Man könnte es als Ausdruck der autoritären Verbohrtheit und über die Maßen Selbstversichertheit des "Systems"/der "herrschenden Klasse" ansehen, daß es sich aller grundlegenderen Kritik an ihm selbst und den von ihm entwickelten bzw. mit ihm verbundenen Verhältnissen verweigert hat - das System selbst spricht von der "wehrhaften Demokratie".
Wie starr das System tatsächlich war, zeigt sich eben in der Reaktion auf die Studentenproteste, welche Tote (Benno Ohnesorg!) bewusst inkauf nahm, der öffentlichen Verunglimpfung von Kritikern als "Kommunisten", der gewaltsamen Behandlung auch von Kernkraftgegnern später, Ende der 70er und in den 80ern, siehe auch die Pershing-Demos.
Wie starr dieses System auch heute immer noch ist, zeigt sich darin, wie schwer es plebiszitäre Elemente haben - im Vergleich z.B. zur Schweiz.
Man könnte dagegen nun einwenden, daß Kritik ja durchaus geäußert werden darf, auf Demonstationen - aber bitte außerhalb der Bannmeilen -, in Leserbriefen, usw., daß auch die Parteien allen Bürgern offen stehen. Dies übersieht IMHO aber, daß diese Kritik dann in dem öffentlichen Raum stehen bleibt, in den sie gebracht wurde, sie ist wirkungslos, weil Politik sich einer Auseinandersetzung damit verweigert bzw. diese nur sehr sehr verzögert, beinahe unmerklich erfolgt.
Dieses Gefühl der tatsächlichen Ohnmacht gegenüber einem als dann doch nicht ganz unrepressiv empfundenen System - einschließlich der Springer-Presse - war dann auch der Anlass für einige, den Weg der bewaffneten Gewalt zu gehen.
Es kann also keiner kommen und sagen: "Kritik kann man ja doch äußern, aber bitte doch nicht so, mit Gewalt!" - wenn die nicht gewalttätige Kritik schlicht abprallt und verpufft.
Hierin, in einer prinzipiellen Unoffenheit des an der Macht befindlichen Konglomerats politisch-wirtschaftlicher Kräfte, sehe ich tatsächlich einen Systemfehler unseres Staates. (Ich bin mir dabei gleichermaßen bewusst, daß Offenheit schwer zu organisieren ist - aber der Versuch muss unternommen werden.)
Zitat von Ipsissimus:Ist der Umstand der beanspruchten politischen Täterschaft geeignet, im Rahmen eines politisch motivierten bewaffneten und also gewaltsamen Kampfes begangene Taten zumindest teilweise anders zu bewerten als rein kriminelle Taten.
In diesem Sinne kann man Kritik per se als etwas Unerwünschtes in unserem Lande
wahrnehmen, das dementsprechend bestraft wird, mit Nichtbeachtung eben.
Das Problem ist, daß Staat dies nicht öffentlich eingestehen darf, ohne damit zu bestätigen, daß es mit dem verfassungsmäßen Anspruch der Demokratie und Meinungsfreiheit hapert. Und das erstreckt sich auch auf jene, die mit politischen Motiven Gewalt verüben - würde Staat ihnen ihre systemkritische Haltung vorhalten, wäre dies Gesinnungsjustiz, und das überlässt man noch lieber bestimmten Medien.
Es bleibbt Staat also nichts anderes übrig, als die Taten politischer Gewalttäter als ganz normale Gewalttaten zu verfolgen. (Wobei mit den Sicherheitsgesetzen u.a. trotzdem indirekt eingeräumt wurde, für wie gefährlich man die RAF hielt.)
Stellen wir die Frage noch anders, lautet sie: was ist der Unterschied zwischen einem Freiheitskämpfer und einem Terroristen?
Freiheitskämpfer sind alle, die sich für Freiheitsrechte aller oder bestimmter, als unterdrückt wahrgenommener, einsetzen, mit welchen Mitteln auch immer.
Terroristen sind jene, die welche politischen Ziele auch immer mit Gewalt zu erreichen suchen.