@Anaeyon
Die Logik, warum ich jetzt immernoch hasse, habe ich dir auch erklärt.
Nein. Du hast mir erklärt, wie der Hass entstand und entsteht, du hast mir erklärt, wen du hasst. Aber das Warum dessen, dass du diesen Hass gewähren lässt, das hast du nur angedeutet.
Natürlich hasst du nicht absichtlich und in freier Willensentscheidung. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du keine Mechanismen kennst, wie du deinen Hass eindämmen oder sogar abstellen kannst. Mit Hass kenne ich mich so aus. Was ich aber von mir aus früheren Jahren kenne, sind recht heftige Verzweiflungsattacken (incl. verzerrtem Gesicht, auf dem Boden Winden und was man sich sonst noch so wünscht). Es ist nicht so, dass ich sie nicht hätte beenden können, wenn ich wirklich gewollt hätte. Mittlerweile habe ich zu einem Dasein gefunden, in denen ich sie nicht mehr habe; vielleicht bin ich auch nur einfach aus der Pubertät herausgewachsen. Ich habe es damals auch nicht bekämpft, weil ich empfunden habe, dass es mein eigenes Wesen überblendet hätte. Aber während ich Verzweiflung und Angst noch als existentiellen Erfahrung eine gewisse Fruchtbarkeit zuschreiben will, will ich fragen: inwiefern ist Hass fruchtbar, dass du ihn nicht bekämpfst oder einfacher noch zersetzt?
Wenn du vorm Fernsehr sitzt und über einen neuen Krieg berichtet wird, ist dir das egal nur weil du weist wie Kriege funktionieren und weil es schon welche gab? Also bei mir läuft es anders..
Ein wenig bekümmert kann ich ob eines neuen Krieges schon sein. Aber Hass ist eine Emotion, die mir dabei überhaupt nicht in den Sinn kommt.
Das arabische Sprichwort verfehlt auch das Thema. Ich hasse bestimmte Aspekte der Menschen, wozu soll ich dann an mir arbeiten? Soll ich mir Licht und Liebe einreden, damit ich blind naiv und glücklich leben kann? Selbst wenn du ja sagen würdest dazu, ich könnte das gar nicht tun. Wie gesagt, meine Ansichten könnten anders sein, ich kann sie aber nicht ändern einfach so.
Nein, blind naiv sollst du nicht sein. Da draußen ist viel Unheil, Leid und Grausamkeit. Ich will dich nicht auffordern, dass zu leugnen oder auch nur zu vergessen. Und im großen kann man es auch nicht ändern. Was man aber ändern kann, ist seine eigene Einstellung dazu. Dass man vielleicht eine Einstellung entwickelt, die einen selbst weiterbringt (und andere dadurch automatisch mit).
Und Hass gehört meiner Meinung nach nicht zu einer solchen Einstellung. Ich kenne keine mir irgendwie sinnvoll erscheinende Logik, die daraus, dass man anerkennt, dass jemand grausam war, dass Gebot folgen lässt, ihn zu hassen. "Liebe deine Feinde" heißt es in der Bibel. Und egal, ob nun Christ ist und an Gott glaubt oder nicht: das ist eine verdammt starke Aussage, wenn man versucht, sich klarzumachen, was sie heißt.
Dann lebe ich in einer Welt voller Arschlöcher, habe keine Angst mehr aber fremd und alleine komme ich mir dennoch vor. Ne, einfach zu ignorieren dass ich mich nicht mit dem Rest meiner Spezies identifizieren kann, das kann ich nich einfach nicht beachten.
Von ignorieren war nicht die Rede. Nur vielleicht diesen Wunsch, (alles) zu ändern umwandeln in einen, zu helfen, wo es geht, und es zu lassen, wo es nicht geht.
Und dass man sich fremd und alleine vorkommt, nunja, das ist wohl nicht so einfach zu ändern. Ich weiß zumindest nicht wirklich wie. Im Moment ist das Gefühl bei mir größtenteils überdeckt, doch im Hintergrund da lungert es noch. Doch das Fremd- und Alleinsein kann auch wieder den Boden für existentielle Erfahrung und Erkenntnis bieten. Ganz will ich mir das nicht nehmen lassen, zumindest nicht, bis ich etwas stärkeres finde als ich bisher gefunden habe.
Mein Kopf steckte selbst ne Zeit lang in solchen Dingen, ich weis was einen antreibt, Kinder zu vergewaltigen oder zu morden.
In meinem auch, zumindest zum Teil; zum Teil hab ich so etwas immer noch. Doch ich kann nicht genau wissen, inwieweit diese Erfahrungen verallgemeinerbar sind und bei Leuten, die wirklich Täter wurden, zutreffen. Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, solche Leute empirisch zu studieren und weiß auch nicht, ob ich sie nutzen würde, wenn ich sie hätte. Eher nicht, denke ich, obwohl es vielleicht lohnenswert wäre.
Aber das zu verstehen, reicht nicht um es zu tolerieren.
Hab ich von Tolerieren gesprochen? Einsperren soll man Gewaltverbrecher, allein schon, damit sie ihre Gewalttaten nicht wieder begehen können. Und man sollte versuchen, ihnen zu helfen, einen richtigen Weg für sich selbst zu finden. Aber hassen soll man sie darum nicht. Sie sind arm genug dran. Zu nicht unwesentlichen Teilen zwar durch eigene Schuld, aber sei's drum. Das Ideal sollte sein, sie zu lieben oder zumindest zu respektieren.
Zumindest dann, wenn man irgendwo noch einen Kern an "Menschlichkeit", wie man es nennt, entdecken kann. Der Mensch ist nicht von Natur aus gut, er ist aber auch nicht von Natur aus böse (oder beides). In den meisten Menschen oder vielleicht auch in allen (auch wenn sie böse, schlecht und gemein sind) steckt irgendwo noch ein guter Kern. Und so lange der noch da ist, sollte man sie nicht aufgeben und dem Hass preisgeben.