Abelard und Heloise - Verbotene Liebe im Mittelalter

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janw
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Fr 23. Mär 2007, 00:02 - Beitrag #1

Abelard und Heloise - Verbotene Liebe im Mittelalter

Kürzlich brachte e-noon das Thema einer gut dokumentierten illegalen Liebesbeziehung des Mittelalters auf, jene des Abelard mit der Heloise, wahlweise auch als Abaelard und Heloisa geschrieben.
Ich fasse hier erstmal die Brocken aus dem thread zusammen, mögen sie als Anknüpfung für weitere Erörterungen dienen :)

Die Beziehung zwischen den beiden ist nicht nur von historischem Interesse, vielmehr wirken die bezeugten Umgangsformen der beiden bis heute provozierend:
Zitat von e-noon:Abaelard und Helo-isa pervers finden... :para:


Der Stoff liefert auch Anknüpfungspunkte zu benachbarten Bereichen der Religionsgeschichte:
Zitat von Tille_65:Erst haben wir die Geschichte gelesen und fragen gekärt...in unserem Alter versteht man noch nicht jedes alte Wort^^... Dann sollten wir aufschreiben was wir davon halten, wie wir zum Zölibath(?) stehen und wie das bei den evangelischen Pastoren ist. Das ganze lief unter dem Thema "Kann denn Liebe Sünde sein" dazu sollten wir dann auch noch Stellung nehmen.


Um einen Eindruck vom Stoff zu vermitteln, ein Zitat:
Zitat von e-noon:Dann sollte man vielleicht vorher klären, ob das, was zwischen ihnen war, Liebe ist ^^ . Ich riskiers... hier also Auszug aus einem Brief des abgeklärten, vom Onkel Heloisas entmannten Abtes Abaelard...
""Ich wälzte mich geradezu wie ein Tier in diesem Morast, sogar in der Karwoche und an den höchsten Festtagen, ohne auf die mahnende Stimme des Schamgefühls und der Gottesfurcht zu hören. Ich ging sogar so weit, Dich durch Drohungen und Schläge des öfteren gefügig zu machen, wenn Du nicht mithalten wolltest, wenn Du Dich zur Wehr setztest, soweit es Deine schwache Kraft zuließ, und wenn Du, das schwache Weib, mich batest, einmal zu verzichten. ""


Der Altersunterschied, bis heute ein Reibungsthema in Beziehungen...
Zitat von Tille_65:Bei uns im Relibuch heisst sie Héloise... Aebelard war 22 Jare älter als sie. Das ist pervers...


Die Beziehung in ihrer Zeit...
Zitat von e-noon:Älter zu sein ist perverser, als seine Frau zu schlagen? Naja, ich finde das Alter nicht sooo wichtig.

Bei mir steht Heloi°sa, mit zwei Punkten über einem i ^^

Wobei, was heißt schon pervers... es missfiel den Zeitgenossen und vermutlich auch heute den gläubigen Katholiken, wie die Evangelischen es mit Sex im Kloster halten, ist mir nicht bekannt (wenn die Priester heiraten dürfen, warum dann nicht auch...). Aber Heloisa scheint es nicht gestört zu haben, sie ist immer noch ganz begeistert von der guten alten Zeit (zumindest schreibt sie das) und denkt in ihrem Nonnenkloster öfter an Abaelard als an Gott.


Einige ergänzende Erläuterungen...
Zitat von janw:Naja, immerhin ist er ja geständig und gibt zu, daß er etwas zu weit gegangen ist bei ihr. Die es aber wohl nicht lange krumm genommen hat. Vielleicht eine etwas verschärfte Form von S/M
Die Punkte auf dem I bedeuten, daß das i und sein vorangehender Vokal getrennt gesprochen werden - also nicht frz. Heloise ['eloas], sondern ['elo'is].

Übrigeeens hat der Zölibat eine zu tiefst weltliche Ursache: Die Priester bekamen im Mittelalter kein Gehalt aus nicht vorhandener Kirchensteuer, sondern mussten von der Gemeinde finanziert werden (und die Bauern hatten oft auch nix) und sich ansonsten selbst ernähren. Deshalb war mit jeder Pfarrstelle auch Land verbunden (heute oft als Flur- oder Straßenname "Kirchenland, Pastorenkoppel,..." erhalten), das ausreichte, eine Familie zu ernähren.
Das Dumme war nur, daß dieses Land nicht vererbbar war, die Kinder hatten also hinter her nichts. Praktisch passierte das aber doch immer wieder, und in den süddeutschen Anerbenteilungsgebieten fand dann ein neuer Priester sehr schnell nur noch eine kleinteilige Streifenflur vor, von der sich die 5 Söhne des Vorgängers nur mit knapper Not über Wasser halten konnten.
Damit das nicht mehr passieren sollte, "sorgte" Kirche dafür, daß es eben keine legalen Kinder von Priestern mehr gab.
No wives, no children :rolleyes:


Pierre Abelard, ein geistlicher Gelehrter, lebte von 1079 - 1142,
Wichtiges über sein Leben und sein theologisches Wirken findet sich
hier.

Heloise, früh in einem Kloster aufgewachsen und in späterem Leben eine Nonne, lebte von 1095 - 1164.
Wichtiges über ihr Leben findet sich
hier.

Abelard ist auch in theolgischer Hinsicht eine faszinierende Persönlichkeit des Mittelalters, was andernorts auch diskutiert werden sollte.
Nicht nur waren seine theologischen Auffassungen für ihre Zeit revolutionär, modern geradezu aus heutiger Sicht, er stand auch in Beziehung zu anderen herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit, wie u.a. zu Hildegard v. Bingen, welche wohl durchaus mit seinen Anschauungen sympathisierte, dies jedoch nur begrenzt zum Ausdruck bringen durfte, um nicht selbst in Gefahr zu geraten.

e-noon
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Fr 23. Mär 2007, 00:18 - Beitrag #2

Nichts gegen wikipedia, aber das
Danach kehrte Héloïse auf Wunsch Abaelards, der sich inzwischen mit ihrem Onkel Fulbert arrangiert hatte, nach Paris zurück und wurde gegen ihren Willen, aber entsprechend den Forderungen des kanonischen Rechts, mit ihrem Geliebten vermählt, womit man die vorangegangene Niederkunft nachträglich legitimierte und einen öffentlichen Skandal zunächst vermied. Doch noch im selben Jahr veranlasste der auf Rache sinnende Onkel Fulbert die Kastration Abaelards, der die Verstümmelung überlebte. Er zog sich daraufhin in das Kloster Saint-Denis zurück und wies seine Gemahlin an, dasselbe zu tun.
kenne ich anders. Soweit ich weiß, wurde Abaelard entmannt, WEIL er Heloise zum Schutz ins Kloster geschickt hat. Anders lässt sich auch nicht erklären, wie die beiden im Kloster Geschlechtsverkehr haben konnten (sie muss wohl vor seiner Entmannung im Kloster gewesen sein). Allerdings ist die Authentizität des Briefwechsels, auf den ich mich beziehe, wohl nicht ins letzte gesichert...

Interessant fand ich, dass beide noch im Kloster als Mann und Frau galten.

janw
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Fr 23. Mär 2007, 04:03 - Beitrag #3

e-noon, da hast Du eine interessante Inkonsistenz bei wiki entdeckt, in dem Artikel über IHN wird nämlich Deine Version vertreten:
[...]als Héloïse bereits schwanger war. Sie flüchtete auf Geheiß Abaelards zu dessen Familie nach Le Pallet, wo sie einen Sohn (Astrolabius) zur Welt brachte. Abaelard bemühte sich inzwischen um einen Ausgleich mit Fulbert: Obwohl Héloïse mit Blick auf Abaelards Reputation als Gelehrter entschieden dagegen war, wollte Abaelard sich mit ihr vermählen, vorausgesetzt, die Ehe würde geheim bleiben. Fulbert willigte ein, ließ die Hochzeit aber trotzdem bekanntwerden. Héloïse wurde darauf auf Anordnung Abaelards Nonne im Kloster Argenteuil. Fulbert betrachtete dies als Versuch Abaelards, sich von seinen ehelichen Pflichten zu befreien. Zutiefst gekränkt, ließ Fulbert Abaelard überfallen und entmannen.


Für das andere muss man einen Blick auf das klösterliche Leben des Mittelalters werfen.
Wenn wir heute ein Leben im Kloster mit Möch/Nonne sein und Keuschheitsgelübde etc. identifizieren, dann trifft dies die Situation im Mittelalter nur unzureichend.
Damals waren Klöster Zentren der Gelehrsamkeit und in gewisser Weise auch ein Sozialsystem, was sich an Heloise und auch an Hildegard gut zeigen lässt.
Es war nämlich bei der hohen Kinderzahl im MA vielen Menschen nicht möglich, ihre Kinder alle gleichermaßen gut aufzuziehen, geschweige denn auszubilden.
Da boten die Klöster die Möglichkeit, die dritten usw. Kinder, besonders Töchter, aufzunehmen und aufzuziehen, wobei sie dort dann auch eine Ausbildung erhielten, bei entsprechender Begabung auch im Lesen und Schreiben. Die Klöster waren dabei nicht ganz uneigennnützig, brauchten sie doch sehr viele Schreibkundige, um die Bibeltexte und die Predigten und Abhandlungen der Geistlichen zu vervielfältigen - das war damals, vor Erfindung des Buchdrucks, Buchstabe für Buchstabe reine Handarbeit.
Die im Kloster aufgewachsenen Menschen konnten sich als Erwachsene entscheiden, dauerhaft im Kloster zu bleiben und die Gelübde abzulegen oder in die Welt hinaus zu gehen. Hildegard blieb im Kloster und wurde später Äbtissin, Heloise kam wohl nur zur Früherziehung in ein Kloster und wuchs dann später offenbar zu Hause auf.
Wie auch Abelard war Heloise um 1116/1117 - mit 21/22 Jahren also - nicht durch ein Gelübde gebunden und ehefähig. Der Skandal war, daß die beiden aber, ohne verheiratet zu sein, eine sexuelle Beziehung hatten, noch dazu, wo sie unter einer Obhut eines Verwandten stand - das war damals in etwas besseren Kreisen üblich, da Frauen nicht als selbständig rechtsfähig, aber besonders schutzbedürftig galten, eben gegen solche Filous wie Abelard.
Ob die Beziehung dann tatsächlich so "wüst" gewesen ist, wie überliefert, ist wohl schwer zu sagen, die Berichte sind wohl mindestens nicht unerheblich ausgeschmückt worden, wenn nicht teils gar gefälscht.
Nach der Geburt von Astrolabius - Sternenlippe^^ - heiratete Abelard Heloise jedenfalls - und diese Ehe hatte natürlich - was Gott zusammengeführt hat, soll der Mensch auch nicht durch ein späteres Keuchscheitsgelübde scheiden - auch nach dem Eintritt der beiden ins Kloster Bestand.

Ipsissimus
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Fr 23. Mär 2007, 13:02 - Beitrag #4

ich denke, man missversteht das mittlere Mittelalter, wollte man annehmen, die Menschen dieser Zeitepoche seien im heutigen Sinne "prüde wie Amerikaner" gewesen; sie waren vielmehr sinnenfroh und in beinahe jeder Hinsicht sehr wenig zimperlich. Man muss sich meines Erachtens davor hüten, die Klosterkultur für einen Mainstream damaliger Auffassungen zu halten, die Klosterkultur ist nur besser belegt als das, was "die Leute" so gedacht, gefühlt und gemacht haben.

Insofern ist das Interessante an den beiden nicht das, was und wie sie´s miteinander und gegeneinander getrieben haben - auch daß junge Frauen an alte Knacker verscherbelt wurden, war damals eine Allerweltsgeschichte, der Onkel war nicht deswegen wütend^^ - sondern der soziale Konflikt, die Konfrontation bestimmter Aspekte, die einer nichtklösterlichen Kultur entstammen, mit den dezidiert christlich-klösterlichen Ideal-Vorstellungen der beginnenden Scholastik. Sex as sex can wurde überall betrieben, nur eben in den Gesellschaftskreisen denen unsere beiden Helden entstammten, durfte dies nur unter der Hand geschehen. Der scandalon war das, was den Onkel in die Rage trieb, nicht das Geschehen als solches.

e-noon
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Fr 23. Mär 2007, 13:09 - Beitrag #5

Gut, dass du das sagst, Ipsi ^^ Das habe ich nämlich auch in der Klausur über Abaelard als Vermutung geäußert. Abaelard selbst sagt ja, dass sogar die Mönche, die ihm später als Abt unterstellt sind, sich weltlichen Freuden über Gebühr hingeben ... Hätte mich schon gewundert, wenn er der einzige gewesen wäre, er war eben nur der einzige, der so blöd war, über seinen Affront auch noch Lieder zu dichten, die dann stadtbekannt wurden ^^

Ja, Jan, das "wüste" der Beziehung ist durch den Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise belegt, und eben dessen Authentizität wird angezweifelt ^^

janw
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Di 24. Apr 2007, 15:21 - Beitrag #6

Zitat von e-noon:das "wüste" der Beziehung ist durch den Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise belegt, und eben dessen Authentizität wird angezweifelt ^^

Hm, ist das vielleicht bewusst gefälscht worden, weil irgendjemand Abelard am Zeuge flicken wollte? Hatte er Feinde oder Gegner oder Konkurrenten?

Ansonsten hat Ipsi recht...große Teile "unserer" Sexualmoral entstammen nicht gerade dem Wertesystem der mittelalterlichen Massengesellschaft, ich würde sie eher als Teil des klerikal-feudalistischen Wertesystems ansehen, das beim Aufsteigen des Bürgertums von diesem adoptiert wurde - gewissermaßen als Merkmal des "wer seins" und der Abgrenzung zum "Volk".

e-noon
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Di 24. Apr 2007, 15:42 - Beitrag #7

Das denke ich nicht, wenn, dann wurden die Briefe vermutlich nach dem Tod der beiden als eine Art künstlerische Interpretation geschaffen, ähnlich den Briefen der Herionen.


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