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Di 14. Okt 2008, 09:38 - Beitrag #21 |
meine Argumentation läuft darauf hinaus, dass die Frage der einheitlichen Währung, abgetrennt von der Problematik der Globalisierung, nur unzureichend verstanden werden kann, weil dann wichtige Rahmenparameter außer Acht bleiben. Die Zielsetzung der Globalisierung ist die Erpressbarkeit der Nationalstaaten im Sinne zunehmender Privilegienwirtschaft. Schaut man sich die Herkunft des staatlichen Steuereinkommens an, wird man feststellen, dass es eine Verlagerung gegeben hat: immer weniger Steuern von den Global Players, immer mehr Steuern vom Mittelstand und den kleinen Unternehmen und insgesamt sinkende Steuereinnahmen. Die einheitliche Währung ist da, wie ich schon schrieb, nur das Tüpfelchen, das dem Bürger persönliche Vorteile suggeriert, für die er durch das allmähliche Wegbrechen des Solidarprinzips allerdings längst mit massiven, wenn auch verschleierten Nachteilen bezahlen muss.
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Wer bist du, dass du die Qual lindern kannst und es nicht tust ...
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Di 14. Okt 2008, 21:57 - Beitrag #22 |
Das mit den insgesamt sinkenden Steuereinnahmen müsstest du mir nachweisen (z. B. anhand von der Statistik vom Bundesministerium).
Ich glaube, ich verstehe aber deine Globalisierungskritik im ganzen noch nicht. Ich zeichne mal zwei Karikaturen deiner Ansicht, gegen die du deine Ansicht vielleicht systematisch absetzen könntest, damit ich (wir) mehr Klarheit darüber gewinnen kann, was überhaupt präzise deine Ansicht ist. 1) Globaler Handel ist etwas schlechtes [oder auch schon Handel zu anderen europäischen Staaten wie Spanien oder Frankreich, also die, mit denen wir gerade den Euro teilen]. Wir sollten auf transnationalen Handel komplett verzichten, idealerweise auch die Grenzen dicht machen. Letzteres ist notwendig, da unser Nationalstaat massiv dadurch gefährdet sein kann, wenn gerade unsere jungen und qualifizierten Kräfte in andere Staaten abwandern, wo irgendjemand ihnen vielleicht bessere Möglichkeiten gibt; oder alternativ könnten diese unseren Nationalstaat dazu zwingen, ihnen zahlreiche Privilegien zu gewähren, damit sie gerade nicht abwandern. 2) Man sollte dringend Zollgrenzen zwischen unseren verschiedenen Kommunen errichten. Diese schützen die Kommunen vor der Erpressbarkeit durch die Konzerne; denn diese können mit dem Wegfallen von vielen Millionen Gewerbesteuer drohen und sich so Privilegien heraushandeln. (das gleiche geht auch statt mit Kommunen mit Ländern). Wo wir uns doch aber alle einig sein sollten, ist, dass globaler Handel erstmal etwas positives ist. Viele Rohstoffe könnten wir sonst gar nicht oder nur höchst teuer (Kohle z. B.) bekommen; unser technologischer Stand wäre sehr viel niedriger (und damit auch unser Wohlstand). Genauso einig dürften wir uns sein, dass Zollgrenzen zwischen Kommunen absurd sind; es bleibt die Frage, wie absurd Zollgrenzen zwischen Deutschland und Frankreich oder anderen EU-Staaten sind (und nur um EU-interne "Globalisierung" ging es ja ursprünglich in dem Thread und gegen diese hast du dich gewandt). Und wie dürften uns auch einig sein, dass globaler Handel nicht vollkommen ohne Regulierungen auskommen kann (auf jeden Fall momentan). Wobei ich mir nicht anmaßen will, dass korrekte Ausmaß davon ernsthaft einzuschätzen; dass ist, denke ich, eine recht schwierige volkswirtschaftliche Frage. |
Eine profunde Wahrheit ist eine solche, deren Gegenteil ebenfalls wahr ist.
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Mi 15. Okt 2008, 10:15 - Beitrag #23 |
bezüglich der Steuereinnahmen habe ich vor allem im Letzten Teil schlampig formuliert, ich bitte zu entschuldigen. Was ich in dieser Passage sagen wollte, ist folgendes:
Quelle: http://afp.google.com/article/ALeqM5hCLnaggkJq9OcfMB3P9Zk8NXSVKg den Konsens, wonach globaler Handel etwas Wünschenswertes sei, teile ich durchaus nicht, jedenfalls nicht im vollen Umfang dieser Aussage, und schon gar nicht, wenn mit "globalem Handel" die Art von globalem Wirtschaftsimperialismus gemeint ist, die dazu geführt hat und es derzeit und seit langem sichert, dass etwa 20 Prozent der Erdbevölkerung auf etwa 75 Prozent der verfügbaren Ressourcen zugreifen können. Die eigentlichen Besitzer dieser Ressourcen werden dabei ebenso formalkorrekt wie bösartig über den Tisch gezogen. Das ist die primäre Ursache meines Missvergnügens am globalen Handel, den es eben nicht "an sich" gibt sondern nur in der Art, wie er sich gestaltet, das heißt gestaltet wird von denen und zugunsten derer, die über die größten Machtprivilegien verfügen. Allerdings ist das natürlich eine andere Argumentationslinie, denn im Moment geht es hier darum, dass globaler Handel, der sich über bestehende Handelsschranken hinwegsetzen kann, bzw die menschlichen Gesellschaftsformen im Sinne des Abbaus bestehender Handelsschranken umformt, letztlich auf alle zurückfällt: die Industrieländer rutschen zunehmend in die Verelendung durch Drift der Mittelschicht in die Unterschicht, die "Schwellen-" genauso wie die "Entwicklungs-"länder werden bemerken, dass alle Marktnischen bereits von den Markstrategen der Global Players identifiziert und von den jeweiligen Unternehmen besetzt wurden, so dass aller Nutzen, den diese Länder aus ihren Rohstoffen und sich entwickelnden Industrien ziehen könnten, von vorherein auf die kommerzielle Kalkulation zugeschnitten ist (und von dieser begrenzt wird), welche die in den jeweiligen Ländern das Sagen habenden Unternehmen für ihren eigenen Geschäftserfolg aufgestellt haben. Was die "Chancen" der Globalisierung angeht: wenn auf 10 Bankrott gegangene KMUs zwei kommen, die durch Ausweitung ihres Geschäfts auf den internationalen Markt das Unternehmen retten konnten, so erachte ich das als volkswirtschaftliche Katastrophe, nicht als Erweis der Chancenhaltigkeit der Globalisierung. |
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Mi 15. Okt 2008, 16:32 - Beitrag #24 |
In der Ansicht, dass Globalisierung nicht nur positive Seiten hat, gehen wir, wie bereits gesagt, natürlich konform. Ich besitze insgesamt leider nicht die Sachkenntnis, um deine teils eher polemischen Äußerungen wirklich sachgerecht zu beurteilen und gegebenenfalls zu korrigieren. Trotzdem ein paar kurze Anmerkungen.
1) Ganz abgesehen davon, dass gar nicht so klar ist, was eigentlich ein "eigentlicher Besitzer" ist (warum ist es meins, wenn ich es zufälligerweise auf meinem Land bzw. innerhalb von 200km vor meinem Land ist?), ist es wohl nicht wahr, dass jedes "Entwicklungsland", das größere Mengen von Rohstoffen besitzt, darum betrogen wird. Was ist z. B. mit den OPEC-Staaten, insbesondere Saudi-Arabien? Allein Saudi-Arabien exportiert für 190 Milliarden Dollar im Jahr Öl. Und wie sinnvoll sie dieses Geld verwenden... 2) Ich betone, dass es bei der Einführung des Euro nur um "Globalisierung" innerhalb der EU ging. Wo siehst du da die Phänomene und Mechanismen, die du bemängelst? 3) Was verstehst du genau unter Verelendung der Industriestaaten? Es ist ja nicht gerade so, als ob heute ein Hartz4-Empfänger finanziell wesentlich übler dran wäre als ein Arbeiter in den 50ern....vom Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers natürlich ganz abgesehen, da ist natürlich der Wohlstand wesentlich höher als beispielsweise vor 50 Jahren und da müsste er schon ganz dramatisch sinken, damit er da wieder hinkommt. 4) Das mit der Abgabenlast sieht zumindest der Spiegelartikel, den ich im Haider/Lafontaine-Thread zitiert hat, anders, aber ich konnte dessen Quelle im Internet leider nicht finden. So oder so gebe ich dir recht, dass die genau Verteilung und Höhe der Abgabenlast eine Überdenkung sicherlich wert wäre. |
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Do 16. Okt 2008, 09:42 - Beitrag #25 |
wer auch immer der "eigentliche Besitzer" von hunderttausend Quadratkilometer Urwald hier und da ist, die Firma, welche lokalen Einwohnerstämmen für einen Apfel und ein Ei die Verwertungsrechte aller in den nächsten hundert Jahren aus den Ressourcen des Gebietes zu entwickelnder Patente - sehr beliebt: neue Medikamente - aus dem Ärmel leiert, ist es jedenfalls nicht
die OPEC-Staaten wird wohl kaum jemand für Entwicklungsländer halten können. Die zählen nur aufgrund einer sehr verstaubten und snobbistischen Sichtweise nicht zu den G8 - vielleicht, weil arabische Nationen aus unserer Sicht per se Kulturen zweiter Klasse sind? Verelendung der Industrienationen? Das, was derzeit in Deutschland passiert. Abbröckeln der Mittelschicht, Auflösung sozialstaatlicher Strukturen, Aufhebung des Solidarprinzips. Ich sehe diesbezüglich einen inneren Zusammenhang mit der Globalisierung, weil die Globalisierung die früheren wichtigsten Steuerzahler - die Großkonzerne - in die Lage versetzt, mit der Drohung der Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland im Inland Wohlverhalten in Form von massiven Steuererleichterungen und ähnlichem zu erzwingen. Die Diskussion zu Hartz-4-Bezügen wurde Hierhin abgetrennt - Traitor |
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Do 16. Okt 2008, 19:39 - Beitrag #26 |
Zu den OPEC-Staaten: deswegen habe ich Entwicklungsland in Anführungszeichen gesetzt. Obgleich sicherlich Nigeria z. B. auch im vollen Sinne ein Entwicklungsland genannt werden kann [es ist bekanntlich ja keineswegs so, dass alle OPEC-Staaten in arabisch sind]. Aber auch beispielsweise Saudi-Arabien erfüllt sicherlich nicht alle Kriterien, die an einen G7-Staat gelegt werden (Russland ist ja mehr wegen einer weltpolitisch/militärischen Bedeutung dabei, denke ich, und hat auch keine Vollmitgliedschaft). Selbst wenn man nur nach Bruttoinlandsprodukt geht, kann Saudi-Arabien (trotz all der Rohstoffe) nicht mit den G7-Staaten mithalten. Ganz davon abgesehen, dass von Demokratisierung und einer breitgefächerter Industrie nicht viel zu sehen ist (auch Indikatoren wie Infrastruktur etc. könnte man heranziehen). China hätte viel eher einen Anspruch darauf G8-Staat zu werden.
Rest in den Hartz-4-Thread verschoben - Traitor |
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