Israel greift den Libanon an

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 23. Jul 2006, 15:33 - Beitrag #41

Ab und zu Konservendosen einzukaufen, kann nicht schaden. ;)

Ansonsten erscheint mir deine Befürchtung etwas übertrieben, sony. Der Nahostkonflikt wirkte in manchen früheren Phasen schon deutlich bedrohlicher für den Weltfrieden als jetzt. Wie stellst du dir die Eskalationsreihenfolge vor?

Den Zusammenhang mit der Fußball-WM sehe ich nicht; wenn, dann wäre es sinnvoller gewesen, den Angriff währenddessen zu führen, während die Weltöffentlichkeit auf andere Schlachtfelder achtet - was wäre so der Nutzen?

sony
Member
Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 121
Registriert: 23.08.2004
So 23. Jul 2006, 18:30 - Beitrag #42

Stimmt! das mit dem.... dem wievielten....ja dem 3. ist zu übertrieben.
Aber den mit den Konserven ist voll im Trend. ;)

Das mit der WM - Ich glaub des wär für uns einfach zu viel gewesen, beides zusammen. ;)

Der Fortgang des Eskalation wird folgendermassen weiter gehen:

-Amerika wird Israel weiterhin mit Waffen und Moral zur Seite stehen.
-Libanon wird auch seine Bodentruppen in den Süden fördern.
-Die Palätinenser werden mit Ägypten und Al kaida weiterhin die Westbänk
in Beschuss nehmen.
-Syrien wird mit dem Irak Israel angreifen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 23. Jul 2006, 19:34 - Beitrag #43

@Eskalation: Punkt 1 und 2 sind sehr wahrscheinlich bzw. bereits teilweise geschehen.

3. Die Palästinenser werden wohl kaum die Westbank beschießen, selbst die extremsten Selbstmordattentäter würden darin wohl wenig Sinn erkennen. Ägypten hat seit 1979 Frieden mit Israel, und trotz israelfeindlicher Stimmungen in weiten Teilen der Bevölkerung ist wohl kaum anzunehmen, daß sie sich in diesen Konflikt einmischen werden (es sei denn, Israel vertriebe die Gesamtbevölkerung des Gazastreifens o.ä.)

4. Einen direkten Angriff Syriens halte ich für wenig wahrscheinlich angesichts ihrer militärischen Unterlegenheit gegenüber Israel; ein Angriff des Irak ist noch deutlich unwahrscheinlicher, derzeit eher unmöglich; du meintest wohl den Iran, der ja auch jetzt schon fröhlich in der Suppe mitmischt.
Hier wäre der in meinen Augen wahrscheinlichste Eskalationsfall ein Angriff mit iranischen Mittelstreckenraketen (wie der Shahab 3), möglicherweise unkonventionell^^ bestückt. Nur wäre das für Bush ein allzu willkommener Kriegsgrund, dem auch Rußland und China im UN-Sicherheitsrat wenig entgegensetzen könnten - und dementsprechend wird Ahmadi-Nedschad das Risiko wohl eher nicht eingehen. Ausschließen kann man es allerdings nicht.

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
So 23. Jul 2006, 22:01 - Beitrag #44

@janw
Würde es für dich einen Unterschied machen, hätte die offizielle libanesische Armee die Angriffe auf Israel getätigt und nicht die Hisbollah? Und wenn ja, wo liegt der wesentliche Unterschied?

Ich glaube nicht, dass das Völkerrecht auf solche Situationen ausgelegt ist.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 23. Jul 2006, 22:47 - Beitrag #45

Lykurg, was die Nutzung der Möglichkeiten durch die Palästinenser betrifft - Verwendung von Zuwendungen für Waffen und Korruption statt für den Aufbau eigener Strukturen, Landwirtschaft usw. - stimme ich Dir im Grunde zu, da haben sie wirklich Fehler gemacht. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß Israel gezielt alle bewässerbaren Regionen, wichtig hier auch die Westbank, für sich annektiert hat, so daß die Palästinenser praktisch in die ohnedies "badlands" abgedrängt wurden. Hinzu kommt, daß Israel die Grundwasservorkommen wie auch den Jordan so intensiv nutzt, daß für die Anrainer praktisch nichts mehr übrig bleibt. Der Jordan erreicht nicht einmal mehr das Tote Meer.
Und diese un-nachhaltige Landwirtschaft findet eben auf gestohlenem Land statt. Mach das mal mit einem Bauern hier...

Natürlich macht eine zugrundeliegende problematische Tatsache wie Machtgier o.ä. den Krieg nicht schlimmer, als er ohnedies schon ist - da bin ich mit Dir eins.
Ich wollte nur darauf hinaus, daß ich mir überlege, ob hinter dem ganzen, nun mehrere Jahrzehnte schwelenden Konflikt ein tieferes System steckt, Interessenverstrickungen, die aktiv daran arbeiten, den Konflikt am Laufen zu halten, so daß er dann und wann sich verschärft, dann wieder entspannt, aber eben nie gelöst wird, auch wenn dies prinzipiell möglich wäre.
Die zeitliche Abfolge der Ereignisse in den letzten Wochen fand ich auch bemerkenswert - dies mag aber auch nur Zufall sein, unplanbare Details in einer größeren "Choreographie".
Wie gesagt, dies sind aber nur Überlegungen...

Padreic, ja, das würde für mich eine gewaltigen Unterschied machen.
Die jetzige Situation ist wie, wenn Sinn Fein in Irland an der Regierung beteiligt wäre und die IRA Nordirland angreifen würde.
Würde die libanesische Armee Israel angreifen, so wäre dies ein Angriffskrieg von Seiten Libanons mit allen völkerrechtlichen Konsequenzen.
Wenn aber nur eine Miliz Übergriffe auf ein Nachbarland verübt, dann ist das prinzipiell ein innenpolitisches Problem des Mutterlandes der Miliz, dessen Regierung müßte dann mittels seiner inneren Sicherheitsorgane gegen die Miliz vorgehen und notfalls den Ausnahmezustand verhängen.
Daß die libanesische Regierung nicht zu diesen Mitteln gegriffen hat, macht die Situation nicht eben einfacher, liegt sicher auch in der Regierungsbeteiligung der Hisbollah begründet und starken Pressionen, denen das Land wohl immer noch seitens Syriens ausgesetzt ist, neben anderem. Die Hisbollah hat wohl gesellschaftlich recht breit Fuß gefasst, auch die maronitische Minderheit unterstützt sie, wenn ich einen Bericht richtig verstanden habe vor wenigen Tagen.

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Mo 24. Jul 2006, 19:14 - Beitrag #46

@janw
Die IRA betreibt weder Krankenhäuser noch Kindergärten, die Situation ist nicht vergleichbar. Die Hisbollah ist nicht offizieller, aber doch faktischer Herrscher über Teile des Libanon, auf jeden Fall mehr als die eigentliche Regierung.

Inwieweit wäre denn das Leid der libanesischen Zivilbevölkerung mehr gerechtfertigt, wenn der Angriff von der offiziellen Armee der libanesischen Regierung getätigt würde? Man könnte einwenden, weil die Regierung demokratisch gewählt wurde. Aber das heißt noch lange nicht, dass das Volk hinter jeder Entscheidung mehrheitlich dahinter steht und noch sehr viel weniger, dass jeder einzelne da hinter steht.
Was ist denn der Gedanke dabei, dass einem erlaubt ist, in ein anderes Land einzumarschieren, wenn dieses einen angreift? Dass man sich verteidigt, dass man die Angreifer ausschalten kann, so dass solche Angriffe in Zukunft unterlassen werden. Ich weiß nicht, wo bei dieser Begründung der Unterschied ist, ob einen ein Land offiziell angreift oder ob Milizen aus diesem Land einen angreifen und das Land aus Unwillen oder (hier wohl eher) Unfähigkeit dies duldet.

Denn als ein innepolitisches Problem kann ich es nun wirklich nicht bezeichnen, wenn Milizen aus dem Libanon Israel angreifen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo Raketen der Hisbollah auf Israel fliegen und dabei Israelis sterben, halte ich es für sehr zynisch zu sagen, dass sei ein innenpolitisches Problem des Libanon.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 25. Jul 2006, 00:06 - Beitrag #47

Padreic, entscheidend ist die Haager Landkriegsordnung von 1907, die regelt, wer Krieg führt, wie Krieg zu führen ist usw.
Artikel 1: Die Gesetze, die Rechte und die Pflichten des Krieges gelten nicht nur für das Heer, sondern auch für die Milizen und Freiwilligen-Korps, wenn sie folgende Bedingungen in sich vereinigen:

1. daß jemand an ihrer Spitze steht, der für seine Untergebenen verantwortlich ist,
2. daß sie ein bestimmtes aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen,
3. daß sie die Waffen offen führen und
4. daß sie bei ihren Unternehmungen die Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachten.

In den Ländern, in denen Milizen oder Freiwilligen-Korps das Heer oder einen Bestandteil des Heeres bilden, sind diese unter der Bezeichnung "Heer" einbegriffen.

Die Hisbollah trägt kein bestimmtes, aus der Ferne erkennbares Abzeichen, führt keine Waffen offen, handelt nicht nach den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges. Auch ist sie nicht Bestandteil des Heeres des Staates Libanon.
Damit führt sie nach der Konvention nicht Krieg, und es liegt kein kriegerischer Angriff auf Israel vor.
Ob Hisbollah nun Krankenhäuser betreibt oder nicht, ist recht belanglos - das tun hierzulande mittlerweile auch reine Geldvermehrer, ist also längst keine Domäne von Wohltätern mehr.
Ich kann verstehen, daß Du die Betrachtung als innenpolitisches Problem zynisch findest. Aber letztlich läuft es auch in unserem Rechtsstaat darauf hinaus, daß man einem anderen nicht einfach das Haus überfallen darf, weil der einen verletzt hat. Für Sanktionen sind Polizei, Gerichte und Vollzugseinrichtungen da.
Im Völkerrecht darf man sich zwar selber wehren, aber eben nur dann mit kriegerischen Mitteln, wenn wirklich ein kriegerischer Überfall vorliegt. In allen anderen Fällen bleiben nur Diplomatie, Wirtschaftssanktionen o.ä.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 25. Jul 2006, 00:45 - Beitrag #48

Die Haager Landkriegsordnung fußt noch auf dem Verständnis des Krieges als sportliches Kräftemessen zweier Nationen unter fortbestehender gegenseitiger Achtung, wie es sich im 19. Jh. herausgebildet hatte. Dieses 'Ideal' ging bereits im Ersten Weltkrieg unter. Die entscheidende Entwicklung des Krieges im 20. Jh. aber, das massenhafte Auftreten von Partisanenkampf als Mittel der Kriegsführung, steht zu den Prinzipien der Landkriegsordnung, die von regulären Kombattanten ausgeht, in massivem Widerspruch. Eine zufriedenstehende Lösung steht noch immer aus: Die Vorgabe, nicht unter §1 fallende Kämpfer wie zivile Kriminelle zu behandeln, ist in heutigen Konfliktsituationen einfach bizarr. Es kann nicht sein, daß eine bis an die Zähne bewaffnete Armee unter einheitlicher Leitung, die Tag für Tag 100 Raketen auf ein Nachbarland abschießt, von Polizeikräften verhaftet und Mann für Mann wegen Bandenkriminalität vor Gericht gestellt werden soll. Hier liegt eine bereits seit 1941 (Jugoslawien+Griechenland) offensichtliche Schwäche des Völkerrechts vor.

Ich empfinde es ebenfalls als unerträglich, die Tausenden von Israelis, die jährlich dem Terror zum Opfer fallen, als innenpolitisches Problem darzustellen - als wären die Terrororganisationen in Israel beheimatet, hätten israelische Staatsbürger als Mitglieder und Finanziers. Tatsächlich werden diese Gruppierungen - anscheinend wird das nicht oft genug gesagt? - von syrischen, iranischen, saudi-arabischen und anderen Quellen gepäppelt, gelenkt, gedeckt und gehalten.

janw, du nanntest die Interessenten des Konflikts, die ihn am Leben halten. Es wäre für Saddam Hussein in den 70ern kein Problem gewesen, alle Palästinenser im Irak aufzunehmen und mit Arbeit zu versorgen. In dieser Zeit wurden sie in Jordanien und Syrien in Lager gesperrt, um bloß nicht in der Bevölkerung Anschluß zu finden, sondern als tickende Zeitbomben bei Gelegenheit wieder auf Israel losgelassen werden zu können. Dort wurde die Schürung des jetzigen Krieges von langer Hand betrieben und vorbereitet.

Du sprachst eine Zurückführung auf die Grenzen von '67 an. Ich glaube, selbst dazu wäre ein erheblicher Teil der Bevölkerung Israels, vielleicht eine Mehrheit, bereit, wenn von da an mit den ständigen Terroranschlägen Schluß wäre. Aber eine Anerkennung des Existenzrechts Israels hat ja noch nicht einmal auf staatlicher Ebene durchgängig stattgefunden; geschweige denn bei den entsprechenden Gruppierungen. Ein solches Zugeständnis würde unter Garantie bei den nichtstaatlichen Verhandlungspartnern ein Entgegenkommen nahe 0 erreichen. Sie würden sich bedanken, mehr Platz für Bombenwerkstätten zu bekommen. Das wäre aber auch alles.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 25. Jul 2006, 01:22 - Beitrag #49

Gut, ja, die Landkriegsordnung ist nicht mehr ganz up to date, aber sie ist gültig. Und Pacta sunt servanda, von jedem, erst recht von einem sich selbst als Vorzeigedemokratie betrachtenden Staat.
Ansonsten würden wir da landen, daß jedes Land jedwede Einmischung von jedweder Kraft als Krieg auffasst und entsprechend beliebiges Nachbarland überfällt, wie ihm gerade beliebt.
usa macht das ja schon wunderbar vor...

Daß Hamas und Hisbollah von verschiedenen Staaten und nichtstaatlichen Organisationen kräftig unterstützt werden, ist leider so.
Die widerrechtliche Besetzung von Land, die Vertreibung der Bewohner, der Raub ihres Landes, der Raub ihres Wassers als überlebenswichtiger Ressource wird allerdings ebenfalls von anderen Staaten kräftig und nachhaltig unterstützt. Leidtragende sind auf beiden Seiten - Menschen.

Ich sehe es durchaus so, daß auch die Palästinenser nicht von Syrien und anderen um ihrer selbst willen unterstützt werden - sie sind viel mehr nützlich, um von eigenen inneren Problemen abzulenken, die Rigidität der eigenen Diktatur zu rechtfertigen usw.
Vor dem Hintergrund wäre es Assad oder Saddam nie eingefallen, die Palästinenser bei sich zu integrieren.

Was die Anerkennung Israels betrifft, war die Fatah dazu bereit. Die Hamas noch nicht, was sich allerdings vielleicht hätte geben können unter dem Druck der Meinung des Volkes - vielleicht ist der Angriff der Hisbollah in diesem Sinne zu verstehen, diesen Tendenzen entgegen zu wirken, die Palästinenser "bei der antiisraelischen Stange" zu halten.
Ich glaube, es gibt einige Staaten, die kein Interesse daran haben, daß der Konflikt sich in Frieden auflöst, und wenn ich mir die Ölpreisspirale bei jedem Scharmützel ansehe, und die Tatsache, daß der Konflikt mit Israel auch die innerarabischen Differenzen unter der Decke hält, dann zweifle ich auch den guten Absichten von usa.
Daß Rußland und China keine Engel sind, versteht sich von selbst.^^

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 25. Jul 2006, 21:09 - Beitrag #50

Daß Hamas und Hisbollah von verschiedenen Staaten und nichtstaatlichen Organisationen kräftig unterstützt werden, ist leider so.
Die widerrechtliche Besetzung von Land, die Vertreibung der Bewohner, der Raub ihres Landes, der Raub ihres Wassers als überlebenswichtiger Ressource wird allerdings ebenfalls von anderen Staaten kräftig und nachhaltig unterstützt. Leidtragende sind auf beiden Seiten - Menschen.
Deine Argumentation scheint Hisbollah und Israel als sich gegenüberstehende Quasi-Staatsmächte zu parallelisieren - darin wäre ich völlig deiner Meinung. Jedenfalls sehe ich die Dimension der Angriffe auf Israel und die dahinterstehenden Armeestrukturen als Gefährdung für die Weltsicherheit, die nicht mit einem Polizeieinsatz zu bewältigen ist.
Ich glaube, es gibt einige Staaten, die kein Interesse daran haben, daß der Konflikt sich in Frieden auflöst, und wenn ich mir die Ölpreisspirale bei jedem Scharmützel ansehe, und die Tatsache, daß der Konflikt mit Israel auch die innerarabischen Differenzen unter der Decke hält, dann zweifle ich auch den guten Absichten von usa.
An den guten Absichten der USA zu zweifeln, sei dir unbenommen, auch wenn es mE wenig zur Sache tut - nur sehe ich nicht, inwiefern die Entwicklung der Ölpreise ihnen wirklich entgegenkäme. Die amerikanische Wirtschaft hängt - wie die so ziemlich aller Länder - in erheblichem Maße vom Ölpreis ab. Dieser ist bisher bei jeder Nahostkrise gestiegen. Das bedeutet massive Mehreinnahmen für die arabischen Länder, den Iran, Venezuela und andere OPEC-Staaten (die meisten keine besonderen Freunde der USA); die Fördermenge der USA reicht nicht einmal für den Eigenbedarf. Wo soll da das Interesse an einem weiteren Krieg (gegen ein Land ohne Ölquellen) liegen?

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 27. Jul 2006, 10:51 - Beitrag #51

Nein, die Hisbollah ist eine für sich stehende Organisation, kein Staat oder Teil eines Staates und von der Art ihrer Angriffe auf Israel keine kriegführende Partei im Sinne der Haager Konvention.
Die Haager Konvention ist zwar antiquiert, aber nach wie vor gültig. Ich sags mal so, das BGB enthält auch noch einige antiquierte Vorschriften, bis vor kurzem war noch das Kranzgeld geregelt und einiges, was Frauen benachteiligte - dennoch war das prinzipiell gültig.

[quote="Lykurg"]An den guten Absichten der USA zu zweifeln, sei dir unbenommen, auch wenn es mE wenig zur Sache tut - nur sehe ich nicht, inwiefern die Entwicklung der Ölpreise ihnen wirklich entgegenkäme. Die amerikanische Wirtschaft hängt - wie die so ziemlich aller Länder - in erheblichem Maße vom Ölpreis ab. Dieser ist bisher bei jeder Nahostkrise gestiegen. Das bedeutet massive Mehreinnahmen für die arabischen Länder, den Iran, Venezuela und andere OPEC-Staaten (die meisten keine besonderen Freunde der USA)]
Nun, es gibt Partikularinteressen auf substaatlicher Ebene - Du weißt doch sicher, wo Bush und Condi und Rumsfeld verwurzelt sind?
Jeder Spannungstag bringt neue Gewinne am Ölmarkt.

Daß usa maßgeblichen Anteil an dem Fortdauern der Krise hat, zeigt sich nun, wo sie sowohl die Verhandlungen von Rom blockiert haben - so weit, daß Israel daraus einen Freifahrtschein heraus liest :o - und wo sie auch die allfällige energische Rüge und Verurteilung des tödlichen Angriffs auf einen gekennzeichneten UN-Posten trotz mehrfacher Kontaktaufnahme zu den israelischen Verbindungsoffizieren unterbunden haben.
Daß Bush mit der UN nicht so kann, ist ja bekannt, aber das jetzt, das schlägt dem Fass den Boden aus.
Mit dem Tag, wo Israel einen UN-Stützpunkt zerstört hat, mit u.a. einem europäischen Opfer - hat Israel sich selbst moralisch end-demontiert und für mich jede letzte Berechtigung zum militärischen Agieren verloren. Das ist Staats-Terrorismus.
Es wird Zeit, daß Europa Front gegen usa macht. Leider erforderte dies ein Bündnis mit Rußland und China, was man ja auch nicht so gerne will...

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 27. Jul 2006, 11:05 - Beitrag #52

Mit dem Tag, wo Israel einen UN-Stützpunkt zerstört hat, mit u.a. einem europäischen Opfer - hat Israel sich selbst moralisch end-demontiert und für mich jede letzte Berechtigung zum militärischen Agieren verloren. Das ist Staats-Terrorismus.
Ah, gut, dann nehmen wir das mal zum Anlaß, die israelische Armee zu entwaffnen, das wollten wir ja sowieso schon immer. Hervorragend. Bleibt nur offen, ob die internationalen Organisationen dazu bereit sind, für die Evakuierung der israelischen Bevölkerung zu sorgen. Ach nein, nicht nötig, das kann ja der Jüdische Weltkongreß bezahlen. Prima.

***

Für mich stellt sich unter anderem die Frage, wie es kommt, daß die UN mitten in diesem Gebiet, das von einer als terroristisch anerkannten Organisation kontrolliert wird, die für Anschläge mit insgesamt tausenden von Toten verantwortlich gemacht wird, Beobachtungsposten unterhält, ohne weiter etwas zu unternehmen. Wofür war dieser Posten eigentlich da? Zum Raketenzählen - mit Strichlisten?

Der Tod der UN-Soldaten ist wirklich tragisch, ich bedaure den Zwischenfall sehr. - Ob darunter ein Europäer war, ist allerdings für mich ungefähr so wenig bedeutend wie etwa, wenn alle Deutsche gewesen wären. - Ich wünschte nur, Annan würde sich mit derart unsäglichen Absichtsvermutungen zurückhalten. Schließlich gilt nach meinem Rechtsverständnis erstens eine Unschuldsvermutung - aber einem UN-Generalsekretär kann natürlich mal der Kragen platzen, klar, so wichtig ist sein Amt ja nicht. :crazy: Und zweitens war dieser Unglückstreffer, politisch gesehen, mit das Schlimmste, was Israel in dieser Situation passieren konnte.

/Edit:/ Von daher ist auszuschließen, daß irgendeine Absicht dahinterlag. Totales Versagen der Verantwortlichen ist schon schlimm genug.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 27. Jul 2006, 12:27 - Beitrag #53

Israel entwaffnen, das wollte ich noch nie und will ich nicht. Aber der Staat hat sich wie alle Staaten daran zu halten, daß die Grenzen der Nachbarstaaten zu achten sind, daß Angriffskriege verboten sind und daß UN-Resolutionen bindend sind. Die Besetzung von Gebieten seit 1967 erfolgt entgegen diverser UN-Resolutionen und ist eindeutig völkerrechtswidrig. Aber das zählt ja nicht, wenn usa das deckt und Springer jede Kritik an usa zum Sakrileg erklärt :rolleyes: [Springer-Mitarbeiter sind per Arbeitsvertrag zur Loyalität zu usa gezwungen - ist das in Ordnung? Kann so noch unabhängiger und freier Journalismus funktionieren?]

Die Frage, was die UN da veranlasst hat, dort einen Beobachtungsposten einzurichten, stellt sich mir nicht - ich halte es für legitim, daß sie überall, wo es Dinge unabhängig zu beobachten gilt, Beobachtungsposten einrichtet, entsprechend markiert, wie in diesem Falle. Um das Geschehen auf beiden Seiten zu beobachten. Diese Posten sind, sind und nochmal sind von Beschuss frei zu halten - sicher muss die UN auch dafür sorgen, daß nicht in ihrem Windschatten Straftaten geschehen, eine Raketenstellung vor ihrer Haustür aufgestellt wird.

Der Vorwurf des Vorsatzes ist nicht ganz von der Hand zu weisen - der Posten hat sich mehrfach, 5 bis 10 mal vielleicht, an den Verbindungsoffizier gewandt und einen Einstellung des Feuers gefordert - jedes Mal ohne Erfolg.
Willst Du mir erzählen, die israelische Armee sei so chaotisch organisiert, daß "da einfach was im Trubel untergegangen ist"?
Ich halte Kofi Annan nicht für jemanden, der leichtfertig Vorwürfe in die Welt setzt...

Um es klar und deutlich zu sagen, ich bin alles andere als ein Anhänger von Hamas und Hisbollah - die Anführer gehören vor ordentliche Gerichte und wegen zigfachen Mordes und anderem verurteilt. Iran ist für mich in Händen eines geistigen Brandstifters, eine furchtbar tragische Angelegenheit. Assad ist ein Diktator aus dem Bilderbuch.
Und ich bin froh, daß es einen Staat gibt, der allen Juden eine Zuflucht bietet, wenn sie verfolgt sind. Diesen, den Staat Israel muss es wieter geben, in seinen völkerrechtlich anerkannten Grenzen.
Aber auch dieser Staat muss sich eben an die gültigen Regeln halten, und wenn usa die andauernden Regelverstöße mit millionenfachem Leid seit über 30 Jahren decken, machen sie sich zu Helfershelfern eines rechtsbrechenden Staates.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 27. Jul 2006, 13:14 - Beitrag #54

Dann hatte ich deine "Berechtigung zum militärischen Agieren" mißverstanden, denn genau danach klang mir das. In meinen Augen ist auch Selbstverteidigung eine (militärische) Aktion. Es gab übrigens auch eine (nur eine?) UN-Resolution, die die vollständige Entwaffnung der Hisbollah forderte. Nur daß deren Durchsetzung mit friedlichen Mitteln, am Verhandlungstisch, sich bis heute als völlig aussichtslos erwies.

Ich heiße die Nahostpolitik der USA keinesfalls gut, sie ist teilweise äußerst widersprüchlich bis zynisch (etwa im Umgang mit den Saudis, insbesondere auch in der Kurdenfrage); und es sieht mir ganz danach aus, daß die Wahl G.W. Bushs ein so schwerer Mißgriff war, daß auch gute Berater, so sie da sind/wären, zum Ausgleich der Inkompetenz nicht genügen. Trotzdem muß ich die Sturheit anerkennen, mit der in diesem Fall zu Israel gestanden wird: Aus dem Wissen heraus, daß ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt, ohne weitere Bedingungen, also ohne Freilassung der Gefangenen und ohne weitere Sicherheitsgarantien, von der arabischen Presse in einen Sieg der Hisbollah umgedeutet würde. Und das können wir uns nicht leisten.

Selbstverständlich müssen Verstöße gegen das Völkerrecht, und, sollte es dazu kommen, Kriegsverbrechen unabhängig untersucht und gerichtlich geahndet werden. Alles, was dem vorgreift, ist Lynchjustiz. Auch sollte im Fall von systematischen, schweren Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung über einen Einsatz internationaler Truppenverbände nachgedacht werden. Zur Zeit kann das allerdings kaum verantwortet werden; ich hatte bereits angesprochen, daß die Hisbollah wohl kaum vor Angriffen auf Blauhelme zurückschrecken würde, wenn die sie ernsthaft an ihren Unternehmungen hindern wollten. Es scheint sich im Südlibanon eher ein modus vivendi zwischen Beobachtern und Milizen herausgebildet zu haben, der es sehr leicht macht, gegen Israel die Stimme zu erheben, da man sich an die Raketenbasen vor der Haustür schon so lange gewöhnt hatte.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 27. Jul 2006, 16:45 - Beitrag #55

Selbstverteidigung ist erlaubt bei einem kriegerischen Angriff im Sinne der Haager Landkriegsordnung, der hier aber nicht vorliegt.
Alle Aktionen israelischer Sicherheitsorgane außerhalb des israelischen Hoheitsgebietes sind rechtswidrig nach einschlägigen völkerrechtlichen Bestimmungen - und sie sind letztlich auch ursächlich dafür, daß sie überhaupt als notwendig angesehen werden - so lange Häuser, und dann noch Unschuldiger, zerstört werden, so lange der Staat unterstützt, daß Siedler den rechtmäßigen Landbesitzern Land stehlen, Felder verwüsten, die Besitzer vertreiben, so lange wird es Widerstand dagegen geben, den Widerstand der Verzweifelten, denen in ihrer Verzweiflung jedes Mittel recht ist.
Den Terror, der Israel bedroht, schafft Israel sich jeden Tag aufs Neue - nicht qua Existenz, sondern qua Rechtsbruch.

Soll Israel doch die Westbank an die UN übergeben zur Verwaltung und Aussortierung der Interessen und nachfolgender Findung eines Verteilungskonsens - ich denke, der Rückhalt der radikalen Milizen in der Bevölkerung würde rapide sinken.
Natürlich müßte dafür gesorgt werden, daß die Waffenroute von Iran unterbunden wird, z.B. durch eine UN-Truppe mit robustem Mandat in Libanon.
Ich glaube nicht, daß Iran selbst einen Angriff auf Israel versuchen würde, auch Syrien nicht - dafür sind die Staaten viel zu sehr mit internen Problemem belastet, außerdem besitzt Israel Atomwaffen, und vom Mittelmeer und von der Türkei aus wäre Iran in kürzester Zeit mit Nato-Flugzeugen erreichbar.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 27. Jul 2006, 17:14 - Beitrag #56

Zum zweiten Absatz möchte ich dir gerne zustimmen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, daß die UN damit glücklich würde - anscheinend funktioniert aber alles besser als palästinensische Selbstverwaltung, vorerst. :rolleyes: Insofern ja.

Der Anfang des ersten ergibt sich wieder aus einem - diesmal auf mein Konto gehenden - Mißverständnis; ich hatte mit Selbstverteidigung eigentlich nicht den aktuellen Konflikt gemeint, dessen aggressive Züge auch ich nicht übersehe, sondern ganz allgemein sagen wollen, daß wenn Israel auch die Selbstverteidigung unmöglich gemacht würde, zur schnellstmöglichen Übersiedlung nach irgendwo keine Alternativen bestünden.

Selbstverteidigung in meinem Sinne würde bei dieser Entführung die Befreiung durch Spezialkommandos (nach erfolgloser Diplomatie) sowie vielleicht die Ausschaltung einiger verantwortlicher Terroristen bedeuten, nicht aber eine Luft-Boden-Offensive. Die Zerstörung der Häuser von Unschuldigen ist eine fast zwangsläufige Folge davon, daß zynische Hisbollah-Trupps sich (übrigens ebenfalls völkerrechtswidrig) in ihrer Mitte einnisten. Insofern ist es sicherlich auch ein Terror, den Israel selbst schafft, indem es hier genau der Kalkulation der Milizen entspricht.

(Übrigens erscheint mir in diesem Zusammenhang auch der eingebürgerte Begriff der Miliz als unpassend, weil es sich üblicherweise um eine defensive Bürgerwehr zum Schutz ihres Umfelds handelt, und nicht um ein von außen finanziertes und gelenktes offensives Terrornetzwerk, das ähnlich einem Krebsgeschwür aus der Schonung seiner Umgebung Schutz für sich selbst erhofft, aber das sei nur am Rande erwähnt.)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 28. Jul 2006, 10:32 - Beitrag #57

ja, ja, die bösen Terrornetzwerke - nur mutwillig zerstörungswütige Bestien, bar jeglicher Menschlichkeit, die ohne alle Gründe und Notwendigkeiten die brüderlich ausgestreckte Hand aller westlichen Gutmenschen beiseiteschmettern und im Blutrausch unsere Jungfrauen und Babies fressen. Schlagt sie tot, die Hunde.

Junge, Junge, Junge, es ist immer wieder überraschend, in welchem Ausmaß Zusammenhänge ignoriert werden können

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 28. Jul 2006, 11:14 - Beitrag #58

Endlich spricht es jemand aus!^^

:rolleyes:

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 28. Jul 2006, 11:26 - Beitrag #59

Und stets schreien die am lautesten "Mörder, Terrorist!", deren Vormachtstellung schon immer auf Mord und Terror beruhte.
Auch wenn sie den als Freiheit bezeichnen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 28. Jul 2006, 12:19 - Beitrag #60

"Terror ist nichts anderes als rasche, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Er ist eine Offenbarung der Tugend. Der Terror ist nicht ein besonderes Prinzip der Demokratie, sondern er ergibt sich aus ihren Grundsätzen, welche dem Vaterland als dringendste Sorge am Herzen liegen müssen."
Maximilien de Robespierre - Rede vor dem Nationalkonvent 1794



Auf die Wörter kommt es nicht an.
Mit Wörtern läßt sich alles machen.
Wörter formen unsere Welt.
Und bleiben doch nur Wörter.

VorherigeNächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste

cron