Hinlänglichkeit und Würdigkeit der Hartz-4-Bezüge

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mine'S^
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Di 21. Okt 2008, 21:13 - Beitrag #21

ICh beziehe mich auf die ges. Grundlage und du behauptest am beispiel pers. Erfahrung, dass das nicht richtig sei. Die ges. Grundlage ist absolut 100% und über jeden Zweifel erhaben, wenn du - was ich um ehrlich zu sein sehr bezweifle - nicht entsprechend Unterstützung bezogen hast, dann ist das trotzdem keine Widerlegung der ges. Grundlage sondern ein Einzelfall bei dem die Anwendung der Richtlinie nicht funktioniert hat.

e-noon 600 Euro zum Leben ist doch sehr beachtlich, das reicht mir nichtmal für Autofinanzierung und Benzin Bild

Maglor
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Di 21. Okt 2008, 21:15 - Beitrag #22

e-noon, deine Lebensumstände sind doch gar nicht vergleichbar.
Wo bitte ist das Zigarettengeld, das Hundefutter, das Premiere-Abo... :crazy:
Richtig ist natürlich, dass es in Deutschland auch bedürftige Menschen ohne Hartz-IV-Anspruch gibt. Schlicht und einfach weil sie unter 25 sind oder mit einem "Verdiener" verheiratet, weil sie Studenten folglich nicht arbeitslos sind... Diese Personengruppen sind es auch, die durchaus zu geringeren Löhnen arbeiten, als sie der gedachte Mindestlohn, der eben angeblich vom Hartz-IV-Satz vorgegeben sein soll.

Ansonsten könnte einige Bundesbürger, die es nötig haben, eine Menge Geld sparen, wenn sie kochen könnten. Schau sich mal einer die Preise für Kartoffeln, Reis, Nudeln oder auch Gemüse und erzähl er mir, man könne eine ganze Familie von weniger als 10 € am Tag ernähren. (Dabei sind 10 € ja nur der Tagessatz eines einzelnen.)

Padreic
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Di 21. Okt 2008, 23:17 - Beitrag #23

@Maglor: 10€ sind natürlich der Tagessatz für alles zusammen; offiziell sind für Essen dabei nur um die 4€ eingerechnet; was aber natürlich auch selbstverständlich möglich ist. Gerade Nudeln sind ja quasi umsonst. Probleme mit den 4€ auszukommen, bekommt man natürlich tendentiell bei Fleisch, da muss man sich vermutlich dahingehend einschränken, nicht jeden Tag Fleisch zu essen oder recht billiges Fleisch zu nehmen.

Hinzu kommt natürlich noch, dass man als Bedürftiger durchaus noch mitunter Lebensmittel billiger als zum normalen Ladenpreis, teilweise sogar kostenlos bekommen, wie z. B. bei den Tafeln, die überschüssige oder nicht ganz den handelsüblichen Qualitätsanforderungen (Brötchen von gestern z. B.) Lebensmittel verteilen.

mine'S^
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Mi 22. Okt 2008, 00:05 - Beitrag #24

Wenn ich kochen könnte, was wäre das geil, anderseits würden dann einige Lieferservices, Restaurants und Fast food Ketten erhebliche Umsatzeinbußen erleiden, ich denke nur ans Gemeinwohl. Bild Außerdem bräuchte ich dann diese widerlichen Vitamin-Drink-Dinger nicht mehr und iwie habe ich mich an den Geschmack von Kürbis-Karotten-Bananen-Apfel-Orangen-Kiwi-Zitronen-X-Saft gewöhnt.

Lykurg
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Mi 22. Okt 2008, 00:22 - Beitrag #25

Da ich kochen kann^^ und nicht auf täglichem Huhn im Topf bestehe, waren meine Ausgaben in Wien ähnlich wie e-noons - sogar deutlich geringer, allerdings ist das nicht vergleichbar, da mein Studentenwohnheim, ein Drecksloch (wie damals beschrieben), äußerst günstig und warm vermietete. Meiner Schätzung nach (ich sollte die genauen Zahlen allerdings nochmal rauskramen) kam ich inklusive reichlicher Konzert- und Opernbesuche sowie gelegentlicher Heimflüge auf etwa €180 im Monat, 'brutto' waren es jedenfalls nur €400.

Ich hatte u.a. kein eigenes Internet (unfreiwillig^^), und Telefon mit pay-per-use-Regelung - da ich praktisch nie telefoniere, sehr praktisch. Bild Ich habe zwar nicht täglich Fleisch gegessen, bin aber auch nicht davon gefallen, auch weil immer genug Geld für Äpfel und gesunde Schokolade da war.^^

Padreic, auch an Heizkosten kann man (in vernünftigen Grenzen natürlich) erheblich sparen, indem man sich entsprechend warm kleidet und bewegt, statt die Wohnung ab September auf 24° zu halten...

Ipsissimus
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Mi 22. Okt 2008, 09:45 - Beitrag #26

tja, Schatz, da kann man nichts machen

e-noon
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Mi 22. Okt 2008, 09:45 - Beitrag #27

Hast du dich in deinem Studentenheimdrecksloch menschenunwürdig gefühlt?

Nochmal zum besseren Verständnis und als Vorwegnahme der zu erwartenden Einwände:

Ich sage nicht, dass man mit 351 Euro + Wohngeld große Sprünge machen kann (das kann man allerdings auch mit niedrigem Gehalt, wofür man arbeitet, nicht);
Ich sage nicht, dass man davon leicht seine Kinder großziehen kann (das kann man allerdings auch mit niedrigem Gehalt, wofür man arbeitet, nicht);
Ich sage nicht, dass man keine Probleme bekommt, wenn man eine teure Krankheit hat (die bekommt man allerdings auch bei niedrigem Gehalt, wofür man arbeitet);
Was ich sage, ist zum einen, dass ich Padreics These zustimme: Arbeiter in den 50er Jahren ging es nicht viel besser als Hartz-IV-Empfängern heute - das bedeutet, dass man heute bei 24 Stunden Freizeit am Tag fast so gut gestellt ist wie vor 50 Jahren hart arbeitende Menschen, und viele Freizeitvergnügen sind heute deutlich billiger oder erst erfunden (fernsehen, internet, video games, computerspiele ...), von denen heutige Sozialleistungsempfänger eher profitieren können als Arbeitnehmer vor 50 Jahren.
Zum zweiten sage ich, dass somit das Leben der Hartz-IV-Empfänger, also ein Leben auf der Basis von 351 Euro im Monat, nicht zwangsweise menschenunwürdig ist (höchstens wenn Härtefälle oder aber starke unerfüllbare Bedürfnisse, Drogenkonsum o.ä. hinzukommen); soweit ich das sehe, haben sie Zugang zur Befriedigung aller Grundbedürfnisse, und menschliche Kontakte, meiner Meinung nach eines der wichtigsten "Luxusgüter", sind ja laut Ipsi auch nicht unmöglich. Die 24 Stunden Freizeit am Tag sollten auch dazu beitragen, einerseits durch Preisvergleich viel sparen zu können, andererseits einen Ausgleich zum finanziellen Mangel darzustellen.

Als Antwort würde ich mir, soweit gerechtfertigt, sachliche Kritik wünschen, kein bloßes Kopfschütteln oder zynische Klagen.

Milena
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Mi 22. Okt 2008, 12:48 - Beitrag #28

...meimeimei......^^
also,
was mich insbesondere gewaltig zwickt, sind diese immer so hochgepriesene 351€ sozialhilfegeld....
bei mir sieht das so aus, dass ich davon nichts bekomme...
deshalb nichts, weil mein sohn mit im haushalt lebt und sein ausbildungsgeld komplett angerechnet wird,
aber das habe ich bereits schon mal erwähnt....
ich stehe also quasi als frau/mutter mit 2 kindern da, die ausser miete und heizung nichts bekommt....was nicht heisst, dass sie nichts bekommt, da sie
ja die miete und die fernwärme bekommt,
aber das habe ich auch bereits schon mal erwähnt....
und immer wieder muss ich kontern, dass diese 351€sozialhilfegeld für eine person nicht immer geltend sind.....
mein sohn, der anderweitige ausgaben, schulden, rechnungen, auto etc hat, ist schliesslich ein junger kerle und arbeitet den ganzen tag sehr hart (fliesenleger) muss quasi zum haushalt mitbeitragen, weil es so gesehen, diese 351€ für keinen von uns 3personen im haushalt lebenden gibt.....
und ich brauche wirklich keine vergleiche von studenten, wie sie sich durchs leben boxen, denn die perspektive, die lebensumstände, die lebenserfahrungen ist nicht zu vergleichen, mit frauen mit kindern, mit arbeitslosen, mit geringverdienenden arbeitenden menschen hier in deutschland.......
und beispiele anzugeben, dass spaghettis quasi umsonst sind,
ist einfach eine unverschämtheit,
denn selbst tagtäglich müssen spaghettis irgendwie noch mit einer sosse gegessen werden und nach mindestens einer woche kämen selbst noch lebensunerfahrenen, noch studierenden menschen die spaghettis aus den ohren wieder herausgekrochen....
ich finde es einfach ein unding, sich gedanken zu machen, wie ein arbeitsloser sich doch mit diesen hunderten von euros ein genehmes, akzeptables leben machen kann hier in deutschland, während andere sich jahrelang qualvoll durchs studium sich plagen oder andere sich mühselig etliche stunden am tag in einem job abrackern......
reicht es nicht, einfach zu bemerken, dass es 2 unterschiedliche schichten hier gibt, dass es die einen geschafft haben, die anderen es aber niemals mehr schaffen werden,.....
und gut ist es.....
einfach die kenntnissnahme, es gibt 2 gruppierungen: armut, reichtum
arbeitende, arbeitslose....
und mehr wollte ich nicht....einfach diese kenntnissnahme,.........
und ich brauche keine rezeptvorschläge, wie ich einen 3personenhaushalt, mit dem kindergeld zu aldi gehe und tagtäglich damit sattbekomme.....
solche rezepte habe ich zu genüge bereits ausprobiert...^^

Padreic
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Mi 22. Okt 2008, 16:59 - Beitrag #29

Du hast sicherlich recht, dass die Situation eines Studenten eine andere ist, auch wenn er vielleicht mit noch weniger Geld auskommen muss. Vielleicht wird das Leben mit so wenig Geld erst dadurch gut erträglich und menschenwürdig, dass die Hoffnung auf etwas besseres gegeben ist. Zumindest fände ich die Vorstellung bedrückend, mein Leben lang auf 16qm zu leben.

Und vielleicht ist auch der Hinweis auf die Arbeiter in den 50ern verfehlt. Wenn es einem Menschen schlecht geht, hilft es auch nicht, wenn man ihm sagt, dass es vor 50 Jahren noch viel mehr Menschen genauso schlecht ging oder noch schlechter.

Und ich weiß, dass es Bullshit wäre, wenn ich auch noch sagte, dass es auch billige Saucen gibt; das kann man auch nicht jeden Tag essen und über 50 Jahre hinweg wohl auch nicht jede Woche. Oder man kann schon, aber man will es nicht.

Vielleicht sollte ich auch lieber schweigen, jedenfalls weiß ich nicht mehr was ich sagen soll. Was weiß ich davon, was Hoffnung ist... (jede Vorstellung meiner Zukunft erschreckt mich). Auf jeden Fall danke ich dir, Milena für deinen Beitrag; sicherlich einer der wahrsten und gehaltvollsten in dieser Diskussion (auch wenn ich das mit den zwei Schichten wohl versuchen würde, differenzierter zu sehen).

Lykurg
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Mi 22. Okt 2008, 18:04 - Beitrag #30

Padreic, ich gebe dir absolut darin recht, daß die Vorstellung, unter solchen Umständen viele Jahre zu verbringen, mir nicht behagt; daß das Wissen um die Befristetheit des Zustands ihn für mich leicht erträglich machte und mir half, auch negativen Aspekten mit Humor zu begegnen. Allerdings wohnten einige meiner osteuropäischen Mitbewohner eine Reihe von Jahren dort, ohne sich zu beklagen. Menschenunwürdig fand ich es jedenfalls damals nicht.

Es war sehr hilfreich, daß Milena ihre Sicht der Dinge dargestellt hat. Ich glaube ebenfalls, daß es kaum möglich ist, die Lebensumstände zu vergleichen. Sicherlich ist es einfacher, knappe Zeiten im Hinblick auf einen erhofften Aufstieg zu überstehen, als die Krise und Abstiegsangst nach einer Phase relativer Sicherheit. Möglicherweise liegt das Problem zu einem Teil darin begründet, daß unser Sozialsystem Perspektivlosigkeit nicht vorgesehen hat, auch Hartz IV als eine Überlebenshilfe gedacht ist, nicht als Dauerzustand, was aber an der sozialen Realität leider teilweise vorbeigeht.

Daß ich einer wäre, der den Aufstieg geschafft hätte bzw. noch schaffen würde, und damit zur glücklichen Schicht gehörte, ist für mich aber fraglich.
Qua Geburt schon, aber davon kann ich nicht mein Leben lang zehren. Was dann später wird... Bild

mine'S^
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Do 23. Okt 2008, 00:06 - Beitrag #31

ich finde es einfach ein unding, sich gedanken zu machen, wie ein arbeitsloser sich doch mit diesen hunderten von euros ein genehmes, akzeptables leben machen kann hier in deutschland, während andere sich jahrelang qualvoll durchs studium sich plagen oder andere sich mühselig etliche stunden am tag in einem job abrackern......


Ich finde nicht dass es anrüchig oder verwerflich ist nach der Berechtigung und Angemessenheit der Höhe einer gegenleistungslosen Transferleistung zu diskutieren, zumal diese ja ges. geregelt ist und diese ges. Regelung angezweifelt wird. Ich persönlich tue mir einfach sehr schwer pers. Erfahrung Dritter als äquivalentes widersprechendes Argument zu einer schriftlich fixierten allg. anerkannten Gesetzesgrundlage zu akzeptieren, ganz egal in welchen Umständen der Mensch lebt der seine Erfahrung berichtet. Deine Erfahrung und Meinung ist nicht mehr oder weniger wert weil du arm oder reich bist und sie bleibt eine unbelegte Meinung und damit weniger glaubwürdig als eine ges. Grundlage selbst wenn andere den Bückling machen wenn du von der Armut erzählst, zumal du keine konkrete Aussage zu der Höhe und der Begründung machst. Nur weil ich nicht unter diesen Umständen leben wollte muss ich nicht meine Überzeugung über Bord werfen wenn du allg. Aussagen ohne Konkretisierung aufstellst.Bild

Milena
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Do 6. Nov 2008, 18:47 - Beitrag #32

muss ich nicht meine Überzeugung über Bord werfen wenn du allg. Aussagen ohne Konkretisierung aufstellst


...mit dir rede ich nicht mehr mines....

ich habe hier vor aller öffentlichkeit meine unterhose ausgezogen und gesagt und erklärt, mein privates, meine finanzen nach aussen zur schau gestellt,
und du mines, behauptest, dass ich aussagen ohne konkretisierung mache,...
das ist echt der hammer ....

Feuerkopf
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So 9. Nov 2008, 11:57 - Beitrag #33

Diese Diskussion ist ein klassisches Beispiel von Nicht-verstehen-KÖNNEN.

e-noon,
Hochachtung für den vernünftigen Umgang mit deinem Budget:
Du kannst mit weniger als 8 € pro Tag alle Kosten deines Alltags bewältigen (Miete und Studiengebühren ausgenommen)?

Gut, Studenten sind günstig krankenversichert und bekommen in NRW ein Semesterticket, somit entfällt die Notwendigkeit eines PKW. Ob die GEZ Gebühren von ihnen erhebt, hängt davon ab, ob sie BaföG beziehen oder noch bei den Eltern leben.
Braucht man eine Hausrat- oder Haftpflichtversicherung? Was ist mit privater Altersvorsorge oder Bausparvertrag? No risk no fun.
Hat man einen I-Netzugang, kann man auf Tageszeitung und Kinogänge verzichten, Briefe verschickt man eh nicht mehr.
Kleidung kann man second hand kaufen und die Lebensmittel im Discounter.

BAföG - Glossar
Höchstsatz (§§ 12-14)
Der BAföG-Höchstsatz beträgt seit August bzw. Oktober 2008 643 €.

BAföG in dieser Höhe bekommt man aber nur als selbst kranken- und pflegeversicherteR StudierendeR, die/der zur Miete (Miete >= 218 €) wohnt. Dazu kommt natürlich, dass die Eltern entsprechend wenig Einkommen haben müssen und nur geringes eigenes vorliegt. Und noch einige Bedingungen mehr. Wirklich den Höchstsatz ausgezahlt bekommen daher nur wenige.

Quelle

wg. Vergleich mit den 50er Jahren:

Dieser Vergleich ist unlauter. Man kann nicht eine heutige Lebenssituation mit der vor 50 Jahren vergleichen. Wenn überhaupt, muss man den heutigen Durchschnitt als Maßstab anlegen, so wie man in den 50ern den damaligen Durchschnitt nehmen musste. Der Warenkorb ist völlig anders, die Wohnsituation ebenfalls.
Selbst wenn ich sozialromantische Vorstellungen der jungen Generation erschüttern sollte: Meiner Familie ging es in den 1950ern nicht schlecht, obwohl mein Vater als allein verdienender Arbeiter 60 Stunden in der Woche schaffte. Wir hatten eine Wohnung, Telefon, einen Motorroller und gescheite Garderobe, obwohl es weder Discounter noch Second-Hand-Läden gab. Sogar Urlaub saß für meine Eltern dran.

mine'S,
mit Verlaub, du trollst.

Lykurg
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So 9. Nov 2008, 12:13 - Beitrag #34

Zitat von Feuerkopf@e-noon:Du kannst mit weniger als 8 € pro Tag alle Kosten deines Alltags bewältigen (Miete und Studiengebühren ausgenommen)?
Ich konnte es jedenfalls; auch in Wien gab/gibt es relativ günstige Semestertickets. Mit einem Auto war/ist man dort nicht unbedingt gut dran, und ich könnte mir auch heute noch keines leisten bzw. fände es für mich eine sehr unvernünftige Belastung, stattdessen lege ich lieber was zurück. Mir ist klar, daß das für Nicht-Studenten und in Nicht-Metropolen so nicht geht.
Private Altersvorsorge und Haftpflicht ja, Hausratsversicherung und Bausparen nein: In meinem Wiener 'Haushalt' gab es fast nichts von Wert.

Die Vergleichbarkeit ist sicher schwierig. Trotzdem sollte es nicht nur möglich sein, Durchschnitt mit Durchschnitt zu vergleichen, sondern auch die weitestgehend Mittellosen von damals mit denen von heute. Wäre interessant, wo es Quellen dazu gibt.

Feuerkopf
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So 9. Nov 2008, 12:18 - Beitrag #35

Zitat von Lykurg: Die Vergleichbarkeit ist sicher schwierig. Trotzdem sollte es nicht nur möglich sein, Durchschnitt mit Durchschnitt zu vergleichen, sondern auch die weitestgehend Mittellosen von damals mit denen von heute. Wäre interessant, wo es Quellen dazu gibt.


Die Mittellosen von damals und heute leb(t)en auf der Straße. Sie heißen Obdachlose und leben von Almosen.

Lykurg
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So 9. Nov 2008, 12:32 - Beitrag #36

Ich weiß, daran dachte ich auch. An ihrer Situation hat sich vermutlich wenig verändert, möglicherweise ist durch soziales Erkalten hier sogar eine Verschlechterung eingetreten, das wäre aber meines Erachtens gesondert zu diskutieren. - Deswegen schrieb ich auch "weitestgehend", was mir eine hinlänglich deutliche Unterscheidung schien. Dein Zehentritt zeigt mir, daß dies nicht genügte; ich bedaure es.

Feuerkopf
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So 9. Nov 2008, 13:06 - Beitrag #37

Lykurg, ich wollte dich gar nicht treten. ;)

Der wesentliche Unterschied in der Wahrnehmung finanziellen Mangels liegt in den nicht vergleichbaren Lebensumständen der hier Schreibenden.

Ein Student, der monatlich über ein festes Budget verfügt, aber (ich unterstelle das mal den Matrixlern, man möge mich ggfs. korrigieren) gleichzeitig auch noch den Rückhalt eines Elternhauses hat, das bei Bedarf einspringen kann und der ausschließlich für sich selbst verantwortlich ist, lebt unter ganz anderen Bedingungen als jemand, der über diesen Background nicht verfügt.
Hinzu kommt, dass ein Student erst am Anfang einer Berufslaufbahn steht und mit einiger Wahrscheinlichkeit nach einigen Jahren der Einschränkung über ein gesichertes Einkommen verfügen wird.
(Btw, das Studium ist auch eine Sozialleistung an den Studenten, eine fast entgeltfreie Investition in die Zukunft, wenn wir mal US-amerikanische Bedingungen als Vergleich heranziehen.)

Jemand, der die 40 überschritten und von seinem Job nicht mehr leben kann, ist in einer völlig anderen Situation. Sind noch Kinder involviert, ist zudem die psychische Belastung anders zu sehen.

In meiner Arbeit bei der Telefonseelsorge spreche ich sehr häufig mit Menschen, die Leistungen nach Hartz 4 beziehen. Durch die Bank entsteht nach einer Weile eine typische Form der Depression. Wer arbeiten WILL, aber nicht DARF, bzw. nicht davon leben kann, fühlt sich nutzlos bis parasitär. Es gibt genügend Menschen, die sich schämen, die ihnen zustehende Hilfen anzunehmen. Diese Depression entwickeln auch Menschen, die nur kurze Zeit arbeitslos sind.
Hinzu kommen wirklich existenzielle Sorgen. Es müssen Wohnungen aufgegeben werden, die minimal zu groß sind. Es gibt immer mehr Menschen, die die Hilfe der "Tafeln" oder Suppenküchen annehmen müssen.
Ihr würdet euch wundern, welche Biografien hinter den Schicksalen stehen. Wie wenig nötig ist, um von einer gesicherten Mittelstandsexistenz in die Armut abzugleiten. Manchmal reicht ein Schicksalsschlag, der einen aus der Bahn wirft.
Auch Studenten sind davor nicht gefeit.

e-noon
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So 9. Nov 2008, 17:59 - Beitrag #38

Hi Feuerkopf,
ich finde es schön, dass das Thema doch noch weiterdiskutiert wird, und dass auch allgemeine Einwände kommen, die (zumindest bei gleichzeitigen allgemeinen Aussagen) nützlicher sind als persönliche Beispiele (deren Wahrheitsgehalt natürlich nicht angezweifelt wurde).

Auf Kinder brauche ich nicht einzugehen, dass man Kinder mit Hartz-IV unmöglich anständig durchbringen kann, ohne erhebliche Einschränkungen, ist selbstverständlich, darum hatte ich das in meinem Post auch ausgenommen. Ebenso sind Schicksalsschläge, teure Krankheiten,Behinderungen etc. nichts, was man sich mit Hartz-IV noch "leisten" kann, das ist auch klar. Selbst eine kaputte Waschmaschine kann dann zum großen Problem werden, wie sich in meiner WG grade zeigt.

Kurze Frage: Was ist schlimm an Tafeln? Ich kenne auch (ehemalige) H-IV-Empfänger, die dort hingingen, ich finde das sehr praktisch und eine gute Gelegenheit zu sparen, somit eine echte Hilfe.
Ich käme natürlich nicht mit dem Geld aus, das ein Hartz-IV-Empfänger bekommt; aber der muss sich auch nicht die kompletten Shakespeare - und Forsterwerke kaufen (ca. 120 € auf einmal), ebensowenig wie Studiengebühren zahlen (die ich rausgerechnet hatte).

Meine These war: Ich, als lediger junger Mensch ohne Kinder, könnte mit zwar unangenehmen, aber nicht menschenunwürdigen Einschränkungen von dem Betrag, der für Hartz-IV-Empfänger zur Verfügung steht, leben. Freunde sind umsonst, Küssen ist umsonst, lesen ca. 10 Euro pro Jahr (Ausweis für Stadtbibliothek), und Essen, Klopapier und Zahnbürste, Shampoo, Spülung und Taschentücher wären auch drin.

Der Einwand mit dem Auto ist berechtigt: Je nach Wohnsituation braucht man es oder nicht. Mich würde es stören, auch wenn ich mir manchmal ein Auto leihe, und es gleich darauf verfluche, wenn ich einen Strafzettel bekomme. In Köln, oder in einem kleinen Städtchen mit nahen Einkaufsmöglichkeiten, braucht man imo weder Auto noch Fahrkartenausweis.

Ich bin fast sicher, dass ich mir das ganze zu einfach vorstelle; aber wenn ich Hartz-VI bezöge, hätte ich meinen Laptop und einen Bibliotheksausweis, würde mich ca. 3 Stunden pro Tag um Einkäufe, aufräumen etc. kümmern und den Rest der Zeit spazieren gehen, Freunde besuchen und lesen. Freunde habe ich noch nicht erwähnt, weil die leider nicht voraussetzen lassen, aber die können die Lage sicher auch noch mal deutlich verbessern (auch verschlechtern...). Für eine Weile, für ein paar Monate oder wenige Jahre, ist das gar nicht so schlecht, oder? Natürlich bräuchte man Disziplin, man müsste sich auch weiterbilden evtl. und Sport machen, damit man nicht irgendwann aus der Wohnung rollt oder verdummt, aber insgesamt... ?

Obdachlos, also komplett mittellos sein, ist natürlich am schlimmsten. Wenn man Hartz-IV ohne Wohnung bekommt, also in den Hartz-IV-Wohnungen oder auf der Straße leben muss, ist man so ziemlich unten angekommen, würde ich sagen. Dass das noch menschenwürdig ist, finde ich nicht, auch wenn viele meiner Meinung nach vorhandene Möglichkeiten, sich wieder halbwegs zu integrieren, ungenutzt lassen. Ich persönlich empfinde es schon als Zumutung, im Winter überhaupt vor die Tür zu müssen, und der Weg zwischen Uni und Wohnung ist recht kurz, und auf beiden Seiten ist es warm. Aber um Obdachlose ging es mir in meinem Post nicht, sondern um "normale" Hartz-IV-Empfänger, die in einer kleinen Wohnung mit besagtem Monatssatz leben. Hoffe, dass dieser Post mögliche Missverständnisse geklärt hat :wink:

Milena
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So 9. Nov 2008, 18:32 - Beitrag #39

und dass auch allgemeine Einwände kommen, die (zumindest bei gleichzeitigen allgemeinen Aussagen) nützlicher sind als persönliche Beispiele

...verstehe ich nicht wirklich, aber brauche es auch nicht.

Kurze Frage: Was ist schlimm an Tafeln?


...wirst dir eines tages mal selbst beantworten können diese naive frage(wenn reifer und selbst in der notlage)...was ich dir aber nicht wünsche hiermit....

Hoffe, dass dieser Post mögliche Missverständnisse geklärt hat


...auf jeden fall.

e-noon
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So 9. Nov 2008, 19:45 - Beitrag #40

...verstehe ich nicht wirklich, aber brauche es auch nicht.
Sicher braucht hier keine im Forum irgendwas verstehen, ich gehe aber davon aus, dass wir einander verstehen wollen, interpretiere also dein Unverständnis als freundliche Nachfrage. Also, ich gebe zunächst ein vereinfachtes Beispiel, dann wende ich es auf den konkreten Fall hier an, ja?
1. Beispiel:
Wenn jemand eine allgemeine Aussage aufstellt, wie: "Alle Menschen tragen rote Pullover", dann hilft es nicht, Menschen aufzuzählen, die rote Pullover tragen. Warum? Weil man nicht alle Menschen persönlich kennt und daher nicht wissen kann, welche Menschen rote Pullover tragen und wann und so weiter.
Also kann man sagen: In der STatistik so und so steht, dass 1000 von 1000 Haushalten mindestens 10 rote Pullover aufweisen. Dann kann man hochrechnen und sagen, wahrscheinlich tragen die allermeisten Menschen irgendwann mal rote Pullover. Man kann auch im Gegenteil 100 von 1000 Haushalten finden, in denen keine einzigen roten Pullover rumliegen, dann ist die Wahrscheinlichkeit niedrig, dass alle Menschen rote Pullover anhaben. Was eher nicht hilft, ist, die eigenen roten Pullover beschreiben, ihre Schattierungen und die Häufigkeit des Tragens, sowie die von zwei bis sieben Freunden. Denn das sind einfach zu wenig Menschen, um eine Aussage über alle Menschen zu machen.

Konkrete Anwendung: Wenn jemand sagt "Mit Hartz-IV kann man nicht menschenwürdig leben", dann ist das eine allgemeine Aussage. Ich glaube dir, dass du mit Hartz-IV nicht menschenwürdig leben kannst, wenn du das sagst, denn ich habe keinen Grund, an deiner Aussage zu zweifeln; Aber das heißt nicht, dass das für alle oder auch nur die meisten anderen Menschen zutrifft, vor allem für die, die zum Beispiel keine Kinder haben, keine Krankheiten, kaum Bedürfnisse, was auch immer. Daher ist das Aufzählen von Beispielen zur Illustration sinnvoll, zum Beweis der Aussage aber nicht ausreichend, meiner Meinung nach.


...wirst dir eines tages mal selbst beantworten können diese naive frage(wenn reifer und selbst in der notlage)...was ich dir aber nicht wünsche hiermit....
Das ist auch keine besonders hilfreiche und sachliche Antwort... Ich beziehe selber oft Essen von der Tafel, da meine Mitbewohnerin recht bedürftig ist, aber nicht alles essen kann oder will, was sie da bekommt. Die Sachen sind lecker und meist qualitativ nicht unter dem, was ich sonst auch esse, zudem kosten sie nichts. Was ist also schlimm daran?
(Wohlgemerkt - was ist schlimm an der TAFEL, nicht daran, dass man so arm ist, dass man da hin muss, falls aus irgendwelchen Gründen an der Intention der Frage gezweifelt wird).

PS: Bitte keine zweisätzer als Antwort auf einen so langen Post, dann hab ich das Gefühl, ich habs umsonst geschrieben... danke. :D

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