Die Russen drohen uns

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Di 20. Feb 2007, 11:45 - Beitrag #1

Die Russen drohen uns

heute morgen kam ich für 5 Minuten im Coffee-Bereich einer Tankstelle in den "Genuss" einer anscheinend allmorgendlich im Programm der ARD empfangbaren Nachrichtensendung. Da wurde darüber berichtet, daß die Nato damit begonnen hatte, an den Grenzen Polens und Tschechiens mit Russland Raketenbatterien zu errichten, natürlich ausschließlich, wie der Jounalist mit leuchtenden Augen verkündete, zum präventiven Schutz der Natostaaten gegen mögliche Angriffe des Iran. Er echauffierte sich dann ein bißchen darüber, daß der russische Verteidigungsminister offenbar die guten Absichten hinter der Maßnahme nicht zu erkennen vermochte und seinerseits wohl recht barsch erklärte, daß Russland jederzeit in der Lage sei, diese Raketenbatterien zu zerstören, wenn die anfangen sollten, Unfug zu treiben. Das verstörte den Journalisten wohl so sehr, daß er sich - und damit den Zuhörern - ernsthaft die Frage stellte, warum die Russen uns drohen.

Leider mußte ich dann weg, so daß ich nicht sagen kann, ob ihm bei eventuellen Zuschaueranrufen und -kommentaren mit dem Hinweis geholfen werden konnte, daß die Russen ja ihrerseits auf Cuba ein paar Raketenbatterien gegen die Bedrohung aus dem Iran aufstellen könnten.

Wie seht ihr das? Ist es zu abstrus, wenn ich glaube, daß in dieser Sendung, zumindest in diesem Beitrag, Dummdreistigkeit zur politischen Tugend erhoben wurde, vielleicht ein bißchen deutlicher als sonst üblich?

Lykurg
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Di 20. Feb 2007, 12:40 - Beitrag #2

(Ich gestehe, daß die Verbindung aus Überschrift und Autornamen mich zunächst überraschte.^^)

Zieht man beispielsweise eine Linie von Teheran nach Berlin, führt die tatsächlich über die polnische Ostgrenze (etwa bei Medyka). Wenn es also um ballistische Raketenabwehr ginge, wäre die Argumentation jedenfalls weit weniger realitätsfern als dein kubanischer Vorschlag. Daß Rußland das ebenfalls nicht nett findet, ist allerdings nicht weiter überraschend. Entscheidend bleibt die Frage, um was für Pasteten es sich handelt. Einen Einmarsch iranischer Truppen durch russisches Territorium erwarte ich derzeit jedenfalls nicht.^^

Ipsissimus
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Di 20. Feb 2007, 13:00 - Beitrag #3

du weißt aber, daß es derzeit keine zuverlässige Raketenabwehr gibt. Anti-Raketen-Raketen verfehlen ihr Ziel viel häufiger, als sie es treffen, allen Starwarsträumen gewisser amerikanischer Präsidenten zum Trotz. Für mich ist eigentlich offensichtlich, daß der vorgebliche Nutzen dieser Batterien in keinem Verhältnis steht zu der tatsächlichen Gefahr, nämlich dadurch Russland ernsthaft zu verärgern. Und dank alt-Gerhardt hängt zumindest ein Teil Europas mittlerweile am russischen Tropf, in Form der Gaslieferungen der Gasprom^^ von daher frage ich mich ernsthaft, was das soll.

Lykurg
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Di 20. Feb 2007, 16:31 - Beitrag #4

Da fällt mir doch glatt eine Geschichte meines Brüderchens aus dessen Bundeswehrzeit ein... NATO-Übung mit Patriot-Flugabwehrraketen - also einer US-Entwicklung, die inzwischen auch auf Antiraketentauglichkeit getrimmt wurde. Die Bw besitzt einen ganzen Haufen Patriots, verwendet allerdings nicht die Herstellersoftware, sondern hat ein eigenes Zielsystem entwickelt.
Für die Übung wurde an eine Drohne eine Täuschkörpervorrichtung gehängt, und die Patriots auf die Drohne ausgerichtet. Die Amerikaner waren ganz begeistert, daß mehrere ihrer Raketen nacheinander die Täuschkörper trafen.
Das deutsche Kontingent traf mit seiner ersten Rakete die Drohne - was die Übung vorzeitig beendete und die Amis wenig begeisterte, auch weil sie mit derselben Täuschkörpertechnik ihre Flugzeuge schützen.^^ Da läßt sich also durch Optimierung einiges rausholen - technisch sinnlos ist eine solche Verteidigungseinrichtung jedenfalls nicht.

Die Raketen weiter im Hinterland zu positionieren, also mit einer späteren Abwehr zu rechnen, würde allerdings ein höheres Risiko bedeuten (keine Zeit für einen zweiten Versuch). Insofern ist das kein völlig unbedachter Schritt. Es ist allerdings politisch ungünstig, die Russen zu verärgern - du sprachst es bereits an, und die Regierung Putin reagiert gern gereizt, weil ihr der Westen daraufhin Zugeständnisse machen muß. Letztlich zahlen wir also ein Mehr an Sicherheit mit höheren Öl- und Gaspreisen. :rolleyes:

Übrigens frage ich mich - ganz am Rande natürlich - ob Schröder schon von Gazprom geschmiert wurde (oder die entsprechenden Angebote hatte), als der Ausstieg aus der Atomenergie durchgepaukt wurde. Das wäre ein interessantes Zusammentreffen - zutrauen würde ich es ihm glatt.


Yanāpaw
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Mi 21. Feb 2007, 00:05 - Beitrag #5

@Raketen-Abwehr-Effizienz

Die ist sehr hoch, zumal nur ein Schwachkopf mit nur einer Patriot-Batterie auf ein Ziel schießen würde, das wird nach dem je mehr desto besser Verfahren gemacht, bei aureichender Anzahl und strategisch kluger Verteilung der Batterien in Kombination mit ausgereifter Software lässt sich gegen ballistische Raketen eine Effizienz von exakt 100% erreichen.


@Diplomatie


Das Kuschen vor russischem Säbelrasseln ist ohnehin absolut lächerlich und entbehrt jeglichen Bezugs zu realen Machtverhältnissen. Ein Einfuhrstop russischer Energieträger und zeitgleiche Maximalauslastung unserer AKWs, würde Russland innerhalb sehr kurzer Zeit eines Besseren belehren, noch ein kurzes Einfrieren der Weltbankunterstützung und der russische Säbel würde zum Taschenmesser... Russland ist wie kaum ein anderes Land dieser Erde vom Wohlwollen der Staatengemeinschaft abhängig, wirtschaftliche Sanktionen in aureichendem Umfang würden die vermeintliche politische Stabilität in dieser Region innerhalb kürzester Zeit vernichten und das weiß der Kreml auch, genau deshalb verlagert man sich ja auf haltloses und leeres Drohgebahren, das aus mir unerfindlichen Gründen auch Wirkung zeigt...

henryN
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Mi 21. Feb 2007, 01:30 - Beitrag #6

Zitat von Yanā: Ein Einfuhrstop russischer Energieträger und zeitgleiche Maximalauslastung unserer AKWs, würde Russland innerhalb sehr kurzer Zeit eines Besseren belehren, noch ein kurzes Einfrieren der Weltbankunterstützung und der russische Säbel würde zum Taschenmesser... Russland ist wie kaum ein anderes Land dieser Erde vom Wohlwollen der Staatengemeinschaft abhängig, wirtschaftliche Sanktionen in aureichendem Umfang würden die vermeintliche politische Stabilität in dieser Region innerhalb kürzester Zeit vernichten


Dessen wäre ich mir nicht so sicher. Wenn ich den "Beleidigten" vor die Tür stelle und ausgrenze gibt es immer zwei Möglichkeiten.
Der "Beleidigte" fühlt sich seiner Sache nicht ganz so sicher, vermißt die Kommunikation und lenkt ein.
oder
Der "Beleidigte" fühlt sich seiner selbst noch sicherer, da er die Grenze zwischen innen und außen noch deutlicher spürt. Er wird zornig und in diesem Zorn stabiler als zuvor, da simplifizierter und intern berechenbarer. Ein sicherer Feind einigt nach innen....

bei Putin wäre ich mir noch nicht so sicher zu welcher Sorte er gehört.

dennoch macht es Sinn, ganz dumm die Frage zu stellen, warum der Nachbar nicht mitbefragt wurde? Und wenn es Widerspruch gab, warum wurde die Öffentlichkeit darüber nicht informiert? ;)

Ipsissimus
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Mi 21. Feb 2007, 01:31 - Beitrag #7

Ein Einfuhrstop russischer Energieträger und zeitgleiche Maximalauslastung unserer AKWs, würde Russland innerhalb sehr kurzer Zeit eines Besseren belehren


klar, wenn das zufällig im Sommer stattfindet, so daß die Energie nicht zum Heizen benötigt wird, könnte das bis in den Herbst reichen^^ die Russen haben allerdings schon früher einen viel längeren Atem bewiesen^^

was euer Vertrauen in die Verwendbarkeit von Anti-Raketen-Raketen angeht, fürchte ich, ihr verwechselt da etwas, was unter quasi Laborbedingungen funktioniert, mit der rauhen Wirklichkeit des realen Feldeinsatzes. Davon abgesehen werden nicht relativ langsam fliegende Cruise Missiles das Problem sein, sondern Interkontinentalraketen, die etwas schneller reinkommen

Yanāpaw
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Do 22. Feb 2007, 19:57 - Beitrag #8

Ipsissmus,

unsere AKWs fahren alle nicht unter Maximallast und haben sehr viel Raum nach oben, das ist Teil des idiotischen Ausstieg aus der Kernenergie, außerdem ist Russland nicht der einzige Exporteur von Erdgas. Langfristig gesehen würde Russland wesentlich größeren Schaden nehmen, als die Importnationen, die können umschwenken, Russland kann entweder exportieren oder nicht, weil keine Abnehmer da sind.


Interkontinentalraketen sind wie alle ballistischen Raketen einfach abzuschießen, wenn man sie an der richtigen Position im Sinkflug anpeilt, deshalb kommt es auf die strategische Positionierung der Abwehrraketen an. Hat eine ballistische Rakete die letzte Justierung des Zielanflugs abgeschlossen fliegt sie pfeilgerade auf das Ziel zu und ist somit nicht schwer zu stoppen, wenn man über die richtige Steuerungssoftware verfügt. Das funktioniert nicht nur theoretisch sondern auch praktisch sehr zuverlässig, wenn man sich an die entsprechenden Vorgaben hält. Davon abgesehen sprechen wir hier on russischen Trägerraketen, die fallen schon auseinander wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist.;)


HenryN,

der sichere Feind ist aber kein kollektiver Feind und selbst mit aller Propaganda-Maschinerie des Kreml wird es schwerlich gelingen, die kurz vor Bürgerkrieg befindlichen Randregionen der ehemaligen UDSSR gegen den Westen aufzubringen, weil die das schlichtweg nicht interessiert, die interessiert Autonomie. Die Unterdrückung interner Kritik durch das Kreieren eines neuen Feindes funktioniert in anderen Situationen, bsp. USA.

Um es überspitzt auszudrücken, Russland in die Knie zu zwingen dauert genau 2 Wochen, so lange dauert es jeden Tschetchenen, Ingutschenen und sonstigen Möchtegernrebell zu bewaffnen, dann war es das mit russischer Herrlichkeit. Die weniger blutige Lösung wäre komplette wirtschaftliche Isolation, Russland exportiert nichts, das nicht anderweitig beschafft werden könnte ist aber selbst existentiell von den Geldern angewiesen, die durch diesn Export erwirtschaftet werden, nicht zuletzt deshalb, weil damit das Militär unterhalten wird, wenn auch eher schlecht als Recht, ohne die Armee als Basis gibt es keinen Putin mehr; nicht minder wichtig sind die zahlreichen korrupten Geldsäcke in Schlüsselpositionen (wie beispielsweise Zensur ähem mediengestaltung), die sich durch internationale Zuwendungen und Investitionen die Taschen füllen, ohne deren Unterstützung ist Putin ein Niemand, ein kleiner Windbeutel, der im gigantischen Aufbegehren eines verarmten und verärgerten Volkes untergehen würde.

Der einzige Grund warum überhaupt jemand einen feuchten Mückenschiss auf Russland gibt ist deren Nukleararsenal, ohne das wären sie ein global niemand, die Lachnummer dieser Weltkarte, wirtschaftlich auf dem Niveau von Togo nur klimatisch weniger reizvoll...

Um noch ein ganz kurzes OT einzuflechten, das ist genau der Grund, warum man versuchen sollte undemokratischen Staaten, wie bsp. Iran und seien sie es auch nur auf dem Papier, den Zugang zu derartigen Waffenarsenalen zu verweigern, eine Möchegernweltmacht die ständig mit dem Finger am roten Knopf droht sollte fürs erste genug sein.

henryN
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Do 22. Feb 2007, 23:07 - Beitrag #9

Yanāpaw
oh je, ein Blick in die Vergangenheit könnte Dich eines besseren belehren.....
Ich würde nur dazu raten, nie die Wände eines Hauses einzureissen, wenn Du nicht selbst das Dach vorher stützen würdest können. Aus dem Chaos heraus erwächst zunächst immer die simpelste Ordnung....und wer weiß, wie die dann aussieht....
Das Russland Schwierigkeiten hat, aus sich selbst heraus eine demokratische Ordung aufzubauen, sollte ja wohl jeder erkennen können....

Diese ganzen Kräftespielchen und Abwägungen nützen niemanden etwas. Vertrauen, Kommunikation und Vernetzung sind der Weg, auf Dauer eine stabile politische Situation zum Nutzen aller herzustellen. Das hat in Westeuropa wunderbar funktioniert und war auch nicht von heut auf morgen realisiert. Vertrauen ist auch eine Angelegenheit der Kontinuität und muß sich immer wieder neu erweisen. Klar, Idioten gibt es überall, und verbale Fehltritte in diverse politische Fettnäpfchen auch. Das hat es auch hierzulande oft genug gegeben....

avenga
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Mi 21. Mär 2007, 16:35 - Beitrag #10

Das ist richtig. Man sollte nicht nur auf einer Seite über den Tellerrand hinaus schauen. Man soll den Tellerrand als "Ausguck" verwenden. Nur so kann man erkennen, was für Vorurteile sich z.B. über Russland bestätigen lassen und welche nicht.

Wir brauchen Vertrauen. Vertrauen durch Kommunikation und Zurückhaltung. Ganz klar. Aber wenn Russland und die USA meinen, "Kalten Krieg" zu spielen, wundert es, warum diesen Länder niemand mehr vertraut.


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