Der Thread-Titel ist bewusst doppeldeutig:
1. Die analytische Philosophie kritisiert.
2. Die analytische Philosophie wird kritisiert.
In diesem Thread soll es um beides gehen. Da wir mit Pad und Ana schon zwei Kritiker der ana. Phil. (2.) haben und ich dank e-noon als Kritiker der ana. Phil. (1.) nicht alleine sein werde, sollten genug Akteure für diesen Thread vorhanden sein. Weitere Teilnehmer sind erwünscht. Dabei muss niemand präzise Kenntnisse der hier vorgestellten Philosophieschulen haben, sondern es reicht schon, wenn jeder erklärt, was er unter "Philosophie" versteht.
Hier erstmal die bisher relevanten (hoffentlich sinnvoll gekürzten) Posts:
Zitat von Padreic:Man wird niemals wissen, ob man dasselbe meint, egal wie viel man definiert, und normalerweise wohl auch nicht dasselbe meinen. In der Philosophie fällt das nur besonders auf, weil sie sich nicht damit zufrieden gibt, dass zwei Begriffe für alle praktischen Zwecke das gleiche bedeuten ]Zitat von Maurice:Und ich denke, man kann nur vergleichsweise langweilige philosophische Probleme lösen.
Kommt auf die Person an, welche Fragen langweilig sind. Eine formale Bestimmung von "Moral" finde ich z.B. viel spannender als die Frage nach dem Sinn des Lebens. Letzteres lässt sich mit der analytischen Methode schnell und ohne großen Aufwand beantworten und sorgt im universitären Bereich meiner Erfahrung nach bei den meisten Dozenten nur für ein müdes Lächeln (im übertragenen Sinne). So eine formale Bestimmung hingegen stellt eine richtige Herausforderung dar und führt zu Diskussionen auf hohen Niveau.Zitat von Padreic:Ich halte Sprachanalyse auch für wichtig. In dem Moment, wo sie reale Probleme wegdefiniert, überschreitet sie aber m. E. ihre Kompetenzen. Das Problem des Sinns des Lebens ist durchaus ein reales.
Philosophie ist für mich vor allem Deutung des Daseins, des Seins. Sie als exakte Wissenschaft zu betreiben, sehe ich ungefähr als genauso erfolgsversprechend an, wie Literatur mit exakter Wissenschaft zu untersuchen]Zitat von Maurice:Es scheint so, dass wir zwei völlig unterschiedliche Philosphiebegriffe haben und demnach auch etwas anderes erwarten, wenn wir "philosophieren". Ich will die Welt ordnen, die Erscheinungen in Formen gießen, Theorien entwickeln, die mir eine effiziente Perspektive auf die Welt ermöglichen (ohne dabei einen sicheren Wissensanspruch zu postulieren). Du scheinst mir hingegen nach Erkenntnissen zu suchen, die außerhalb analytischer Urteile und der empirischen der Einzelwissenschaften zu finden sind. "Metaphysik als Ausdruck des Lebensgefühls" wie es Carnap so treffend umschreibt.
Ich will damit nicht behaupten, dass du den falschen Weg gehst. Gut und schlecht sind imo ja rein präferenzabhängig. Und wenn du eine Philosphie-Form möchtest, die primär die Gefühle und nicht die Ratio anspricht, dann kannst du der von mir aus auch nachgehen. Nur fürchte ich, dass wir uns mittlerweile auf philosophischer Ebene gar nicht mehr treffen können. Ich finde das schon schade, dass du (aus meiner Sicht) so einen Abstieg hingelegt hast.Zitat von Padreic:Lebensgefühl, nunja ]denkend[/i] zu begreifen. Nur bin ich eben der Meinung, dass sich die Philosophie nicht in den analytischen Methoden erschöpft und sie auch nicht deren entscheidenden Anteil bilden. Auch Aristoteles hat schon Sprachanalyse betrieben, aber er kam noch nicht auf die Idee, zu behaupten, dass das schon alles sei.
Nun mein neuer Post, bei dem weiter unten auch auf Anas Fragen eingegangen wird:Nur bin ich eben der Meinung, dass sich die Philosophie nicht in den analytischen Methoden erschöpft und sie auch nicht deren entscheidenden Anteil bilden.
Kommt eben darauf an, was man unter "Philosophie" versteht. Für mich ist sie die kritische Auseinandersetzung mit den Grundbegriffen unseres Denkens und den damit verbundenen Problemen. Allein aus diesem Philosophiebegriff resultiert imo schon das Primat der Sprachanalyse. Wer einen anderen Philosophiebegriff hat, der wird der Sprachanalyse wahrscheinlich auch einen anderen Stellenwert einräumen.
Es verhält sich meiner Meinung nach so: Entweder ist ein Problem analytisch zu lösen, dann ist es durch Sprachanalyse und Begriffsbestimmung vollkommen zu lösen. Oder es ist synthetisch und damit letzten Endes Aufgabe der Wissenschaften, dieses zu lösen... wenn es denn mit den menschenmöglichen Mitteln lösbar ist. Alle Probleme, die sich weder durch sprachanalytische noch durch empirisches Vorgehen lösen lassen, sind unlösbar. Dass sich die Philosophie nicht nur mit sprachanalytischen Problemen beschäftigt liegt daran, dass es noch nicht für alle Problemstellungen ausreichend systematisierte empirische Methoden gibt. Oder anders formuliert: Die Philosophie beschäftigt sich überall dort mit synthetischen Urteilen, wo die Wissenschaft noch an sich arbeiten muss. Im Idealfall hätte es die Philosophie nur noch mit Sprachanalyse zu tun. (Der Zustand den also die logischen Empiristen für immer schon zutreffend für die Philosophie postuliert haben, sehe ich als unerreichtes Ideal, wobei ich mich darüber enthalte, ob dieses zu verwirklichen ist.)Zitat von Anaeyon:Maurice, kommt deine Abneigung gegen Padreics favorisierte Form/Ausrichtung der Philosophie von deiner Abneigung gegen Gefühle?
Meine Abneigung gegen Pads Philosophiebegriff ist möglicherweise kausal durch meine kritische Haltung gegenüber Emotionen mitverursacht. Wenn ich mich aber für meinen Philsoophiebegriff rechtfertigen soll, spielt meine Haltung gegenüber Emotionen keine Rolle. Ich halte sie also für diese Diskussion für irrelevant. Diese Frage könnte man höchstens in einem Meta-Thread diskutieren, was die kausalen Ursachen für unsere Ansichten sind. ]Ich kann mich dran erinnern, dich mal ziemlich wütend gemacht zu haben indem ich den Teil deiner philosophischen Aussagen ignoriert habe, die theoretisch Sinn machen, jedoch nicht in der von uns empfundenen Realität fühlbar/erfahrbar sind...
Ja, ist gar nicht so lange her... war ich damals schon erklärter Skeptiker? Jedenfalls würde ich heute anders mit der Sache umgehen. Es gibt meiner Meinung nach keine an sich guten Gründe. Es gibt nur Argumente, die den einen mehr den anderen weniger überzeugen. Welche Argumente nun wahr sind und ob eine logische Schlussfolgerung korrekt ist, können wir imo nicht mit absoluter Sicherheit feststellen.
Ich finde daher heute, dass ich mich damals ungeschickt dir gegenüber verhalten habe. Ich glaubte, etwas sicher zu wissen, wovon ich heute nicht mehr ausgehe.Da kam es mir - um es mal auf meinem niedrigeren Niveau auszudrücken - so vor, als wolltest du die Welt entzaubern, und ich die Zauber nur näher studieren, ohne ihre Wirkung zu verringern.
Habe ich hier noch schon mehrmals explizit gesagt, dass ich die Entzauberung der Welt als etwas positives betrachte? Der Gedanke daran erfüllt mich immer wieder mit Freude. Die Dinge verlieren dabei aber nicht an Wert durch mich, sobald ich sie für entzaubert halte. Ich genieße ein Stück von Chopin nicht weniger, nur weil ich die Theorie habe, dass dort Luftteilchen schwingen, deren Schwingung auf mein Trommelfeld übertragen wird, diese in elektrische Signale umgewandelt werden, die in meinem Gehirn Töne verursachen usw. Auch liebe ich meine Freundin nicht weniger, weil ich glaube, dass das alles nur bio-chemische Prozesse sind.
Ich weiß, dass das nicht allen so geht. Für manche verlieren die Dinge an Reiz, wenn sie wissenschaftlich erklärt werden. Diese Einstellung nehme ich zur Kenntnis, kann sie aber emotional nicht nachvollziehen. Das eine hat für mich mit dem anderen nichts zu tun. Und wenn dann macht eine wissenschaftliche Erklärung für mich eine Sache höchstens noch interessanter.
Ich selbst verstehe meine Art des Philosophierens auch als ein Versuch, die Welt zu entzaubern. Ich versuche aufzudecken, was die Voraussetzungen mancher Meinungen sind, welche Probleme sie haben und wie sie gegebenenfalls zu verbessern oder zu ersetzen sind. Damit einher geht oft ein Plädoyer bestimme Ansichten abzulegen, was zu einer Komplexitätsreduktion der Weltsicht führt (man vergleiche meine Moral-Hausarbeit). Auf der anderen Seite möchte ich für andere Aspekte sensibilisieren, weshalb es mir nicht darum geht, eine möglichst simple Weltsicht zu propagieren. Mein Ziel ist eine gut begründete Weltsicht, von der ich glaube, dass sie die Wirklichkeit besser wiedergibt, als andere. Und dafür muss man sich von gewissen Vorstellungen trennen.
Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich glaube, diesem Vorhaben ein Stück näher gekommen zu sein und die Welt mit neuen Überlegungen (mindestens für mich) wieder ein kleines Stückchen mehr entzaubert und meine Weltsicht wieder ein bisschen effizienter gemacht zu haben. )