Kritik der analytischen Philosophie

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Di 29. Mai 2007, 01:08 - Beitrag #41

wenn es - Maurice Antwort für einige Aussagen hier - "darauf ankommt" - was man unter Philosophie versteht, um zu entscheiden, was es mit einem Sachverhalt auf sich hat, dann scheint es tatsächlich so zu sein, daß es mehrere parallele, vielleicht teilweise ineinander verschränkte Philosophien gibt.

Maurice scheint mir dabei den Standpunkt einer Profi-Philosophie zu beanspruchen. Niveauvolle Philosophie ist, was eigens dazu ausgebildete Menschen, professionelle Philosophen, zu bestimmten Fragen zu sagen haben. Diese Aussagen mögen im Niveau variieren, sind jedoch dieser Ansicht nach das, was den State of the Art von Philosophie ausmacht. Diese Philosophie hat sich Arbeitsmethoden gegeben, die stark modellorientiert sind, abstrahiert weitestgehend reale Situationen auf modellhafte Strukturen, und sucht Detailantworten, nicht mehr die Antworten für´s große und Ganze.

Demgegenüber steht das mehr oder weniger niveauvolle private Philosophieren. Dieses richtet sich fast nie an den Fragestellungen der professionellen Philosophie aus, kennt wenige von deren Problemen, kaum eine ihrer Methoden und beschäftigt sich in einem unentwegten Kreislauf immer wieder um dieselben altbekannten "großen" Fragen des Daseins, für die sie ganzheitliche Antworten sucht, das sind solche, die über den Intellekt - und nicht über den Glauben - die Sehnsucht nach Bedeutsamkeit befriedigen.

Meine Position dazu sieht so aus, daß ich die professionelle Philosophie in dem Maße uninteressant finde, als ich sehe, daß sie sich der Unschärfe des Daseins verweigert. Ich habe nichts gegen l´art pour l´art der Logik und der Analyse, aber das betreibe ich bestenfalls gelegentlich als Spiel, denn das "wahre Leben" spielt sich im Schmutz der Vermengung ab. Misch.Masch. Einer Analyse, die von den Myriaden Bedeutungsnuancen eines Wortfeldes eine Myriaden minus eine wegfallen läßt, um zu Genauigkeit zu gelangen, werde ich immer "Thema verfehlt" ins Buch schreiben.

Das "ganzheitliche" Philosophieren der "Privaten" scheint mir demgegenüber nur da zu relevanten Antworten zu führen, wo deren Denken nicht dem Glauben verpflichtet ist, aus der Existenz der Sehnsucht nach Bedeutsamkeit folge, daß es etwas gäbe, was diese Sehnsucht befriedigen könne. Eine relevante Antwort könnte zum Beispiel aus meiner Sicht der Dinge das Heidegger-Zitat aus der "Metaphysik" sein, die Passage, in der es um "nicht" und "Nichts" geht. Die ganze Passage ist aus der Sicht des Profis natürlich Schwachfug. Aber als Ergebnis ode Ausgangsthese einer privaten philosophischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod und der Angst davor ist sie nicht von schlechten Eltern.

Vielleicht war Heidegger einfach einer der wenigen Profi-Philosophen seiner Zeit, der als Privatperson das ganzheitliche Philosophieren noch nicht verlernt hat. Das scheint mir nahezu der glücklichste - und im 20ten Jahrhundert seltenste - Fall zu sein^^

Maurice
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Di 29. Mai 2007, 01:13 - Beitrag #42

"Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen".

Das ist von Wittgenstein :rolleyes: ...


Empirische Daten sind heutzutage unerlässliche für die zeitgenössige Philosophie (auch wenn das z.B. Thod nie wahrhaben wollte). Allein die Evolutionstheorie ist für die philosophische Anthropologie von entscheidender Relevanz.

@Kreativität und Analyse: Ich sehe da keine Rivalität zwischen beiden Aspekten. Der analytische Philosoph muss immerhin kreativ sein, um philosophische Probleme zu lösen, ist er doch immer wieder vor die Aufgabe gestellt, eine möglichst effizente Terminologie zu konstruieren, bei der das Gleichgewicht zwischen der Verwendung alltäglicher Ausdrücke und der Schaffung neuer Termini beherrschen muss. Ebenfalls war z.B. die Idee der Supervenienz als Versuch das Leib-Seele-Problem zu lösen ein konstruktiver Akt. Schließlich verlangt es Kreativität nicht nur analytische Urteile zu fällen, sondern auch synthetisch zu arbeiten, indem man die Erkenntnisse der Wissenschaft für die Philosophie fruchtbar macht.

Edit @Ipsi: Das klang jetzt aber sehr analytisch! ^^
Und was sagst du zu meiner Einschätzung, dass du bei philosophischen Fragen (zumindest hier im Forum) sehr analytisch vorgehst?
(Vgl. deine analytische Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens)
Dass du mit der Terminologie der meisten analytischen Autoren unzufrieden bist, halte ich nicht für eine prinipelle Unvereinbarkeit mit der analytischen Philosophie. Deine Kritik kann man auch so interpretieren, dass die analytischen Philosophen ihrem Wunsch nach einer korrekten Analyse der Begriffe selbst nicht gerecht werden. Ihre Sprachanalyse sei also selbt defizitär, womit du eine bessere Sprachanalyse forderst und damit selbst analytische Töne anstimmst. ^^

Abgesehen davon glaube ich nicht, dass ein Laie prinzipell nicht zu niveauvoller Philosophie fähig ist. Niemand braucht IMHO ein abgeschlossenes Philosophiestudium, um analytische Philosophie zu betreiben. Man schaue sich nur mal e-noon an!
Ich möchte daher den Ruf der privaten Philosophie retten, indem ich behaupte, dass universitär Bildung nicht notwendig ist, um wohlstrukturiert nachzudenken. :)

Ipsissimus
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Di 29. Mai 2007, 13:00 - Beitrag #43

Maurice, ich bin ein scharfer Analytiker mit Hobby Sprachkritik^^ betreibe aber unscharfe Analyse, weil ich denke, daß mit der Unschärfe die Relevanz verloren geht.

Ich kritisiere an der analytischen Philosophie nicht die Nomenklatur per se, es wäre ein Missverständnis, mir das zu unterstellen. Ich kritisiere den Umstand, daß das Abstraktionsniveau und die Modellausprägung der analytischen Philosophie eine Dimension erreicht haben, die nur noch als "esoterisch" charakterisiert werden kann und jedenfalls kaum noch etwas mit der Lebenswirklichkeit von Menschen zu tun hat. Dieser Umstand drückt sich natürlich in der Nomenklatur aus, das ist aber aus meiner Sicht nur Symptom der Verweigerung der analytischen Philosophie gegenüber der Unschärfe.

Was mir vorschwebt, und was ich versuche, mit meinen bescheidenen Mitteln zu betreiben, ist die angesprochene unscharfe Analyse, also eine Analyse, die sich der Komplexität der Wirklichkeit stellt und ihre Aussagen innerhalb dieser Komplexität trifft, auch wenn diesen Aussagen dann notwendigerweise die Rasiermesserschärfe von solchen Aussagen fehlt, die nur im Modell stimmen müssen

dem Rest deiner Aussagen kann ich gut zustimmen; es gibt wirklich hervorragende "Privat-Philosophen", in denen Problembewußtsein und Methodenbewußtsein eine überaus glückliche Verbindung eingehen, auch wenn sie nicht unbedingt in allen Fällen professionellen Kriterien standhalten müssen. Eine direkte Verbindung von Denkvermögen und Ausbildungsgrad habe ich allerdings - soweit ich mich selbst richtig verstehe - an keiner Stelle gezogen^^

Yanāpaw
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Di 29. Mai 2007, 15:06 - Beitrag #44

Und warum tust du es nicht?


Weine nicht wenn du mit deinen Händen durch die kümmerlichen Ähren fährst. Was lästerst du dem Herrn, wo du doch deinen Durst allabendlich am Brunnen stilltest. Nähre und du sollst genährt werden, lasse darben und auch du sollst darben, so war es dir und so sei es dir beschieden.


Ich kenne mich mit Heidegger genauso wenig aus, wie Yanāpaw mit analytischer Philosophie.


Ist das die Freundlichkeit derer du dich rühmst, wahrlich ein großer Mann du bist, fast so groß wie du dich wähntest trug man mir zu. Wenn du dich allerdings so gut mit Heidegger auskennst, dann frage ich mich wie du "Das Nichts selbst nichtet" als Geschwätz abtun kannst. Mir scheint du hast gewisse Verständnisprobleme, möglicherweise solltest du dich mit der Sprachanalyse meiner posts beschäftigen bevor du über den Inhalt herfällst, ohne ihn verstanden zu haben. Empiri-smus war doch deine Sache, oder nicht? Ich sehe keine Notwendigkeit mich weiter zu erklären, wenn das bisher Gesagte verurteilt statt verstanden wurde.


Empirische Daten sind heutzutage unerlässliche für die zeitgenössige Philosophie (auch wenn das z.B. Thod nie wahrhaben wollte). Allein die Evolutionstheorie ist für die philosophische Anthropologie von entscheidender Relevanz.



Sie sind unerlässlich für Formallogik, nicht für Philosophie per se, auch nicht für zeitgenössische, denn ich bin ebenso ein Zeitgenosse, wie jan oder Thod es sind. Thod hatnebenbei bemerkt - in archivierten threads und auch im IRC - so einiges gesagt, das sehr klug und zutreffend war und sein Weggang ist sehr bedauerlich.

janw
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Di 29. Mai 2007, 17:07 - Beitrag #45

Das ist von Wittgenstein :rolleyes: ...

Jetzt, wo Du's sagst...:blush:
Es war mir ehrlich entfallen, und ich deutete Yanas Beitrag so, daß mir so war, es wäre von Heidegger, was mir ja auch argumentativ entgegen kam.
Mir ist aber dennoch so, daß Heidegger sich auf dieses Zitat bezogen hat im Diskurs um seine Verstrickung und seine Haltung dazu. Führt aber vom Thema weg jetzt...

Die Evolutionstheorie ist einer von vielen Rahmenparametern, die dem fundierten Denken einen Rahmen geben, wie auch die Schwerkraft, menschliches Sinnesleistungsvermögen, die historische Einbettung der Denker verschiedener Epochen uvm.

Mir will scheinen, die offensiv als analytische Philosophie proponierte Denkrichtung könnte Ausdruck sein einer Furcht mancher Denker vor der Freiheit des Geistes.

e-noon
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Di 29. Mai 2007, 18:07 - Beitrag #46

Mir will scheinen, die offensiv als analytische Philosophie proponierte Denkrichtung könnte Ausdruck sein einer Furcht mancher Denker vor der Freiheit des Geistes.
Könnte sicher bei manchen so sein :) Bei mir ist es weniger Furcht vor der Freiheit des Geistes als vielmehr eine freiwillige Grenze hinsichtlich der Beliebigkeit eines Gedankens.

Ich kritisiere den Umstand, daß das Abstraktionsniveau und die Modellausprägung der analytischen Philosophie eine Dimension erreicht haben, die nur noch als "esoterisch" charakterisiert werden kann und jedenfalls kaum noch etwas mit der Lebenswirklichkeit von Menschen zu tun hat.
Ich betreibe andauernd analytische Philosophie, Maurice auch und es hat oft direkt oder indirekt auf unser Leben eingewirkt, durch die neuen Erkenntnisse und die Lösungen der Probleme, wobei eine neue Erkenntnis auch die Lösung eines Problems sein kann. Sicher kann man alles auf die Spitze treiben - aber die ana. Philosophie ist keine Denkrichtung, die ein möglichst hohes Abstraktionsniveau propagiert, das ist höchstens das, was bei einigen dabei herauskommt ^^

dann scheint es tatsächlich so zu sein, daß es mehrere parallele, vielleicht teilweise ineinander verschränkte Philosophien gibt.
Ich möchte nicht entscheiden, wo philosophie anfängt und aufhört, aber mir geht es nicht darum, analytische Philosophie als die einzige Art der Philosophie zu verteidigen, sondern ich halte sie für die effizienteste, vor allem wenn man versucht, sich mit anderen über ein philosophisches Problem zu verständigen. Ich betreibe zum Beispiel analytische Philosophie, wenn ich möglichst einfach schreibe, keine Fremdwörter oder ähnliches benutze, nicht, weil ich hier keinem die Kenntnis dieser Fremdwörter zutraue, sondern weil diese Fremdwörter oft abhängiger von ihren Verwendern sind als die Alltagssprache, es gibt keine eindeutigen Definitionen, auf die man sich leicht einigen kann, im Gegensatz zu einem Apfel oder ähnlichem, bei dem jeder weiß, was gemeint ist.

Wenn ich kein Problem lösen, sondern die Gedanken schweifen lassen will - assoziativ vom Bestaunen der Struktur eines Blattes hin zum Zustand des Universums im allgemeinen springen - dann brauche ich keine analytische Philosophie, obwohl dieser Gedankengang auch der Philosophie zuzuordnen ist. Analytische Philosophie ist jedoch dann äußerst nützlich, wenn mich der Wunsch nach einer Lösung antreibt, der Wunsch, herauszufinden, was die plausibelste Antwort auf eine Frage ist.

Maurice
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Di 29. Mai 2007, 18:29 - Beitrag #47

Yana, mit dir bin ich fertig. Du bringst mich wirklich zur Weißglut. Will mir doch ein Schüler, der mir seit Wochen die Quellen für abgedrehte Utilitarismus-Thesen schuldet, mir als strebsamer Philosophie-Student im 7. Semester erzählen, dass er mir stoffmäßig um Längen überlegen ist. Wann willst du das denn gemacht haben? Naja, soviel nur zur Glaubwürdigkeit deiner Person...
Du glaubst ja wohl kaum, dass ich mir noch die Mühe mache, deine verworrenene Posts auseinander zu nehmen, nur um dahinter viel heiße Luft zu entdecken und darauf hin nur weitere Beschimpfungen anhören zu müssen...
So kleines fauchendes Katerchen, jetzt sträub mal schön deine Haare und mach es dir auf meiner Ignore-Liste bequem, da kannst du dich austoben und ich habe endlich meine Ruhe vor dir. :wink:
Empirische Daten sind heutzutage unerlässliche für die zeitgenössige Philosophie (...).

Sie sind unerlässlich für Formallogik

Ich hoffe dieser Schwachfug hat dich endlich für alle als Dummschwätzer entlarvt. Wer behauptet, dass empirische Daten für die Logik unerlässlich sind, weiß nicht mal, dass es bei der Logik nur um die Korrektheit von Argumenten ihrer Form nach geht und nicht um den Wahrheitsgehalt der Inhalte. Weiß nicht mal was Logik ist und will mir was erzählen! :wand:


@Ipsi: Auf mich machst du den Eindruck, dass du in beiden Formen der Philosophie beheimatet bist. (wenn man es mal bei dieser groben Unterscheidung belässt). Du machst ein Spagat zwischen beiden Extremen, während du festen Halt auf der einen Seite hast und die andere nur berühst.
Ich versuche nur meinen Eindruck wieder zu geben, kannst ja sagen, was du davon hälst :)
Schade dass dir wahrscheinlich nicht das Buch "Gründe der Liebe" von Harry Frankfurt vorliegt. Mich hätte interessiert, ob dir seine Herangehensweise zusagt, die Begriffe differenzierter zu rekonstruieren und zu verwenden als es angeblich viele andere Philosophen tun, aber gleichzeitig zu betonen, dass er mit seinen Unterscheidungen nur einen Teil der Bedeutungstiefe erfasst hat und nicht beansprucht, die Welt 1zu1 wieder zu geben. Ich glaube ein gewisser Instrumentalismus seitens der analytischen Philosophie würde die Diskussion z.T entschärfen. Wenn statt zu behaupten, eine vollständig wahre Abbildung der Welt zu schaffen, nur der Versuch unternommen wird, durch ein differenziertes Begriffssensorium, Aspekte der Realität ohne Vollständigkeitsanspruch adequat untersuchen zu können, ist es in meinen Augen eine deutlich schwächere Position. Würde dir eine solche Sichtweise näherkommen?

Yanāpaw
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Di 29. Mai 2007, 19:21 - Beitrag #48

Nicht aufregen Moritz, das ist schlecht für den Blutdruck und bringt dir auch keine Erkenntise, weder die, dass Bentham den Utilitarismus nicht erfand, noch die, dass man Empirie mit E am Anfang und Ende schreibt, noch die, dass Formallogik und Logik zwei grundverschiedene Dinge sind. Für jemand der Philosophie im 7ten Semester studiert weist du erstaunlich wenig darüber, das ist bemerkenswert. Aber viel schöner als ich hat das Sido formuliert:

Du bist langweilig und brav wie immer, und ich geh ab, los machs mir nach du Spinner
Ich bin all das wovor deine Eltern dich immer gewarnt ham
Doch ich hab Geld, hab Frauen hab Spaß und du musst immer noch Bahn fahrn.

Wuhu Sido *kreisch*

Und so weiter.

Macht echt einen Heidenspaß auf deiner ignore-Liste. Wenn du mal ein paar Atemübungen gemacht hast, empfehle ich dir dich in Philosophie einzulesen bevor du drüber philosophierst. ^^

Feuerkopf
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Di 29. Mai 2007, 22:44 - Beitrag #49

Hinweis an die Herren Maurice und Yanapaw:
Wenn ihr persönliche Differenzen habt, so macht das bitte per PN aus.

Zurück zum Thema.

Maurice
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Di 29. Mai 2007, 23:57 - Beitrag #50

Keine Bange Feuerkopf, das ist jetzt nicht mehr nötig. :)

*auf Ipisis Antwort wart*

Ipsissimus
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Mi 30. Mai 2007, 09:46 - Beitrag #51

das mit dem Spagat kommt hin, Maurice^^

ich kenne das genannte Buch leider nicht, aber Frankfurts Position, so wie du sie darstellst, scheint auf den ersten Blick doch ein erhöhtes Problembewußtsein zu implizieren, vergleichbar vielleicht der physikalischen Fundamentaleinsicht des 20ten Jahrhunderts, daß ich nicht Messen kann, ohne das Gemessene durch die Messung zu verändern.

Genausowenig kann ich ein Wort definieren, ohne seine Bedeutung zu ändern, da die Bedeutung eines Wortes nicht seine Wörterbuchdefinition ist sondern das, was der Sprachgebrauch daraus macht, also jene Bedeutung, mit der es verwendet wird, auch wenn diesbezüglich eine erhebliche Erkenntnisunsicherheit selbst bei demjenigen bestehen kann, der es verwendet^^

Solange sich die analytischen Philosophen des Modellcharakters ihrer Ergebnisse bewußt sind, halte ich analytische Philosophie durchaus für eine nützliche Sache; in vielen Fällen bieten ihre Modelle eine genügend starke Annäherung an einen Teilbereich der Wirklichkeit, um diesen Teilbereich anhand der Situation des Modells ausreichend genau zu erklären. Und Modellrechnungen sind halt einfach schneller^^

Maurice
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Mi 30. Mai 2007, 12:58 - Beitrag #52

Ich kann die zum Teil extrem kritische Sicht auf die analytische Philosophie nicht ganz nachvollziehen. Ich hatte bisher selten den Eindruck, dass dort in einer apodiktischen Weise gesprochen wurde und damit der Anspruch erhoben wurde, ein vollständiges Bild der Wirklichkeit zu zeigen. Diesen überhöhten Anspruch findet man dagegen auch bei nicht-analytischen Philosophen. Der Eindruck der willkürlichen Setzung ist bei mir bei Letztgenannten auch häufiger, als bei den analytischen Philosophen, da sie idR zu erklären versuchen, warum sie die Wörter so und nicht anders verwenden.

Um auch nochmal auf das Definieren zurück zu kommen: Viele scheinen mir hier die Ansicht zu haben, dass die Bedeutung durch die Defintion willkürlich festgelegt oder gewollt verfälscht wird, damit es dem Autor so passt, wie er sich das vorstellt. Wenn es den Sprachgebrauch A, B und C von Wort W gibt, komme es demnach häufig vor, dass der Philosoph P sich nur um A oder B kümmert und die anderen Bedeutungen absichtlich untern Tisch fallen lässt. Oder aber er definiert W als D, damit er es mit einem anderen Ausdruck gleichsetzen kann. (Anaeyon schrieb iirc etwas in die Richtung mit "XYZ" zu "ZYX" machen.)
Mein Eindruck ist aber, dass es so idR nicht funktioniert. Stattdessen versuchen die meisten wiederzugeben welche Bedeutungen von W es gibt, bzw. die für die Fragestellung relevanten aufzulisten und gegebenenfalls zu präzisieren. Diese Präzision ist meistens nicht ohne Setzung möglich, aber darüber ist sich hoffentlich jeder bewusst. Wenn z.B. in der Biologie die Frage gestellt wird "Wie alt wird ein Hund im Durchschnitt?" (um jetzt nur irgendeine Frage als Beispiel zu haben), dann wird auch kein Biologe sich damit auseinandersetzen, dass das Wort "Hund" in der Alltagssprache auch dazu dienen kann, einen Menschen zu beleidigen. Es geht also selbstverständlich nur um das bellende Haustier "Hund" und nicht um den Menschen mit schlechten Charakterzügen. Wir würden es für einen schlechten Scherz halten, wenn ein Biologe plötzlich auch über diese tadelnswerten Menschen spräche, wenn wir vorher die Frage vernommen hätten. Dementsprechend finde ich es ebenso ligitim, wenn die Philosophie sich bei der Untersuchung der Bedeutung von Begriffen sich auf die konzentriert, die für die Fragestellung relevant sind. Kritik ist selbstverständlich angebracht, wenn ein Philosoph Bedeutungsfelder ignoriert, die für die Fragestellung relevant sind. Aber nicht jede Nuance der Myriaden an Bedeutungsnuancen ist nunmal für eine Fragestellung relevant. Es geht eben auch darum das in einem Kontext, in einer Situation Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Das erwarten wir sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltag von jedem Akteur, warum also nicht auch in der Philosophie?

Ipsissimus
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Mi 30. Mai 2007, 14:04 - Beitrag #53

vielleicht liegt es ein bißchen daran, daß die Primärinteressen so verschieden sind; und auch daran, daß du bei mir keine wirkliche Professionalität meines philosophischen Denkens voraussetzen kannt (ich komme, wie bekannt sein dürfte, aus der theologischen Ecke, und meine begleitenden Semester Philosophie waren geprägt von der Sicht von Religionsphilosophen, die ganz andere Ziele verfolgen als analytische Philosophen; außerdem ist das alles schon ewig lange her^^)

Natürlich unterscheiden wir kontextabhängig zwischen wichtig und unwichtig. Was aber, wenn der Kontext so strukturiert ist, daß in dieser Unterscheidung bereits eine Vorabentscheidung darüber fällt, was eigentlich erst Ergebnis des Nachdenkens sein soll. Erinnere dich an den Carnaptext, den du hier selbst reingestellt hast - du selbst hast die Zyklizität der darin vertretenen Thesen kritisiert. Und mich interessieren ja nicht primär die innerphilosophischen Probleme, das l´art pour l´árt der Profis, sondern mich interessiert der Beitrag, den philosophisches Denken zur Antwortfindung für meine Fragen zu leisten imstande ist. Und wenn ich dann sehe, daß ein Philosoph in der noch so wohlmeinendsten Absicht für Fragen, die im unsauberen Mischmasch des wahren Lebens angesiedelt sind, Antworten bietet, die sich diesem Mischmasch - das ja in seinem Sosein in die Frage einfließt - nicht stellen - weil eben ganze Komponenten der Frage wegdefiniert wurden -, dann sind seine Antworten und meine Fragen auf unterschiedlichen, zueinander inkompatiblen Ebenen angesiedelt.

Maurice
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Mi 30. Mai 2007, 17:07 - Beitrag #54

Harry und die Liebe

Habe im Buch von Frankfurt mittlerweile ein paar Seiten weiter gelesen und eine Stelle gefunden, die mir bezühlich unserer Diskussion gut gefällt:
Bis jetzt habe ich das, was ich "Liebe" nenne, nur um Sinne eines besonderen Modus der Sorge gekennzeichnet. Im nächsten Kapitel will ich versuchen, ausführlicher zu erklären, was ich damit meine. Die Kategorie der Liebe ist natürlich auf berüchtigte Weise schwer zu erhellen. Meine Aufgabe wird aber ganz gut zu bewältigen sein, da ich nicht vorhabe, eine umfassende analytische Beschreibung all der vielfältigen und komplexen Bedingungen zu liefern, auf die der Ausdruck "Liebe" normalerweise bezogen wird. Meine eigene Verwendung des Ausdrucks fällt nur zum Teil zusammen mit diesen Bedinungen und soll sie auch nicht gänzlich abdecken. So muss ich nur jene etwas begrenztere Gruppe von Phänomenen definieren, die besonders eng mit meiner Diskussion verbunden sind. Merkmale, die unter anderen, gewöhnlich ebenfalls mit dem Ausdruck "Liebe" verbundenen Bedingungen wichtig sind und diese Bedinungen vielleicht sogar definieren, bleiben für die von mir diskutierten Phänomene unwesentlich. Deswegen werden sie meiner Beschreibung nicht angehören.

Frankfurt, Harry G.: Gründe der Liebe, S.38, Suhrkamp, Frankfurt 2005

Ipsissimus
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Do 31. Mai 2007, 09:45 - Beitrag #55

na ja, das ist dann wohl eher doch nicht mein Ding^^

Maurice
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Kann man es auch anders sehen?

Ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass du voller Begeisterung sofort in die Stadt rennst, um dir das Buch zu kaufen. ;)
Würde nur gerne wissen, ob dir so ein Ansatz zumindest ein "So ist es schon besser!" entlocken kann. Bewertest du so einen Anspruch wohlwollender oder ist das in deinen Augen kein wesentlicher Unterschied zu z.B. Carnap?


Mir ist aber noch etwas zum Thema "definieren" eingefallen: Manche User machten den Eindruck auf mich, sie finden, dass die analytischen Philosophen die Begriffe nach Lust und Laune definieren, so wie es ihnen gerade passt. Ich denke nicht, dass der Fall ist (höchstens vielleicht bei ein paar ganz abgedrehten), da jeder, wenn er ernsthaft versucht, einen Begriff zu definieren, bemerken wird, dass man da nicht alles machen kann. Die Begriffe leisten sowas wie einen "Widerstand" bzw. uns widerstrebt es, die Dinge auf eine Weise zu definieren, die wir als "falsch" empfinden. Von daher ist es keine reine Willkür, wie wir die Begriffe definieren, wenn wir sie zu klären versuchen, sondern uns sind schon dadurch Grenzen und Richtlinien gesetzt, dass wir schon etwas mit den Begriffen verbinden, bevor wir sie präzise zu definieren versuchen. Der Versuch der präzisen Definition ist mehr eine Art von Selbstaufklärung, was man eigentlich unter "X" versteht. Und was man darunter versteht ist nunmal nicht willkürlich und idR auch nicht vollkommen von dem verschieden, was andere darunter verstehen.

Definieren also nicht als bloße Setzung, sondern als ein hermeneutisches Unternehmen. :)

Ipsissimus
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Fr 1. Jun 2007, 12:26 - Beitrag #57

versteh mich recht, Maurice, ich habe nichts gegen Definitionen. Aber Definitionen von alltagssprachlichen Begriffen, die an den "Rändern der Definition" nicht verschwommen werden, sind meiner Ansicht und Erfahrung nach ungeeignet, das volle Spekturm des definierten Phänomens zu erfassen. Natürlich "darf" jeder Philosoph und jeder andere Mensch Definitionen so setzen, daß sie seinen Absichten entgegenkommen, aber wenn jene Absicht für mich irrelevant ist, dann bleiben es auch seine von dieser scharfen Definition abgeleiteten Aussagen. Insofern kann ich nur sagen, Frankfurt denkt offenbar über Liebe in einer ihm eigentümlichen Weise nach, und das ist ihm unbelassen, das mache ich auch, das macht wohl jeder Mensch. Nur wenn es soweit kommt, daß den Aussagen eines Philosophen größere Relevanz zugebilligt werden soll, WEIL er schärfere Definitionen verwendet, dann sage ich stopp, hier liegt ein Missverhältnis zwischen vor Anspruch und tatsächlicher Reichweite vor.

janw
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Sa 2. Jun 2007, 21:54 - Beitrag #58

Zitat von Maurice:Aber nicht jede Nuance der Myriaden an Bedeutungsnuancen ist nunmal für eine Fragestellung relevant. Es geht eben auch darum das in einem Kontext, in einer Situation Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Das erwarten wir sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltag von jedem Akteur, warum also nicht auch in der Philosophie?

Zum einen sehe ich es wie Ipsi, ergänzend möchte ich noch anfügen, daß in allen anderen wissenschaftlichen Bereichen man sich mit möglichen Begriffsverwirrungen auseinandersetzt, indem man eine einheitliche Nomenklatur verwendet, notfalls den begriffsprägenden Autor zitiert - und gut.
Gut, es gibt dann die nomenklatorisch arbeitenden Zweige der jeweiligen Naturwissenschaften wie die Systematik und Taxonomie in der Biologie, vergleichbares auch in der Chemie, aber sie treten nicht so hervor, wie die analytische Philosophie anscheinend gerne hervor treten möchte.

Warum ist das so? Nun, zum ersten müsste natürlich die Philosophie mit anderen Geisteswissenschaften wie der Geschichtsschreibung, der Soziologie o.ä. verglichen werden, wo vergleichbare Mechanismen der Begriffsbildung herrschen - aber auch dort: Gibt es eine analytische Geschichtsschreibung, Soziologie, etc? Es gibt in den Sprachwissenschaften die Semantik, aber diese untersucht mehr die Bedeutungsveränderungen innerhalb der jeweiligen Sprachwortschätze, nicht die wissenschaftlichen Kategoriebegriffe.
Ich habe die Vermutung, daß die offenbar abweichende Situation in der Philosophie mit daran liegt, daß es sich um eine zeitlich sehr lange zurück reichende Wissenschaft handelt, in welcher die historischen Arbeiten wesentlicher Teil des Arbeitsmaterials sind - und somit zahlreiche Schichten angehäufter Bedeutungsnuancen zu berücksichtigen sind, die in anderen Wissenschaften bestenfalls historische Kuriositäten wären, überholt vom Erkenntnisfortschritt.
Was zu der Frage führt, ob dieser Erkenntnisfortschritt nicht auch in der Philosophie sich niederschlagen müsste - ist Kant noch state of the art?^^

Padreic
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Mo 9. Jul 2007, 22:24 - Beitrag #59

Ich möchte mich entgegen meiner guten Vorsätze nochmal in diesem Thread äußern. Ich denke, dazu sollten wir zum Anfang zurückkehren und erst einmal klären, worüber wir reden. D.h. ich will mich erstmal in etwaiger Kritik der analytischen Philosophie und Gegenentwürfen zurückhalten und besser verstehen, was ihr meint und warum ihr dies und nichts anderes meint.

Was ist die Aufgabe der Philosophie?
Wie kann die analytische Philosophie sie (erschöpfend) erfüllen?
Was nützt sie einem für das Leben? (ihr habt wiederholt etwas von 'Effizienz' angedeutet)

En Detail:
Recht zu Beginn des Threads schrieb Maurice:
Es verhält sich meiner Meinung nach so: Entweder ist ein Problem analytisch zu lösen, dann ist es durch Sprachanalyse und Begriffsbestimmung vollkommen zu lösen. Oder es ist synthetisch und damit letzten Endes Aufgabe der Wissenschaften, dieses zu lösen... wenn es denn mit den menschenmöglichen Mitteln lösbar ist. Alle Probleme, die sich weder durch sprachanalytische noch durch empirisches Vorgehen lösen lassen, sind unlösbar.

Dies erscheint mir vorauszusetzen, dass ein Problem in sprachlicher Fassung vorliegt. Dann versucht man wieder herauszufinden, was gemeint sein könnte; ist etwas gemeint, dann kann man dieses inhaltliche Problem dem Empiriker übergeben. Hier scheint folgende Voraussetzung getätigt zu sein:

a) Jedes inhaltliche Problem, das sich nicht bloß mit Sprache und Begriffen beschäftigt, kann nur durch empirische Wissenschaften gelöst werden.

Fragen:
1) Ist jede Wissenschaft für dich empirisch? Was ist eine Wissenschaft, was ist eine empirische Wissenschaft?
2) Was ist eine Lösung eines Problems? Kann man sich sinnvoll mit einem unlösbaren Problem (von dem man weiß, dass es in deinem Sinne unlösbar ist) beschäftigen?

Ich denke dabei unter anderem an folgendes Beispiel, das Problem: "Was soll ich tun?" Sagen wir, ich stehe an einer Weggabelung, bin mir unsicher, wo ich langgehen soll und frage einen Passanten "Wo soll ich langgehen?". Der sagt mir "Sie meinen wohl, wo soll ich langgehen, um zum Ziel XY zu kommen." - "Nein, das meine ich nicht. [ich weiß ja auch nicht, welches Ziel ich haben soll]" - "Dann meinen Sie wohl, was Ihnen ein höheres Wesen befehlen würde?" - "Nein, das meine ich auch nicht. Ich will nur wissen, welchen Weg ich gehen soll."
Es scheint, dass eine sprachliche Umformulierung oder Klärung schwierig ist. Wozu aber auch, denn wir wissen ja, was er meint, es steht klar dort. Den empirischen Wissenschaften können wir es nicht übergeben, die wüssten ja nichts damit anzufangen. Deswegen sagt der Passant dann: "Ihr Problem ist nicht lösbar." und geht hinfort.
Und ich stehe da immer noch. Und ich weiß immer noch nicht, welchen Weg ich gehen soll, aber auch nicht, ob ich stehen bleiben soll. Das Problem bleibt und ich kann nicht umhin, mich mit dem Problem zu beschäftigen.

Es stellt sich für mich auch die Frage, ob der analytische Philosoph nicht auch versucht, mit seiner Sprachanalyse etwas über den Menschen und damit die Welt herauszufinden.

Das zunächst.

e-noon
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Mo 9. Jul 2007, 23:58 - Beitrag #60

Hey Padreic! Ich finde es gut, dass du nochmal einen Klärungsversuch startest. Maurice hat momentan nicht die Zeit (und die Nerven ;) ) im Forum aktiv zu sein, aber was ich sage, gilt auch für ihn (wo nicht, kann ich das kenntlich machen).

Dein Beispiel finde ich sehr passend; es wurde ja hier im thread kritisiert, dass man so vielleicht logische und wissenschaftliche Probleme lösen könne, aber keine individuellen, die einem das Leben erschweren.
Dazu erst einmal eine Abgrenzung von philosophischen Problemen zu anderen Problemen: Wenn sich jemand fragt, wo er seinen Hammer gelassen hat, kann ihm Philosophie nicht helfen. Wenn sich jemand fragt, ob er den Hammer benutzen sollte oder ob hier eher ein Schraubenzieher angebracht wäre, ist die Philosophie auch noch nicht gefragt, sondern die Erfahrung. Wenn sich jemand allerdings fragt, ob er den Hammer benutzen sollte, oder ob möglicherweise der Nagel Schmerzempfinden hat und man ihn nicht hauen sollte - dann ist Philosophie gefragt ^^ Dinge also, die ohne große Hinzuziehung der grundlegenden Fragen des Lebens (Wer bin ich? Was soll ich mit dem Leben anfangen? Wie fühlen andere Dinge? Gibt es eine Außenwelt?...) bewältigt werden können, würde ich nicht zur Philosophie zählen. Auch wenn diese Abgrenzung wahrscheinlich ebenso strittig ist, wie andere Definitionen von Philosophie.

a) Jedes philosophische inhaltliche Problem, das sich nicht bloß mit Sprache und Begriffen beschäftigt, kann nur durch Empirie (Wissenschaften bei allgemeinen Fragen, persönliche Erfahrungen bei individuellen, schwerpunktmäßig) gelöst werden.

Zu deinem Beispiel:
Man kann dem Passanten natürlich antworten "Werf eine Münze" oder sich einfach an die Stirn tippen und weitergehen. Darin sind die Möglichkeiten des Philosophen aber nicht erschöpft. Im Gespräch mit dem Mann könnte man erst einmal herausfinden, was er sagen will.
"Wollen Sie vielleicht wissen, welchen weiteren Lebensweg Sie einschlagen sollen? Oder welchen Weg ich schöner finde? Welcher Weg Sie glücklicher machen würde? Welcher Weg ihr Schicksal bereit hält? Welchen Weg ich mir für Sie wünschen würde? Welcher Weg keine Trittminen enthält?"

Es ist also die Frage - welches Problem will der Mann überhaupt lösen? Will er meine Erfahrung mit den Wegen? Will er meine Kenntnis um das Ende des jeweiligen Weges? Will er meine Beurteilung der Wege? Oder will er etwas, das weiterer Analyse bedarf?

Sagen wir, es sind keine Trittminen und Schlangen am Weg, er sucht nicht Rosie am einen Ende des Weges und er will auch nicht wissen, wie ich die Blumen am Wegrand finde. Er ist ein unentschlossener junger Mann, der ins Leben hinauszieht, jedoch so viele Freiheiten hat, dass ihm die Orientierung schwer fällt. Dann würde ich versuchen, diesem Mann zu helfen - indem wir zusammen herausfinden, was er sucht, und dann, wie er es finden kann. So könnte man analytische Philosophie auch beschreiben ;)
Das Problem in dem Beispiel ist nämlich meiner Meinung nach, dass der Mann Orientierungslosigkeit verspürt, aber kein Problem lösen will, sondern nur dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit ausdrücken. Das ist in Ordnung, aber wenn er eine Frage stellt, kann er auch eine Antwort bekommen, es dauert nur länger, weil ihm der Inhalt seiner Frage erst klar werden muss.

Der Mann will also wissen, wie sein Leben weitergehen soll - Ich weiß es nicht. Also frage ich, da es sein Leben ist, nach seinen Präferenzen. Suchst du das gute, wahre, schöne? Suchst du das Abenteuer? Suchst du Glück?
Jeder dieser Fragen und der Antworten provoziert weitere Fragen. Irgendwann, falls denn ein Problem besteht, wird dem Mann klarwerden, dass er orientierungslos ist, dass er sich über seine Präferenzen klar werden muss, bevor er andere sinnvoll fragen kann, was er tun soll, und dass er das zum Beispiel machen kann, indem er beide Wege ausprobiert, oder was auch immer man als Ergebnis im Gespräch festhält. Lange Rede, kurzer Sinn: Bei so unpräzisen Fragestellungen wie "welchen Weg soll ich gehen, wenn ich keine Ahnung habe, was ich will und wo ich hinwill?" muss man einfach nachhaken, irgendwann stößt man schon auf den Inhalt der Frage, oder sie hat keinen Inhalt, dann gibt es auch kein Problem.

Analog:
Was würdest du auf die Frage antworten, ob der unsichtbare Schrank neben dir eher grün oder blau ist? Manche Fragen muss man nicht beantworten, zumal, wenn sie keinen Inhalt haben und somit kein philosophisches Problem darstellen.

Es stellt sich für mich auch die Frage, ob der analytische Philosoph nicht auch versucht, mit seiner Sprachanalyse etwas über den Menschen und damit die Welt herauszufinden.
Natürlich tut er das! Ich hoffe, das ist an den Fragen im obigen Beispiel klar geworden. Er versucht zunächst, herauszubekommen, was der andere will - Sprachanalyse und Herausfinden der Beschaffenheit des Gegenübers oder der Welt. Dann analysiert er die Voraussetzungen - also wieder die Beschaffenheit des Gegenübers bzw. der Welt. Dann schaut er, ob das Problem schon gelöst werden konnte (Zum Beispiel: Ist das Dreieck im Schrank viereckig? Sprachanalyse: Nein, denn ein Dreieck ist nie viereckig, ich muss nicht in den Schrank und nachgucken).
Wenn nicht (zum Beispiel: Ist das Dreieck im Schrank rot?), dann geht er nachgucken, oder er schaut sich an, was andere nachgeguckt haben. So easy.

Frage 1: Ja, jede Wissenschaft ist empirisch - außer die Geisteswissenschaft :D aber die natürlich zum Teil auch.
Die Mathematik ist hier als Metawissenschaft ausgenommen, aber auch ihrer kann sich der analytische Philosoph natürlich bedienen.

Frage 2: Eine Lösung ist eine sinnvolle Antwort auf eine Frage. Nenne Beispiel für unlösbare Probleme, dann sage ich dir, ob es sinnvoll ist, sich damit zu beschäftigen ^^

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