Es geht um einen sozial nicht integrierten, beruflich aber erfolgreichen Mann. Ich denke hier liegt das Spannungsfeld. Einerseits jemand, der auf seinem Weg zum Prokuristen wieder und wieder die Wirkmacht der Kategorien "Richtig und Falsch" und "Eindeutigkeit" erlebt hat und jetzt meint, dass ist, wie die Welt funktioniert. Andererseits jemand, ohne sozialen Halt, der jetzt am Ende seiner Adoleszenz anfängt, sich als Erwachsener in der sozialen Wirklichkeit zurecht finden zu müssen und plötzlich damit konfrontiert wird, ständig überall jedermanns Urteil ausgesetzt zu sein. Er begreift seine Situation als ein Gericht, eine Prüfungssituation, die man meistern, in der man aber auch versagen kann, so wie er es eben gewöhnt ist aus seiner Ausbildung.
Summa summarum glaube ich, die Moral dahinter ist relativ simpel: K. scheitert grandios dabei, es jedermann recht machen zu wollen und verzweifelt daran. Verstärkt wird sein Leiden wahrscheinlich durch den fehlenden sozialen Halt, da er fern seiner Familie lebt.
Ich bin der Auffassung, dass es sich bei den Absurditäten in der Geschichte nicht um eine psychopathologisierung des K geht, sondern lediglich ein Stilmittel Kafkas sind, um dem Leser nochmal zu vermitteln, wie absurd das Überleben in der Gesellschaft eigentlich ist. Vorallem jemand mit einer kaufmännisch- mathematischen Bildung dürfte die Wankelmütigkeit und Unbegründetheit von Meinungen wie intellektueller Treibsand erscheinen. Erst recht, wenn man bisher mit Tugenden wie Disziplin, Fleiß und Berechenbarkeit geglänzt hat, dürfte einen die Willkür, mit der Fremde über Fremde urteilen, umhauen, oder wenigstens die Tatsache, dass man mit diesen Tugenden in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zwingend punktet. Die Tragik sehe ich vorallem darin, dass er einerseits nicht in der Lage ist, zu begreifen wie Nichtig das Urteil seiner Mitmenschen ist: Hierbei denke ich vorallem an die Stelle, in der es um die Instanzen des Gerichtes geht, und das es eine höchste Instanz gibt, die sich um nichts von dem schert, was die geringeren verzapft haben und zu der auch kein Mensch Zugang hat, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihr Urteil über diesen einen verkündet. Wer diese Instanz sei, sei mal dahingestellt, aber auf jeden fall irgendetwas, was die Gesellschaft transzendiert. Andererseits kann er sich dann aber auch nicht an seinem beruflichen Erfolg oder seinen Bettgeschichten hochziehen. Er sucht nach der Mastertugend, die er nicht finden wird, statt, und hier lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster, die Kontrolle abzugeben und sich ein mit einer eigenen Familie ein stabiles Fundament für seine Seele zu bauen.
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