habe Bond letzten Donnerstag gesehen. Was mir besonders gefiel, war die "sensilbe" Seite des Geheimagenten. Wunderschön fand ich die Szene als er Eva Green in der Dusche sitzend fand. Hier nun ein Kommentar, nicht von mir, doch von einer Person, welcher ich das Leben schenkte

:
Man hat Gesprächsstoff in den Straßen.
Wanderprediger und streitsame Bildungsbürger ziehen gegeneinander zu Felde. Nur auf den ersten Blick dreht sich die Debatte um Pop-Kultur, denn eigentlich geht es um eine ideologische Definition, die uns allen keine Ruhe lässt: Wo endet die Pop-Kultur eigentlich?
Mein Vater hat schon James Bond geschaut. Jedes Kind von Belfast bis Beijng kennt Großbritanniens wichtigstes Kulturexport neben Harry Potter. Und dann ist natürlich auch noch viel Geld im Spiel.
Das ist eigentlich recht seltsam, denn diese banalen Lehrsätze sollten nicht darüber hinwegtäuschen können, womit wir es bei James Bond eigentlich zu tun haben:
Keineswegs mit einer Kinoserie, selbstverständlich, auch nicht bloß mit Romanvorlagen, wie vielfach behauptet wird. Was der gute Fleming '53 in seinem Kämmerchen produziert hat, erfüllt zwar alle Kriterien eines handelsüblichen Buches, viel mehr aber noch die eines anderen westlichenKulturerzeugnises: PULP.
Oder: Trivialliteratur, zu gut Deutsch: Schundheftchen, japanisch: Bunkobon.
Man kann sie in Bahnhofskiosken kaufen, gewöhnlich, die Seiten sind recht hässlich aber billig, und niemand mag sich so recht zu ihnen bekennen. Superhelden entspringen fast ausschließlich der Tradition von billig produzierten Abenteuer-, Wildwest- und Grusel-Geschichten, wie überhaupt ein nicht zu unterschätzender Anteil der kollektiven Erzählplätze des Abendlandes.
Und das Genre der Spionage-Geschichten spielt da keine Sologeige. Wie auch The Shadow, das Phantom, Jerry Cotton oder Swamp Thing hat ein britischer Agent namens James Bond den Intermedialitätssprung auf die Leinwand genommen - im Gegensatz zu seinen Kollegen aber mit Erfolg.
Mit viel Erfolg.
Immer wieder und wieder.
Die Formel ist natürlich brillant: Eine Persiflage auf gängige Agenten-Genres, Comic-mäßig übertrieben, willige Frauen in leichter Gaderobe, übertriebene Dramatik und bissige Dialoge: Spaß für Jedermann! Der gefällige Stilmittel-Cocktail wundervoller Comic-Abenteuer der 60er Jahre. Und mittendrin ein Held, der genausogut aus dem "Silver Age" der Superhelden-Comics stammen könnte: Immer gut drauf, moralisch im Recht, aber nie ohne Selbstironie: Ein gewaltiges Spaßpaket, mit Bond als unserem Botschafter, diplomatisch immun! Die Annahme, dafür sei weniger Talent oder Handwerkskunst notwendig, ist natürlich kurzsichtiger Unsinn. Goldfinger ist auch heute noch einfach wundervoll.
James Bond ist somit nicht nur die Verkörperung des Oberklasse-Engländers. Der schickste Held der Welt steht auch für
ein Überbleibsel einer Erzähltechnik, die seit Mitte der 70er Jahre Schritt für Schritt auf ein stets jüngeres Publikum umgemünzt wurde, bis wir nach Beispielen bei MacGyver oder Knight Rider suchen müssen.
Und das ist schon ein paar Jahre her. Um Gegebewegungen zu finden, muss man wieder in die Comicwelt zurück. Und auch dort länger herumstochern, denn auch 95% aller Bilderheftchen nehmen sich so ernst, dass sie ihrer Leserschaft keine Ironie zutrauen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Grant Morrison, der aktuell in All-Stars Superman genau das Gegenteil wagt: Bunte "Silver Age"-Funpakete, verpackt in modernsten Erzähltechniken und forderndem Abstraktionsvermögen. James Bond 1963.
In Hollywood funktioniert das anders. Bond bringt Kohle. An 007 hängen Existenzen. Plötzlich ist die Figur, die nie ernst gemeint war, immer nur augenzwinkernder Unfug sein sollte, an einem seltsamen Ort: Der Zeitgeist ist weiter gezogen. Man versuchte, "ernsthafte" Bond-Geschichten zu ersinnen. Was bei dem unversöhnlichen Pulp-Charakter der Figur natürlich ein Unfug ist, vor Allem aber im plötzlichen Schatten des neuen Titelverteidiger in dieser Kategorie, Jason Bourne. Entsprechend blass und halbherzig fielen diverse 90er-Bonds mit Titeln wie "der Morgen ist nicht genug, wenn der Abend nicht stirbt" aus. Stirb an einem anderen Tag versuchte die Flucht nach Vorne und brannte allen Realistikern unsichtbare Autos, Ritterburgen aus Eis, und Feuerstrahlen aus dem Himmel in den Pelz - näher kann man Sean Connerys Erstauftritt nicht kommen.
Wollte aber keiner mehr so richtig sehen. Zu kindisch.
Welche Richtung bleibt da?
Zurück.
Weiter zurück.
Noch weiter zurück.
Zu den Anfängen.
Ins Pulp-Heft.
Regisseur Martin Campbell hat den Typus Pulp-Held einfach ausgetauscht. Weg vom Charakter Perry Rhodan, hin zu...? Daniel Craig spielt eine Figur, die sich ihren Weg aus den tiefsten Eingeweihden der Pop-Kultur gegraben hat. Daniel Craig ist Sam Spade.
Der neue Bond ist der Typus Held, der direkt aus der Gosse kommt. Der sich die Hände schmutzig macht, allein im Regen, und die Welt verachtet. Sich selbst noch mehr, weil er sich nicht eingestehen kann, dass er eigentlich ein ganz netter Kerl ist, deswegen mögen wir Zuschauer ihn ja auch so gern. Die Figur funktioniert immer, und sie ist immer sympathisch: Dieser Bond ist Wolverine und Marv, Dirty Harry, Malcom Raynolds und Yojimbo.
Zugegeben: Er ist nicht schwer zu schreiben, aber wir werden sie in den nächsten 70 Jahren noch genauso verehren wie in den letzten.
Und das nicht zu Unrecht: Daniel Craig spielt seinen Badass mit einer solchen Leidenschaftlichkeit und Coolness, dass er jeden anderen Antiheld der letzten Jahrzehnte zur zurück in die Grunschule schickt, frag nicht nach Sonnenschein!
Aber darum geht es nicht.
Bei der ganzen Debatte geht es nicht um die Qualitäten von Casino Royale, denn die dürften für jede blutbepumpte Gehirnzelle offensichtlich sein: Einer der besten Actionfilme aller Zeiten. Keine Story? Ja, verdammt, und das mit bewundernswerter Kompromisslosigkeit. Der malteser Falke hat von vorne bis hinten unbestritten keinen Sinn ergeben, es gab nur Sam Spade und die ewigen einsamen Nächte von L.A.. In dieser Hinsicht hat Casino Royale sogar ein hochintelligentes Drehbuch, das genau weiß wie es die Handlung einzig als Projektsionsfläche für seinen Helden schwingt. Als Anlaufspunkte für rasiermesserscharfe Dialoge, die doch stets nur das gleiche sagen:
"Don't mess with The Man
(no, he is REALLY not a nice guy. No, come on, really!)"
Sicher, das ist eine einfache Figur. Da Casino Royale auf Flemings erstem Roman beruht, dürfen wir mutmaßen, dass 007 zunächst sogar als Badass wie tausend Andere konzipiert worden war. Bis die Formel verfeinert und in Richtung "cleverer 60er Jahre Eskapismus" verschoben wurde. Der Bond aus Casino Royale ist noch das ungeschliffene Original des Film Noir-Typus. Und der ist nur so gut, wie der Kontrast vor dem er uns in tiefstem Schwarz entgegen strahlt. Im Moment ist dieser Hintergrund schlichtweg eine Historie von 44 Jahren James Bond.
Das wird nicht noch mal so funktionieren.
Besser als Casino Royale wird die Franchise James Bond vielleicht nie wieder werden, wenn sie nicht noch einmal die Archetypen komplett wechseln sollte. Der ganze Film ist, in der Meta-Ebene, das gleiche Pokerspiel wie seine eigene Schlüsselsequenz. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, in denen man fast den Eindruck hätte, hier wäre etwas gerade ernst gemeint gewesen, funktioniert der Bluff. Und dann sind wir wieder zurück im überzogensten, lebendigsten Genre-Trash der letzten Zeit. Vollgestopft mit postmoderner Symbolik, mal mehr mal weniger gut verschlüsselt, die jeder nur denkbaren Zuschauer-Erwartung den Mittelfinger zeigt. Nie ins Leere, immer um den Craig herum, der damit umgehn kann wie mit einem Vorschlaghammer, der verdammte Motherfucker!
Aber darum geht es bei der Diskussion nicht.
Es geht nur um Ideologien. Wer James Bond sein sollte. Und dass er gewiss kein schwitzender, stinkender Barbar ist, der mit blutüberschmiertem Stolz auf die Welt scheißt, und dabei seine Menschlichkeit verstecken will.
Denn der andere, der gute Bond, der war etwas ganz besonderes. Ellegant, stilvoll, Unterhaltung für Actionfreunde mit Geschmack.
Und ganz sicher kein Pulp.
Mein Vater hatte mit Schundheftchen nämlich nichts zu tun.