Gründe warum man lebt

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Maurice
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Di 11. Mär 2008, 21:04 - Beitrag #21

@Akausale Depressionen:

Sarah, nur weil dir spontan nichts einfällt, warum du jahrelang immer mal wieder schlecht drauf warst, heißt das nicht, dass das quasi akausal war. Mir fallen da genügend mögliche Ursachen ein: Probleme in der Familie (Konflikte "Eltern vs. Kinder" und "Vater vs. Mutter"), gesundheitliche Probleme (z.B. häufige Halsschmerzen wahrscheinlich wegen Mandeln), meiste Zeit vom Freund getrennt, Schulstress... Das fällt mir alles spontan ein und das ist schon eine Menge. Vorallem für jemand so sensibles wie dich. Und wenn ich länger nachdenken würde, würden mir noch weitere potentielle Ursachen einfallen. Ich bin mir daher sicher, dass deine schlechte Stimmung nicht akausal ist, sondern reale Ursachen hat, an denen man arbeiten könnte: Vermeiden von Fernbeziehungen, mehr für die Gesundheit tun, Kontakt mit der Familie so verringern/verändern, dass man nicht ständig unter ihren Problemen leidet, ohne den Kontakt ganz abzubrechen, usw.
Alles Sachen an denen du gut arbeiten kannst. Wenn du das nicht tust, brauchst du dich aber nicht zu wundern, warum es dir dauernd schlecht geht. Ich kann mich z.B. daran erinnern, dass du fast durchgängig sehr gut drauf warst, als du während unserer Beziehung einige Wochen am Stück bei mir warst, solange du keine körperlichen Schmerzen hattest. Da warst du zumindest nach meiner Wahrnehmung gar nicht depressiv.
Aber um was an deiner Gesamtstimmung zu ändern, darfst du nicht die Augen vor der Realität verschließen und musst auch mal zeitweilige hohe Kosten auf dich nehmen, um dein Glück strukturell zu maximieren. Es kann durchaus anstrengend sein, vernünftig zu sein, aber es ist in deinem eigenen Interesse.


Aus Zeitgründen (muss den PC gleich wieder für meine Schwester räumen), habe ich nur was zum letzt Post geschrieben. Auf die anderen Sachen versuche ich morgen einzugehen.

janw
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Di 11. Mär 2008, 21:44 - Beitrag #22

Zitat von Rechthabewoman:und was, wenn du keine sozialen kontakte mehr hast, die du liebst? wenn das wegfällt und du alleine da stehst? würdest du dennoch weitermachen?

Wie gesagt, das war ein Motiv von mehreren. Heute gebe ich mir selbst mehr Sinn, wie Feuerkopf es ausgedrückt hat, schätze mich selbst mehr wert, definiere selbst, was ich als mir angemessen erachte, wie Ipsi es ausgedrückt hat.
Wenn die Kontakte alle nicht mehr wären, hätte ich immer noch meine Erfahrungen und Erlebnisse, das, was mich zu dem geformt hat, der ich jetzt bin. Ich hätte auch immer noch jenen Raum an Wahrnehmung, mit welchen Schwierigkeiten andere unentrinnbar gezwungen sind, zu leben und dies mit Lebensfreude tun. Ich denke, daß dieses mein Bisher einen hinreichend stabilen Moorbult abgeben würde, wenn das Ziehen an meinen eigenen Haaren nicht reichen sollte.

Was Deine Freundin betrifft, es ist natürlich schwer, zu sehen, daß es ihr schlecht geht, während sie es mit sich selbst ausmachen möchte - letztlich muss sie aber für sich wissen, wie sie am besten mit sich zurecht kommt. Du kannst ihr im Zweifel nur anbieten, für sie da zu sein, darüber entscheiden muss sie selbst. Und wenn sie sich entschließt, Schluss zu machen, ist das auch ihre Entscheidung, nichts, wofür Du Dir etwas vorwerfen musst - natürlich wünsche ich ihr und Dir von Herzen, daß sie einen anderen Weg findet.

Antidepressiva sind übrigens nur eines der Mittel, mit denen Psychiater Depressionen behandeln, im Grunde sogar nur ein Weg, um wirklich an die Wurzel dessen kommen zu können, was die Depressionen verursacht. Daran wird dann vor allem mit Gesprächen und ähnlichem gearbeitet, je nachdem, worum es geht.

Maurice
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Mi 12. Mär 2008, 12:06 - Beitrag #23

Erst die Analyse einer philosophischen Frage macht sie benatwortbar

@Ipsi: Ingrimm, der Gott der Schmiedekunst und des Bergbaus hat dir geholfen? :boah: ;)

@Topic: *sich mit Schild und Helm in die Nähe der Analyse-Kritiker wag*
Also ich kann dir nur raten, für dich erstmal zu klären, was du eigentlich genau wissen willst. Was meinst du eigentlich genau, wenn du fragst "Was ist der Sinn des Lebens? Für was sollte ich weiterleben?"? Solange du dir nicht einigermaßen über die Bedeutung der in der Frage enthaltenen Begriffe und damit über den genaueren Sinn der Frage Gedanken gemacht hast, stellst du eine höchstens nur ansatzweise zu beantwortende Frage.
Trivales Vergleichsbeispiel, warum die Analyse der erste Schritt zur Lösung solcher Fragen sollte: Wenn jemand in eine Tierhandlung geht, mit der Frage, wieviele Plöbproper in dieser verkauft werden, so wird es ihm schwer fallen, diese frage zu benatworten, wenn weder er noch der Verkäufer versteht, was der Kunde eigentlich unter einem "Plöbproper" versteht. Es kann sein, dass er eine grobe Ahnung hat, aber die hilft ihm nicht, die Frage zu beantworten. (Ich weiß, dass das Beispiel etwas nn den Haaren herbeigezogen ist, es soll ja auch nur grundlegend klar machen, dass zu der Beantwortung einer Frage, die in ihr enthaltenden Begriffe ausreichend bestimmt sein müssen.)
In deiner Frage "Was ist der Sinn des Lebens?" geht es aber nicht darum, sie so auszuformulieren, dass jeder deiner "Übersetzung" zustimmen kann, sondern darum, dass du für dich selbst klar machst, was du mit dieser Frage für dich meinst. Solange du diese Frage nicht klar gemacht hast, werden dir alle ihre Antworten auf ihre Übersetzung der Sinn-Frage geben - die aber nicht die Antworten auf deine Frage sein müssen. Ich könnte jetzt auch versuchen, auszubreiten, was ich damit meine, wenn ich sage "mein Leben hat diesen und diesen Sinn", aber vielleicht verstehe ich dabei "Sinn" deutlich anders als du und meine Antwort hilft dir wenig bis gar nicht weiter, weil meine Fragestellung eine andere ist.
ich schließe nicht aus, dass man die Sinn-Frage so ausformulieren kann, dass sich jeder mit dieser Übersetzung identifizieren kann - aber das ist nicht die entscheidende Aufgabe. Entscheidend ist, die Frage für sich selbst zu klären, sodass man sie für sich selbst beantworten kann. Wenn andere diesem Vorgehen dann zustimmen umso besser, aber darauf sollte es (zumindest erstmal) nicht ankommen.

PS: Wenn dich meine persönliche Übersetzung der Sinn-Frage und die Antwort darauf interessiert, kann ich versuchen, das hier zusammen zu tragen. Aber vielleicht interessiert es dich ja auch nicht und das bisher von mir gesagte ist alles relevante was ich dir im Allgemeinen zu diesem Thema fürs erste raten kann. ;)

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Mi 12. Mär 2008, 17:04 - Beitrag #24

Zitat von Rechthabewoman:hier geht es primär nicht um meine probleme. im grunde bezieht sich der thread auf einen freund. mir fallen keine richtigen argumente ein warum man sich nicht umbringen sollte. das hat mich dazu veranlasst intensiv über das thema nachzudenken, was schließlich dazu führte, dass ich den sinn dahinter nicht finden kann. aber gut.
Meines Erachtens kommen diesen Fragen nach dem Sinn des Lebens nie ohne Grund auf, und es ist jetzt schwer für mich, etwas passendes und pragmatisches dazu zu sagen, wenn ich die genaueren Umstände und Probleme und vor allem die betreffende Person nicht kenne. Jedenfalls habe ich festgestellt, dass die Sinngrüblereien bei mir meist nur stattfanden, wenn mein Leben nicht ausgefüllt genug war. Soll heißen: Ich tat zuwenig Dinge, die mir Freude bereiteten und mich befriedigten, und die mich somit erfüllten. Denn letztendlich halte ich Ausgefülltheit, eine seelische Fülle, wenn man so will, für wahrlich den besten Sinn, den man dem Leben geben kann. Stehen dem bestimmte Probleme im Weg, dann sollte man versuchen, diese Probleme zu beseitigen.

hier wird ja oft gesagt, das man solch einen sinn nicht braucht.. doch ohne sinn... wonach handel ich dann? was bringt es zur schule zu gehen? was bringt dies un das.. wenn ich nur lebe, um glücklich zu sein, heißt das nicht, dass ich dann egoistisch werde? wieso sollte ich dinge noch für andere tun (außer ich tue das, um mich dabei glücklich zu machen)..?
Gegenfrage: Macht es dich nicht glücklich, wenn du andere glücklich machst? Mich schon. Man sollte aber auch auf sich selbst und sein eigenes Glück achten, keine Frage]Psychohygiene[/url] zu betreiben, ist gesund.
Zitat von Wikipedia:E. Schomburg formuliert die folgenden Lebensgrundbedürfnisse:



  • 1. Liebe
  • 2. Sicherheit
  • 3. Anerkennung, Bestätigung, Erfolgserlebnisse,
  • 4. Raum zu freiem schöpferischem Tun,
  • 5. Erlebnisse mit Erinnerungswert und
  • 6. Selbstachtung.
Auf das Erhalten oder Erreichen dieser Grundbedürfnisse zielt die Psychohygiene.


Btw, Leben ist nicht nur das Gegenteil vom physischen Tode. Es kann auch das Gegenteil vom psychischen Tode sein. Letzterer kann im kausalen Zusammenhang zum physischen Tod stehen, was wir für deine Freundin nicht hoffen wollen.

Also kann alles Leben auch der Sinn sein.

Sinn kommt für mich von Sinnlich... :) ...an guten Tagen.

Liebe Grüße

Maurice
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Do 13. Mär 2008, 13:41 - Beitrag #25

@Selbstmord:

Meiner Meinung nach sollte Selbstmord nicht leichtfertig erwägt werden, sondern nur, wenn man die Chancen für ein glückliches Leben für quasi ausgeschlossen hält.
Über Jahre andauerndes Leid war bisher kein Grund für mich, mich umzubringen. Dafür war das Leid damals noch nicht groß genug und meine Hoffnung zu stark, irgendwann glücklich sein zu können. Diese Hoffnung wurde dann auch erfüllt und ich erlebte fast drei sehr schöne Jahre. Die drei schönsten Jahre meines Lebens an die ich mich erinnern kann. Ich war fest überzeugt, dass dieses Glück ewig dauern wird ("ewig" natürlich nicht wörtlich genommen, sondern was das in Bezug auf ein Menschenleben bedeuten kann) und all die sonstigen Probleme, die ich sonst noch hatte, machten mir alle keine wirkliche Angst mehr, da ich ja jetzt einen festen Halt im Leben hatte. Glaubte ich zumindest. Dieser Glaube beruhte auf einer großen Portion Naivität, wie ich vor ein paar Monaten plötzlich und mit Schrecken feststellen musste. Der darauf folgende große Schmerz hat mir in manchen Dingen die Augen geöffnet, bzw. besser gesagt, manche Dinge erst so richtig klar gemacht. Die wichtigste Lektion war, dass man kontinuierlich für sein Glück kämpfen muss und sich nicht auf dem, was man hat, ausruhen darf, in der trügerischen Gewissheit, es nicht verlieren zu können.
Dann wenn alles Kämpfen aussichtlos erscheint und die Hoffnung vergeht, dass das zukünftige Leben wieder glücklich werden könnte, dann sollte man sich das Leben nehmen, da eine Nichtsein, einer Existenz im ständigen Leid vorzuziehen ist.

Zwar ist mein Leben wieder ein Dasein im Leid, doch habe ich die starke Hoffnung, dass ich wieder glücklich sein kann und dafür werde ich kämpfen. Ich weiß nur nicht, wie lange ich durchhalten werde, wenn die Erfolge ausbleiben...

Ipsissimus
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Do 13. Mär 2008, 15:06 - Beitrag #26

na ja, ich wage zu bezweifeln, dass es keine kleine Minderheit ist, die ihren Selbstmord abwägen. Die meisten dürften allmählich in diese finale Verzweiflung hinein trifften, und dann ist es Frage einer Augenblicksbefindlichkeit, ob sie es versuchen oder nicht.

... und sich nicht auf dem, was man hat ...


vielleicht nur Worte, aber ein zentraler Denkfehler, denn man hat nie etwas. Alles Zwischenmenschliche ist immer ein Prozess, und das beste, was uns gelingen kann, besteht darin, diesen Prozess, d.h. alle seine Einflussparameter, in ein Fließgleichgewicht zu bringen, das dann mit geringerem Aufwand nachgeregelt werden kann, als es für die Herbeiführung des Fließgleichgewichts möglich ist.

Dazu gehört aber auch eine gewisse Gelassenheit^^ zu sehr zu kämpfen, ist in Fragen des Glücks oft kontraproduktiv "ja, renn′ nur nach dem Glück, das Glück läuft hinterher"^^

Maurice
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Do 13. Mär 2008, 15:26 - Beitrag #27

Da wirft man mir manchmal Haarspalterei bei der Wortwahl vor und tut das der Chef-Esoteriker des Forums selbst. ^^*

Klar "besitzen" kann man einen Menschen nicht wirklich (zumindest wenn es in der Gesellschaft keine Sklaverei gibt). Und auch eine Beziehung "besitzt" man nicht so, wie man ein Auto besitzen kann. Und ich will meinen Partner auch nicht wie ein Auto besitzen, das ist doch klar. Ich denke, du verstehst schon, was ich mit dem, was ich weiter oben schrieb, meinte. ;)

Und ja, auch mit dem Kämpfen muss man vorsichtig sein. Wenn dir das Wort nicht gefällt, spreche ich stattdessen von "arbeiten".
Vielleicht gefällt dir folgende Formulierung (mit gleichem Inhalt) besser:
"Die wichtigste Lektion war, dass man kontinuierlich für sein Glück arbeiten muss und sich nicht auf dem, was einem zuteil wurde, ausruhen sollte, in der trügerischen Gewissheit, es nicht verlieren zu können."
Besser? ;)

Ipsissimus
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Do 13. Mär 2008, 15:39 - Beitrag #28

besser :-) noch besser: mit Gelassenheit arbeiten^^

Maurice
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Do 13. Mär 2008, 15:44 - Beitrag #29

Daran arbeite ich. ;)

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Do 13. Mär 2008, 16:05 - Beitrag #30

das erfreut meine Esoterikerseele^^

Maurice
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Do 13. Mär 2008, 17:49 - Beitrag #31

Für einen Möchtegern-Epikureer wie mich ist das doch selbstverständlich ein Ziel. ;)

Ipsissimus
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Do 13. Mär 2008, 19:04 - Beitrag #32

das war mir nicht ganz klar^^ ich dachte, es zieht dich in die Wittgensteinsche Ecke^^

Maurice
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Do 13. Mär 2008, 20:11 - Beitrag #33

Häh, warum Wittgenstein? Iirc hat der doch nur Sprachphilosophie gemacht und keine Ethik. Und was die Ethik/Lebensphilosophie angeht, ist Epikur der bisher für mich sympathischste Philosoph. Und für ihn war wie für alle hellinistischen Schulen (iirc) die Seelenruhe das zentrale Ziel, nach dem die Menschen streben sollten. :)

PS: Und Epikurs Philosophie kann man berechtigt als (mindestens teilweise) analytisch bezeichnen - man denke nur mal an sein Theodizee-Argument.

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Fr 14. Mär 2008, 11:41 - Beitrag #34

das (Anti-)Theodizee-Argument (Gott kann angesichts der Übel in der Welt entweder nicht allmächtig oder nicht wohlwollend sein) stammt allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem anonymen Skeptiker; Laktanz, De ira dei 13, 20-21 ist laut dem Altphilologen Reinhold F. Glei fast sicher ein "wie man sagt". Von Epikur selbst sind keine dezidiert atheistischen Positionen überliefert.

Das Wesentliche an Epikur ist nicht das Ziel der Seelenruhe, sondern der Weg dahin. Die Kyniker versuchten es mit Askese und Selbstkasteiungen, die Kyrenaiker dadurch, dass sie in Zeiten des Wohlbehagens und in Zeiten der Not die gleiche distanziert-heitere Gelassenheit bewahrten (à la Montesquieu: "Meine Maschine ist so glücklich zusammengesetzt, dass ich von allen Gegenständen lebhaft genug ergriffen werde, um sie zu genießen, aber nicht lebhaft genug, um darunter zu leiden."), und Epikur eben durch ataraxia, Unerschütterlichkeit der Seele, die sich durch positive und negative Emotionen gleichermaßen nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ataraxie ist bei Epikur ein bisschen Werkzeug und Ziel gleichzeitig^^

mir persönlich sind die Kyrenaiker am sympathischsten, stehen auch dem Ethos am nächsten, dass sich aus meiner Zenpraxis heraus für mich ergeben hat^^

bzgl. meiner Wittgensteinschen Vermutung, ich dachte halt irrtümlich, dass du gewillt seist, alles mit Sprachphilosophie zu erschlagen, und da wäre Wittgenstein so was wie ein natürliches Erkenntnis-Ziel^^

Maurice
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Fr 14. Mär 2008, 12:08 - Beitrag #35

Also ich habe einige Bücher über Epikur gelesen (und auch meine Zwischenprüfung über ihn gehabt), weshalb ich mich nicht auf eine Deutung von Epikur festlegen will. Dafür gibt es doch teilweise sehr unterschiedlcihe Deutungen seiner Ethik, vor allem wie man sich die "Glückseeligkeit" bei ihm vorzustellen hat.
Ich lese ihn so, dass sein Ideal eine möglichst sichere strukturelle Glücksmaximierung ist, die sich in einer allgemeinen Lebensfreude ausdrückt, die auf der Vermeidung von extremen Gefühlen beruht und durch Vernünftigkeit, Bescheidenheit, Gelassenheit und gestige und zwischenmenschliche Betätigung errreicht wird. (Das als ganz, ganz kurze Zusammenfassung.)

@Theodizee: Kann sein, dass das nicht von Epikur stammt, aber ich habe zumindest an einigen Stellen dieses Argument gelesen, was Epikur zugeschrieben wurde. (Sinngemäß: "Es kann keinen Gott geben, weil der Gottesbegriff beinhaltet, dass Gott allmächtig und wohlwollen wäre, dies aber nicht mit den Übeln in der Welt zu vereinbaren ist.")
Aber selbst wenn dieses Argument nicht von Epikur geäußert worden ist, argumentiert er in Bezug auf die Frage nach den Göttern durchaus sprachanalytisch. (Sinngemäß: "Wir brauchen keine Angst vor den Göttern zu haben, da sie sich in ihrer sorglosen Existenz nicht um die Menschen kümmern.")

Hmm, soll es aber weiter über Epikur gehen? Ist semi-ot... Es geht nicht mehr direkt auf die Fragen von RechtHabeWoman (ich kürze im folgenden mit "RHW" ab) ein, doch Epikur sagt ja durchaus was zu der Frage nach dem Sinn des Lebens bzw. wie ein gelungenes Leben auszusehen hat.

PS: Mein Hauptkritikpunkt an Epikur ist, dass er von einer einheitlichen Natur des Menschen ausgeht, welche es so imo nicht gibt. Ich glaube daher entgegen seiner Ansicht, dass ein bestmögliches Leben nicht für jeden Menschen so beschaffen ist, wie es Epikur rät. Mit seinem vertretetenen Ideal kann ich mich aber zum größten Teil identifizieren. (Eine Sache bei der das nicht der Fall ist, ist seine allzu große Skepsis gegenüber der Sexualität.)

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Fr 14. Mär 2008, 12:31 - Beitrag #36

Zitat von Rechthabewoman:im moment ist es so, dass sie nicht über ihre probleme reden möchte. zwar hatte sie sich mir anvertraut, hält seit einigen wochen ein großen abstand zu mir. so kann ich nichts tun. ich weiß wie schlecht es der person geht, aber wenn sie sich nicht helfen lassen möchte (wobei.. was kann ich schon tun?), bleibt mir ja nichts übrig als weiter zu hoffen, dass sie sich nicht umbringt.. doch hier komm ich zu einem inneren konflikt... mein gewissen kann das so nicht ruhen lassen. wenn sie sich tatsächlich etwas antut, dann werd ich mir das mein leben lang vorwerfen... mir würden gedanken durch den kopf schießen wie "hättest du damals anderes reagiert, dann..." damit könnte ich schwer umgehen...

vll is das thema schlecht gewählt, da es eigentlich um einen anderen sachverhalt geht.. doch aus der verzweiflung raus, is mir nichts besseres eingefallen als nach gründen zu fragen.. :/


Rechthabewoman,
da tappst du in eine üble Falle!
Wenn deine Freundin Suizid begeht, dann ist sie dafür verantwortlich, nicht du.

Wenn sie aus physiologischen Gründen depressiv ist, so wird man sie möglicherweise wirklich medikamentös behandeln können. Hat es seelische Ursachen, so kann eine Gesprächstherapie helfen, und dafür ist ein Psychotherapeut zuständig.
Bei massiv geäußerten Suizidabsichten oder - versuchen kann man jemanden durchaus zwangseinweisen - aber das wiederum ist Sache ihrer Familie.

Deine Freundin hat aber auch die Option, sich selbst in klinische Obhut zu geben, um herauszufinden, wieso sie ein selbst herbeigeführtes Ende so verlockend findet und was sie daran hindert, Zukunft anzunehmen.

Ich habe häufig mit Menschen zu tun, die Suizidabsichten haben und nur die allerwenigsten haben gar keine Perspektive mehr, z. B., weil sie unheilbar krank sind.
Meist geht es darum, eine vermeintlich unerträgliche Situation zu beenden oder ihr zu entfliehen. "Das soll aufhören." Es wird nur gern übersehen, dass dann wirklich alles aufhört.

e-noon hat es ganz gut dargestellt: Die Option des Suizids bleibt einem erhalten, aber man kann gucken, ob man weitermachen kann. Einen Tag vielleicht. Vielleicht eine Woche.

Du bezweifelst, ob Egoismus nicht ein falscher Antrieb sei. Nun, ich denke, ein gesunder Egoismus hält uns am Leben, denn letztendlich ist man immer auf sich selbst gestellt und für sich selbst verantwortlich. Deshalb auch meine Meinung, dass nur ich meinem Leben sowas wie "Sinn" geben kann.
Da gefällt mir auch Spenders Anmerkung, dass "Sinn" etwas mit "Sinnlichkeit" zu tun hat.

Maurice
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Fr 14. Mär 2008, 12:46 - Beitrag #37

@Sinnbegriff:

Wo du jetzt wieder direkt auf den Ausdruck "Sinn" eingehst:
Ich persönlich verstehe und einem Lebenssinn dasjenige, was mich ausfüllt, was mir trotz widriger Umstände eine gewisse Standhaftigkeit verleiht und das ich angebe, wenn mich jemand fragt, was das übergeordnete Ganze ist, nach dem sich mein Streben ausrichtet. Dieses höhere Etwas, was den Sinn meines Lebens darstellt bzw. dahingehend meinem Leben einen Sinn gibt, weil es mich auf einer existentiellen Ebene erfüllt (<- bewusstes Wortspiel), ist ein intrinisches Gut; d.h. ich strebe es um seiner selbst willen an und es kann nicht wiederum mit einem anderen Gut gerechtfertigt werden.
Man könnte es auch so formulieren: Das, was wir wirklich lieben, gibt unserem Leben einen Sinn. Wer nichts wirklich liebt, dessen Leben hat keinen Sinn.

Und auch wenn es momentan schmerzhaft ist, bin ich trotzdem froh, jemanden gefunden zu haben, den ich wirklich liebe. :)


PS: Mir ist durchaus bewusst, dass diese Äußerungen für den ein oder anderen hier aus meinem Mund etwas befremdlich klingen könnte. Es widerspricht in meinen Augen aber nicht meiner analytischen Art, dass mein Denken in letzter Zeit eine gewisse existentialistische Färbung bekommen hat. Imo ergänzt sich das ganz gut. ^^

Ipsissimus
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Fr 14. Mär 2008, 12:56 - Beitrag #38

sie steht dir gut, die Färbung^^

Rechthabewoman
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Fr 14. Mär 2008, 12:57 - Beitrag #39

Also erstmal vielen Dank, dass ihr alle so auf das Thema eingegangen seid und mir eure Meinung verraten habt.

Ich glaube, ich schließe mich der Äußerung von Maurice an:

Das, was wir wirklich lieben, gibt unserem Leben einen Sinn. Wer nichts wirklich liebt, dessen Leben hat keinen Sinn.


Ja, damit kann ich mich am ehesten identifizieren.

Was die Sache mit meiner Freundin angeht: Sie begibt sich in Psychologische Hilfe. Darüber bin ich auch froh. Ich denke, sie wird sich in nächster Zeit nichts tun. Nja, aber das ist ein anderes Thema...

Jeder macht wohl so eine "Sinnkrise" durch, wo vieles unmöglich und unerträglich erscheint. Da bin ich keine Ausnahme... Eine gesunde Portion Egoismus hilft wohl tatsächlich über viele Dinge hinwegzukommen...




Aber mal etwas anderes...

Man sollte sich wohl nicht zu stark auf eine Person oder eine Sache fixieren. Sobald dies wegfällt, kann es eben sein, dass ein großes Defizit entsteht... Dieses sollte man anders füllen, z.B. man baut sich ein soziales Netz auf und "verteilt" seine Freuden und Sorgen unter diesen. Kleine Dosierung auf eine größere Menge = weniger Leid, wenn eine Stütze wegfallen sollte. Was haltet ihr davon? Das ist doch wesentlich gesünder, nicht?

Maurice
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Fr 14. Mär 2008, 13:13 - Beitrag #40

@Fixierung:

Ich war viele Jahre lang fest davon überzeugt, dass ich nur einen Menschen bräuchte, um vollständig und sicher glücklich sein zu können. Von diesem Ideal (durch das soziale Umfeld und gewisse Medien gefördert) habe ich mich immer noch nicht ganz gelöst und will mich auch nicht ganz lösen. Jemand hat mich aber vor nicht allzu langer Zeit mit guten Argumenten davon überzeugt, nicht alles nur auf eine Karte zu setzen, denn man kann eben nicht die Sicherheit erlangen, dass diese Karte für den Rest deines Lebens im Spiel bleiben wird. Man sollte daher mehr als eine Stütze im Leben haben - was aber nicht bedeutet, dass eine Person nicht die Hauptstütze sein kann. Es sollte aber eben nicht so sein, dass man plötzlich keine Stütze mehr hat, wenn die Hauptstütze wegfällt.

Es spricht daher in meinen Augen nichts dagegen, sich auf eine oder wenige Personen zu fixieren, sofern man sich noch auf andere Weise absichert. Um eine Fixierung auf bestimmte Dinge oder Menschen kommt man aber auch nicht herum, wenn das Leben einen Sinn haben soll, denn wahre Liebe ist eine Form der "Fixierung", weil das eigene Wohlergehen untrennbar mit dem Wohlergehen des geliebten Wesens verbunden ist.

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