlich übersteigt?
Durch die Tatsache, dass eine Praxis missbraucht werden kann, folgt nicht schon, dass die Praxis generell abzulehnen ist. Auch bloß von irgendwelchen Dammbrüchen zu erzählen, wie es z.B. beim Thema Sterbehilfe hofffnungslos überstrapaziert wird, geht der Aufgabe einer rationalen Abwägung aus dem Weg. Wenn eine Praxis Vorteile zu bringen scheint, aber auch die Gefahr birgt, missbraucht zu werden, dann muss man die Praxis unter entsprechend hohen Auflagen einführen, um die Vorteile zu nutzen, aber Missbrauch zu vermeiden.
Im Fall unserer Gen-Datenbank hieße das z.B., dass die Genbank nur dann resultiert werden darf, wenn ein Schwerverbrecher gesucht wird und von diesem Genmaterial gefunden wurde. SONST NIE!
Wenn das Gesetz so eingeführt werden würde, und wir unseren Beamten soweit trauen, dass sie sich soweit daran halten, was spricht dann gegen eine solche Gen-Datenbank?

janw
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So 16. Jul 2006, 13:01 - Beitrag #13

1. "Anything that can go wrong will go wrong" (Murphys Gesetz)

2. "Was einmal gedacht wurde, kann nicht wieder zurück genommen werden" (Dürrenmatt, Die Physiker)

Aber mal konkret:
Zitat von Maurice:Aber folgt daraus, dass sie auch missbraucht werden würde? Folgt aus der Denkbarkeit des Missbrauchs, der tatsächliche Missbrauch, bei der Einführung der Institution? Nein!

Doch, sehr wohl, denn auch Gen-Daten sind geldwerte Daten, und alles was sich zu Geld machen läßt, wird über kurz oder lang entsprechende Begehrlichkeiten wecken, und es wird zu entsprechenden Übergriffen kommen. Auch wenn diese dann ans Licht kommen und vielleicht die Täter ermittelt und noch vielleichter bestraft werden, ist den betroffenen Menschen geschadet worden, und villeicht in einer Weise, die nicht wieder gut zu machen ist. Informationen, die einmal in der Welt sind, kann man nämlich nicht zurück holen.
Auch bloß von irgendwelchen Dammbrüchen zu erzählen, wie es z.B. beim Thema Sterbehilfe hofffnungslos überstrapaziert wird, geht der Aufgabe einer rationalen Abwägung aus dem Weg.

Von hoffnungsloser Überstrapazierung mag derjenige sprechen, für den menschliches Leben keinen Wert hat :cool:
Ein solcher Rationalismus ist menschenverachtend.

Wenn eine Praxis Vorteile zu bringen scheint, aber auch die Gefahr birgt, missbraucht zu werden, dann muss man die Praxis unter entsprechend hohen Auflagen einführen, um die Vorteile zu nutzen, aber Missbrauch zu vermeiden.
Im Fall unserer Gen-Datenbank hieße das z.B., dass die Genbank nur dann resultiert werden darf, wenn ein Schwerverbrecher gesucht wird und von diesem Genmaterial gefunden wurde. SONST NIE!
Wenn das Gesetz so eingeführt werden würde, und wir unseren Beamten soweit trauen, dass sie sich soweit daran halten, was spricht dann gegen eine solche Gen-Datenbank?

1. Was ist ein Schwerverbrecher? Der Begriff ist so dehnbar, wie es Politiker gibt, die mit innerer Sicherheit Wahlen gewinnen wollen.
Aber davon abgesehen würde eine Gen-Datenbank bedeuten, daß damit die Selbstbestimmung darüber, allein zu wissen, wo man wann gewesen ist, aufgeweicht würde, ein Grundrecht würde außer Kraft gesetzt.
Selbst ein Zwangs-Gentest a la "alle Männer von x-Stadt zwischen 18 und 65 müssen" wäre nicht zulässig, weil auch ein etwaig darunter befindlicher Täter nicht gezwungen werden kann, sich damit selbst zu stellen. Kein Mensch ist gezwungen, sich wegen irgendwelcher Tatvorwürfe selbst zu belasten, ein wichtiges Grundrecht unseres Strafrechts. Der Fall Gaefgen zeigt, wohin es führt, wenn Beamte dagegen verstoßen und dies bekannt wird. Erzwingung eines Geständnisses, und dann noch unter Folter...
(Daß bei einer freiwilligen Testaktion, und die Aktion in Coswig ist freiwillig, ein Täter T sich auch durch Nicht-Teilnahme belasten kann, ist so, aber dennoch muss ihm in dem Fall die Tat nachgewiesen werden, nicht er selbst den Beweis erbringen.)

Die trotz aller Verbote immer wieder mal vorkommenden Fälle von Geständniserzwingung, die Fälle von Bestechlichkeit und Amtsmißbrauch bringen mich dazu, auch Beamten nicht zu sehr zu vertrauen.
Die überwiegende Zahl von ihnen macht ihre Sache gut, viele sind mit Engagement bei der Sache, aber sie sind eben auch nur Menschen, mit materiellen, zwischenmenschlichen und seelischen Problemen wie alle und entsprechend zugänglich für interessegeleitete Verlockungen. Wie alle Menschen, irgendwann, irgendwie...

Maurice
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So 16. Jul 2006, 13:16 - Beitrag #14

Ein Frage vorne weg: Ist jede Praxis deiner Meinung nach abzulehnen, bei der Missbrauch denkbar ist?

Von hoffnungsloser Überstrapazierung mag derjenige sprechen, für den menschliches Leben keinen Wert hat

Das klingt so als ob du mir das unterstellen würdest. Tust du das?
Das einzige was ich tue, ist dem Leben keinen intrinsischen Wert beizumessen. Das heißt aber nicht, dass ich dem Leben generell jeden Wert abstreite. Und niemand ist menschenverachtend, nur weil er nicht an intrinsische Werte glaubt.

@Schwerverbrecher: Wenn man den Begriff vorher klar definiert, dann gibt es da nicht viel zu dehnen.
Der Begriff "Verbrechen" ist ja auch nicht 100% klar, aber durch viele Definitionen idR eindeutig. Bist du jetzt dafür dass niemand mehr eingesperrt wird, weil ein Politiker den Ausdruck "Verbrecher" dehnen kann?

@Missbrauch: Nein aus der Denkbarkeit eines Missbrauchs folgt noch nicht notwendig ein Missbrauch! Das ist logisch nicht haltbar. Es ist ja auch denkbar, dass du alte Damen ausraubst. Daraus folgt aber nicht, dass du es tatsächlich notwendig auch tun wirst. Genauso folgt aus der Denkbarkeit, dass ein Politiker die Datenbank missbraucht noch nicht automatisch, dass dies auch der Fall sein wird.

Aber davon abgesehen würde eine Gen-Datenbank bedeuten, daß damit die Selbstbestimmung darüber, allein zu wissen, wo man wann gewesen ist, aufgeweicht würde, ein Grundrecht würde außer Kraft gesetzt.

Nein eben nicht! Man dürfte die Datenbank ja nur bei der Auffindung von Schwerverbrechern benutzen, warum soll das dein Recht auf Privatssphäre einschränken? Das tut es erst, wenn du z.B. Kinder vergewaltigt hast. Du brauchst bei dieser Regelung also nur Angst du haben, wenn du selbst Dreck am Stecken hast.
Hmm soll ich jetzt aus der Tatsache, dass du Angst hast, darauf schließen, dass ...

Was du hier gar nicht machst, ist mal die Nutzen zu betrachten. Du reitest nur auf deinen Ängsten des Missbrauchs herum. Selbst wenn in einem von 10.000 Fällen ein Missbrauch stattfindet, überwiegt dieser den positiven Effekt, dass man u.a. dutzende von Vergewaltiger einfangen würde?

PS: Was ich bei dir mal wieder raushöre ist die deutsche Nazi-Paranoia, dass jeder Kontrollmechanismus uns gleich wieder direkt in eine Diktatur stürzt. :rolleyes:

janw
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So 16. Jul 2006, 13:51 - Beitrag #15

Das heißt aber nicht, dass ich dem Leben generell jeden Wert abstreite. Und niemand ist menschenverachtend, nur weil er nicht an intrinsische Werte glaubt.

Das sicher, aber manches, was Du so geschrieben hast über den Umgang mit Menschen und Toten, veranlasste mich zu der kleinen Spitze. Verzeih mir bitte, ich wollte Dich nicht treffen.

Ansonsten geht es nicht um die Frage, ob ein Mißbrauch von Informationen theoretisch möglich ist in dem Sinne, ob eine neue einzuführende Technologie potentiell negative Wirkungen haben könnte, sondern es geht darum, daß dieser Mißbrauch bereits stattfindet, real ist, man könnte sagen, daß die Qualität unseres Systems darin liegt, daß ein größerer Teil solcher Mißbrauchsfälle auch tatsächlich offenbar wird. Ich erinnere nur an den klaren Grundrechtsverstoß im Fall Gaefgen, an das riesige spammail-Problem, das eben nur durch illegalen Adressenhandel so entstehen konnte, an die vielen illegalen Telefonüberwachungen in Niedersachsen, die jetzt offenbar geworden sind - bekommt irgendein Geschädigter dafür eine Entschädigung? Nein! :o
An die vielen Eingriffe in Persönlichkeitsrechte durch den Verfassungsschutz, sei es in den 70er und 80er Jahren im Bereich der Anti-AKW-Szene, sei es im Fahrwasser der Terrorhysterie der letzten Jahre.
Nein, man braucht keine Paranoia, um vorsichtig zu sein, wenn es um weitere Aufweichungen der Datenschutzbestimmungen usw. geht.

Der Begriff des Verbrechens ist juristisch klar definiert, das sind jene Taten, bei denen der Staat von sich aus ein Ermittlungsinteresse erkennt, wie Mord, Totschlag, Raub und einiges mehr.

Nein eben nicht! Man dürfte die Datenbank ja nur bei der Auffindung von Schwerverbrechern benutzen, warum soll das dein Recht auf Privatssphäre einschränken? Das tut es erst, wenn du z.B. Kinder vergewaltigt hast. Du brauchst bei dieser Regelung also nur Angst du haben, wenn du selbst Dreck am Stecken hast.

Nein, denn wenn in meiner Umgebung so ein Verbrechen begangen werden sollte, dann könnte so eine Speicheltest-Aktion gestartet werden, an der ich mich beteiligen könnte, wenn ich wollte - oder es auch lassen, warum auch immer. Konkret würde ich mich wohl beteiligen, aus freien Stücken, weil mir die Aufklärung des Verbrechens wichtig wäre, die Angehörigen und das Opfer hätten ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihnen das angetan hat und daß dieser ihnen und anderen nicht mehr gefährlich werden kann.

Aber natürlich würde ich darauf bestehen, daß meine Probe und alle daran hängenden Daten sofort vernichtet werden, wenn der Fall gelöst ist, denn nur dazu sind sie gedacht.

Wenn ich mir ansehe, wie in diesem Land mit Grundrechten umgegangen wird - 1968 die Sicherheitsgesetze, um 1980 nochmal so etwas, dann vor nicht langer Zeit wieder eine Verschärfung wegen der Terror-Hysterie, und das, obwohl die alten Gesetze schon vieles ermöglichten, dann erkenne ich, daß gegen sicherheitsverliebte, Wahlen gewinnen wollende Innenpolitiker kein Kraut gewachsen ist, als vorsichtig zu sein.
Kein Freiheitsrecht, das schleichend erodiert ist, wird zurück zu gewinnen sein.

Herr Koch, Herr Schünemann, Herr Schäuble - bitte zurücktreten!

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So 16. Jul 2006, 14:00 - Beitrag #16

Um die Diskussion nicht zu weit ausschweifen zu lassen (ich will jetzt nicht über AKWs diskutieren), versuche ich erstmal ein wenig mehr Systematik in die Sache zu bringen:

1. Ist jede Praxis deiner Meinung nach abzulehnen, bei der Missbrauch denkbar ist?

Von der Antwort auf diese Frage hängt imo der weitere Gesprächsverlauf ab. Diese Frage sollte zuallererst geklärt werden.

ich_von_hier
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So 16. Jul 2006, 14:53 - Beitrag #17

Zitat von janw:ich_von_hier, Dein erster Beitrag liest sich etwas so, als wärest Du durchaus nicht abgeneigt, chips und Kameras usw. als permanente Überwachung zur Verbrechensvorbeugung einzusetzen, oder ist das advocatus diaboli?
Oder lese ich das nur falsch?
:| Musste erstmal gucken, was das überhaupt heißt, aber ja ich bin grundsätzlich auch gegen Überwachung. Ich wollte nur mal die Möglichkeiten in Betracht ziehen. :)

Zitat von janw:(Daß bei einer freiwilligen Testaktion, und die Aktion in Coswig ist freiwillig, ein Täter T sich auch durch Nicht-Teilnahme belasten kann, ist so, aber dennoch muss ihm in dem Fall die Tat nachgewiesen werden, nicht er selbst den Beweis erbringen.)
Er muss aber immerhin erklären, warum er seine Gene nicht preisgeben will. Auch ist die Reaktion imo sinnlos. Denn sollte keine abgegebene Probe übereinstimmen (der Täter ist ja wohl nich so blöd und gibt seinen Speichel ab), wird beim nächsten Stadtteil weitergemacht. Sollten am Ende wirklich 100.000 Leute geprüft werden und 10% (werf ich jetzt einfach in den Raum) machen nicht mit, hat man immernoch 10.000 Männer, die einzeln überprüft werden müssen. :rolleyes:

Zitat von Maurice:PS: Was ich bei dir mal wieder raushöre ist die deutsche Nazi-Paranoia, dass jeder Kontrollmechanismus uns gleich wieder direkt in eine Diktatur stürzt. :rolleyes:
Ist ja auch nicht so unberechtigt.

Zitat von Maurice:1. Ist jede Praxis deiner Meinung nach abzulehnen, bei der Missbrauch denkbar ist?
Das hängt wohl davon ab, wie stark der Missbrauch ausfallen würde. Wie du schon aufgeführt hast, könnte fast jeder Mann seine Überlegenheit ausnutzen und eine alte Frau überfallen. Aber man kann Männer ja wohl schwer verbieten. :D
Die Adressaufnahme in Bibliotheken ist wohl auch recht legitim, die wollen ja wissen wohin ihre Bücher wandern.
Kammeras könnten Verbrechen verhindern, aber auch jeden meiner Schritte kontrollieren, deswegen wird diese Praxis natürlich abgelehnt.
Aber trotzdem geben wir mit einem Reisepass unsere Fingerabdrücke (wenn auch nur zwei) ab (werden die eigentlich in einer Datenbank gespeichert?), die ja durchaus auch Missbraucht werden könnten. Natürlich lehnen viele diese Praxis ab, aber wirklich dagegen wehren kann man sich nicht.
Deine Frage kann man also schwer mit ja oder nein beantworten.

MfG ich_von_hier

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So 16. Jul 2006, 15:09 - Beitrag #18

Nutzen abwägen

Um meine Frage zu präzisieren:
Sollte jede Praxis verboten wäre, wo überhaupt irgendeine Art von Missbauch denkbar wäre?

Du hast darauf mit "nein" geantwortet. Missbrauch allein ist nämlich noch nicht ausreichend, um eine Praxis berechtigt zu verbieten. Der zu erwartende Missbrauch muss nämlich als schädlicher eingestuft werden, als der Nutzen, der aus der Praxis resultiert.
Theoretisch könnten auch unsere Daten bei der Bücherrei missbraucht werden. Sollte man deshalb verbieten, dass in der Bücherei Daten von einem gespeichert werden? Nein, weil der Missbrauch zum einen unwahrscheinlich und zum anderen nur gering wäre. Der Nutzen der Praxis ist dagegen sehr hoch, weil sonst keine Bücher ausgeliehen werden könnten, ohne ständig zu befürchten, dass die Leute sie nicht zurückbringen. Hier ist eine Kontrollinstanz der Gemeinschaft von großen Nutzen.

Und eine solche Nutzenabwägung sollte man auch bei der Frage, ob man eine Gendatenbank will, anstellen. Man tut dies aber nicht, wenn man nur auf die möglichen Gefahren hinweist und den Nutzen außer acht lässt.

DarkMousy
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So 16. Jul 2006, 16:23 - Beitrag #19

Nutzen abwägen plus Freiwilligkeit überprüfen

Ich finde der Vergleich zwischen einer Gendatenbank und einer Leihbücherei zieht nicht so gut.
Eine Gendatenbank würde vermutlich per Gesetzesbeschluss entstehen, so dass die Freiwlligkeit eines Bücherausleihens nicht mehr gegeben ist. Wer sich Bücher ausleiht, weiß, dass er eventuell auch ein Risiko eingeht, aber er tut es freiwillig. Den meisten erschließt sich ja auch, dass der Nutzen einer Bücherei über dem eventuellen Missbrauch liegt. Wer da nicht zustimmt, muss ja keine Bücher ausleihen. Das ist freiwillig.
Das wäre die Gendatenbank nicht mehr, wenn davon auszugehen ist, dass direkt nach der Geburt die erforderlichen Daten gemacht werden. Ein Neugeborenes kann nämlich nicht entscheiden, ob es das will oder nicht, mal ganz davon abgesehen, dass es auch nicht könnte - gesetzt dem Fall es hätte die Möglichkeiten - weil das ganze ein Gesetz ist.

Ich finde schon wichtig zwischen Gendatenbank und Leihbücherei zu differenzieren.

Daaku

Maurice
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So 16. Jul 2006, 17:06 - Beitrag #20

Dark niemand setzte eine Bücehrei mit einer Gendatenbank gleich. Der Vergleich soll nur ein Prinzip verdeutlichen. Man muss von diesen konkreten Beispielen abstrahieren!
Ich wollte am Beispiel der Bücherei zeigen, dass wir unter gewissen Bedinungen bereit sind, Daten von uns preis zu geben, selbst wenn die Gefahr des Missbrauchs besteht. Es kann also nicht als Argument reichen zu sagen, dass Missbrauch stattfinden könnte. Der Verweis auf Missbrauch von persönlichen Daten ist erst dann ein relevantes Argument, wenn die Schäden des Missbrauchs den Nutzen übersteigt, der aus der Preisgabe der Daten resultiert.

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